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Wir haben also in den Quellen aus Brüx und Rom das allerbeste Bild der finanziellen Gebarung eines Ablasses unter Leo X. - freilich eines Ablasses, der von Bürgern, Weltgeistlichen und der Beamtenschaft gefördert wurde.

Der Bau, der errichtet wurde, zeigt innige Verwandtschaft mit den Kirchen von Annaberg und Schneeberg und in noch höherem Grade mit Ingolstadt. Für Annaberg und Ingolstadt waren aber ebenfalls Ablässe verliehen. Annaberg und Brüx hatten den gemeinsamen Meister: Jakob von Schweinfurt, und es ist sehr wahrscheinlich, dafs Jakob vorher an der Liebfrauenkirche zu Ingolstadt gearbeitet hatte.

Die Erträgnisse des Annaberger Ablasses sind uns aus drei Abrechnungen der Fugger bekannt 2.

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Auch hier ist ein Vergleich mit deutschen Notizen in etwa möglich. Es hat sich die Jahresrechnung der Stadt Annaberg von 1518/19 erhalten. Aus ihr teilt Gurlitt in runden Zahlen die Hauptsummen mit3. 237 Schock brachte der Kasten des Jubeljahres der heiligen Anna (richtiger der Kasten des Ablasses für den Kirchenbau), von denen 49 Schock an den Papst gesendet wurden.“ ... „Ausser jenen 49 Schock zahlte die Stadt für Ablafs dem Papste noch 79 Schock, also fast 4% ihrer Einnahme." Diese Auszüge sind zu wenig präzis, um sich genauer identifizieren zu lassen; die Summe von 237 Schock entspricht aber wohl nur einer einmaligen Öffnung des

Kastens.

1 Vgl. Neuwirth, Mitteilungen 30, 333. 337.

2 Vgl. Urkunden Nr. 117, 122 u. 124.

8 Cornelius Gurlitt, Kunst und Künstler am Vorabend der Reformation. Ein Bild aus dem Erzgebirge. Schriften des Vereins f. Reformationsgeschichte 29 S. 95. Weiter kamen 77 Schock an heiligen Tagen ein, 11 Schock ergaben die Testamente.

Die Fuggerschen Ziffern zeigen ein deutliches Sinken der Erträge; am Annentage 1517 hatte man erst eben die Bulle erhalten. Der Fastenertrag sinkt von 1518 auf 1519 enorm, dann weiter auf 1520, in noch höherem Mafse der Annenertrag. Hat sich das nicht später gebessert, so sind die Stadt und der Herzog nicht auf die Kosten gekommen, die sie in Rom gehabt hatten.

Auch von dem Ablasse für das Waisenhaus und das Blatternspital in Strafsburg, der nur ein Jahr gültig war, aber doch noch etwas verlängert wurde, haben wir eine Abrechnung, die allerdings nur die päpstliche Quote angibt. In Rom wurden 2824 Dukaten abgeliefert1; die Provision der Fugger ist unbekannt, doch dürfen wir schliefsen, dafs der Gesamtertrag etwa 900 Dukaten war. Über die Verkündigung dieses Ablasses sind die sonstigen Nachrichten spärlich; sie sind bereits von Paulus gesammelt worden. Der Bischof stellte sich zur Ablafspredigt sehr freundlich; sie begann am 21. März 1518 und fand auch in Hagenau, Oberehnheim, Schlettstadt, Zabern, Offenburg und Lahr statt. Der Ablafs wurde auf Bitten der Ablafsherren bis nach Ostern 1519 ausgedehnt; auch wünschten sie, dafs das Passionsspiel des Ablasses wegen fortfalle, doch genehmigte das der Rat nicht. Der Ablafs fand bei den Bürgern nicht geringen Widerstand, doch war ja Luther bereits aufgetreten. Nicht zu übersehen ist, dafs dieser Ablafs von Laien erbeten wurde, durchaus nicht von der Geistlichkeit.

In den österreichischen Niederlanden stiefs der Arcimboldische Ablafs mit dem Deichbauablafs zusammen. Nach den Untersuchungen Fredericqs sind neun Ablassbriefe aus den Jahren 1516 und 1517, die auf diese beiden Ablässe zurückgehen, erhalten. Fünf gedruckte sind ausgestellt von Arcimboldus, und zwar sind davon drei wirklich ausgefertigt worden; sie tragen folgende Daten: Nymwegen 20. April 1516 und 4. Juli 1517, Arnhem 2. Dezember 1517, - sie alle sind also nach dem Erlasse der Bulle über den Deichbau ausgefertigt

1 Urkunden Nr. 114. 1519 Jan. 4.

2 Sie fufsen, wie schon oben gesagt, auf den Annalen von Seb. Brant. Weitere Nachrichten enthält, wie mir Herr Stadtarchivar Dr. Winckelmann freundlich mitteilt, weder das Stadt- noch das Spitalarchiv.

3 Dafs es sich um zwei verschiedene Ablässe handelt, läfst sich erst durch unser Material genauer feststellen.

worden, ein deutlicher Beweis, dafs beide Ablässe gleichzeitig gepredigt wurden. Die Kurie ordnete freilich am 3. September 1516 an, dafs der Arcimboldische Ablafs dort nicht gepredigt werden sollte, wo der Deichablafs gewährt sei, also nicht in den Gebieten Erzherzog Karls1. Der Kommissar des Deichbauablasses, der spätere Papst Hadrian, stellte einen Ablassbrief in Gent am 3. Januar 1516 aus; später hatte er sich nach Spanien begeben müssen und mit seiner Vertretung in der Ablafssache den Johann Huberti de Loemel, Archidiakon in der Diözese Lüttich, beauftragt. Von ihm wurde zu Delft in Holland am 20. Mai 1516 ein Ablafsbrief gegeben. Auch zwei Stücke Confessionalia dieses Ablasses sind unausgefüllt erhalten.

Karl V. hat in staatlichem Interesse die anderen Ablässe, die in den Niederlanden verkündet wurden, auf die Seite gedrängt, ja, geradezu verboten. Er erliefs am 23. Juni 1515 den Befehl, überall das Verbot zu veröffentlichen, das den Kommissaren untersagte, die Ablässe zugunsten der Kirchen, Hospize und Hospitäler zu verkünden, auch wenn sie von den Diözesanbischöfen oder Prälaten die Genehmigung hätten; ja, selbst seine eigenen Genehmigungen widerrief er.

Hat dieses Verbot den Arcimboldischen Ablafs mitbetroffen, oder ist es nicht viel mehr wahrscheinlich, dafs die niederländische Regierung mit der Kurie dahin übereingekommen war, den Arcimboldischen und den Deichablafs nebeneinander predigen zu lassen?

Jedenfalls hat im Oktober 1515 eine Abmachung zwischen dem Datar Silvio Passerini und dem Florentiner Bankhaus der Frescobaldi über die Entrichtung der Gelder des dem Erzherzog Karl (Kaiser Karl V.) gewährten Ablasses und Zehntens stattgefunden. Das Bankhaus rechnete Juli 1519 an der Kurie ab und übergab dort 21 264 Dukaten; auch die Summen der drei Teilzahlungen sind angegeben 2.

Zweifellos hat Karl dann ein Monopol dieser Ablässe erstrebt; die vier von ihm erlassenen Ordonnanzen sehen dabei so aus, als schütze er ausschliefslich den Deichablafs von 1515. Sicher ist das der Fall in dem Briefe vom 3. November 1515, in dem es heifst: „Nostre tressaint père Leo, pape moderne, à nostre très instante et singulière requeste nous a présentement accordé pour le bien de nous, nos pays et subjects, très amples et très plénières indulgences de jubilée avec pluiseurs très belles et singulières graces." Auch die Ordonnanz vom 14. Dezember 1515 nennt nur Hadrian von Utrecht als Kommissar.

1 Vgl. Urkunden Nr. 98. 1516 Sept. 3.

2 Urkunden Nr. 120. 1519 Juli 19.

Weniger deutlich, aber auch eigentlich sicher schliefsen die Ordonnanzen vom 24. März 1517 und 5. März 1518 jeden anderen Ablafs als den für den Deichbau aus 1.

Es ist hier das Verhältnis einmal völlig klar. Der junge Karl V. führt ein Ablafsmonopol durch; er läfst all die anderen Ablässe entfernen, um seinerseits diesen einen möglichst ergiebig zu machen! Statt dafs der Staat die Deichbaukosten trägt oder die geschädigten Gemeinden unterstützt, werden die Mittel durch einen Ablafs aufgebracht! In seiner Ordonnanz von 1515 sagt Karl V. offen: Weil es zu Unserer Kenntnis gekommen ist, dafs mehrere Kommissare und Delegaten von Kirchen, Hospitälern und Gotteshäusern . . . predigen Ablass ... in Unsern Landschaften Brabant, Ober-Maas und Flandern ,ende in dien grooten penningen te heffen, wyt ende weg te dragen, ten grooten laste, schaden ende interest van onsen ondersaten aldaer, ende eyntelic huere destructie wezen zoude" 2.

Nur beiläufig haben wir oben an zwei Stellen den von Julius II. für Polen, Ungarn, Böhmen und Schlesien gewährten Jubelablafs erwähnt. Wir sahen oben eine Einnahmesumme von 602784 Dukaten aus Polen und Schlesien Breslauer Territoriums. Eine Quittung vom 13. Januar 15153 gibt als Resteinnahmen für Ungarn: 821.13.4, für Polen: 5761.3.6, für Schlesien und Polen: 2135.10.-. Die Fugger, die päpstlicherseits für die Einnahme des Drittels delegiert waren, lieferten also der Kurie mindestens 14786 Dukaten ab.

Seit den Tagen der Reformation war der Glaube weitverbreitet, von den Ablafsgeldern hätte Leo X. nicht den Bau von San Pietro gefördert, sondern er hätte seiner Schwester Maddalena, die 1487 Francesco Cibò geheiratet hatte, eine Anweisung darauf gegeben. Von einem so gründlichen Kenner des vatikanischen Archives, wie es Felix Contelori war, ist demgegenüber behauptet worden, dafs sich dafür nicht die Spur eines Beweises findet, und dem muss ich zustimmen. Maddalena starb zudem schon am 2. Dezember 1519.

1 Über die vier Ordonnanzen vgl. Fredericq 34-39.

2 Ch. Laurent, Recueil des ordonnances. 2ième série. Pays Bas 1, 407 ff.

3 Urkunden Nr. 73. 1515 Jan. 13. Vgl. oben S. 48, 58, 60 u. öfter.

* Diese Erzählungen gehen, soweit ich sehen kann, auf Guicciardini und Sarpi zurück.

5 Vgl. Roscoe-Bossi 6, 103.

Diesen Erzählungen liegt übrigens die Voraussetzung zugrunde, dass der einkommende Ertrag der Ablässe sofort in vollem Umfange der Baukasse von Sankt Peter überwiesen worden sei; das ist allerdings nicht der Fall gewesen, vielleicht in den Tagen Julius' II., als noch ein Kanonikus von San Pietro Kommissar war. Später kam das Geld auch nicht einmal immer in dieselbe Kasse. Wir finden Ablafszahlungen in den Introitus et Exitus; also ging ein Teil an die Camera apostolica, aber sehr, sehr viel fehlt. Das ist wohl an die Thesaurarie des Papstes gegangen oder direkt in seine Hand. Wie viel wurde. ferner sofort mit den Fuggern verrechnet! Also, wie über alle Gelder → der Papst zu verfügen hat, so hat Leo X. es auch mit dem Ablafsgeld gehalten. Nun war die Kasse Leos X. leer, seine Freigebigkeit, sein Luxus grofs, grenzenlos; schon 1517 meinten einige hohe Prälaten, auf die Dauer werde die Kurie diesen Aufwand nicht bezahlen können 1. Er hinterliefs eine immense Schuldenlast, obwohl noch Julius II. leidliche Ordnung hergestellt hatte, und obwohl Leo X. sich nicht gescheut hat, für Kardinalshüte Geld zu nehmen, Ämter zu verkaufen und neue zu errichten, um sie veräussern zu können; obwohl der Papst sich derjenigen Leute bedient hatte, die wie Francesco Armellini, die Kunst bewährt hatten, Geld zusammenzuschaffen. Dieses zeitweise Untertauchen von Ablafsgeldern im Meere der Finanzen der Kurie wäre auch unter einem besseren Pontifikate durchaus nicht verwunderlich gewesen.

Aber schliefslich ist die Frage doch so zu stellen: Hat Papst Leo X. so viel Geld auf den Bau von San Pietro verwendet, als er an Ablafsgeldern erhielt? Die Antwort kann nicht ziffermässig gegeben werden. Denn auch mit den Ausgaben für den Bau war es nicht besser. Wir haben zwar ein Rechnungsbuch der Fabbrica di San Pietro al Vaticano für die Zeit von 1514-24, aber das ist weit davon entfernt, vollständig alle Baukosten des Riesenbaues zu buchen. Schliefslich bleibt nichts übrig, als zu rechnen: so und so viel mag Leo X. an Ablafsgeldern erhalten haben, so viel ist unter seinem Pontifikate gebaut worden. Aber lassen wir lieber ein solches Spiel der Phantasie!

Begnügen wir uns mit ein paar Notizen jenes Rechnungsbuches, das ich durch die Güte des Herrn Dr. Kalapp für kurze Zeit einsehen konnte. Wir fanden für die Fugger nur folgende Posten:

1 Sanuto 24, 144.

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