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Die weitere Behandlung der Ablafsangelegenheit rückte nur langsam vom Flecke. Der uns bekannte arcimboldische Ablafs vom 2. Dezember 1514 schliefst die in der Mainzer Supplik erwähnten Gebiete aus. Einen wesentlichen Fortgang der Sache erfahren wir aus dem Motu proprio vom 15. April 15151. Es lautet:

„Leo X. Papst. Aus eigenem Antriebe usw. dem ehrwürdigen Bruder R., Kardinalbischof von Ostia, unserem Kämmerer und den geliebten Söhnen, dem Thesaurar, den Vorsitzenden und den Klerikern unserer apostolischen Kammer Grufs und apostolischen Segen. Wir haben neulich auf Bitten unseres ehrwürdigen Bruders, des Erzbischofs von Magdeburg und Postulierten von Mainz, zugunsten des Kirchenbaues des Apostelfürsten in Rom in den Provinzen Mainz und Magdeburg sowie in den unmittelbaren Besitzungen der Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg, des Bischofs von Halberstadt und der Markgrafen von Brandenburg einen Ablafs gewährt, der verkündigt und ausgeführt werden soll durch den genannten Erzbischof und der acht Jahre vom Tage der Ablafsverleihung (das ist der 1. August 1514) dauern soll; bedungen ist auch, dafs die Hälfte des Ertrages des Ablasses nach Abzug der Lasten jenem Baue zugehe und durch den genannten Erzbischof jährlich an ihn geschickt werde; und da der Erzbischof zur Beihilfe für jenen Bau in unsere Hände 10000 Kammerdukaten Geld entrichtet hat, haben wir ihm versprochen und sind übereingekommen, dafs der genannte Ablafs während der Dauer der genannten acht Jahre nicht widerrufen noch suspendiert werden darf und kein anderer vollkommener Ablafs auch nicht für den genannten Bau gewährt oder, wenn gewährt, direkt oder indirekt veröffentlicht werden soll, im Hinblick auf den oben genannten Ablafs, wie das näher in den von uns unterzeichneten Kapiteln und Abmachungen enthalten ist. Wir weisen Euch an und befehlen Euch, dafs Ihr im Namen der apostolischen Kammer zu gröfserer Sicherheit des genannten Erzbischofs ihm und denen, die für ihn verhandeln, in Kraft eines Vertrages Euch für die Innehaltung des oben Besprochenen verbürgt und bindet. Alles, was dagegen sprechen könnte, soll kein Hinderungsgrund sein."

An Tatsächlichem folgt aus dem Motu proprio, dafs der Papst inzwischen zu eigenem Händen, also nicht die päpstliche Kammer, jene 10 000 Dukaten, die nun als Beihilfe für den Bau von St. Peter bezeichnet werden, erhalten hat, und dafs von ihm auch ein Vertrag

1 Vgl. Urkunden Nr. 85.

mit der gegnerischen Seite abgeschlossen ist, der nicht erhalten ist; es müfste denn sein, dafs damit die Supplik selbst gemeint sei.

Das Motu proprio ist auf Grund der Supplik zum gröfsten Teile im wörtlichen Anschlusse an dasselbe ausgearbeitet worden. Materielle Abweichungen sind folgende. Die Supplik rechnet die acht Jahre vom Tage der Veröffentlichung des Ablasses an, das Motu proprio vom Tage der Ablafsverleihung, vom 1. August, also von dem Tage an, an dem der Papst unter die Supplik sein „placet" gesetzt hatte. Die Fakultäten der Kommissäre sind im Motu proprio nicht deutlich genug angegeben, um eine Differenz feststellen zu können. Der Ablässe für Konstanz und Augsburg wird nicht ausdrücklich gedacht, doch enthält das Motu proprio auch nicht die Suspension eines bereits verkündeten Ablasses1.

Dann folgt die wichtigste Differenz: in der Supplik stand ausdrücklich die Zuwendung der Hälfte der Spenden an den Erzbischof und die Kirchen von Mainz, Magdeburg und Halberstadt, das Motu proprio (und sicher wohl auch der oben erwähnte Vertrag) enthalten nicht formell eine Überweisung dieser Art, während der Anteil von St. Peter in Rom klar begrenzt ist.

Es ist klar, dafs hier Albrecht Bedenken aufstofsen konnten, und, wie wir sehen werden, dreht sich die weitere Verhandlung um Erlangung einer festen Bürgschaft seitens der Kammer, dafs nicht diese vielleicht einmal Ansprüche erhebe. Mit dem Motu proprio waren also die Abmachungen zwischen der Kurie und dem Erzbischofe nicht perfekt geworden.

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Das Motu proprio ist ein innerer Dienstbefehl, der nicht zur Herausgabe an die Aufsenwelt bestimmt war. An diese wendete sich die Bulle: Sacrosanctis Salvatoris et Redemptoris nostri“ vom 31. März 1515. Diese für die Weltgeschichte so wichtig gewordene Bulle ist wohl sofort, nicht aber später mehr gedruckt worden und bis auf Paulus Tetzelstudien ziemlich unbekannt geblieben.

Vergleicht man die Ablafsbulle mit den anderen gleichzeitigen,

1 Körner S. 49 Anm. 154 sieht in dem Motu proprio eine Suspension aller übrigen Ablasse. Es kommt hier auf die Interpretation des Wortes publicare an, ich verstehe, dem Usus der Kurie entsprechend, darunter die erste feierliche öffentliche Mitteilung einer Ablafsbulle, Körner die tägliche Verkündigung des Ablasses selbst.

2 Seitdem ich dieses schrieb, ist sie von Köhler, Dokumente zum Ablafsstreit S. 83-93, nach dem Exemplar des Originaldrucks in der Münchener Universitätsbibliothek gedruckt worden. Abdruck: Urkunden Nr. 84.

so ergibt sich, dafs sie einzig dasteht. Nur eine andere Bulle noch hat eine solche zeitliche Ausdehnung einem Ablasse garantiert, es ist die von 1476 für die Kirche von Saintes, da ist allerdings gar ein Zeitraum von zehn Jahren und eine räumliche Ausdehnung auf ganz Frankreich und die Nachbarländer gewährt worden1. Damals handelte es sich um einen einheitlichen Staat. Hier aber wurden in den zahlreichen Territorien alle anderen Ablässe niedergelegt. Eben hatten sich die Fürsten vielleicht eine Ablafs bulle verschafft, nun ward sie wertlos. Die Stätten der alten Ablässe standen leer. Albrecht jagte durch diese Bulle allen, die von ihren Bullen Spenden und Erträge gehofft hatten, das Geld ab und brachte es in seine Hände.

Einzig in ihrer Art ist auch ein derartiger Zweck. Wir haben gesehen, dafs oft genug der Ablafs nicht deutlich den Zweck angab, den der Antragsteller dabei verfolgte. Aber dafs ein Ablafs auf St. Peter lautete, um einem Kirchenfürsten das Beschaffen der zur Simonie erforderlichen Gelder und das Kumulieren von Bistümern zu erleichtern, steht doch ohne Beispiel da. Für alle Beteiligten ist dieser Ablafs unehrenhaft.

Die Bulle ist auf das allerschärfste gegen den Versuch einer Zurücknahme gedeckt. Auf acht Jahre war fast die Hälfte Deutschlands dem Vertriebe dieses einen Ablasses anheimgegeben. In der Supplik stand noch eine Deckung für die Ablässe für das Augsburger Dominikanerkloster und den Constanzer Münsterbau; die Bulle stellte das den Kommissären anheim. Wir wissen, das waren Fuggersche Ablässe; sie zu respektieren, hatte Albrecht von Brandenburg, der Schuldner der Fugger, allen Anlass.

Als die Bulle (31. März 1515) und das Motu proprio (15. April) gegeben wurden, waren die meisten der Gesandten längst über die Berge zurückgekehrt. Nur einer läfst sich noch in Rom nachweisen, es ist Blankenfeld, der, wie wir wissen, inzwischen zum Bischof von Reval erhoben worden war.

Sein Interesse an der Sache wird uns überraschend deutlich, wenn wir den liber secretorum Leonis X. tomus IV Reg. Vat. 1196 zur Hand nehmen. Aus Fol. 60 findet sich die Ablafsbulle für MainzMagdeburg, sie endet Fol. 64 v, und darunter heifst es gleich weiter: In gleicher Form soll eine Bulle ausgestellt werden für „in Dacie, Suecie et Norwegie regnis ac universa Prussia, Livonia ac partibus Scanignalibus". Dieser Ablafs war nur auf drei Jahre gewährt worden.

1 Paulus, Peraudi 648.

Wer war aber der Kommissarius? Johannes episcopus Revaliensis. Und diese Ablafs bulle datiert wie das Motu proprio vom 15. April 1515. Ich meine, es ist völlig klar, dass Blankenfeld als brandenburgischer Orator die Ausfertigung des Ablasses für Mainz-Magdeburg betrieb, zugleich aber für sich einen erwarb, der ihn zum Kommissar für den Norden und Nordosten machte.

Auch dieser Ablafs geht auf die Initiative eines Hohenzollern zurück, auf den Hochmeister Albrecht, der später zum Luthertum übertrat und sein Ordensland säkularisierte. Bei älteren Ablässen hatte man an der Kurie Preufsen als einen Teil von Polen mitgerechnet, und in dem Streben, die frühere Freiheit wiederzugewinnen, war es natürlich das Bestreben der Hochmeister, ja nicht unter einen Legaten oder einen Ablafs zu kommen, der für Polen bestimmt war1. Die durch die Polen schwer bedrohten Ritter des Deutschen Ordens sahen jeden Tag einen offenen Kampf mit dem Königreiche vor Augen. Sie mussten sich Geldmittel verschaffen, und hatte nicht der Meister von Livland im Kampfe gegen die schismatischen Russen erhebliche Geldmittel dadurch erhalten, dafs ein Ablafs in weiten Strecken Deutschlands verkündet wurde? Jetzt ging es freilich gegen katholische Nachbarn, gegen ein Reich, das selbst Ablafsgelder zum Kampfe wider die Türken erhielt. Also waren die Aussichten viel schlechter! Aber Blankenfeld hatte doch eine Ablafsbulle zu Wege gebracht, freilich nicht, wie der Hochmeister es gewünscht hatte, für Deutschland, sondern für den skandinavischen Norden, nicht unter dem offenen Titel einer Unterstützung des Ordens, sondern unter der Deckadresse einer Unterstützung des Baues von St. Peter, nicht sollte der Hochmeister zwei Drittel behalten, sondern nur die Hälfte. Aufserdem war für Schweden bereits ein anderer Ablafs gewährt, der dann auch auf die beiden Reiche König Christians II. ausgedehnt wurde. Als Blankenfeld seine Ablafsbulle erhalten hatte, machte er sich zunächst auf den Weg nach Deutschland. Der zum Bischof von Reval ernannte Prokurator des Deutschen Ordens und Orator des Kurfürsten von Brandenburg kam mit der vollen Gewalt eines päpstlichen Legaten de latere in die Landschaften, welche dem erwählten Kaiser Maximilian und dem Könige Christian von Dänemark unterworfen waren, dann war er auch nach Preufsen, Livland, Schweden usw. bevollmächtigt pro nonnullis sacrae Romanae Ecclesiae arduis negotiis" 2. Sollte Blankenfeld auf dieser Reise dem Erzbischofe

1 Vgl. Urkunden Nr. 42. 1513 Ende.

2 Hergenrother Nr. 14997. Die Fakultäten ebenfalls vom 15. April.

Albrecht von Mainz Magdeburg die für ihn bestimmte Ablafsbulle vom 31. März und das ungenügende Motu proprio vom 15. April überbracht haben?1 Die Vermutung liegt sehr nahe, doch war das nicht der Fall. Die Ablafsbulle wenigstens nahm einen ganz anderen Weg. Dann begab sich Blankenfeld zum Könige von Dänemark; Ende Juni war er in Lübeck. Es ist fraglos, dafs er bei diesem Herrscher wegen der Zulassung seines Ablasses gefühlt hat, noch war so scheint es der arcimboldische Ablafs in diesen Gegenden nicht im Gange. Dann machte er am 23. September in Angermünde dem Kurfürsten Joachim seine Aufwartung. Erst im Oktober traf der Bischof von Reval mit dem Hochmeister in Tapiau zusammen; dieser dankte für den Ablafs, müsse sich aber erst noch die Durchführbarkeit überlegen. Auf einer Zusammenkunft mit dem livischen Meister, die am 1. März 1516 in Memel statthatte, gab dieser dem Hochmeister den Rat, abzulehnen. Die arcimboldische Konkurrenz war nun schon stark angewachsen; schon seien, sagte Plettenberg, in den sechs Städten (an der deutschen Küste), auch in Norwegen, Dänemark, vielleicht auch in Schweden, ein Kommissar und Unterkommissare angestellt. Dem Orden blieben somit nur die Ordensgebiete; der Titel des Ablasses für die Sankt Peterskirche sei dem Volke nicht angenehm; zudem wollte der Papst die Hälfte und der Bischof von Reval auch seinen Anteil, so dafs also dem Hochmeister nicht viel übrig bleiben werde.

Doch der Hochmeister schwankte noch einmal, er wollte doch noch mit dem Bischofe, der inzwischen nach Rom zurückgekehrt war, weiter verhandeln, aber im April hatte sich der Herzog entschieden, abzulehnen. Wie bei der Kurie, so hat auch bei dem Herzoge nicht einen Augenblick der Gedanke religiösen Interesses sich geltend gemacht. Er wie sie wollen das Geld der Spenden. Da schliesslich der Ablafs zu einer Besteuerung der eigenen Untertanen zusammengeschrumpft war, gibt der Herzog die Bulle mit höflichen Worten zurück. Blankenfeld, der vielleicht die Rolle Arcimboldis geschickter gespielt hätte, war in seinen Hoffnungen getäuscht. Nach Rom ist Blankenfeld erst November 1516 zurückgekehrt3.

1 Körner S. 50 läfst irrig dieses Motu proprio in den Händen des Sollicitators des Bischofs von Reval, Johann Christmann, zurückbleiben.

2 Ich folge der Darstellung und den Quellen bei Joachim, Die Politik des letzten Hochmeisters in Preufsen, Albrecht von Brandenburg, in Publikationen aus den k. preufs. Staatsarchiven Band 50. Es kommen vor allem in Frage S. 85 f. 110. 249. 257. 259 u. 260.

3 Gemäfs seinen Berichten im Königsberger Archive. Schulte, Die Fugger in Rom. I.

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