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aus den Fasti des Ovid, obgleich in Distichen geschrieben, keine Elegien; eben so wenig wie die herrliche vergilische Episode oder mehrere (lyrische) Stücke des Catull, wenngleich gewiss os darin ist, zu den Elegien gerechnet werden dürfen. Auch die Klage Ariadnes von Catull ist nicht elegisch, denn die Klage an sich macht keine Elegie, wenigstens nicht im strengeren Sinne der Alten. So, denke ich, sollen grade diese Stücke durch ihre Unähnlichkeit bei aller Aehnlichkeit dazu dienen, das Wesen der Elegie in ein noch klareres Licht zu stellen.

Am Befremdlichsten mag auch so noch die vergilische Episode Manchem erscheinen, da sie nicht einmal von einem sonst elegischen Dichter herrührt. Indess ausser ihrer ganzen Färbung liegt in dem έñi¶ávηua, welches die gemüthvolle Theilnahme des Dichters an seinem Stoffe ausspricht, eine Begründung des Anspruchs in eine elegische Sammlung, welche sich freiere Grenzen setzt, aufgenommen zu werden. — Aber, könnte man einwenden, wird sie nicht in der regelmässigen Vergillectüre wiederkehren? Nach Ausweis der Programme bewegt sich die Classenlectüre überwiegend innerhalb der ersten sechs Bücher der Aeneis- und mit Recht. So ist vielmehr zu fürchten, dass Nisus und Euryalus für viele Sekundaner ganz verloren gehen. Darum glaubte ich dem geäusserten Wunsche nachgeben zu dürfen, jene Stelle wenigstens als Anhang der Auswahl hinzuzufügen und so dem Schüler meinethalben zu erhalten.

Ich habe oft bei der Erklärung des Horaz den Wunsch gehabt, dass die Schüler die Elegiker kennen möchten. Denn in manchem Betracht lässt sich dem Horaz eine hellere Beleuchtung geben, wenn man ihn den Schülern unter den Mitstrebenden seines Zeitalters zeigt oder auch nur bei einzelnen Stellen oder ganzen Oden für die Sermonen gilt es viel weniger die Auffassung desselben Verhältnisses oder Ereignisses oder persönlichen Momentes bei seinen poetischen Genossen vergleichen kann: ich erinnere als an ein recht sprechendes Beispiel an die Auffassung des Sieges von Actium

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und des Todes der Cleopatra bei Horaz und Properz. Allein Properz und die andern Zeitgenossen sind dem Primaner leere Namen.

Wie leicht könnte da die Privatlectüre nachhelfen? Damit ist der eine Zweck dieser Auswahl bezeichnet und zugleich erklärt, warum in den Anmerkungen gern und oft an Horaz erinnert ist. Natürlich lassen sich diese Reminiscenzen leicht vermehren - ja ein ordentlicher Primaner wird es selbst schon können. Es sollen auch nur gelegentliche Aufmunterungen sein.

Noch besser wäre es freilich, wenn sich in der poetischen Schullectüre Platz für die Elegie gewinnen liesse. Ich denke, wenn ich dies sage, daran, dass zwei Jahre für die Metamorphosen des Ovid überaus reichlich sind vielleicht auch für Vergil. Zudem ist der Sprung sehr gross, den der Tertianer von seinem Ovid zum Vergil in Secunda bei der Versetzung machen muss. Da könnte die Auswahl wohl als Brücke dienen. Die Unterbrechung der sonst vierjährigen epischen Lectüre durch Elegisches würde von vornherein das Interesse anregen. Zudem fühlt sich der Schüler diejenige Periode des römischen Alterthums, mit welcher er sich am Meisten zu beschäftigen hat, menschlich näher gebracht. Denn es liegt im Wesen der Elegie, dass sie die Theilnahme des Gemüthes anspricht.

Diese zwiefache Aufgabe der Auswahl hat auf die Einrichtung der Erklärung massgebend eingewirkt, indem ich dabei mit herzlichem Danke den Winken folgte, die von einer Seite mir geworden sind, auf der wir Preussen die volle Autorität wie für die Erziehung d. h. Bildung des Willens, so für den Unterricht finden. Sprachliche Erläuterungen sind im Allgemeinen nicht gegeben, ausser etwa ein seltner Wink für das Verständniss besonders schwieriger Stellen. Dagegen sind die literarischen, historischen, geographischen und, wo es Noth that, antiquarischen Beziehungen theils in Einleitungen, theils in Anmerkungen erläutert. Was ein ordentliches Schullexicon genügend bietet, ist selbstverständlich weggelassen. Dabei habe ich versucht, die Anmerkungen möglichst so einzurichten, dass

nicht gleich dem Schüler alles mundrecht gemacht würde, sondern dass aus demjenigen Autor, der das Material zur Erklärung bietet, nur die betreffende Stelle selbst unter den Text gesetzt ist, wenn nicht bestimmte Gründe dagegen sprachen. Bloss citiert sind in der Regel nur diejenigen Schriftsteller, welche ein Schüler selber besitzen muss. So wird dem Schüler zugemuthet, sich auf die Anmerkungen auch zu präparieren: aber ich hoffe, das nützt ihm mehr, als wenn ihm durch Anmerkungen Arbeit und Nachdenken gar zu sehr erspart wird.

Ein solcher Commentar kann nicht die Absicht haben, die Erklärung des Lehrers überflüssig zu machen. Er will nur im Interesse der Concentrierung und Intensität des Unterrichts helfen, dass der Lehrer nicht immer durch die Erklärung der Sachen aufgehalten werde: denn eine rechte Erklärung, zumal eines Gedichtes, hat Besseres zu thun.

Dem Texte sind im Allgemeinen die Teubner'schen Ausgaben zu Grunde gelegt unter Vergleichung der wichtigeren sonstigen Ausgaben, von denen namentlich Lucian Müller's neue Ausgabe der Elegiker, welche die Summe des bisher Geleisteten zieht, noch während des Druckes mit vielfachem Nutzen hat zu Rathe gezogen werden können. Für den Anhang aus Vergil ist natürlich auf O. Ribbeck zurückgegangen.

Und so möge denn dieser Versuch der römischen Elegie in unsern Schulen eine festere Stätte zu gewinnen der wohlwollenden Nachsicht der Amtsgenossen empfohlen sein, und möge auch in seiner Art der Jugend nützen, an deren unsterblichem Theil zu arbeiten Gott uns verordnet hat.

Halle, den 10. September 1870.

B. Volz.

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