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los; dann sind die Bischöfe und die Landesherren und ihrer beiden Räte zu gewinnen, nachdem es auch in Rom nicht an Handsalben gefehlt hat.

Die Kurie konnte kirchliche Steuern nicht entbehren und das servitium commune war im Prinzip gar nicht schlecht, so viele Auswüchse sich um den gesunden Kern auch gebildet hatten. Die meisten Abgaben an die Kurie beruhten auf dem Ertrag von geistlichen Pfründen, nur der Peterspfennig ging direkt auf den Laien los, aber diese Abgabe war zum Teil fixiert, zum Teil in Vergessenheit geraten; der Ablafs nahm den Anschein einer neuen Steuer an, es ward als eine neue Form finanzieller Ausbeutung angesehen, was ursprünglich eine geistliche Belohnung für die Unterstützung eines schweren guten Werkes gewesen war.

Die Opposition gegen die Ausfuhr von Ablafsgeldern hatte sich zuerst gegen die Verwendung von Kruciatgeldern gerichtet, sehr bald aber sah man allgemein im Export der Ablafsgelder eine Erarmung des Volkes. Nun war das Verhältnis der einzelnen Länder Europas dazu sehr verschieden. Der Osten war notleidend, da Ungarn sich mit Mühe gegen die Türken behauptete, Polen zugleich sich der schismatischen Russen zu erwehren hatte, mit denen auch die Ordensstaaten in Preufsen und Livland zu tun hatten. Die Ablafsgelder dieser Staaten wurden mehrfach den Landesherren zugewiesen, so dafs für sie der Ablafs eine von der Geistlichkeit eingetriebene Kriegssteuer war. Aus diesen, auch sonst von der Kurie materiell reich unterstützten Gebieten war kein schwerer Widerspruch gegen den Ablafs zu erwarten. In Spanien hatte der grofse Kardinal Ximenes Einspruch erhoben. Der strenge Kirchenfürst und katholische Reformator sah in ihm eine Entnervung der Kirchendisziplin und eine gefährliche Milde. Die finanzielle Ausbeutung Spaniens duldete er schon gar nicht; an die Ablässe knüpfte sich das königliche Placet1. Frankreichs und Englands Verhalten haben wir schon oben charakterisiert, auch diese Länder begannen sich abzuschliefsen, so dass nur Mitteleuropa übrig blieb. In dem zerrissenen Italien hatten die Observanten die Ablässe zu predigen, den Widerstand eines Fürsten oder einer Stadt kennen wir nicht näher. Wie aber war es in Deutschland?

Hier gab es vier Gewalten: den Kaiser, das Reichsregiment (in den Zeiten, in denen es vorhanden war), die Bischöfe und endlich die Territorialfürsten. Sie alle haben eine Ablafshoheit erstrebt, die Ge

1 Hefele, Ximenes. 2. Aufl. S. 433.

nehmigung der Ablässe von ihrer Zustimmung abhängig gemacht und diese wieder hatte meist als Vorbedingung einen Anteil an den Erträgen. In vielen Fällen waren sie die Antragsteller. „Si graves nobis erant indulgentiae, cur impetravimus ?" hat mit Recht Cochläus später gesagt1. Das Reichsregiment war nicht viel mehr als der Reichsverweser Erzherzog Johann und auch der Einfluss der Bischöfe war gering. Aber kein anderer als Eck hat geschrieben: „sic et episcopi et eorum vicarii, expeditissimi denariorum aucupes, partem sibi de illis vendicabant."

Stärker war die Hand des Kaisers, und Maximilian war immer nach Ablafsgeld lüstern, wie es altüblich war, dafs unsere Kaiser an der Kurie um die Auflage eines geistlichen Zehnten bettelten, diese steuerkräftige aber sonst fast steuerfreie Quelle beherrschte ja die Kurie. Maximilian ist der Gedanke an ein Ablassmonopol nicht gekommen und konnte ihm nicht kommen, denn in der Hauptsache hing die Zulassung eines Ablasses von den Landesherren ab. Wie der junge Karl für seine niederländischen Lande ein Ablafsmonopol durchsetzte, wie der Herzog von Lothringen seinen Ablafs hatte, haben wir ebenso gesehen, wie dafs die grofsen deutschen Fürsten, die Herzöge von Bayern, die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, die Ablässe von ihrer Zulassung abhängig machten, wobei namentlich die Wittelsbacher sehr spröde waren. Die Ablässe richten sich auch in Deutschland nach den Territorialgrenzen. Vor allem ist aber das Vorgehen von Nürnberg charakteristisch, das einen dauernd gültigen, alle anderen ausschliefsenden Sonderablafs für sich erzielte und ihn nach dem Auftreten Luthers den Wittenbergern als Muster empfahl. Auch der Ablafs wirkte also im Sinne der Landeskirchenhoheit, die Territorien schliefsen sich auch kirchlich ab.

Dieses Streben aller Leute, die irgend mit der Verleihung und dem Vertrieb eines Ablasses zu tun hatten, nach Anteil wird einigermassen durch die allgemein gewordene Geldgier und die Notwendigkeit bares Geld sich zu verschaffen entschuldigt. Alles war damals für Geld käuflich: die Stimmen der Kurfürsten, die Hüte der Kardinäle, die Waffen der Condottieri und der Einflufs der Staatsmänner; es hat noch recht lange gedauert, bis das besser wurde. Und auch die „Kontributionen“ an sich, erschienen jener Zeit viel weniger als ein Kauf, als man heute anzunehmen geneigt ist; denn noch waren die Stolgebühren viel verbreiteter als heute: bei Taufe, Beichte, Begräbnis,

1 Ad semper victricem Germaniam лagazλŋσı. Coloniae 1524. I 3b.

bei Heirat, Ein- und Aussegnen der Kindbettnerinnen, der Häuser usw. Freilich die Ablafskontribution wurde nicht eingezogen für den, der das kirchliche Amt vollzog!

Der Vertrieb der Ablässe wurde immer schlimmer. Zunächst war der Ablafs eine Belohnung für schwere gute Werke, dann ward er ein Anreiz für leichtere Mühen, die Gnade ward leicht dahingegeben, man machte aus dem Schatze der Verdienste Christi und der Heiligen eine Quelle des Geldes! Die einzelnen Ablässe suchten sich zu übertrumpfen. Einen grofsen Schritt machte Calixt III., als er im Jahre 1457 zum ersten Male in einer päpstlichen Bulle auch den gewährten Ablafs für die Verstorbenen anwendbar erklärte, nachdem vorher schon privatim ein Ablafs für abgeschiedene Seelen war aufgeopfert worden. Wäre nur wenigstens gleich verkündet worden, dafs diese Zuwendung nur per modum suffragii, d. h. nicht mit absolut sicherer Wirkung erfolgen könne. So aber war ein Teil der Ablafsprediger sofort geneigt, die unbedingte Wirkung als sicher zu verkünden. Heute ist es sicher gestellt, dafs Tetzel und andere den Satz: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegfeuer springt", wenn auch nicht mit diesen Worten, verkündigt haben1. Die Kindesliebe war so schwer irregeleitet worden. Zu Mifsverständnissen konnte auch sehr leicht der Ausdruck der Remmissio a culpa et poena“ führen, der selbst in kurialen Schriftstücken begegnet. Und auf diesem Gebiete herrscht auch heute noch eine starke Meinungsverschiedenheit 8. Dem nicht theologisch geschulten Autor will scheinen, dafs der Gang der Entwicklung folgender war.

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Die aufserhalb Roms verkündeten Jubelablässe sind wie die anderen indulgentiae plenissimae" gar nicht allein Ablässe, sondern Komplexe von Gnadenbewilligungen, die der Theologe wie der Historiker eben sorgfältig voneinander zu trennen hat. Zu dem Ablafs kam 1. der Beichtbrief (Confessionale), d. h. ein päpstliches Privileg, worin dem vom Erwerber zu wählenden Beichtvater vom Papste besondere Vollmachten, auch für Reservatfälle und für Veränderung einiger Gelübde, und dem Käufer ein vollkommener Ablafs einmal im Leben und im Angesichte des Todes verliehen wurden. Dieser Ablafs war ebenfalls an die vorhergehende Beichte und Reue gebunden, der Ankauf des

1 Paulus, Tetzel 138 ff. 159 ff. Diese Schulmeinung erregte übrigens schon 1476 lebhaften Streit, an dem sich vor allem die Sorbonne beteiligte. 161 ff. 2 Vgl. Paulus, Tetzel 99 f. 133. Brieger 38 ff.

3 Sie verbindet sich mit dem Streit um attritio und contritio, auf den ich hier nicht eingehe.

Briefes jedoch nicht. Man hat den Beichtbrief als einen Wechsel auf einen zukünftigen Ablafs bezeichnet, sachlich ist der Vergleich nicht unzutreffend. 2. Die Möglichkeit, den Ablafs den Verstorbenen zuzuwenden. 3. Die dauernde Anteilnahme an den guten Werken der Kirche. Da nun weiter die Beichtväter und Pönitentiare einer solchen „plenissima indulgentia" vom Papste besondere Vollmachten für Veränderung von Gelübden, Lossprechung in Reservatfällen, Rehabilitation, Dispens von Irregularitäten, Simonie selbst bei Bischöfen, Gutmachung von zu Unrecht Erworbenem, Ehedispense (in foro conscientiae) usw. hatten und den Pönitentiaren von St. Peter gleichgestellt waren, so war das alles zusammengerechnet eine vollkommene Vergebung von Schuld und Pein, von der nur aufserordentlich wenige schwere Sünder, zu denen die Römer auch die Schädiger des päpstlichen Alaunhandels rechneten, ausgeschlossen blieben.

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Aber immer blieb doch die Beichte für den nicht im Stande der Gnade befindlichen Menschen die Vorbedingung, um den Ablass für die Lebenden zu gewinnen. Mir sind wenigstens nur äusserst wenige Ablafsbullen dieser Zeit bekannt, wo die „contritio et confessio" völlig übergangen wurden 1. Aber selbst bei so leichtfertig redigierten Bullen, wie die Ablafsbulle für Mainz-Magdeburg es war, beweist das Fehlen der Formel vere poenitentibus und confessis" durchaus nicht, dass hier der Stand der Gnade nicht erfordert worden sei; denn schlägt man die ausführende Instruktion auf, so findet sich schon die Forderung von Reue und Beichte, mindestens der gute Wille dazu. Der Erwerb der Beichtbriefe" war nicht an den Stand der Gnade gebunden und ebensowenig die beiden anderen Mitläufer des Ablasses, und das färbte nun sehr leicht ab. Gerade bei diesen müssen die Mifsstände besonders grofs gewesen sein, hat doch Eck in seinen Reformvorschlägen geschrieben: Man weifs, dafs einige der Kollektoren für die Kosten

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1

„Das wäre zu beweisen, um von einem Nachlafs der eigentlichen Sündenschuld durch den Ablafs reden zu können. Auf die Zeiten des 13. Jahrhunderts gehe ich nicht ein.

2 „Primo: unusquisque corde contritus et ore confessus, vel saltem habens animum et intentionem ad confessionem faciendam." S. 111 und im Gegensatze dazu bei dem Beichtbriefe und dem Anteil an den allgemeinen Verdiensten „quod pro dictis duabus gratiis principalibus consequendis non est opus confiteri". S. 116 bei Köhler, Dokumente.

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3 Noch heute besteht die Meinung bei einigen Theologen, dafs es wahrscheinlicher sei, dafs auch im Stande der Sünde der Ablafs für Verstorbene gewonnen werden könne. Vgl. Beringer, Die Ablässe.

des Mahles Beichtbriefe gaben und, was das Schlimmste ist, liederlichen Frauenzimmern zu ihrem Lohne!1

Aber auch ehrenhafte Ablafsprediger, die sich nach den Instruktionen richteten, machten den Ablafs zu einer niedrigen Sache. Wenn heute dieser seinen neuen Ablafs als den vollkommensten anpries, so ward er morgen von einem anderen überboten, der noch mehr Fakultäten zu besitzen behauptete und wirklich besafs. Und wenn einer im Seeleneifer ausrief: „so viel der Gnaden könne man für einen so billigen Preis haben", so waren viele Gläubige gewils froh, aber andere nahmen Ärgernis an der Dahingabe hoher Gnaden um Geld. Es gab keinen sichereren Weg, den Ablafs in Verachtung zu bringen, als ihn so zu empfehlen und, wenn nun die Ablässe sich jagten, so dafs Eck im Rückblick darauf sagte: „Die Ablässe waren viel zu häufig, der eine gab dem anderen die Türe", so konnte der Rückschlag nicht ausbleiben. Wer eine Lotterieanzeige liest, nimmt vielleicht schnell ein Los; wer aber davon überschwemmt wird, hält von allen Lotterien nicht viel. Wenn der Ablass eine Belohnung für grofse Werke gewesen, dann ein Anreiz für solche geworden war, so begann er nun auch diesen Charakter abzustreifen.

Die seelsorgerrischen Schäden der damaligen Ablafspraxis kann ich nur kurz streifen. Auch hier, wie überall, die gröfsten Übelstände! Die lokale Seelsorge wurde durch die Herbeiziehung fremder Beichtväter durchbrochen. Manche der Bullen schliefsen die bischöfliche Gewalt von allem Einflusse aus, ernste Theologen wie Ximenes und Ägidius von Viterbo haben daran Anstofs genommen. Letzterer hat verlangt, dafs alle Indulgenzen, welche den Minderbrüdern anvertraut worden seien, zurückgenommen würden, da dadurch die ordentliche Jurisdiktion der Bischöfe geradezu und von Grund aus zerstört werde. Die ungemessene Vollmacht der Vergebung erzeuge mafslose Lust zu sündigen. Eine Seisachtheia erfordert die Mitwirkung der ordentlichen Behörden, hier aber waren sie ignoriert.

1

„Compertum est quod aliqui[d] pro expensis prandii dederint hospitibus aut obtulerint dare schedas indulgentiarum et, quod turpissimum est, malis mulieribus pro nocturno salario." Beiträge z. bayr. Kirchengesch. 2, 222.

2 Höfler, Adrian VI. 212 und im Abdruck Abhandl. d. hist. Cl. d. Münch. Ak. 4, 73. Offenbar bezieht sich, wie das Folgende zeigt, die Stelle auf die Ablässe für St. Peter. In dieser ernsten Reformrede sprach der Kardinal auch scharf gegen die Art der Pfründenverleihung, die Unionen, die Kommenden, die Kompositionen (cui quidem negotiationi compositionis nomen dedere, moderatione nomenclaturae, rem turpissimam et a sacris canonibus detestatam significantes). Die Vollmachten des Datars seien zu verkürzen. Dann wandte er sich gegen die Reserva

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