Der neue Pitaval: eine Sammlung der interessantesten Criminalgeschichten aller Länder aus älterer und neuerer Zeit, Band 4

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Brockhaus, 1843
 

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Beliebte Passagen

Seite 269 - Auftritts durchschauert, aber doch gefaßt und vorbereitet auf den Tod. Nicht so der Scharfrichter. Die allgemeine Meinung im Publicum hatte auch auf ihn eingewirkt. Sein Amt schien ihm heut eine Mordthat zu fodern. Er hatte am Tage vorher gebeichtet und das Abendmahl genommen. Jetzt beim Anblick des lieblichen, in ihr Schicksal ergebenen Opfers, vielleicht auch beim Anblick der unwilligen Menge, welche das Schaffot umgab, ergriff ihn eine...
Seite 257 - ... Tuche verbunden. Dann habe ich sie mit dem Messer, welches ich schon in Bereitschaft hatte, in den Hals gestochen, dass das Blut herausfloss. Da habe ich nun auch sehen wollen, wie sie inwendig aussehe, und habe desshalb ihr einen Spanschnizer auf das Brustblatt gesezt und mit einem Schuhflickhammer darauf geklopft. Und so habe ich ihr die Brust geöffnet und mit einem Messer die fleischigen Theile des Leibs durchschnitten. Gleich nach dem Stich in den Hals schritt ich zur Oeffnung des Leibs,...
Seite 271 - Knüttelschlägen getroffen, sank zu Boden. Man stampfte sie mit Füßen, man warf sich auf sie, und in wenig Augenblicken war sie erschlagen. Dasselbe Schicksal traf ihren Mann, den man aus der Kapelle hervorriß. Auf der Stelle tödtlich getroffen, stürzte er in seinem Blute an den Stufen des Schaffottes nieder. Auch Helene Gillet ward vom Schaffot heruntergetragen - es war Niemand in der Stadt, der sie hinrichten konnte — und in den Laden eines Wundarztes gebracht. Er fand viele, aber keine...
Seite 258 - Oeffnens so begierig war, dass ich zitterte und mir wollte ein Stück herausgeschnitten und gegessen haben. Nachdem die Seidel den ersten Stich empfangen, hat sie noch einen Schrei und 6 — 7 Seufzer gethan, wollte sich wehren und schlug mit den Händen drein.
Seite 268 - ... dieses Gesetzes entschuldigen, da dieses Edict auf königlichen Befehl vier Mal des Jahres von allen Kanzeln verlesen wurde. Die Stadt Bourg und die ganze Umgegend war vom innigsten Mitleiden für die Unglückliche erfüllt. Das Publicum glaubte ihrer Aussage. Es sah in dem anmuthigen, 21 jährigen Mädchen, dessen Ruf bis da völlig unbescholten war, nur das Opfer eines frechen Wüstlings und begriff nicht, oder wollte nicht begreifen, daß ein Widerstand ohne Sieg und ein Schweigen, um den...
Seite 270 - ... verurtheilt; das Weib schlug sie mit den Fäusten auf Nacken und Brust, um sie zu betäuben. Fünf bis sechs Mal versuchte sie die Schlinge zuzuziehen, um Helenen zu erwürgen. Aber das Volk schleuderte einen Regen von Steinen nach ihr. Getroffen, selbst schon blutend, betäubt, wollte sie doch ihr Opfer nicht lassen. Sie schleppte das halbtodte Mädchen bei ihren langen Haaren von der Stelle fort an den andern Rand des Schaffottes. Hier zog sie eine lange Scheere aus der Tasche. Da sie den Hals...
Seite 270 - ... Ungeheuer fühlte sich berufen, das Werk, das ihrem Manne mislungen war, auszuführen. Zwar hatte sie nicht die Kraft, das Richtschwert zu schwingen; aber zum Tode bringen wollte sie wenigstens das Opfer. Sie ergriff die Leine, mit der Helene festgebunden war, und schlang sie ihr um den Hals. Jetzt wehrte sich das arme Mädchen; sie war ja nicht zum Strange verurtheilt; das Weib schlug sie mit den Fäusten auf Nacken und Brust, um sie zu betäuben. Fünf bis sechs Mal versuchte sie die Schlinge...
Seite 270 - Er nahm es, holte aus und führte den Streich entweder mit geschlossenen Augen oder blind vor Schreck. Er fehlte zum zweiten Male. Von neuem Grauen und gerechter Furcht ergriffen, schleuderte er das Schwert von sich und stürzte vor dem Gebrüll des zähneknirschenden Volkes vom Schaffot herunter und in eine Kapelle, welche dicht daneben war. Vielleicht hätte sie ihm als Asyl gedient, wenn nicht das Volk...
Seite 268 - Das Parlament zu Dijon bestätigte das vom Criminalgericht zu Bourg gefällte Urtheil am 12. Mai 1625; denn, auch wenn das Parlament die Richtigkeit des nachträglichen Bekenntnisses in allen seinen Theilen annahm, so bestimmte ein Edict aus den Zeiten Heinrich II., daß jedes Mädchen schon um verheimlichter Schwangerschaft und Niederkunft als Kindesmörderin bestraft werden solle, auch wenn sie behaupte, das Kind todt zur Welt gebracht zu haben. Helene konnte sich aber um so weniger mit der Unkenntniß...
Seite 269 - Das getroffene, blutende Mädchen fiel auf die rechte Seite. Nun warf der unglückliche, entsetzte Mann das Richtschwert von sich und bat die Umstehenden flehentlich, sie möchten ihn tödten. Das Volk gerieth wirklich in Aufruhr; man brüllte, schimpfte ihn und ein Steinregen flog gegen seinen Kopf. Des Scharfrichters Frau stand auch auf dem Schaffot. Sie hatte einen bösen Ausgang vermuthet, weil sie das innere Widerstreben kannte, mit welchem er gerade an diese Execution ging. Sie sah, daß es...

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