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Doch gehen uns eigentlich nur die finanziellen Momente an. Der Ablafs des Kardinals Peraudi hatte einen politischen Zweck, den Türkenkrieg; für ihn sollte er als Kriegsschatz dienen. Aber es kam nicht einmal zur Einigung über den Krieg, viel weniger zu seinem Ausbruche; und es ist wohl kaum ein Gulden von diesem Gelde gegen die Türken verwendet worden. Bei den anderen Ablässen war eine viel klarere Ertragsverteilung vorgesehen, so skandalöse Zustände, wie bei jenem, stellten sich doch nicht ein. Allgemein ist die Auffassung, dafs die Kommissäre grofse Betrügereien verübt hätten. Es wird sehr schwer sein, den Beweis für oder gegen eine solche Behauptung auf zustellen; aber mir will scheinen, dafs bei den meisten Ablässen Unterschlagungen nur im Handel mit Beichtbriefen leicht waren, bei anderen, wie bei den städtischen, war die Kontrolle gewifs eine gute. Das Leben der Kommissare und Unterkommissare mag zu vielem Tadel Anlafs gegeben haben, man darf aber doch nicht geradezu alle verdächtigen. Auch ist die Vorstellung irrig, als sei ein Fuggerscher Faktor zum Beispiel mit Tetzel gereist; dazu warf der Ablafs zu wenig Gewinn ab. In ganz verständiger Weise wurde, nachdem einmal die Fugger die päpstlichen Interessen vertraten, in einer schnellen Reise die ganze Reihe von Kisten, die nach Beendigung der Ablafszeit in den einzelnen Sakristeien untergebracht worden waren, geöffnet und der Inhalt in Gegenwart der Interessenten und vor Notaren geteilt. Die Naivität der aus Schlesien und Böhmen veröffentlichten Ablafsquittungen1 kommt später nicht mehr vor.

Sehr früh erhoben sich Stimmen gegen die Geldausfuhr beim Ablasse 2; doch würde wohl der zugesagte Anteil noch lange Herren veranlasst haben, einen Ablafs zu unternehmen oder zuzulassen. Das war die Anschauung, welche Albrecht von Brandenburg veranlafste, sich auf das Angebot der Kurie einzulassen. Aber um 1514-1518 zeigt sich bereits die geringe Rentabilität der römischen tiones mentales usw., gegen die Geldmacherei. Sehr scharf äufsert der Kardinal sich über die Beichtbriefe. Die Fürsten sollten durch Spenden den Bau von St. Peter fördern und dann mit dem Architekten abrechnen, dafs all ihr Geld verwendet worden sei. Der eifrige Kardinal entwirft dann weiter ein grofses Reformprogramm für die römischen Behörden.

1 Urkunden Nr. 14-25.

2 Um nicht weiter zurückzugehen, verweise ich auf die Wimphelingschen Gravamina von 1510: „Indulgentiae novae cum revocatione aut suspensione veterum, laicis contra clerum murmurantibus, ad corradendas pecunias conceduntur." Sie gehen auf Martin Mayrs Brief an Aeneas Sylvius von 1457 zurück: „Ad corradendas pecunias novae indulgentiae in dies conceduntur."

Gnaden. Der Ablafs Peraudis wie der Livländer hatte noch sehr erhebliche Summen geliefert1. Die Spesen waren jetzt aber so enorm, der Reinertrag so gering, dafs die Gnadengelder nicht viel mehr bedeuteten. Die Konstanzer Domherren haben zum dritten Male die Probe nicht gemacht, der Trierer Dom hat höchstens 43,6% gewonnen, der Ablass der Augsburger Dominikaner war ein Mifserfolg, die dritte Verkündigung scheint völlig unterblieben zu sein, die Annaberger sind vielleicht gar nicht auf die Kosten gekommen und der verspätete Ingolstädter ist wohl gar nicht mehr inthronisiert worden. Nur allein die Stadt Brüx und Erzherzog Karl in den Niederlanden hatten eine gute Rechnung gemacht, denn der Mifserfolg Albrechts von Brandenburg ist zweifellos.

Der schlechte Erfolg verdarb den Fürsten und Herren die Freude, viele Theologen hatten sich gegen den Ablafs überhaupt oder doch gegen bestimmte Lehren oder Formen der Praxis ausgesprochen, aber wie der finanzielle Mifserfolg beweist auch im einfachen Volke fehlte es nicht an Opposition. Man lese nur die Konstanzer Instruktion: Männer wollen ihre Frauen nicht den Ablafs gewinnen lassen, ebenso Vorstände von Klöstern ihre Untergebenen; um den passiven und aktiven Widerstand zu brechen, erliefs schon Peraudi ein Rundschreiben voll von Klagen und Beschwerden 2.

Und ist denn nicht auch der Nürnberger Ablass ein Beweis für die Opposition? Ja, die Stadt brauchte einen Ablafs, um sich gegen andere zu schützen, vielleicht auch des Volkes wegen, aber er lag dem Seelsorger fern. Nürnberg erfreute sich der Protektion eines Fuggerschen Faktors, wie traurig, dafs, wer solche Gnaden haben wollte, eines Kaufmanns Schützling sein mufste! Zum feierlichen Widerspruch gegen die römische Praxis wären die Bischöfe verpflichtet gewesen, wie ein spanischer Kirchenfürst ihnen das Vorbild gegeben hatte. Doch die deutschen Bischöfe dachten mehr an Jagd und Waffen als an die Kirche und ihre Not. So meine ich: um 1516 hat die einst so stürmisch begrüfste römische Gnade in den Augen des Volkes bereits an Wert eingebüfst, die Mifsbräuche wurden überall gesehen. Man blickte wohl nicht so klar in alle diese Dinge, wie es heute möglich ist, man überschätzte wohl sicher die Geldausfuhr und vermutete gewifs auch oft einen Wolf unter Schafskleidern, wo es

1 Vgl. oben S. 43-48 und den Brief Tetzels bei Paulus, Tetzel S. 18: „überreichliche Steuer" von Köln und Görlitz.

2 Veröffentlicht Zeitschrift f. Kirchengeschichte 20, 442 ff.

sich um eine harmlose Persönlichkeit handelte. Als sich Luther erhob, da galt sein Wort nicht allein den Mifsbräuchen der Ablafspraxis, innerlich bereits der Gnadenlehre der Kirche entfremdet, wurde er halb bewufst, halb unbewufst schon darüber hinausgetragen, wobei er, objektiv betrachtet, seine Gegner und ihre Lehre vielfach mifsverstand. Er begann einen Pfad zu wandeln, ohne ein Ziel zu wissen, und gerade darum kam er so weit vom Wege seiner Vorfahren ab. Bald fand er den Beifall weiter Kreise; denn durch seine Thesen hatte er einen Punkt getroffen, der die vielseitigsten Interessen berührte. Alles was in der Politik, in wirtschaftlicher Hinsicht, in Sachen der Glaubens- oder Sittenlehre mit der Kurie innerlich abzurechnen hatte, begrüfste Luthers Auftreten. Ein Kampf um Milderung der Servitia hätte das Volk nicht erregt, auch wenn er nicht nur lokal gewesen wäre; aber im Ablafswesen hatte Luther an einer Sache gerüttelt, die kein Deutscher für frei von Mifsständen erklärte. Aus den Mifsbräuchen des Ablafswesens folgt die ungeheure Schwäche der Stellung der Gegner Luthers; er erschien zunächst noch als ein Führer der grofsen Mehrheit der Gebildeten und Ungebildeten, welche eine Reform auf dem Boden der Kirche wollten. Seine spätere, bewusste Trennung von der Kirche löste viele von ihm, die ihn als Führer der Reform innerhalb der Kirche begrüfst hatten. England, Frankreich und Spanien hatten vom Staate aus die Mifsbräuche des Ablafswesens ferngehalten, Deutschland hatte das nicht vermocht, es war in einer mittelalterlichen Staatsform verblieben, aber gerade sie bot die Möglichkeit, die mittelalterliche Kirche wenigstens in vielen Territorien zu stürzen. In jenen Ländern wäre Luther auch der Staatskirche ein Dorn im Auge gewesen, in Deutschland aber waren einige Territorialfürsten stark genug, um der Kirchenpolitik des Kaisers oder des Reichstages oder der Bischöfe trotzen zu können. Nun aber war Friedrich der Weise so gestellt, dafs er, obwohl innerlich noch lange ein Katholik, in seiner Politik keine Rücksichten auf die Kurie zu nehmen hatte, er wollte nichts von ihr und hatte keine + nachgeborenen Prinzen oder Brüder zu versorgen; er lässt Luther + freie Bahn. In anderen deutschen Territorien hätte Luther der Führer der deutschen Opposition innerhalb der Kirche werden können, Kur-、 sachsen aber gab ihm die weitere religiöse Freiheit. So ist der Ablafs + die Veranlassung der Glaubensspaltung geworden, die Ursache war er nicht.

Sechstes Kapitel.

Die sonstigen Bankgeschäfte der Fugger in Rom bis 1521.

Die Fugger haben sich unter Leo X. nicht mehr viel um die kleinen Annaten gekümmert, doch behaupteten sie in den Communia das Monopol, und die wurden in grofsen Posten zusammengenommen und aufgerechnet. Eine solche Abrechnung fand am 30. September 1516 statt, eine spätere fehlt in den lückenhaften Kammerrechnungen und für diese Zeit ermangeln auch die Solutiones, die vorher andere Lücken ausfüllen konnten.

Ich gebe die Zahlungen in chronologischer Folge:

1513 Juli 1 a. d. Artimano Rirckperge pro communi pape m. Hel

fiorden. [Hersfeld] Maguntin. d.

1514 März 4. Christian Bomhauer für Reval (in K.R. 1516 Sept. 30:

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Okt. 11 a. d. Jo. Rivel p. c. eccl. Osilien.
Aug. 30 a. d. Georgio elect. Viennensi Wien (in K.R. 1516
Sept. 30: 220.-)

Ösel

78.7.6. K.R. [1300] Sol.

=

[500]

102.-)

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8.

[300]

[1000]

[800]

265.12. K.R.

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Matthias für Cujavien (in K.R. 1516 Sept. 30: 340.-)
Mai 4. Johannes von Duisburg für Dorpat in K.R. 1516
Sept. 30: 204.-)

Heinrich (?) für Kloster Pegau, Bist. Merseburg (in
K.R. 1516 Sept. 30: 22.13.3.)

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Juni 9.

Sept. 7.

Vincenz Abt von St. Maximin bei Trier

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[66] Sol. 153. K.R.

102

[10000] Sol. 246.8.- K.R 264.

572.
66.13.4

-

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61.

136.

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1518 Sept. 18. Johann Blankenfeld für Dorpat

für Beibehaltung von Reval 1520 März 11. Erasmus von Manteuffel für Kammin.

65.

Deutsche Kirchenfürsten, deren Zahlungen nicht durch die Hände der Fugger gingen, sind sehr selten1. Aus dem Vergleich der Solutiones und der Kammerrechnung ergibt sich, dafs zwischen den beiden Angaben oft mehr wie zwei Jahre lagen. Vermutlich hat aber diè Barzahlung erst bei der Abrechnung stattgefunden; die „solutio" war wohl fiktiv, um dem Schuldner die Quittung der päpstlichen Kammer beizubringen.

Über die Annaten ist wenig zu berichten, die Rechnungen von 1513/14, 1514/15, 1519/20 enthalten überhaupt keine Posten und sonst handelt es sich um Verwandte: Jacob (ann. p. e. in Milsteten Augusten. dioc. 12.-[1516 Sept. 30]; ann. canonic. in eccl. s. Mauritii Augusten: 9. 3. [1517 Juli 17]), um Faktoren des Geschäfts: Johannes Zink (p. a. p. e. in Sofingen Pataviens. dioc. 22. 8. [1517 März 18]), um Augsburger Pfründen, um Bischöfe, die Pfründen behalten, und ähnliches. Interesse hat sonst vielleicht: die Annate der Propstei St. Lorenz in Nürnberg (Georg: 136.-). Das Fuggersche Geschäft bedurfte nicht mehr solch kleiner Posten 2.

In sehr erheblichem Umfange stiegen die Vorschüsse der Fugger. Am 24. Juli 1513 belief sich die Schuld des Papstes auf 12457 Dukaten. Davon war noch ein Rest von 328 Dukaten aus den Tagen Julius' II., 4000 Dukaten waren von den Fuggern an den Kardinal Schinner gezahlt worden und 3075 in Konstanz an die schweizer Kantone und Privatpersonen, welche von der Kurie Pensionen bezogen3.

1 So zahlt 1518 der Erwählte von Meifsen durch einen Kurialen, 1517 der von Utrecht durch die Borgarini, 1513 der von Ratzeburg ebenso.

Es mag bemerkt werden, dafs unter Leo X. die Welser sich an der Kasse der Camera öfter einfanden als früher, aber in ein regelmäfsiges Kontokorrent gestaltete sich das doch nicht um.

3 In der Kammerrechnung von 1513/14 steht am 30. Juli 1513 eine Zahlung an den Kardinal von Sitten für die Schweizer: 14710 Duk. und am 22. September ebenso für Sold: 5500.

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