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Gebiete der Nogat- und Weichsel-Niederung trockenzulegen und ertragfähig zu machen, wandte man sich auch in dieser Angelegenheit an den bisher so vortrefflich bewährten Konstrukteur Ferdinand Schichau. Er entwarf und konstruierte Entwässerungsanlagen, für deren Vorzüglichkeit und Dauerhaftigkeit die Tatsache spricht, daß noch heute viele der ältesten zur vollen Zufriedenheit in Betrieb sind.

Neben diesen Arbeiten, die gewissermaßen schon Spezialitäten der jungen Firma geworden waren, wurden mit gleicher Sorgfalt auch die verschiedensten andern Bestellungen ausgeführt. Bald waren es Oel- und Mahlmühlen, dann wieder Brennereien und Sägewerke, oder es handelte sich um Dampfmaschinen für industrielle Betriebe, um die beste Konstruktion landwirtschaftlicher Maschinen oder um Prähme und dergleichen.

Mit den Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit der Schichauschen Fabrik mußte aber auch ihre Erweiterung Schritt halten. Da das Grundstück auf drei Seiten von Wohnhäusern verschiedener Besitzer eingeschlossen und auf der vierten durch den Aschhofgraben abgeschnitten war, gelang es Schichau nur unter großer Mühe und hohen Geldopfern, nach und nach neues Gelände hinzu zu erwerben, das stets auch sofort mit Gebäuden für den Fabrikbetrieb besetzt wurde.

Im Jahr 1851 trat Schichau in Beziehungen zur Kriegsmarine, und zwar wurde ihm für die auf der Werft yon J. W. Klawitter in Danzig in Bau befindliche Radkorvette » Danzig<< die Herstellung der Maschinen und Kessel übertragen. Diesen folgten 1859 die Maschinenanlagen der auf der Mitzlaffschen Werft in Elbing erbauten hölzernen Kanonenboote »Jäger« und »Crocodil« und 1862 diejenigen für die Kanonenboote »Basilisk« und »Blitz«<, die in Wolgast erbaut wurden.

Immer größere und bedeutendere Maschinenanlagen wurden nun Schichau übertragen, so das große Pumpwerk für die Kanalisation der Stadt Danzig, das sich bis heute bewährt hat, später (1879) ein ähnliches, nur noch größeres Pumpwerk für Breslau und die mächtigen Betriebsmaschinen für die Königlichen Gewehrfabriken in Danzig und Erfurt.

Allen praktischen Neuerungen in der Maschinenkonstruktion, soweit sie aussichtsvoll waren, ließ Schichau besondere Aufmerksamkeit angedeihen. Zu diesen Neuerungen gehörte, die Einführung der Verbundbauart für ortfeste Maschinen, die sich in stehender Anordnung namentlich in ihrer späteren Gestalt als Dreifachexpansions-Maschine wegen ihrer Einfachheit, Uebersichtlichkeit und höchst wirtschaftlichen Ausnutzung der größten Beliebtheit erfreute und reichliche und große Aufträge aus dem In- und Auslande zuführte. Besonders die immer weitere Ausdehnung der elektrischen Anlagen zu Beleuchtungszwecken machte den Städten die Beschaffung schnellaufender und ruhig und gleichmäßig arbeitender Maschinen zum Betrieb der Dynamos zur Notwendigkeit, und diesen Anforderungen genügten die Schichauschen Verbund-, Dreifach- und Vierfach-Expansionsmaschinen in hohem Grade. Viele größere Städte des Kontinents, z. B. Rom, Madrid, Barcelona, Budapest, Moskau, St. Petersburg, Warschau, Kiew, Wladiwostok, Altona, Berlin, Bremen, Breslau, Danzig, Halle, Hamburg, Hannover, Königsberg, Lübeck usw., sowie auch Lima (Peru) und Chicago (Vereinigte Staaten von NordAmerika) besitzen in ihren Kraftwerken für elektrische Beleuchtung und Straßenbahnbetrieb Dampfmaschinen, die aus den Schichau-Werken hervorgegangen sind und sich durch ruhigen Gang und eine unverwüstliche Lebensdauer auszeichnen.

Nachdem durch den Baggerbau der indirekte Anfang zum Schiffbau gemacht worden war, lag im Hinblick auf die bereits ausgeführten Schiffsmaschinenaufträge für Schichau der Gedanke nahe, auch den Bau von Schiffskörpern in den Kreis seines Wirkens zu ziehen. Zu jener Zeit, in der sich die bedeutungsvolle Umwandlung des Holzschiffbaues in den Eisenschiffbau vollzog, erkannte Ferdinand Schichaus scharfer Geist sofort, welche reichen Aussichten sich für seine Firma eröffneten, wenn er den rechten Augenblick benutzte, selbst den Bau größerer eiserner Schiffe zu übernehmen. Anfangs der fünfziger Jahre erwarb er an einem Nebenarm des nicht weit von Elbing ins Frische Haff mündenden Elbingflusses ein

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Als im Jahr 1857 die Königlich Preußische Ostbahn von Berlin nach der russischen Grenze eröffnet wurde, war für Schichau der Augenblick gekommen, in dem er mit Aussicht auf Erfolg auch den Bau von Lokomotiven aufnehmen konnte. Im April 1860 wurde die erste Lokomotive auf das Gleis am Bahnhof gebracht. Bei der steigenden Produktion sah sich Schichau veranlaßt, im Jahr 1869 unmittelbar an der Ostbahn in der Nachbarschaft des Bahnhofes ein großes Gelände anzukaufen, auf dem er eine neue Lokomotivfabrik errichtete, welcher noch die Kesselschmiede und die Hammerschmiede angegliedert wurden. Durch zahlreiche Erweiterungs- und Umbauten wurden die Lokomotivfabrik und die mit ihr zusammenhängenden Betriebe den im Laufe der Jahre sich steigernden Anforderungen angepaßt, bis in den Jahren. 1906 und 1907 unter voller Aufrechterhaltung des Betriebes die bisherige Lokomotivfabrik in ein durchaus modernes, übersichtliches und den größten Anforderungen der Neuzeit genügendes Werk umgebaut wurde.

Eine besondere Abteilung in den Schichauschen Betrieben bildete der Bau und die Einrichtung von Zuckerfabriken. Auf diesem Gebiete sind die Fabrikanlagen in Marienburg, Hirschfeld, Rastenburg, Riesenburg, Gr.-Zünder, Marienwerder, Dirschau, alle mit fast gleicher Leistungsfähigkeit von etwa 5000 Zentnern Rübenverarbeitung in einem Tage, von Schichau hergestellt.

Wie bereits erwähnt, hatte Schichau im Jahr 1873 die Mitzlaffsche Schiffswerft angekauft und für den Eisenschiffbau eingerichtet. Damals trat auch als Leiter des Schiffsmaschinenbaues der heutige Inhaber der Schichau-Werke, Ingenieur Ziese, in den Betrieb der Firma Schichau.

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Auf der umgestalteten und mit 5 Längshellingen versehenen erweiterten Werftanlage zeigte sich nun eine rege Bautätigkeit. Neben einigen für Pillau und Memel ausgeführten Baggerbauten und einigen Seedampferbauten entwickelte sich eine Spezialität der Werft, die in mancher Beziehung größere Anforderungen stellte. Es war dies der Bau besonders leichter und flachgehender Flußdampfer, wovon im Verlauf der Jahre eine größere Zahl für den Transport von Passagieren und Waren auf den russischen Flüssen hergestellt wurde. Die russische Zollpolitik, welche die Einfuhrzölle erhöhte und dadurch den Preis der Schiffe um etwa 30 vH steigerte, hat natürlich in neuerer Zeit den ungünstigsten Einfluß auf die, weitere Entwicklung dieses Geschäftes nach Rußland ausgeübt.

Auch für den Rhein wurde eine Anzahl großer Schleppdampfer mit sehr kräftigen Maschinen von 1000 bis 2000 PS; erbaut. Besterwogene Materialverteilung am Schiffskörper und eine möglichst leichte, dabei doch kräftig konstruierte Maschine gestatteten, die gestellten Bedingungen für einen geringen Tiefgang zu erfüllen.

Im Jahr 1878 ging der Firma ein Schiffbauauftrag von der Kaiserlich deutschen Marine zu, für welche sie, wie bereits erwähnt, schon mit bestem Erfolge Schiffsmaschinen geliefert hatte. Es handelte sich um den Bau der beiden Kanonenboote »Habicht« und »Möve« von 53 m Länge, 8,9 m Breite und 850 t Wasserverdrängung, für welche Maschinen von 600 PS; vorgeschrieben waren, die den Schiffen eine Geschwindigkeit von 11 Knoten erteilen sollten. Diese

Kanonenboote erhielten von Schichau die ersten VerbundSchiffsmaschinen der deutschen Marine.

Nach Erfindung des Torpedos zu Beginn der 60er Jahre machte England die größten Anstrengungen, zu einer brauchbaren Form für Torpedoboote zu gelangen. Für die SchichauWerke waren die Vorbedingungen einer glücklichen Lösung dieser schwierigen Aufgabe vorhanden; denn die Schichauschen Dampfmaschinen zeichneten sich neben ihrer sorgfältigen Konstruktion infolge der Verwendung nur allerbesten Materiales durch ihre Leichtigkeit aus. Mit ihnen war es möglich, in dem kleinsten Schiffsraume die erforderliche Triebkraft für eine hohe Geschwindigkeit zu entwickeln.

Im Jahr 1877 lieferte Schichau das erste auf seiner Werft entstandene Torpedoboot an die russische Marine ab. Der Erfolg war so glänzend, daß schon im Februar 1878 ein weiterer Auftrag auf Lieferung von 10 Torpedobooten für die russische Marine folgte.

In Verfolgung der Idee, den Dampfverbrauch noch weiter zu verringern, konstruierte Ziese 1881 die erste DeifachExpansionsmaschine auf dem europäischen Kontinent.

Von der deutschen Kriegsmarine wurde Schichau erst 1883 der Bau der ersten Torpedo boote übertragen; im nächsten Jahre aber lieferte er derselben bereits 22 Stück, die durch ihre Schnelligkeit von mehr als 22 Knoten das Aufsehen der gesamten Fachwelt erregten.

In der Nacht vom 29. Februar zum 1. März 1884 traf die Schichausche Fabrik ein Feuerschaden. Trotzdem stockte der große Betrieb nicht einen Augenblick; an Stelle der niedergebrannten Gebäude entstanden in kürzester Zeit neue, allen Anforderungen der Neuzeit entsprechende, die noch insofern eine Erweiterung erfuhren, als Schichau auf dem angrenzenden Grundstück der vormals Steckelschen Maschinenfabrik, das er angekauft hatte, eine neue Gießerei erbauen ließ.

Im Jahr 1884 fand in der Eckernförder Bucht bei Kiel eine Erprobung, man kann ohne weiteres sagen, ein Wettrennen von Torpedobooten verschiedenartiger Herkunft statt. Das Ergebnis dieser mit peinlicher Gewissenhaftigkeit durch die Reichs-Kriegsmarine ausgeführten Erprobung war, daß sich das Schichau-Boot allen übrigen Mitbewerbern überlegen zeigte und daß Schichau alle gestellten Bedingungen in vorbildlicher Weise gelöst hatte.

Am 23. April 1900 ließ die Schichau-Werft bereits das 100 ste Torpedo boot für die deutsche Marine vom Stapel, und gegenwärtig hat sie das 179 ste für diese Marine im Bau, während sie insgesamt bereits über 380 Torpedoboote erbaut und an die Marinen fast aller Kulturstaaten, u. a. Oesterreich Ungarn, Italien, Rußland, China, Japan, Türkei, Brasilien, Schweden, Norwegen, Dänemark, Argentinien, geliefert hat.

Berechtigtes Aufsehen erregten u. a. die vier Torpedobootzerstörer, die Schichau im Jahr 1898 für die chinesische Regierung lieferte und die mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 36,7 Knoten einen Weltrekord schufen, der noch jetzt nach 12 Jahren nicht übertroffen worden ist. Für ihre große Seetüchtigkeit und die Wirtschaftlichkeit ihrer Maschinen legten diese Boote dadurch Zeugnis ab, daß sie unter eigenem Dampf und ohne Zwischenfall die Reise von Elbing nach China machten und hierbei einen so großen Aktionsradius hatten, daß sie die Strecke von 3550 Seemeilen von Port Said nach Colombo zurücklegten, ohne in Aden wegen Kohlen und Wassers anzulaufen; ja, es wäre ihnen sogar eine noch längere Dampfstrecke möglich gewesen. Während des russischjapanischen Krieges, also nach 7 Jahren, und nachdem die Boote bereits in chinesischem Dienste gewesen waren, wurde das nach der Einnahme der Taku-Forts in russischen Besitz übergegangene Boot ununterbrochen als Blockadebrecher zwischen Port Arthur und Kiautschou benutzt, was sicherlich für die große Geschwindigkeit und Solidität des Bootes und aller seiner Einrichtungen den Beweis liefert.

Im Mai 1902 hatte eines der drei von der deutschen Marine seinerzeit nach Ostasien entsandten Schichau-Torpedoboote, »S 90«, auf einer Reise von Nagasaki nach Tsingtau einen gefährlichen Taifun zu bestehen. Aus dem Reiseberichte des Kommandanten seien folgende bemerkenswerte Stellen entnommen:

deutscher Ingenieure.

>>Nachdem das Boot Nagasaki am 1. Mai 1902 mittags verlassen hatte, fiel das Barometer stetig. Es kam schwerer Südseegang auf. Eine Umkehr nach Nagasaki war für das Boot unmöglich. Gegen Abend nahm der Wind bis auf schweren Sturm zu. Das Boot wurde nicht ein einziges Mal quer geworfen. Trotz der starken Beanspruchung ist der Bootskörper absolut dicht geblieben. Bei heftigem Gewitter gingen dann überaus starke Regengüsse nieder. Auch beim Andampfen gegen die schwere See machte das Boot sich ausgezeichnet. Nachdem der Höhepunkt des Sturmes überstanden, wurde noch eine schwere Dünung angetroffen, in welcher das Boot stark arbeitete.<«<

Der Bericht schließt mit den Worten:

>>Die Fahrt hat gezeigt, daß »S 90« ein vorzügliches Seeboot ist, zu dem Kommandant und Besatzung volles Vertrauen gewonnen haben.«

Die Vorzüge der Schichau-Boote sind sowohl in der Konstruktion des Schiffskörpers, dessen Stabilität selbst der schwersten See und dem gefürchteten Taifun standzuhalten vermag, als auch in der Verwendung nur allerbesten Materiales und in der praktischen Raumausnutzung sowie in ihren starken und dabei doch leichten und wenig Raum beanspruchenden Maschinen begründet.

Die für größte Schiffe nicht ausreichende Tiefe des Elbingflusses und seine zu geringe Breite legten Schichau schon frühzeitig den Gedanken nahe, für die Erbauung gröBerer Schiffe nach einem geeigneten Gelände mit günstigen Wasserverhältnissen Umschau zu halten. Hierfür kamen Pillau und Danzig in Betracht, zwischen welchen beiden Orten die Wahl lange schwankte.

In Pillau hatte Schichau bereits 1889 ein Schwimmdock errichtet, das für größere Torpedoboote und große Ostseedampfer bestimmt war, für welche sich das früher erbaute Dock in Elbing zu klein erwiesen hatte. Diese Anlage in Pillau war ferner mit Reparaturwerkstatt, Magazin, Kohlenlager usw. und mit einem Beamtenwohnhaus verbunden und bewährte sich bei starker Inanspruchnahme, die übrigens auch eine Vergrößerung der Elbinger Dockanlagen und den Bau eines zweiten Schwimmdocks daselbst zur Folge hatte, bestens.

1890 erwarb Schichau in Danzig an der Weichsel ein Gelände von rd. 50 ha, um hier eine große moderne Werftanlage für den Bau von Schiffen jeder Größe herzustellen; denn die Tiefe der Weichsel, an welcher diese Werft in Danzig gelegen ist, ermöglicht ihr den Bau von Schiffen mit unbeschränktem Tiefgang.

Das erste Schiff, das dort in Arbeit genommen wurde, war das auf der Elbinger Werft am 21. März 1891 vom Stapel gelaufene und zum Ausbau nach Danzig gebrachte Aviso- und Torpedo-Depotschiff »Pelikan« für die K. u. K. Oesterreich Ungarische Marine. Am 21. Mai 1893 lief auf dieser Werft die Kreuzerkorvette » Gefion« in Gegenwart des Kaisers vom Stapel. Infolge der zufriedenstellenden Leistungen der neuen Werftanlage auf dem Gebiete des Baues größerer Schiffe gab die Marine 1897 die Kanonenboote >>Iltis« und »Jaguar« in Auftrag, von denen sich das erstere bekanntlich durch seine ruhmvolle Tätigkeit bei der Beschießung der Takuforts auszeichnete und als einziges Schiff der deutschen Kriegsflotte den Orden »Pour le Mérite« am Bug führt. Weiter folgten dann die Panzerschiffe » Kaiser Barbarossa<«<, >>Wettin«, »Elsaß«, »Lothringen« und »Schlesien«. Zurzeit befindet sich auf der Schichauwerft in Danzig das Linienschiff »Ersatz Frithjof« in Bau, dessen Fertigstellung im Jahre 1912 bevorsteht. Von den für fremde Rechnung erbauten Schiffen ist besonders der Kreuzer »>Nowik«, ins Deutsche übersetzt »Neuheit«, hervorgetreten, den die Danziger Werft im Jahre 1900 an die russische Kriegsmarine lieferte. Das Schiff verfügt bei 106 m Länge, 12,2 m Breite und rd. 3000 t Wasserverdrängung über Maschinen, die 18000 PS; entwickeln. Infolgedessen war »Nowik« mit einer Geschwindigkeit von 26 Knoten der schnellste Kreuzer der Welt, der sich vornehmlich als Handelszerstörer sowie zum Aufklärungs- und Depeschendienst eignete und sich in hervorragender Weise im russisch-japanischen Kriege bewährte. Heute bildet er eine wertvolle Bereicherung der

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deutsche Industrie, an deren Entwicklung er sich in so hervorragender Weise beteiligt hatte. Das Feld seiner rastlosen Tätigkeit war indessen ausschließlich der Kreis seiner ausgedehnten Werkstätten. Ueber diesen Rahmen ging er nur dann hinaus, wenn es das Wohl seiner Mitmenschen oder höhere industrielle Interessen geboten. Ueberall ein wohlwollender Berater und Helfer, im Verborgenen Werke der Nächstenliebe übend, schuf Schichau in seinen Betrieben

Denkmal des Begründers der Schichau-Werke.

japanischen Kriegsflotte. Im Bau großer und mittlerer transatlantischer Dampfer war die Werft in Danzig wiederholt für den Norddeutschen Lloyd beschäftigt. In vorbildlicher Weise wurde von ihr mit den beiden 1894 vom Stapel gelaufenen Dampfern »Prinzregent Luitpold« und »Prinz Heinrich« die Aufgabe der Schaffung eines wirklichen Tropendampfers für den Fracht- und Passagierverkehr gelöst. Ferner entstanden auf der Danziger Schichau-Werft die Doppelschraubendampfer >> Bremen<< (18 000 t Verdrängung), >>Großer Kurfürst<< (22000 t Verdrängung), »Zieten«, »Seydlitz«<, >>York«, »Kleist«<, >>Derfflinger«, und im Jahre 1909 lieferte die Werft an die Hamburg-Amerika-Linie« den von ihr erbauten Doppelschrauben-Postdampfer » Cincinnati<«< für den überseeischen Passagierund Frachtverkehr, welcher 27500 t Wasserverdrängung hat und für 3500 Passagiere eingerichtet ist.

Zu weiteren bemerkenswerten Erzeugnissen gehört auch der Bau von drei großen Räderdampffähren »Friedrich Franz IV« und »Prinsesse Alexandrine« (auf der SchichauWerft in Elbing erbaut) sowie >>Mecklenburg« (auf der Schichau-Werft in Danzig erbaut). Diese auf Bestellung der General-Eisenbahndirektion Schwerin und der Dänischen Staatseisenbahnen in Kopenhagen gelieferten Schiffe dienen dem Durchgangsverkehr Berlin-Kopenhagen über Warnemünde-Gjedser. Den Reisenden nach und von Kopenhagen ist damit die denkbar größte Bequemlichkeit geboten; denn während vorher die Passagiere mit ihrem Gepäck die Züge verlassen mußten und die Güter umgeladen wurden, fahren jetzt die betreffenden Züge unmittelbar auf die Fähren und werden mit den Passagieren über See geführt, ohne daß ein Umsteigen oder Umladen des Passagiergepäcks erforderlich wird. Auch können nunmehr die sämtlichen Güter, die nach Schweden und Dänemark bestimmt

sind, ihrem Bestimmungsort auf bedeutend kürzerem Wege zugeführt werden. Um auch im Winter den Fährdienst ununterbrochen aufrecht erhalten zu können, ist die Schraubenfähre als außergewöhnlich starke Eisbrechfähre gebaut, welche die Eisstopfungen vor den Hafenmündungen unter allen Umständen durchfahren kann.

Was im besondern die Persönlichkeit Schichaus selbst anbelangt, so blickte auf einen Mann wie ihn, dessen stete Sorge es war, daß sein Unternehmen wie für ihn und seine Familie, so auch für seine Arbeiter, für die Stadt und das Land ein Segen wurde und blieb, nicht nur die Bürgerschaft Elbings mit Stolz als den ihrigen, sondern auch die gesamte

ein so vorzügliches Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie es wohl selten herrscht.

Er war allzeit bemüht, seine Kräfte und Leistungen in den Dienst seiner Mitmenschen zu stellen. Und in seiner Größe war er von bewunderungswürdiger Einfachheit. Sein Wahlspruch lautete: »Ich habe den mir unter Gottes Beistand zuteil gewordenen Besitz nach bestem Wissen und Können haushälterisch zu verwalten«. Leutseligkeit auch gegen die geringsten seiner Arbeiter, ausgesprochener Gerechtigkeitssinn, Kühnheit im Ergreifen neuer Pläne, Zähigkeit im Festhalten an dem für richtig Erkannten, reiche Arbeitsfreudigkeit, wahre Humanität und edle Selbstlosigkeit, alle diese

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hohen Mannestugenden vereinigte Schichau in sich, und er ward hierdurch allen seinen Mitarbeitern zum Vorbild, sie durch sich selbst anregend, ihm unermüdlich nachzufolgen auf der Bahn seines Vorwärtsstrebens. Der Hauptgrund, weshalb Ferdinand Schichau so große Erfolge hatte, war außer seiner Befähigung im Fach seine außerordentlich große Menschenkenntnis. Er verlangte von jedem seiner Beamten und Mitarbeiter, daß sie ihm gegenüber ihre Ueberzeugung klar und offen vortrugen. Er prüfte häufig namentlich neu eingetretene Beamte, indem er ihnen gegenüber absichtlich eine falsche technische Ansicht äußerte. Wehe dem Techniker oder Beamten, der hiergegen nicht ganz energisch Front machte und schließlich seine ganze Stellung in die Wagschale warf. Wehe dem, der zu allem ja sagte und dienerte, er war sofort für ihn ein erledigter Mann. Hierdurch umgab sich Ferdinand Schichau mit einer Zahl ehrlicher, befähigter und energischer Mitarbeiter, die ihm jederzeit ohne Rückhalt die Wahrheit sagten, und hielt von seiner Umgebung alle Bedientenseelen und Charlatane fern.

Wie er im Stillen für seine Arbeiter sorgte, geht daraus hervor, daß er eine große Anzahl von Arbeitern mit Geldmitteln unterstützte, so daß sie in der Lage waren, sich in den Besitz guter Wohnhäuser zu setzen. Außerdem baute er noch eine Menge Arbeiterwohnhäuser. Er war der Schöpfer der Schichauschen Arbeiterpensionskasse, und für den Bau

eines Krankenhauses sowie von Kinderbewahranstalten und ähnlichen Einrichtungen stiftete er große Summen. Die Städtischen Anlagen, das Kasino, in welchem der bessere Teil der Elbinger Gesellschaft ständig verkehrt, das Theater, der bekannte in Elbings unmittelbarer Nähe gelegene Ostseebadeort Kahlberg wurden unter Schichauschem Einfluß und mit seiner Unterstützung immer mehr verschönt. Für Elbings Jugend hat Schichau zu einem großen Spiel- und Erholungsplatz in der Nähe des Bahnhofes die entsprechenden Mittel gespendet, und mehrere Elbinger Schulen und Elbings Gewerbeverein hat er mit reichen Geldspenden unterstützt. Was aber in Elbing nur noch ganz wenigen älteren Bürgern bekannt ist, das ist die Tatsache, daß Schichau insofern im Stillen fortgesetzt für das Wohl und das Emporblühen seiner Vaterstadt sorgte, als er, wo immer nur sich Gelegenheit bot, anregend und fördernd mit Rat und Tat und zuweilen nicht ohne beträchtliche Geldbeihülfen in uneigennütziger Weise schöpferisch wirkte, um auch die Entwicklung andrer Industrien, die außerhalb der Produktion seiner eigenen Werke lagen, in jeder nur möglichen Weise vorzubereiten, zu beleben und zu fördern. Er unterstützte geeignete Persönlichkeiten, indem er ihnen die Wege zur Erreichung der industriellen Ziele wies, für welche er durch seine in hohem Maße überzeugende Darlegung der einschlägigen Verhältnisse zu interessieren verstand, teils mit Geld, teils durch die Konstruktion der für die betreffenden Zwecke erforderlichen maschinellen Einrichtungen. Besondere Erwähnung verdient auch, daß Ferdinand Schichau die gesamte Zuckerindustrie Westpreußens lange Jahre hindurch gehalten und ausgebildet hat. Wenn Schichau nicht mit großen Krediten und mit Rat und Belehrung technischer und kaufmännischer Natur dieser Industrie zur Seite gestanden hätte, so wären viele Zuckerfabriken West- und auch Ostpreußens in früheren ungünstigen Zeitläufen zugrunde gegangen, während sie durch die weise Unterstützung, die ihnen Ferdinand Schichau in jeder Beziehung zuteil werden ließ, heute blühend dastehen. Und im Geiste dieser vornehmen von ihrem Begründer übernommenen Donkungsart, mit demselben rastlosen Fleiß und der unermüdlichen Schaffenskraft werden die Schichau-Werke auch heute noch weiter geleitet.

Als Schichaus Schwiegersohn, der gegenwärtige Inhaber der Schichau-Werke, Geheimer Kommerzienrat Dr.-Ing. Carl H. Ziese, sein 25jähriges Dienstjubiläum beging, boten ihm seine Beamten und Arbeiter als Festgabe ein Schichau-Denkmal dar, um den Gefühlen ihrer Dankbarkeit und Verehrung für den Begründer der Werke Ausdruck zu geben; s. die Textfigur auf S. 1077.

Unter manchen andern treuen Mitarbeitern Ferdinand Schichaus waltet noch heute nach nahezu 50jähriger Tätigkeit Kommerzienrat Ferdinand Siebert als kaufmännischer Direktor und General-Bevollmächtigter der Schichau-Werke seines Amtes.

Nach Uebernahme der Werke durch Carl H. Ziese wurde in Elbing in Anbetracht dessen, daß der Bau der großen Kriegs- und Handelsschiffe fortgesetzt den Stahlguß von Schiffsteilen notwendig machte, eine neue mit allen modernen Hülfsmitteln ausgerüstete Stahlgießerei größten Stiles erbaut. Die Stahlformerei und -gießerei befindet sich in einem 310 m langen, in Eisen ausgeführten Hallenbau, dessen Hauptschiff 20 m Spannweite hat, und der 3 Nebenhallen von je 10 m Konstruktionsbreite umfaßt. Sechs elektrisch angetriebene Laufkrane, und zwar 4 von je 35 t und 2 von je 60 t Tragfähigkeit, befahren die Haupthalle, während 9 ebenfalls elektrisch angetriebene Laufkrane von je 9 t Tragfähigkeit und eine große Anzahl Drehkrane, die teils elektrisch, teils von Hand betrieben werden, die Seitenschiffe bedienen. Für Massenfabrikation sind hydraulisch betriebene Formmaschinen und zum Bearbeiten der Gußstücke 2 große Druckluftanlagen vorhanden.

Die an der Westseite des Gebäudes aufgestellten Siemens-Martin-Oefen können Stahl für Gußstücke bis zu 60 t 60 000 kg Reingewicht liefern. Dieses große Stahlwerk ist imstande, alle Arten Stahlguß bis zu den größten Abmessungen und Gewichten, Maschinen-, Schiffs- und Lokomotivteile, Kesselteile, Dynamoguß, insonderheit große Schiffssteven, Ruder und Ruderrahmen, Propeller, Anker usw. in

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deutscher Ingenieure.

sauberem, dichtem Guß und aus hervorragend zähem Material herzustellen.

Auch die große und hohe Montagehalle ist bedeutend erweitert worden, ebenso die der Lokomotivfabrik angegliederte Kesselschmiede, die jedes Jahr Kessel für Hunderte von Lokomotiven, Seedampfern und für ortfeste Zwecke liefert. Seit 1907 hat F. Schichau den Bau von Dampfturbinen System Schichau für Schiffsantrieb und für jeden ortfesten Betrieb aufgenommen, und es wurde hierfür eine große Turbinenfabrik mit ausgedehntem Versuchstand errichtet. Mit Schichauschen Turbinen ausgerüstete deutsche Torpedo boote erzielten unter Teilnahme der Baubeaufsichtigungs-Kommission der Kaiserlich deutschen Marine eine Höchstgeschwindigkeit von 36,3 Knoten.

Eine elektrische Zentrale von mehreren Tausend Pferdestärken liefert den Strom für Lichterzeugung und Kraftübertragung an alle Werkstätten, Bureaus, Transmissionen und Krane. Für den Bau von Torpedobooten stehen in Elbing 20 Hellinge zur Verfügung, während die Schichau-Werft in Danzig für große Schiffe 6 Hellinge der allergrößten und schwersten Bauart aufweist.

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In einem gedrängten Rückblick seien am Schlusse unsrer Beschreibung die Hauptdaten der Entwicklung der SchichauWerke zusammengefaßt:

1837: am 4. Oktober Begründung der Firma, in der bald darauf 8 Arbeiter tätig waren.

1840: Bau der ersten Hochdruckmaschine. 1841: Bau des ersten in Deutschland hergestellten Dampf

baggers.

1847: Bau der ersten Schiffsmaschine.

Anfangs der fünfziger Jahre: Eröffnung einer Werft für Eisenschiffbau in Elbing.

1855: Schichau liefert den ersten in Preußen erbauten eisernen Schraubendampfer »Borussia«.

1800: Lieferung der ersten Lokomotive. 1870: Errichtung der neuen Lokomotivfabrik. Gesamtzahl der Arbeiter 500.

1873: Eintritt des Ingenieurs Ziese. Vergrößerung der Elbinger Werft. Ablieferung der hundertsten Lokomotive. 1874: Bau des ersten größeren Passagierdampfers. 1877: » » >> » Torpedobootes für die Kaiserlich russische Marine.

1878: Bau der Kanonenboote »Habicht« und »Möwe« und der ersten Verbund Schiffsmaschine für die deutsche Kriegsmarine.

1880: Lieferung der ersten in Deutschland erbauten Verbundlokomotive. Gesamtzahl der Arbeiter über 1000. 1881: Herstellung der ersten auf dem europäischen Kontinent erbauten Dreifachexpansionsmaschine. 1882: Lieferung der ersten in Deutschland erbauten Dreifachexpansionsmaschine für Fabrik- und Dynamobetrieb. 1883: Lieferung des seinerzeit schnellsten Schiffes, des russischen Hochseetorpedobootes >>Adler« von 28,4 Knoten Geschwindigkeit.

1884: Beginn des Baues von Torpedobooten für die deutsche Kriegsmarine. Gesamtarbeiterzahl etwa 2000. Grund-, fläche des Werkes etwa 6 ha.

1889: Errichtung der Dockanlage und Reparaturwerkstätte in Pillau.

1890: Gesamtzahl der Arbeiter etwa 3000. 1891: Errichtung der Schiffswerft in Danzig. Bau des kleinen Kreuzers » Gefion«. Gesamtzahl der Arbeiter über 5000. Gesamtfläche etwa 56 ha.

1892: Bau der ersten großen Dampfer für den Norddeutschen Lloyd.

1896: am 23. Januar Tod Ferdinand Schichaus und Uebergang der Werke in den Besitz seines Schwiegersohnes Carl H. Ziese. Eröffnung des neuen Verwaltungsgebäudes. 1897: Errichtung einer eigenen Stahlgießerei in Elbing. 1898: Lieferung von 4 Torpedobootszerstörern an China, die mit 36,7 Knoten Höchstgeschwindigkeit die schnellsten Schiffe der Welt sind.

Lieferung des Kreuzers »Nowik« von 26 Knoten Geschwindigkeit für die Kaiserlich russische Marine, des damals schnellsten Kreuzers der Welt.

1900: Stapellauf des hundertsten Torpedobootes für die deutsche Kriegsmarine. Stapellauf des Linienschiffes

>> Kaiser Barbarossa«.

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1903: Beginn des Baues von Saugbaggern Bauart Frühling. 1907: >> Dampfturbinen » Schichau für Schiffs- und jeden ortfesten Betrieb. 1892 bis 1907: Lieferung der Lloyddampfer »Prinzregent Luitpold«, »Prinz Heinrich«, »Bremen«, »Großer Kurfürst«<, >>Zieten«, »Seydlitz«; »York«, »Kleist<< und »Derfflinger<<.

1898 bis 1907: Lieferung S. M. Linienschiffe »>Kaiser Barbarossa«, »>Wettin«, »Elsaß«, »>Lothringen« und >>Schlesien<<. 1909: Lieferung des Post- und Passagierdampfers >> Cincinnati<<< von 27500 t Verdrängung für die HamburgAmerika-Linie.

1903 bis 1909: Lieferung der großen Saugbagger Bauart Frühling: Bagger VII für die Kaiserliche Werft Wilhelmshaven, »Hiddensee« für die Königl. WasserbauInspektion Stralsund-West, Pumpenbagger Nr. III für die Königl. Wasserbau-Inspektion Emden, »>Simson<«< für die Königl. Wasserbau-Inspektion Husum, »>Precursor für die British Dredging Comp., London, »Brunsbüttel« für das Kaiserl. Kanalamt Kiel, »Frühling« für die kanadische Regierung in Vancouver (Nordamerika), »Dimitrie Sturdza« für die Commission Européenne du Danube, Galatz, »Herkules« für die japanische Regierung in Takaw auf Formosa.

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Die Textblätter 15 bis 17 zeigen einzelne Anlagen und verschiedene Erzeugnisse der Werften.

Bis zum Beginn des Jahres 1910 haben die SchichauWerke geliefert: 4650 Dampfmaschinen mit einer Gesamtleistung von 3085000 PSi, darunter 965 Schiffsmaschinen von zusammen 1240 600 PSi und 810 Dreifachexpansionsmaschinen von 1017650 PSi. In den letzten Jahren sind 36 Schiffs- und ortfeste Dampfturbinen System Schichau mit einer Gesamtleistung von 302000 PSe teils fertiggestellt worden, teils im Bau begriffen. Aus den Werken sind ferner 2800 Kessel und 1900 Lokomotiven, darunter 665 Verbundlokomotiven und 170 Heißdampflokomotiven, hervorgeganDie Werften erbauten 850 See- und Flußdampfer und 70 Dampfbagger verschiedener Systeme, darunter 20 Saugbagger Bauart Frühling.

gen.

In zwei Jahren werden die Schichau-Werke auf ihr 75jähriges Bestehen zurückblicken können. Dasselbe Band der Treue und des Vertrauens wie in vergangener Zeit verbindet auch noch heute Arbeiter, Beamte und den Besitzer der Werke und festigt immer weiter den alten guten Ruf, zu dem die treue Arbeit Ferdinand Schichaus den Grund gelegt hat.

Die Talsperre und das Ueberland-Kraftwerk bei Straschin-Prangschin, Kreis Danziger Höhe.')

Von Regierungsbaumeister A. Behrendt und Direktor H. Bökenkamp, herausgegeben von Prof. Dr. G. Rößler.

I. Vorgeschichte.

(hierzu Textblatt 18)

Die Talsperren, die in ihren zahlreichen Ausführungen im Westen des Deutschen Reiches und in Schlesien bereits vielfach als Wasserversorgungs-, Wasserkraft- oder Hochwasserschutz-Anlagen segensreiche Wirkungen ausüben, haben sich neuerdings auch das baltische Hügelland erobert.

Wenn auch die Sperren, die als erste im baltischen Höhenlande an der Radaune bei Stras chin-Prangschin und bei Ruthken zur Ausführung kommen, sich bezüglich der Stauhöhe und der dadurch gewonnenen Wasserkraft mit den in den westdeutschen und schlesischen Gebirgen ausgeführten gemauerten Sperren nicht vergleichen können, so bieten doch auch sie, weil sie unter ganz andern Verhältnissen erbaut und dementsprechend auch anders ausgeführt werden müssen, ein eigenes Interesse.

Die Talsperre bei Straschin-Prangschin im Kreise Danziger Höhe, die größere der beiden Anlagen, verdankt ihre Entstehung der starken Sandführung der Radaune. Im unteren Laufe dieses Flusses und in einem daran angeschlossenen Kanal, der bei mittlerer Wasserführung sämtliches Wasser des Flusses den in Danzig gelegenen Mühlen zuführt, wurden bisher sehr erhebliche Sandmassen angeschwemmt und brachten bei Hochwasser große Gefahren mit sich. Ihre Entfernung verursachte immer von neuem bedeutende Kosten. Es unterblieben jedoch irgend welche Maßnahmen zur Beseitigung dieses Mißstandes, bis im Frühjahr 1888 bei dem Abfluß des außergewöhnlich starken Hochwassers die von der Radaune mitgenommenen Sandmassen zu Deichbrüchen und Ueberschwemmungen am unteren Flußlauf Veranlassung gaben und große Verheerungen in der Danziger Niederung anrichteten. Die daraufhin gemachten Versuche, durch Befestigung der abbrüchigen Ufer und Hänge die Sandführung der Radaune einzuschränken hatten

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zwar gute Erfolge, doch scheiterte die Durchführung entsprechender Maßnahmen an den Kosten. Es sollte alsdann kurz vor dem Austritt des Radaunelaufes aus dem Hügellande und dem Eintritt in die Danziger Niederung ein Sandfang durch Schließung des Radaunetales durch einen ungefähr 8 m hohen Damm hergestellt und der Sand in dem durch die Sperre gebildeten Staubecken aufgefangen werden. Die Kosten für diesen Sandfang sollten aus den Beträgen gedeckt werden, welche alljährlich für die Beseitigung der angeschwemmten Sandmassen ausgegeben werden mußten. Aber auch dieser Plan scheiterte daran, daß die zur Verfügung gestellten Mittel für die Verzinsung der Kosten eines Sandfanges nicht ausreichten.

Um eine bessere Verzinsung der Anlagekosten zu erreichen, wurde dann auf Anregung des derzeitigen Meliorationsbaubeamten in Danzig, Regierungs- und Geheimen Baurats Fahl, die Ausnutzung der durch den Stau gewonnenen Wasserkräfte und die Verbindung einer Ueberlandzentrale mit der Talsperre geplant, wobei der Kreis Danziger Höhe, innerhalb dessen Grenzen die Talsperre erbaut werden mußte und dessen Bewohnern die zu gewinnende elektrische Energie in erster Linie zukommen würde, der eigentliche Unternehmer des Talsperrenbaues werden sollte.

Nachdem eine Prüfung der in Betracht kommenden Verhältnisse gezeigt hatte, daß die Vorbedingungen für das Unternehmen auch in wirtschaftlicher Beziehung günstig waren, übernahm, soweit die Ueberwindung der vorliegenden verwaltungstechnischen und finanziellen Fragen in Betracht kam, der Regierungspräsident von Jarotzki in Danzig die Leitung der erforderlichen Verhandlungen. Seiner bedeutsamen Unterstützung und Förderung dieses Planes ist die schnelle und glückliche Durchführung desselben in der Hauptsache zu verdanken. Sehr wesentlich wurde er in seinen Bestrebungen unterstützt durch die Einsicht und den Unternehmungsgeist der Vertreter des Kreises Danziger Höhe, welche sich unter Führung des Landrats Venske bereit erklärten, als Träger des Unternehmens und Bauherren aufzutreten, nachdem Staat und Provinz die Bewilligung von Beihülfen und auch diejenigen Körperschaften, denen die Fortschaffung des

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