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Wenn man in andern Gegenden unsres Vaterlandes, namentlich im industriereichen Westen, von der östlichen Industrie spricht, begegnet man häufig einem gewissen Mißtrauen oder gar einem spöttischen Lächeln. Der Osten gilt eben bei vielen als ein rein agrarisches Gebiet, in dem die Industrie keine Rolle spiele. Das ist ein bedauerlicher Irrtum. Allerdings ist im Osten die Landwirtschaft bei weitem vorherrschend, was aber nicht ausschließt, daß auch die Industrie des Ostens ihre Bedeutung hat, jedenfalls eine viel höhere, als man meistens annimmt. Nach der Berufszählung von 1895 machte in den drei Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen die zur Landwirtschaft gehörige Bevölkerung etwa 56 vH, die zur Industrie gehörige Bevölkerung etwa 21 vH der Gesamtbevölkerung aus. Gemäß der Berufszählung von 1907 hat sich dieses Verhältnis sehr zugunsten der Industrie verschoben.

Vergleichen wir die Industrie des Ostens mit der des Westens, so gewahren wir natürlich einen sehr beträchtlichen Unterschied. Dieser ergibt sich z. B., wenn wir die Zahl der Dampfkessel und Dampfmaschinen der Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen den betreffenden Zahlen der Provinzen Rheinland und Westfalen gegenüberstellen. In den genannten drei östlichen Provinzen gab es nach der amtlichen Statistik am 1. April 1908 insgesamt 7020 feststehende Dampfkessel und 7730 feststehende Dampfmaschinen. In den Provinzen Rheinland und Westfalen dagegen wurden insgesamt 29 204 Dampfkessel und 32008 Dampfmaschinen gezählt. Der Unterschied zwischen Osten und Westen tritt um so mehr in die Erscheinung, als die östlichen Provinzen einen Flächenraum von 91526 qkm, Rheinland und Westfalen dagegen zusammen bloß 47 212 qkm umfassen. Es läßt sich also nicht leugnen, daß der Osten an der gewaltigen industriellen Entwicklung des Deutschen Reiches nur einen verhältnismäßig bescheidenen Anteil hat. Nichts destoweniger weist aber die östliche Industrie bereits eine große Zahl von achtunggebietenden Betrieben auf, darunter eine Reihe von Großbetrieben, die den Vergleich mit den Fabriken in den eigentlichen Industriegebieten nicht zu scheuen brauchen.

Daß der Osten, genauer gesagt der Nordosten, in seiner industriellen Entwicklung zurückgeblieben ist, hat mannigfache Gründe. In erster Linie ist der Mangel an Bodenschätzen daran schuld, vor allem an Kohle und Eisen, den

1) Sonderabdrücke dieses Aufsatzes werden an Mitglieder postfrei für 40 Pfg gegen Voreinsendung des Betrages abgegeben. Nichtmitglieder zahlen den doppelten Preis. Zuschlag für Auslandporto 5 Pfg. Lieferung etwa 2 Wochen nach Erscheinen der Nummer.

beiden Hauptfaktoren der industriellen Tätigkeit. Was die Betriebe des Westens in unmittelbarer Nähe haben, das müssen wir im Osten von weither beziehen, das Eisen aus Rheinland und Westfalen oder aus Schlesien und die Kohle ebenfalls von dort oder aus England. Auch die übrigen hauptsächlichen Rohstoffe, deren unsre Metall- und Maschinenindustrie bedarf, z. B. Kupfer, Blei, Zinn, Zink, und die Rohstoffe vieler andrer Industriezweige müssen einen weiten Weg zu uns zurücklegen. Während unser östlicher Nachbar, das gewaltige Rußland, mit Bodenschätzen aller Art reich gesegnet ist und im Südosten unsres Vaterlandes, in der Provinz Schlesien, ebenfalls Kohle in mächtiger Fülle, ferner Eisen, Blei, Kupfer, Schwefelkies, Arsenik, Ton, Marmor, Kalkstein usw. gewonnen werden, ist der Nordosten von der Natur recht stiefmütterlich bedacht worden. Allerdings ist unser Gebiet noch nicht genügend von der geologischen Forschung bearbeitet worden. Jedenfalls aber müssen wir für jetzt und auch wohl noch für eine lange Reihe von Jahren mit der Armut des Ostens an Bodenschätzen rechnen. Ein ferneres Hemmnis für die Entwicklung der östlichen Industrie war von jeher die Abgeschlossenheit der Ostmark vom großen Verkehre. Allzulange hat der Osten sich in einer gewissen Beschaulichkeit, einer Art agrarischen Stilllebens gefallen. Er verspürte nur geringe Sehnsucht nach Industrie, und die Männer, die etwas wie industrielle Sendung in sich fühlten, waren dünn gesät. Wagemut und Unternehmungsgeist, die unerschrockenen Pfadsucher auf dem Gebiete des Erwerbslebens, wurden oft vermißt. Indes hat es schon vor Jahren rühmliche Ausnahmen gegeben ich verweise bloß auf Ferdinand Schichau -, und mit der Zeit ist es wesentlich besser geworden. Wir haben heute im Osten manche Männer, die als Wegweiser der industriellen Entwicklung zu dienen berufen sind. Auch der Typus des selfmade man fehlt bei uns keineswegs.

:

Was den Mangel an Unternehmungsgeist betrifft, so ist zu seiner Entschuldigung zu betonen, daß selbst der kühnste Unternehmungsgeist dem gefesselten Prometheus gleicht, wenn nicht kapitalkräftige Arme ihm zu Hülfe kommen. Denn leider gebricht es dem Osten an Schätzen nicht nur unter der Erde, sondern auch über der Erde. Wie schwer es hier hält, Geld für industrielle Unternehmungen, und zwar auch für solche zu beschaffen, deren Wirtschaftlichkeit keineswegs fraglich ist, das hat schon mancher Unternehmer zu seinem Leid erfahren müssen.

Erhebliche Schwierigkeiten für die östliche Industrie birgt die Arbeiterfrage. Von vielen Seiten wird über Mangel an brauchbaren Arbeitern geklagt, namentlich in denjenigen

Industriezweigen, wo eine größere Geschicklichkeit und Zuverlässigkeit der Arbeiter verlangt wird. An derben Kraftmenschen ist im allgemeinen das Angebot größer als die Nachfrage, aber handwerksmäßig ausgebildete Leute, die ihre Sache gründlich verstehen, werden oft vergeblich gesucht. Ueberdies steckt im Arbeiter des Ostens mehr Nomadentum als im westlichen Arbeiter. Er wechselt viel häufiger die Arbeitstätte als jener, und zwar nur aus Liebe zur Abwechslung. Hin und wieder kommt auch die Neigung zum süßen Nichtstun bei ihm zum Durchbruch, besonders wenn er, was leider häufig der Fall, dem Alkohol ergeben ist. Auch seine Wohnung pflegt der östliche Arbeiter inner

halb desselben Ortes öfter zu verändern als der westliche Arbeiter. Da ist es denn kein Wunder, daß er sich, wenn er von seiner Leistungsfähigkeit durchdrungen ist, leicht verleiten läßt, nach dem Westen mit seinen höheren Löhnen abzuwandern. Ersatz für die Abgewanderten findet der östliche Industrielle nur in den heimischen, minder tüchtigen Kräften. Diese muß er mit großer Mühe für seine Zwecke heranbilden, um später diejenigen von ihnen, die etwas Ordentliches gelernt haben, nach dem Westen abziehen zu

sehen.

Ein schwerer Nachteil für die östliche Industrie liegt in der Beschränkung des Absatzgebietes. Der Bedarf der östlichen Provinzen an industriellen Erzeugnissen genügt, vorläufig wenigstens, nicht für eine Produktion großen Stiles. Die geringe Dichte der Bevölkerung, die Anspruchslosigkeit, vor allem auch die geringe Kaufkraft weiter Kreise, eine gewisse Scheu vor Neuanschaffungen und Neueinrichtungen, das sind alles Dinge, die den Verbrauch von Industrieerzeugnissen merklich einschränken. Sodann kommt für manche Betriebe der Umstand sehr in Betracht, daß diejenigen Industriezweige, die für sie gute und ständige Abnehmer sein würden, nicht in hinreichendem Umfange vorhanden sind; denn Industrie erzeugt wieder Industrie. Ein bedeutendes Absatzgebiet war früher für die östliche Industrie das benachbarte Rußland, vor allem Russisch-Polen. Seitdem sich aber hier eine rege industrielle Tätigkeit entwickelt und nachdem das Zarenreich sich einer Zollpolitik zugewandt hat, die vielfach einer Absperrung der Grenzen gleichkommt, nicht zum kleinsten Teil auch infolge der ungünstigen russischen Kreditverhältnisse, hat die ehedem so lebhafte Ausfuhr von industriellen Erzeugnissen unsres Ostens nach Rußland sehr nachgelassen, ja in einzelnen Industrien ganz aufgehört.

Lange Jahre hindurch hat sich die Mangelhaftigkeit des Verkehrwesens sehr störend bemerkbar gemacht, namentlich die Rückständigkeit des Eisenbahnwesens. Große Gebiete Freiharren noch immer der Aufschließung durch Bahnen. lich ist in dieser Hinsicht während des letzten Jahrzehntes recht viel geschehen. Ein großer Uebelstand liegt darin, daß viele Bahnen als Nebenbahnen angelegt sind, auf denen die Züge mit einer die Geduld der Fahrgäste geradezu auf die Probe stellenden Langsamkeit hinschleichen. Hierdurch ist das Reisen im Osten mit großem Zeitaufwand verknüpft, worunter das geschäftliche Leben empfindlich leidet. Auch in dieser Hinsicht hat die Eisenbahnverwaltung sich eines besseren besonnen und Nebenbahnen in Hauptbahnen umgewandelt oder wenigstens die Fahrzeit der Züge verkürzt. Zu vielen Klagen geben die der Anfuhr der Rohstoffe und dem Versand der fertigen Erzeugnisse dienenden Wasserstraßen Anlaß; insbesondere wird die Schiffbarkeit der großen Ströme des Ostens, der Weichsel und der Memel, trotz der gewaltigen Aufwendungen, welche die preußische Staatsregierung fortlaufend für die Verbesserung der Flußläufe und die Baggerung der Fahrstraße macht, dadurch sehr beeinträchtigt, daß Rußland nichts für jene Ströme tut.

Die östliche Industrie hat es also keineswegs leicht: sie muß doppelte Anstrengungen machen, um dem unter viel günstigeren Verhältnissen arbeitenden Wettbewerb andrer Gegenden, besonders des Westens, zu begegnen. Wir können es daher wohl verstehen, wenn es vielfach im Osten an Wagemut gebricht, und wir müssen um so mehr jenen Industriellen des Ostens Bewunderung und Anerkennung zollen, die, allen Schwierigkeiten trotzend, ihre Betriebe zu höherer Entwicklung gebracht haben. Sie liefern uns den Beweis,

deutscher Ingenieure.

daß durch Tatkraft und Ausdauer, mit technischem Wissen und kaufmännischem Geschick gepaart, auch im Osten, dem vielgeschmähten, noch manches geschaffen werden kann.

Ueberschauen wir die östliche Industrie in ihrer Gesamtheit, so gewahren wir, wie sie nach Maßgabe der Fabrikationsart, des beteiligten Kapitales und der als Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Betracht kommenden Personen in zwei verschiedene Gruppen zerfällt. Die erste, im allgemeinen ältere, weil aus den natürlichen Verhältnissen des Ostens entwickelte Gruppe umfaßt die Industriezweige, welche die Verwertung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse zum Gegenstande haben, also vor allem die Müllerei, die Zuckerfabrikation, die Spiritusgewinnung, die Holzindustrie, die Industrie der Steine und Erden und andre Gewerbe, die zum Teil unmittelbar oder mittelbar mit landwirtschaftlichen Betrieben zusammenhängen. Zur zweiten Gruppe dagegen gehören die selbständigen Industriezweige des Ostens, namentlich die Metallindustrie, der Schiffbau, die Maschinenfabrikation, der Waggonbau, die Papierfabrikation, die chemische Industrie, Zündholzfabrikation, Lederindustrie usw.

Die Verteilung der Industrie über die östlichen Provinzen ist naturgemäß sehr ungleich, je nach den Gewinnungsstätten der Rohstoffe, den Verkehrsverhältnissen, der Dichte der Bevölkerung usw. Während wir in manchen Gegenden kaum einen einzigen Fabrikschornstein erblicken, treffen wir hier und da Ortschaften mit einem ziemlich ausgeprägten industriellen Charakter an. Solche Industriemittelpunkte sind in Ostpreußen die Städte Königsberg, Tilsit und Memel, in Westpreußen die Städte Danzig, Elbing, Graudenz, in der Provinz Posen besonders die Stadt Bromberg und ihre Umgebung. Aber auch in manchen kleineren Städten des Ostens herrscht ein regeres industrielles Leben, als man von vornherein vermutet.

Was die Zahl der Arbeiter betrifft, so sind die meisten Fabriken des Ostens als Kleinbetriebe oder mittlere Betriebe anzusehen. Es gibt aber im Osten auch eine Anzahl Großbetriebe, die den Vergleich mit den Fabriken der industriell entwickelten Gegenden nicht zu scheuen brauchen. Von 305 Fabriken der Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen, die auf eine bezügliche Anfrage geantwortet haben, hatten

weniger als 50 Arbeiter: 110 Betriebe

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In den meisten Fabriken des Ostens werden nur erwachsene männliche Arbeiter beschäftigt. Die Industriezweige, in denen weibliche Arbeitskräfte in größerem Umfange verwandt werden, sind die Ziegeleien, die Betriebe der Textilindustrie, der Bekleidungs- und Reinigungsgewerbe, vor allem die Anlagen der Nahrungs- und Genußmittelindustrie, und hier besonders die Zigarren- und Zigarettenfabriken. Diese haben sogar zum weitaus größten Teile Arbeiterinnen.

Interessant dürften auch einige Mitteilungen über das Alter der heute im Osten bestehenden Industriebetriebe sein. Von 301 Fabriken, über die mir nähere Angaben vorliegen, sind 13 vor Beginn des 19. Jahrhunderts gegründet. Von den übrigen sind gegründet:

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25. Juni 1910,

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Papierindustrie

Baugewerbe

777 957

5 909 4 061

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2 012

5 511

Für die Papier- und Lederindustrie können die Zahlen der Berufszählung von 1882 nicht einzeln angegeben werden, da in dieser merkwürdigerweise die beiden Industrien zu einer Gruppe verbunden sind. Wie unsre Zahlentafel deutlich bekundet, hat die Zahl der in der Industrie des Ostens beschäftigten Personen in der Zeit von 1882 bis 1907 bei fast allen Gruppen zugenommen, zum Teil recht erheblich. Sie stieg:

in der Industrie der Steine und Erden von 18532 auf
38 660,

in der Metallverarbeitung von 23355 auf 31613,
in der Industrie der Maschinen, Instrumente und Appa-
rate von 19718 auf 41301,

in der chemischen Industrie von 1979 auf 3835,

in der Industrie der Leuchtstoffe, Fette, Oele, Firnisse von 1841 auf 3595, ·

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in der Papierindustrie von 2012 (im Jahr 1895) auf 5511,

in der Industrie der Holz- und Schnitzstoffe von 28 319 auf 49452,

in der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel von 53 174 auf 80 643,

im Baugewerbe von 33665 auf 101282,

in den polygraphischen Gewerben von 2219 auf 6445. Die größte Zunahme weist das Baugewerbe auf; doch können wir es, wiewohl es zahlreiche Großbetriebe umfaßt, nicht zur eigentlichen Industrie rechnen. In dieser haben also hauptsächlich die Industrie der Steine und Erden, die Maschinenindustrie, zu welcher auch der Schiffbau gehört, die Holzindustrie und die Industrie der Nahrungs- und Genußmittel sich wesentlich vergrößert. Eine Abnahme hat nur in der Gruppe Bergbau usw. und vor allem in der Textilindustrie stattgefunden. Demnach ist im großen und ganzen ein erfreulicher Aufschwung zu verzeichnen.

Wenn wir nunmehr die einzelnen Industriezweige des Ostens nach ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung betrachten, müssen wir an erster Stelle die Holzindustrie nennen. Man kann sie füglich als das Rückgrat der östlichen Industric bezeichnen. Sie ist eine bodenständige Industrie im vollen Sinne des Wortes, d. h. in den natürlichen Verhältnissen des Ostens begründet, indem sie die umfangreichen Bestände der heimischen Forsten verwertet. Aber unsre heimischen Waldungen genügen nicht mehr dem riesig gesteigerten Bedarfe der Neuzeit. Es werden daher gewaltige Mengen Holz aus Rußland und Galizien bezogen und hauptsächlich auf der Weichsel und dem Memelstrom herangeflößt. An den östlichen Wasserstraßen, so an der Weichsel, der Memel, der Netze und Brahe, und in ihrer Nähe sind zahlreiche Betriebe der Holzindustrie entstanden, die größtenteils ausländisches Material verarbeiten. Dies gilt namentlich von den Betrieben in Königsberg und an der Memel, die fast ihren gesamten Holzbedarf aus Rußland beziehen. Wie Wie groß die Mengen ausländischen Holzes sind, mag daraus hervorgehen, daß im Jahre 1906 auf der Weichsel allein Hölzer im Werte von mehr als 63 Mill. M eingeführt wurden. Zum weitaus größten Teil ist es Kiefernholz, das in der östlichen Industrie verarbeitet wird, aber auch Tannen, Eichen, Buchen, Elsen, Espen und Birken. In unsrer östlichen Holzindustrie sind alle Formen vom primitiven Kleinbetriebe bis zum modernen Großbetriebe vertreten. Die Mehrzahl der Betriebe, namentlich auf dem platten Lande und in den kleineren Städten, einem oder zwei sind Kleinbetriebe, Sägewerke mit Gattern und demgemäß einer geringen Arbeiterzahl. Es entspricht dies der allgemein geltenden Tatsache, daß die Sägeindustrie in Deutschland vorwiegend Kleinindustrie ist. Vielfach nutzen die Schneidemühlen eine vorhandene Wasserkraft aus, die zugleich für den Betrieb einer Getreidemühle verwandt wird. Anderseits haben wir im Osten zahlreiche Betriebe der Holzindustrie mit hunderten von Arbeitern. Sie sind in der überwiegenden Mehrheit Sägewerke, die Bretter, Bohlen, Dielen, Balken, Stäbe, Eisenbahnschwellen, Grubenhölzer usw. herstellen. Diese Betriebe sind oft mit dem Baugewerbe verbunden. Häufig betreibt ihr Besitzer auch noch die Ziegel- oder Kunststeinfabrikation, um seinen Bedarf an Baustoffen möglichst selbst zu decken.

nur

SO

Sodann gibt es im Osten noch eine Anzahl Fabriken, die Bau- und Möbelleisten, Türen und Fenster und als Spezialität z. B. Bilderrahmen, Kisten, Fässer, Holzwolle und dergleichen erzeugen. Ferner treffen wir in den östlichen Provinzen recht leistungsfähige Möbelfabriken und Kunsttischlereien an. Ist auch das Absatzgebiet der östlichen Holzindustrie im allgemeinen beschränkt, so versenden doch einige Fabriken ihre Waren in bedeutendem Umfang durch ganz Deutschland, und zwar mit der Eisenbahn und auf dem Wasserwege. Einen sehr beträchtlichen Absatz hat unsre Holzindustrie in Berlin. In der Reichshauptstadt und im Westen des Vaterlandes erleidet die östliche Holzindustrie starken Wettbewerb durch die schwedischen Erzeugnisse, die den Rhein herauf kommen und infolge ihrer billigen Herstellung und vor allem wegen der geringen Beförderungskosten zu niedrigeren Preisen als die östlichen Erzeugnisse

gehandelt werden. Verschiedene größere Fabriken haben

auch Absatz im fernen Auslande.

Um bei den bodenständigen Industrien zu bleiben, nenne ich die Industrie der Nahrungs- und Genußmittel. In zahlreichen Getreidemühlen, die zum weitaus größten Teile als Kleinbetriebe gelten müssen, wird das inländische und auch eine Menge ausländisches Getreide vermahlen. Die Mühlen, die über das ganze Land zerstreut sind, werden meistens durch Wind betrieben, oder sie entlehnen ihre Betriebskraft einem der zahlreichen Bäche und Flüßchen des Ostens. Aber der Osten besitzt auch eine Anzahl großer, modern eingerichteter Dampfmühlen, z. B. in Königsberg, Danzig, Pr.-Stargard, Marienwerder, Schönau (Kreis Schwetz), Thorn, Bromberg, Posen, Lissa i. P., die ihr Rohmaterial großenteils aus dem Auslande, namentlich aus Rußland beziehen. Die fertigen Erzeugnisse dieser Mühlenbetriebe werden in den östlichen Provinzen, ferner in Pommern, Schlesien, Brandenburg und in Westdeutschland abgesetzt. Einige haben auch im Ausland ihre Abnehmer.

In der Industrie der Nahrungs- und Genußmittel spielen seit alters her die Bierbrauereien und die Likörfabriken eine hervorragende Rolle. Im Zusammenhange hiermit seien die zahlreichen Spiritusbrennereien erwähnt. Sie verarbeiten entweder Kartoffeln oder Getreide. Die östlichen Brennereien, die Kartoffeln verarbeiten ihre Zahl beträgt weit über 1000 -, sind ausschließlich landwirtschaftliche Betriebe; die wenigen Getreidebrennereien sind vorzugsweise gewerbliche Betriebe. In den Kartoffelbrennereien der Provinzen Ostpreußen, Westpreußen und Posen wurden im Betriebsjahre 1906/07 über 1 Mill. hl Alkohol erzeugt. In den Spritfabriken, deren wir eine Menge zählen, wird der Spiritus gereinigt, um dann in den Handel gebracht und besonders von den Likörfabriken weiter verarbeitet zu werden.

Zu hoher Blüte gelangt ist die östliche Zuckerindustrie. In Ostpreußen bestehen allerdings zurzeit nur zwei Zuckerfabriken, hingegen in der Provinz Westpreußen 17, darunter eine der größten des Deutschen Reiches, nämlich die von Kulmsee; in der Provinz Posen zählen wir sogar 20 Zuckerfabriken. Hierzu kommen noch zwei Zuckerraffinerien in Danzig und in Danzig-Neufahrwasser. Große Mengen des ostdeutschen Zuckers werden teils nach dem Rheingebiete, teils nach dem Auslande, besonders nach Großbritannien, den Niederlanden, nach Amerika und den nordischen Staaten versandt. Im engen Zusammenhange mit der Zuckerindustrie steht die Bonbon- und Schokoladenindustrie. Weltberühmt sind die Erzeugnisse der Thorner Honigkuchenfabriken, die nicht nur in ganz Deutschland beliebt, sondern auch im Auslande, so in Rußland, Frankreich, England, Amerika, Afrika und China begehrt sind.

Die Tabakindustrie ist für unsern Osten von hohem Werte. In zahlreichen Fabriken werden Rauchtabak, Schnupftabak, Kautabak und vor allem Zigarren und Zigaretten hergestellt. Besonders sind es die Städte Königsberg, Braunsberg, Elbing, Danzig, Pr.-Stargard, Graudenz, Jastrow, Neustadt (Westpr.), Bromberg und Posen, in denen die Tabakindustrie blüht. Diese Industrie, in der, wie bereits erwähnt, vorwiegend weibliche Personen beschäftigt werden, verarbeitet zum Teil den in den Provinzen Ostpreußen und Westpreußen gewonnenen Tabak; den größten Teil ihres Rohstoffes bezieht sie aber aus andern Gegenden Deutschlands, so aus der Pfalz, und vor allem aus dem Auslande, so aus Ostindien, Westindien und Amerika. Die Zigarettentabake stammen hauptsächlich aus der Türkei und aus Griechenland. Die fertigen Erzeugnisse verteilen sich auf die östlichen Provinzen wie auch auf andre Gegenden Deutschlands. Eine große Firma, dic hauptsächlich ihre Berliner Zweiggeschäfte versorgt, hat auch noch einen umfangreichen Absatz in England, der Schweiz, in Schweden, Norwegen, Rußland, Japan, Aegypten, Südafrika und Australien.

Weiter kommt in Betracht die Fabrikation von Preßhefe und von Kartoffelstärke u. dergl. In mehreren Fabriken des Ostens werden Konserven, und zwar Fleischkonserven und Präparate aus Gemüsen, Hülsenfrüchten u. dergl. erzeugt. Auch die Herstellung von Sirup, Apfelgelee und ähnlichen Erzeugnissen ist im Osten, wenn auch leider noch in bescheidenem Umfange, vertreten. Es wäre ernstlich zu

deutscher Ingenieure.

erwägen, ob nicht die Jams- und Marmeladenfabrikation im Osten aufgenommen werden könnte. Sodann sei aus der Nahrungs- und Genußmittelindustrie noch die Fabrikation von Futtermitteln, namentlich Melassefutter, erwähnt. Auch hierin findet eine Ausfuhr, vor allem nach Skandinavien statt. Daß der Osten eine große Zahl von Meiereien, Molkereien u. dergl. aufweist ist bei seinem vorwiegend landwirtschaftlichen Charakter selbstverständlich. Damit wären

die hauptsächlichsten Zweige der Nahrungs- und Genußmittelindustrie des Ostens aufgezählt. Wir sehen, es ist eine vielseitige, mannigfache Tätigkeit, die sich hier abspielt, und die gewiß von manchem, der die Verhältnisse nicht genügend kennt, unterschätzt wird.

Wenden wir uns nunmehr der Industrie der Maschinen, Instrumente und Apparate sowie der Metallverarbeitung zu, die wir im Zusammenhange betrachten wollen. Ihre vornehmlichen Sitze sind die Städte Königsberg (Pr.), Danzig, Elbing, Graudenz, Thorn, Bromberg, Posen. In diesen und andern Städten des Ostens schauen wir manch erfreuliches Bild industriellen Schaffens. Ich nenne vor allem die gewaltigen Schiffswerften in Danzig, Elbing und Pillau, die Waggonfabriken in Danzig und Königsberg (Pr.), eine Schrauben-, Muttern- und Nietenfabrik in Schellmühl bei Danzig, Feld- und Industriebahnwerke, mehrere große Eisengießereien, eine Anzahl leistungsfähiger Maschinenfabriken, darunter zwei bedeutende Lokomotivfabriken in Elbing und Königsberg (Pr.). Einen ausgezeichneten Ruf genießen die Fabriken landwirtschaftlicher Maschinen, die sich aus kleinen Anfängen zu hoher Bedeutung entwickelt haben. Sodann ist eine Menge von kleinen Betrieben, die meistens mit Reparaturwerkstätten verbunden sind, über das platte Land verstreut. Ich verweise ferner auf die Kesselschmieden, die Fabriken von Haus- und Küchengeräten und auf die Betriebe, welche Apparate für Brauereien, Brennereien und Molkereien herstellen, die Werkstätten für Eisenkonstruktionen, Kupferschmieden usw., endlich auf eine sehenswerte Anlage in Elbing, in der Bleche und Drähte aus Kupfer, Tombak, Neusilber, Bronze, Nickel und andre Gegenstände, als Spezialität Münzplättchen und Patronenhülsen, hergestellt werden.

Wenn auch nach andern Gesichtspunkten zu beurteilen, so doch in volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Hinsicht bedeutungsvoll sind die großen Industriebetriebe des Deutschen Reiches und des Preußischen Staates in der Stadt Danzig: die Kaiserliche Werft, die Königliche Gewehrfabrik und die Königliche Artilleriewerkstatt.

Manche von den erwähnten Betrieben haben eine große Arbeiterzahl. Allen voran steht die Firma F. Schichau, die in ihren verschiedenen Betrieben, nämlich in den Schiffswerften in Danzig, Elbing und Pillau sowie in der Stahlgießerei, Maschinenfabrik und Lokomotivfabrik in Elbing zusammen über 7000 Personen beschäftigt. Die Kaiserliche Werft in Danzig hat an 3000, die Gewehrfabrik über 800, die Artilleriewerkstatt über 400 Arbeiter. Die Waggonfabrik L. Steinfurt G. m. b. H. in Königsberg zählt über 1100, die Uniongießerei in Königsberg über 900, die Elbinger Maschinenfabrik F. Komnick über 800, die Waggonfabrik in Danzig über 500, die Eisengießerei von Herzfeld & Victorius in Graudenz rd. 500, die Aktiengesellschaft Adolph H. Neufeldt in Elbing über 400, die Elbinger Metallwerke über 300, die Schrauben-, Muttern- und Nietenfabrik in Schellmühl bei Danzig ungefähr 300 Arbeiter. Wenn auch die Erzeugnisse der östlichen Maschinenbau- und Metallindustrie im allgemeinen hier im Osten verbleiben, so gehen doch manche Artikel, namentlich landwirtschaftliche Maschinen und gewisse Spezialmaschinen, z. B. Maschinen für Holzbearbeitung, Sandsteinpressen, ferner Bleche und Drähte, Emaillewaren, Geräte und Geschirre, nicht nur nach andern Gegenden Deutschlands, sondern auch ins Ausland.

Wir kommen zur Industrie der Steine und Erden. Zunächst wollen wir die wenigen bergbaulichen Betriebe betrachten, die der Osten aufweist. Vor allem ist die Bernsteingewinnung in Palmnicken an der Küste des Kurischen Haffs durch die Königlichen Bernsteinwerke zu erwähnen. Die Verarbeitung des Bernsteins zu den mannigfachsten Gebrauchs- und Schmuckgegenständen ist eine uralte Industrie

25. Juni 1910.

des Ostens, die ihren Absatz in allen Weltteilen hat. Bedeutende Anlagen sind die Steinsalzbergwerke bei Hohensalza in der Provinz Posen, von denen das eine fiskalisch, das andre im Privatbesitz ist. Das letztgenannte, das viel Salz und Gips erzeugte, die hauptsächlich in den östlichen Provinzen, zum Teil auch in Rußland untergebracht wurden, ist im Sommer 1907 infolge eines Wassereinbruches aus dem benachbarten fiskalischen Schacht ersoffen. Hierdurch hat

die ostdeutsche Industrie, die wiederholt von schweren Schicksalsschlägen heimgesucht wurde, abermals einen sehr empfindlichen Schaden erlitten. In dem ersoffenen Steinsalzbergwerk wird zurzeit die Solehebung auf die Menge beschränkt, die für die derselben Gesellschaft gehörige Sodafabrik in Montwy nötig ist; im übrigen ist jener Betrieb zum Erliegen gekommen. Die maßgebenden Männer verzagen jedoch nicht; sie haben mit frischem Mute von neuem begonnen und legen an einer andern Stelle der Provinz Posen, nämlich bei Wapno, einen neuen Salzschacht an. In der Provinz Posen befinden sich auch mächtige Kalklager, unter denen der riesige Kalkbruch Wapienno bei Bartschin hervorragt. Er setzt seine Erzeugung, die im Tagebau gewonnen wird, hauptsächlich an die Landwirtschaft und an die Zuckerfabriken ab. In Posen sind auch umfangreiche Braunkohlenlager entdeckt worden. Ihre Ausbeute bewegt sich vorläufig noch in engen Grenzen; es stehen ihr nämlich erhebliche technische Schwierigkeiten entgegen. An vielen Stellen der östlichen Provinzen treffen wir Ton-, Kies- und Lehmgräbereien sowie Kalkmergelwerke an. Ueberaus zahlreich sind die Ziegeleien des Ostens, die uns großenteils als landwirtschaftliche Nebenbetriebe, aber auch vielfach als selbständige Unternehmungen begegnen. Die Ziegelindustrie, welche die verschiedensten Sorten Mauersteine und Dachpfannen herstellt, ist häufig mit dem Baugewerbe oder mit einer Holzbearbeitungsanstalt verbunden. Die meisten Ziegeleien des Ostens beschäftigen nur eine geringe Arbeiterzahl; aber es gibt auch Großbetriebe mit hunderten von Arbeitern. Insbesondere haben die langgestreckten Tonlager längs der Haffküste bis zum Samlande seit Jahrhunderten der betriebsamen Bevölkerung das Material für die Ziegelindustrie geboten, die dort namentlich in den letzten beiden Jahrzehnten einen bedeutenden Umfang gewann. Hier hat auch Kaiser Wilhelm II als Gutsherr von Cadinen sein allzeit reges Interesse für die Industrie dadurch bekundet, daß er in der zum kaiserlichen Gute gehörigen Ziegelei einen Musterbetrieb einführte und im Anschluß an die Ziegelei im Jahre 1902 eine Majolikafabrik erstehen ließ, deren Kunsterzeugnisse die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich gelenkt haben.

Während in der Provinz Pommern in der Stettiner Gegend eine blühende Zementindustrie entstanden ist, zählt der eigentliche Osten vorläufig nur eine einzige derartige Anlage von Bedeutung, nämlich bei Neustadt (Westpr.).

Die keramische Industrie des Ostens umfaßt u. a. noch zwei große Fabriken in der Stadt Kolmar in der Provinz Posen: eine Steingutfabrik und eine Porzellanfabrik. Die letztgenannte beschäftigt über 500 Arbeiter, ungefähr zur Hälfte männliche, zur Hälfte weibliche.

Die Glasindustrie gehört zu den ältesten Industriezweigen des Ostens. Sie ist durch mehrere Fabriken vertreten. Ursprünglich waren diese auf den Holzbestand der Wälder begründet; heutzutage sind sie aber hinsichtlich des Brennstoffes nicht mehr auf die Wälder angewiesen.

Schließlich seien als Zweige der Industrie der Steine und Erden noch die Torfgräbereien und Torfstreufabriken genannt.

Die Papierindustrie, die früher, namentlich in der Provinz Ostpreußen, viele Betriebe aufwies, ist hinsichtlich der Zahl der Betriebe im Laufe der Jahre sehr zusammengeschrumpft. Immerhin sind mehrere ansehnliche Fabriken zu verzeichnen, so in Köslin, bei Varzin, in Rathsdamnitz (Pomm.), im Radaunetale bei Danzig, in Bethkenhammer an der Küddow, einem Nebenflusse der Netze, und bei Kiauten (Ostpr.). In mehreren Betrieben werden auch Rohpappen hergestellt. Aus den Rohpappen werden in andern Betrieben Dachpappen angefertigt, die zum Teil auf größere Entfernungen versandt werden. Zu erwähnen sind hier noch die

Schleifereien, die den Holzschliff herstellen, den Rohstoff für die gewöhnlichen Papiersorten.

Sehr bedeutende Anlagen sind die vier Zellstoffabriken des Ostens, zwei in Königsberg und je eine in Tilsit und Memel, zu denen neuerdings eine in Ragnit an der Memel getreten ist. Sie beziehen ihren hauptsächlichen Rohstoff, das Fichtenholz, zum Teil aus den ostpreußischen Waldungen, größtenteils aber aus Rußland und versenden ihre für die Papierfabrikation bestimmten Erzeugnisse durch ganz Deutschland, ferner nach Belgien, Frankreich, Holland, England, Italien, Amerika, Afrika, ja sogar nach Japan und Zeylon. Endlich gehören zur Papierindustrie noch mehrere Betriebe, in denen Papierwaren, wie Kartonnagen, Düten usw., fabriziert werden.

Die chemische Industrie der östlichen Provinzen zählt nur wenige Großbetriebe. In erster Linie kommen einige Fabriken in Betracht, die Schwefelsäure, Salpetersäure, Superphosphat, Knochenfett, Knochenleim, blausaures Kali u. dergl. erzeugen; namentlich als Lieferer von Düngemitteln für die Landwirtschaft haben sie eine hohe Bedeutung. Eine sehr bemerkenswerte, geradezu mustergültige Anlage ist die Sodafabrik in Montwy bei Hohensalza in der Provinz Posen. Sie verwertet die Sole des Steinsalzes für die Erzeugung von kalzinierter und kaustischer Soda sowie von Kristallsoda. Ihr Absatzgebiet sind die östlichen Provinzen. In der chemischen Industrie erwähne ich weiter eine Holzimprägnieranstalt, Fabriken für Gelatineartikel u. dergl. und für flüssige Kohlensäure. In großen Mengen werden im Osten Teerprodukte, Holzzement, Karbolineum und andre vom Baugewerbe gebrauchte Dinge erzeugt. Der chemischen Industrie verwandt sind die Lack- und Firnisfabrikation und die Seifenfabrikation, die in einigen größeren und zahlreichen kleineren, zum Teil seit langen Jahren bestehenden Anlagen betrieben wird. Ein ganz neuer, vielversprechender Industriezweig des Ostens ist die Herstellung von Kalziumkarbid in Mühlthal bei Bromberg. Dieser Karbidfabrik ist eine Anlage angegliedert worden, in welcher nach dem Verfahren von Frank und Caro das Karbid in Kalkstickstoff verwandelt wird. Bekanntlich ist der Kalkstickstoff als Ersatz für Chilisalpeter zu Düngezwecken in der Landwirtschaft bereits bestens eingeführt.

In der östlichen Textilindustrie, soweit von einer solchen überhaupt die Rede sein kann, ist der größte Betrieb eine Jutespinnerei in Insterburg, die zurzeit 130 männliche und 240 weibliche Arbeiter beschäftigt und Flachs- und Werggarne herstellt. Sodann gibt es eine Anzahl kleiner Wollspinnereien, Webereien und Färbereien, sowie Seildrehereien und Schiffstaufabriken. Außerdem gehört hierher eine Roßhaarspinnerei und Polstergurtefabrik in Rawitsch mit 70 Arbeitern. In einer großen Dampfwollwäscherei in Königsberg, die über 100 meist weibliche Arbeiter zählt, werden Schmutzwollen gereinigt. Mehrere Fabriken verfertigen die hauptsächlich für den bedeutenden Getreide- und Zuckertransport des Ostens erforderlichen Säcke. Segeltuchwarenund Flaggenfabriken liefern vornehmlich an die Militärverwaltung, die Marine, die Eisenbahn- und Postbehörden Zelte, Waggon- und Wagendecken und Flaggen aller Art.

Auch die Lederindustrie ist im Osten verhältnismäßig schwach vertreten, jedoch gibt es auch hier eine Anzahl gröBerer Betriebe, so in Danzig, Tilsit, Bromberg und Gnesen. Dazu kommen einige lederverarbeitende Betriebe, namentlich Schuhfabriken, in Preußisch-Stargard, Graudenz, Thorn, Jastrow und in Bromberg. Auch einige Ledertreibriemenfabriken mögen hier Erwähnung finden.

Für die Herstellung von Zündhölzern sorgen mehrere Fabriken, die das erforderliche Holz, nämlich Espenholz, vornehmlich aus Rußland beziehen. Solcher Fabriken gibt es in Danzig, Königsberg, Allenstein, Lauenburg (Pomm.). Zanow usw.

Die polygraphischen Gewerbe sind in den östlichen Provinzen recht wohl bestellt. Wir finden hier eine Anzahl sehr leistungsfähiger, zum Teil auf ein hohes Alter blickender Buchdruckereien und verschiedene Zeitungsunternehmungen großen Stiles.

Um zum Schlusse noch einige Betriebe anzuführen, die in den bisherigen Abteilungen nicht unterzubringen waren,

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