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ausreichender Wettererfrischung, doch spielt ausser in Kohlengruben das Kohlenwasserstoffgas nebst einigen anderen Verbindungen des Wasserstoffgases mit anderen Körpern auch überall anderswo eine grosse Rolle; allen Bergwerken aber gemeinsam, und nur nach dem Verhältnisse der Belegung derselben an Intensität oder Menge verschieden, sind die Gase, die von den Menschen ausgehaucht werden, und welche ihnen mit der Zeit ebenso nachtheilig werden können als manche Explosion schlagender Wetter. Nun steht ja das wenigstens fest, dass man im Allgemeinen früher nicht allein weniger als jetzt, sondern ganz entschieden viel zu wenig Gewicht auf die Beschaffenheit dieser Gase gelegt hat. Es wird daher auch meinerseits einer näheren Rechtfertigung nicht bedürfen, dass ich gerade diesen Gegenstand zur Besprechung wähle, und um so weniger, als vor einigen Jahren derselben Frage in England eine grosse Wichtigkeit beigelegt worden ist, indem die dortige Staatsregierung eine besondere Untersuchungscommission ernannte, welche letztere ihrerseits den Dr. Smith mit der Untersuchung der Luft in den Bergwerken von Cornwales betraute.

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In der Revue universelle", Bd. XX, 1866, findet sich eine Analyse des von Dr. Smith erstatteten Berichtes; von wem sie verfasst worden, ist aber nicht angegeben. Nachdem ich den für Bergleute wenigstens höchst interessanten Bericht kennen gelernt hatte, dachte ich sofort, es werde sich daraus ein Vortrag in Anschluss an das früher von mir erstattete Referat herstellen lassen. Dabei durfte ich mir natürlich nicht verhehlen, wie es doch auf den ersten Blick bedenklich erscheinen könnte, auf Zustände zurückzugreifen, denen möglicher, ja wahrscheinlicher Weise schon Abhilfe verschafft worden; auf der anderen Seite aber springt in die Augen, dass die Stichhaltigkeit jenes Beweisgrundes nur Giltigkeit hat, wenn davon abgesehen wird, dass es doch erspriesslich sein muss, den Zustand der Luft im Inneren der Bergwerke, auch wie er einmal war, näher kennen zu lernen, um beim Eintreten gestörter Wetterverhältnisse die Nothwendigkeit einer beschleunigten Einführung der geeigneten Mittel zur Abhilfe vor Augen zu haben.

Soviel über die Veranlassung zu diesem Vortrage, der natürlich nur als eine freie Bearbeitung der sogenannten Analyse anzusehen ist.

Um die Merkmale oder Kennzeichen angeben zu können, woran eine verdorbene Luft zu erkennen sei, hatte es sich Dr. Smith zur nächsten Aufgabe gemacht, die Zusammensetzung der Atmosphäre im Normalzustande festzustellen.

Bekanntlich ist die Atmosphäre ein mechanisches Gemenge ihrer einzelnen Bestandtheile, unter denen der Stickstoff, der seinerseits ein sehr indifferenter Körper ist, 79 Volumtheile repräsentirt, während der Sauerstoff die zu den 100 fehlenden 21 Volumtheile beinahe allein ausmacht. Es ist auch bekannt, dass ausser den genannten Gasen noch Kohlensäure, Wasserdampf und Ammoniakgas ebenfalls Bestandtheile der Luft sind. Während das letztgenannte den Stickstoff der stickstoff haltigen Bestandtheile der Pflanzen liefert, rührt der nach den verschiedenen Oertlichkeiten in seinem Vorkommen sehr variirende Wasserdampf von den Oberflächen des Meeres, der Seen, der Flüsse und des feuchten Bodens her und scheidet sich wieder als Thau aus; für unsere Zwecke fallen mithin beide, ebenso wie der Stickstoff, ausser Betracht. Unter den noch übrig bleibenden Bestandtheilen der Luft, dem Sauerstoff und der Kohlensäure, ist aber gerade der erstere eine Bedingung des menschlichen Lebens, und da die Kohlensäure auf Verschlechterung der Luft für

den Athmungsprocess von Einfluss ist, so ist auch klar, dass wir mit diesen Eigenschaften der Luft uns werden zu befassen haben.

Im Sauerstoffgehalte der Luft hatten Preestley's erste Untersuchungen Unterschiede bis zu 6 pCt., und diejenigen von Scheele sogar solche, die bis zu 10 pCt. stiegen, gefunden; noch andere Chemiker kommen zu noch grösseren Unterschieden. Cavendish war der erste, der zu neueren Resultaten gelangte, und welcher aus 100 Analysen den Sauerstoffgehalt der Luft im Normalzustande zu 20,833 pCt. bestimmte.

Erst Regnault und Bunsen, von denen der erstere die Luft von Paris, und der andere die von Heidelberg untersuchte, war es vorbehalten, noch genauere Werthbestimmungen zu liefern; jener bestimmte den fraglichen Sauerstoffgehalt im Mittel zu 20,949 pCt., während der zweite denselben zu 20,924 pCt. gefunden hat.

Auf diese Untersuchungen hin nahm Dr. Smith den Sauerstoffgehalt im Normalzustande zu rund 20,9 pCt. an.

In derselben Weise bestimmte mein Gewährsmann, sich stützend auf die Untersuchungen Saussure's, der den Kohlensäuregehalt der Luft in der Umgebung Genfs 0,035 pCt. bis. 0,054 pCt. fand, zugleich aber auch schon darauf hinwies, dass die Luft auf den Bergen einen grösseren Kohlensäuregehalt - nach Bunsen, Boussignault, Berger und Frankland auf Kosten des Sauerstoffes habe, als in den Thälern, den Kohlensäuregehalt der Luft zu 0,04 pCt. Daraus ergab sich nun für die Zusammensetzung der Luft im Normalzustande:

Sauerstoff. Kohlensäure.

Stickstoff.

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Es liegt nun also im ersten Falle ein ungewöhnlich tief abwärts gehendes, im anderen ein ungewöhnlich hohes Resultat vor, zu deren beider Würdigung ich mit Uebergehung der Resultate von vielen anderen Analysen, die über den Kohlensäuregehalt der Luft in Wohnungen, Theatern etc. gemacht worden sind und von 0,2 bis nahe 1 pCt. variiren, nur die des Professor Pettenkofer in München erwähne, welcher, nachdem er die Luft eines Zimmers auf deren Kohlensäuregehalt untersucht und diesen zu 0,536 pCt. gefunden hatte, durch ein eingehendes Studium der Frage: „wie gross der Gehalt an Kohlensäure in der Luft ohne Nachtheil für die menschliche Gesundheit sein dürfe, zu dem Ergebniss kam, dass beim gewöhnlichen Normalgehalte der Luft an Kohlensäure schon die Zunahme von 0,001 pCt. die Grenze zwischen gesunder und ungesunder Beschaffenheit herbeiführe.

Wo nach dem Ausspruche dieses bewährten Forschers, der jene seine Behauptung mit einer Entschiedenheit vertritt, dass er allen denen, die noch höhere Gehalte für diese Grenzbestimmungen angeben möchten, jedes zarte Empfinden abspricht; wo, sagt mein Gewährsmann, in noch höherem Grade verdorbene Luft vorhanden ist, da dürfen die schädlichen Einflüsse nicht allein der Kohlensäure beigemessen werden, sondern dieser in Verbindung mit organischen Ausströmungen, welche jene beständig begleiten. Derselbe erklärt das Gefühl von Erschlaffung, welches man beim Athmen einer solchen

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Waren gegenüber dem Sauerstoffgehalte im Normalzustande der Luft diese abweichenden Resultate nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Untersuchungen annehmen zu können, so bot auch schon die für die Entnahme der Grubenluft zur Anwendung gebrachte Methode, das Entleeren mit Wasser gefüllter Flaschen in der Grubenluft, kein genügendes Mittel dar, Kohlensäure in ausreichender Menge darin einzuschliessen.

Zu seinen eigenen Versuchen benutzte Dr. Smith schmale, an beiden Enden verjüngt zulaufende Glasröhren von 19mm Weite und 15cm Höhe, welche mittelst einer Luftsaugröhre mit Grubenluft gefüllt und nachher am Lichte zugeschmolzen wurden. Behufs Prüfung der Vollständigkeit der Verschlüsse untersuchte er die Enden mit einer Loupe, worauf sie in ein Quecksilberbad eingetaucht wurden. Im Laboratorium selbst zerbrach man die Enden der Röhren unter einer Quecksilberglocke und liess die Luft von einem Absorptionsrohre aufnehmen.

Im Allgemeinen war die Aufnahme der Kohlensäure durch feuchte kaustische Potasche am Ende von 12 Stunden gänzlich vollendet. Zur Bestimmung des Sauerstoffes wollte mein Gewährsmann anfangs Pyrogallussäure verwenden, aber die Schwierigkeit, damit die Röhren auszuwaschen, wie der Zweifel, welcher danach für die Menge des kohlensauren Gases entstehen konnte, liessen ihn von dieser Methode abstehen und dagegen den Explosionsprocess mit Hilfe des Bunsen'schen Eudiometers zur Ausführung bringen.

Auf diesem Wege gelang es ihm, in kurzer Zeit eine grosse Zahl von Untersuchungen anzustellen, deren Ergebniss er, so weit die Untersuchungen den Sauerstoff betroffen haben, als ausreichend genau angiebt, ohne jedoch dasselbe auch für die Bestimmung der Kohlensäure behaupten zu wollen, wegen des an und für sich geringen Antheiles, den dieses Gas an der Zusammensetzung der Luft hat, als namentlich auch wegen des geringen Volumens von Grubenluft, mit welchem er zu operiren hatte.

Dr. Smith's Resultate waren nun: Sauerstoff im Mittel von 399 Analysen an den Enden der Betriebe.

aber ein weiteres Sinken von 0,1 pCt., d. i. also bei 20,5 pCt. Sauerstoffgehalt.

Ganz in der Regel ist jede Abnahme des Sauerstoffgehaltes der Grubenluft durch eine Zunahme des Kohlensäuregehaltes derselben vertreten. Durch das Studium der Grundursachen dieser nachtheiligen Veränderungen gelangte Dr. Smith dazu, als die benachtheiligenden Ursachen anzuerkennen: das Ausathmen der Bergleute, das Brennen der Talglichte und das Abthun der Pulverschüsse. Derselbe sagt:

"

Wenn man den Sauerstoffgehalt des Endes eines Betriebes, vor welchem zwei Bergleute arbeiten, zu 1200 Cubikfuss annimmt, so geben diese zwei Menschen während einer Arbeitszeit von acht Stunden durch das Athmen 10,4 Cubikfuss Kohlensäure an die Luft ab, die Verbrennung von Pfd. Talglichte in derselben Zeit 12,24 Cubikfuss, und das dreimalige Abthun von Schüssen in derselben Zeit 2,752 Cubikfuss, was zusammen 25,392 Cubikfuss ausmacht, oder 2,116 pCt. von dem 1200 Cubikfuss grossen Rauminhalte.“

Derselbe sagt ferner mit grossem Rechte, die Verbrennung des Pulvers bedinge eine Menge von Erfolgen, die schon ein wenig verschieden je nach den Umständen und fast niemals diejenigen seien, welche die Theorie anzeige, denn die Verbrennung der drei Ingredienzien sei keine so innige, dass die Wirkung eine ganz vollständige sein könne, vielmehr der Art, dass, wenn die Kohle nicht vollständig ausgebrannt sei, der Schwefel nicht in Schwefelkalium übergehe, und der Salpeter nicht all seinen Stickstoff verliere. In der That verbrenne nicht alles Pulver während der Explosion, wie auch die Werthbestimmung der dabei entwickelten Gase nach Volumen Irrthümern ausgesetzt sei.

Dr. Smith hat nun noch für den angenommenen Rauminhalt des Endes einer Strecke von 1200 Cubikfuss die in der Grubenluft enthaltenen verschiedenen Bestandtheile berechnet und zusammengestellt.

Enthalten in 1200 Cubikfuss Grubenluft waren Grains 65 Milligramm:

Sauerstoff
Stickstoff

Kohlensäure
Kohlenoxyd
Wasserstoff

=

überhaupt: in jedem Cubikfuss: 139 737,795 114,802599 520 470,4

433,818

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Schwefelwasserstoff

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20,26 pCt. 20,18

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Und selbst dieses lange Verzeichniss enthält noch keineswegs alle Bestandtheile der Luft am Ende des Betriebes, woher Dr. Smith Theile derselben zu seinen Untersuchungen genommen hatte. Derselbe fand darin organische Massen und Mineralien in Staubform vor; selbst Schwefel- und Arsensäure wurden bemerkt, was gar nichts Auffallendes in sich trägt, da die Schwefelkiese in Cornwales viel Arsenik enthalten, dessen Gegenwart sich durch einen sehr starken Geruch verräth, sobald die Kiese in Stücke zerschlagen oder auch nur scharf mit dem Hammer berührt worden sind. Und

noch dazu die Wirkung des Verkohlens der aus Hanf gefertigten Zündschnüre, was schon allein hinreicht, die Sinne zu betäuben!

Sollte man es überhaupt für möglich halten, dass es der Mensch in einer solchen Luft noch 8 Stunden täglich aushalten könnte? Bedenkt man nun erst, dass die Lunge eines Menschen in 8 Stunden 111 Cubikfuss Luft einnimmt, und dass diese 111 Cubikfuss nach den Untersuchungen meines Gewährsmannes 89,98450 Cubikzoll feste Bestandtheile enthalten, von dem dreimaligen Schiessen der Bergleute herrührend. Diese festen Bestandtheile aber sind nothwendiger Weise die Gesundheit zerrüttende Elemente, und zuversichtlich eine Folge ihrer Einwirkung wird die kurze Lebensdauer dieser Bergleute gewesen sein ich sage, gewesen sein, weil ich nicht annehmen kann, dass auf die wichtigen Untersuchungen meines Gewährsmannes hin nicht bereits Abhilfe geschafft wäre.

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Es bliebe mir nun noch übrig, zu sagen, wo in Bezug auf Kohlensäure nach den Untersuchungen Dr. Smith's die Grenze zwischen gesundem und der Gesundheit nachtheiligem Aufenthalte zu suchen sei. Es wurde bemerkt, dass Dr. Smith seiner Analyse über die Kohlensäure der Grubenluft (= 0,785 pCt. derselben) keine ausreichende Genauigkeit beimisst. Nun hatte derselbe aber Gelegenheit, in einer Sodawasserfabrik 2 pCt. Kohlensäure enthaltende Luft vorzufinden, ohne dass daselbst das Einathmen dieser Luft beschwerlich geworden wäre. Es schloss daher auf die Anwesenheit organischer Materien und stellte darüber die nöthigen Untersuchungen an; es hat ihm aber nicht glücken wollen, die organischen Materien selbst, deren Feststellung grossen Schwierigkeiten unterliege, bestimmen zu können, indess hat er durch die Untersuchungen volle Ueberzeugung von deren Anwesenheit gewonnen.

Ein bestimmtes Resultat bieten also die Untersuchungen meines Gewährsmannes nicht für die Frage, bei wie viel Procent Kohlensäuregehalt in der Grubenluft die Grenze zwischen gesundem und der Gesundheit nachtheiligem Aufenthalte zu setzen sei, und werden wir, so lange nicht andere Normen festgestellt werden, die Pettenkofer'sche Angabe zum Anhalt zu nehmen haben.

Dieser mein Vorschlag stimmt im Allgemeinen mit dem, was Hr. Prof. Pinzger neulich in seinem Vortrage über die Ventilation bewohnter Räume (S. 302 d. Bds.) über jenen Gegenstand gesagt hat, weicht aber beträchtlich von den Angaben ab, die anderweitig in Folge desselben Vortrages gemacht wurden, und welche zum Theil für die Existenz eines viel höheren Kohlensäuregehaltes der Luft in Bergwerken, stellenweise sogar bis zu 5 pCt., gemacht worden sind.

Wem es die Umstände erlauben, und wer in sich die Kraft fühlt, sollte es sich auch stets angelegen sein lassen, die Nutzanwendung aus dem Resultate einer einzelnen Forschung aufs Allgemeine auszudehnen. Nun habe ich schon darüber nachgedacht, ob nicht Anlass genug vorhanden wäre, auch für unsere Gegenden die Untersuchungen meines Gewährsmannes in geeigneter Weise anzuwenden.

In dem nahe gelegenen Indethale zwischen Eschweiler und Stolberg ist die Industrie, namentlich die Montanindustrie, in mannigfachster Art vertreten. Ausser nicht unbedeutenden Bergwerken bestehen daselbst Eisenhohöfen und Walzwerke, Zink- und Bleihütten, chemische Fabriken, Messingwerke und Glashütten, zu derem Betriebe alltäglich grosse Quantitäten Kohlen erforderlich sind, und zugleich mit dem Kohlenrauche, der rings umher dem Auge sichtbar wird, steigen aus den

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Bei der sich hieran anschliessenden Discussion wurden zwei Gasanalysirungsapparate besprochen, ein französischer von Orsat, von welchem angenommen wird, dass er wol für praktische, nicht aber wissenschaftliche Versuche genau genug arbeite, und ein von dem Chemiker der Rhenania, Hrn. Liebig, construirter.

Hierauf folgte ein Vortrag des Hrn. Krebs

über Eisenbahnen mit starken Steigungen. Die technischen Schwierigkeiten, welche sich der Herstellung von Kunststrassen im Allgemeinen entgegenstellen, vergrössern sich bei den mit Locomotiven befahrenen Eisenbahnen wesentlich in Folge des Umstandes, dass für den Betrieb auf letzteren die Grenze der zulässigen Steigung viel enger gezogen ist, als die Strassen bedingen, auf denen die Fortbewegung von Lasten durch einen anderen Motor, z. B. durch die Muskelkraft der Thiere oder auch durch eine von einem festen Punkte aus wirksame mechanische Kraft bewerkstelligt wird. Während man bei Chausseen bis zu Steigungen von 1:10 und darunter geht, und auf Ebenen mit mechanischen Betriebsvorrichtungen kaum an ein bestimmtes Steigungsverhältniss gebunden ist, sehen wir die Wirksamkeit unserer gewöhnlichen Locomotiven thatsächlich an eine Maximalsteigung gebunden, die nur in wenigen Ausnahmefällen über das Verhältniss von 1:40 hinausgeht, welche Steigung bei der Semmeringbahn zur Anwendung gekommen ist.

Es bleibt hierdurch das Ueberschreiten von tiefen und breiten Thälern mit gewöhnlichen Schienenstrassen nur dann ausführbar, wenn es möglich ist, mittelst Dammschüttungen und Viaducten, oder auch durch wesentlich grössere Längenentwickelung des zu durchlaufenden Weges, endlich auch durch Durchbrechung von Höhen mittelst Tunnels eine Schienenstrasse herzustellen, die das Steigungsverhältniss von 1:40 nicht wesentlich überschreitet.

Die Ausführung solcher Vorbedingung ist indess höchst. kostspielig und kann meist nur bei Schienenstrassen ersten Ranges in Betracht gezogen werden. Die Eisenbahntechnik hat sich deshalb seit ihrem Entstehen nach Mitteln umgesehen, dem Baue entgegenstehende Terrainhindernisse auf andere Weise zu beseitigen, was nicht anders als durch andere Constructionssysteme des Motors oder seiner Bahn oder auch beider Hilfsmittel zugleich erstrebt werden kann.

Ehe wir die theils ausgeführten, theils projectirten Constructionssysteme zur Ueberwindung stärkerer Steigungen einer Betrachtung unterziehen, ist es nothwendig, die Art und Weise der Wirksamkeit gewöhnlicher Locomotiven uns zu vergegenwärtigen, um die Gründe zu erkennen, welche den für dieselben zulässigen Steigungen eine Grenze ziehen.

Die Fortbewegung eines Zuges durch Locomotiven ist. an die Bedingung geknüpft, dass ein oder mehrere Räderpaare durch das Gewicht der Locomotive gegen die Schienen gepresst werden, um eine Reibung zwischen Radumfang und Schienen zu erzielen, welche der zur Fortbewegung des Zuges und der Maschine selbst erforderlichen, ebenfalls am Rad

umfange wirkenden Zugkraft wenigstens das Gleichgewicht hält. Man kann sich den Eingriff der Räder in die Schienen, welcher durch Adhäsion erzeugt wird, als Eingriff eines Zahnrades in eine Zahnstange vorstellen, welche Construction bei den ersten Bahnen auch auf horizontaler Ebene angewandt wurde, so dass also der in den letzten Jahren eingerichtete Zahnradbetrieb auf der Rigibahn nicht als neue Erfindung, sondern nur als ein Zurückkehren zu einer primitiven Construction angesehen werden kann.

Dass man die Zahnradlocomotive nicht nur auf horizontaler, sondern auch auf geneigten Ebenen bald aufgegeben, war ein grosser Fortschritt in der Eisenbahntechnik, da erst hierdurch das Hauptmoment des Weltverkehres, die Geschwindigkeit, in den Vordergrund treten und zu seiner jetzigen Ausbildung gelangen konnte. Es geschah dies dadurch, dass man die Kraft der Adhäsion in Wirksamkeit treten liess. Das Gewicht der Locomotive, welches bei dem Zahnradsystem keine wesentliche Rolle spielt, musste nun im Verhältnisse zu der erstrebten Adhäsion und somit zu der fortzubewegenden Last stehen.

Nach vielfachen Versuchen zur Feststellung des Adhäsionscoefficienten des Rades auf der Schiene ist derselbe für mittlere Witterungsverhältnisse rund, kann aber unter sehr ungünstigen Bedingungen, z. B. bei Glatteis, bis heruntersinken, oder anders ausgedrückt: Soll eine Locomotive eine Zugkraft von 1 Ctr. leisten, so muss das Gewicht derselben bei gewöhnlichem Zustande der Bahn 8 Ctr. sein; bei ungünstigen Verhältnissen verringert sich aber die Leistung einer solchen Maschine, wenn nicht andere Hilfsmittel, z. B Sandstreuapparate, benutzt werden, auf Ctr. Zugkraft.

Die Zugkraft der Maschine muss selbstverständlich den Widerständen, welche sich der Fortbewegung des Zuges entgegenstellen, das Gleichgewicht halten. Wir haben nun drei Arten von Widerständen zu unterscheiden:

1) solche, welche auf gerader horizontaler Strecke,
2) die, welche in Curven,

3) die, welche in Steigungen vorkommen.

Der Widerstand auf gerader horizontaler Strecke setzt sich zusammen aus der rollenden Reibung der Wagenräder auf den Schienen, aus der Reibung der Achsen in den Lagern und dem Luftwiderstande. Hierzu treten noch die ganz unberechenbaren Factoren, die sich aus Unebenheiten der Bahn, also aus einer mehr oder weniger schlechten Lage des Gleises ergeben. Indess ist auch die Bestimmung der übrigen vorgenannten Widerstände auf theoretischem Wege nicht gelungen, und ist man bei der Berechnung auf die Resultate angewiesen, welche sich aus vielfach angestellten Versuchen ergeben haben. Diejenigen, welche auf der Köln-Mindener Bahn mit möglichster Sorgfalt vorgenommen wurden, haben im Mittel ergeben, dass pro 480 Ctr. Gewicht eines beladenen Zuges (Eigengewicht der Wagen und Belastung) 1 Ctr. Zugkraft erforderlich ist. Man pflegt, diesem Resultate entsprechend, den Widerstandscoefficienten bei Berechnung zu bis ho

anzunehmen.

Betreffs der Bewegung in Curven stimmen die aus der Praxis gewonnenen Resultate weder unter sich, noch mit der Theorie überein, und kann hier nur zur allgemeinen Charakterisirung dieses Widerstandes die auf der braunschweigischen Bahn geltende Vorschrift angeführt werden, wonach z. B. eine Curve von 180" Radius einer Steigung von 1:40 gleichgerechnet wird.

Der Luftwiderstand kann unter Umständen sehr bedeutend werden, doch kann begreiflicher Weise ein aussergewöhnliches

Mass desselben bei Construction der Locomotiven nicht in Betracht gezogen werden. Für gewöhnliche Witterungsverhältnisse von etwa 1,5 kg. Druck pro Quadratmeter Fläche ist derselbe in den eben mitgetheilten Versuchsresultaten mit enthalten.

Der einzige Widerstand, welcher sich mathematisch genau berechnen lässt, ist derjenige, welchen die Steigung der Bahn verursacht, und giebt dieser eine Hauptgrundlage für die Construction der Locomotiven ab.

Steigt eine Bahn unter dem Winkel a, so ist von der Maschine dieselbe Arbeit zu leisten, als wenn der Zug auf der Strecke cos a horizontal fortbewegt und um den Weg sin a senkrecht gehoben werden soll.

Da selbst bei stärkeren Steigungen die horizontale Projection der geneigten Ebene nicht wesentlich von der wirklichen Länge derselben verschieden ist, so pflegt man für cosa die Einheit zu setzen, während man für sin a das Steigungsverhältniss einführen kann.

Angenommen 9 beladene Wagen zu 300 Ctr. Gesammtgewicht sollen eine Ebene, welche eine Steigung von 1: 36 hat, ersteigen, die Maschine selbst wiegt 500 Ctr., wonach sich das Gesammtgewicht des Zuges zu 3200 Ctr. ergiebt; ferner werde der Widerstandscoefficient für die horizontale Strecke zu angenommen, so ist der Widerstand

3200 (20+36) = ca. 102 Ctr.

102

00

Soll die Maschine von 500 Ctr. Gewicht die Zugkraft mittelst Adhäsion auszuüben im Stande sein, so müsste der Reibungscoefficient zu 18 = ca. angenommen werden, was nur unter sehr günstigen Verhältnissen zulässig ist. Im Mittel wird sich die Leistung obiger Maschine ohne Mitwirkung von Sandstreuapparaten auf die Beförderung von fünf beladenen Waggons verringern. Vorstehende Berechnung liegt einer in Altona zur Ausführung bestimmten Hafenbahn zu Grunde.

Das Gewicht der Locomotiven ist in Folge der gesteigerten Anforderungen an ihre Leistungsfähigkeit ins Colossale gewachsen. Ich erinnere beispielsweise an die im Jahre 1862 in London und 1867 wiederum in Paris ausgestellt gewesene Bergsteigelocomotive Steierdorf (Bd. VII, S. 23 unserer Zeitschrift) mit fünf gekuppelten Achsen. Die grösste bis jetzt gebaute Maschine nach Fairlie's Construction (Tendermaschinen mit drehbaren Achsen) ist für die Lehigh ValleyEisenbahn in den Vereinigten Staaten geliefert worden. Dieselbe hat zwölf Räder und wiegt 1300 Ctr.

Beiläufig mag hier erwähnt werden, dass in dem Entwurf zu den Normen für die Ausrüstung und Construction der deutschen Eisenbahnen (Anlage zum Reichseisenbahngesetz) die Maximalbelastung eines Rades der Eisenbahnfahrzeuge und Locomotiven auf 7000 kg. festgesetzt ist, welche Bestimmung noch eine Steigerung obiger Leistung zulassen würde.

Berechnen wir die Leistung obiger Locomotive von 1300 Ctr. Gewicht, wobei selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass die Dampfkraft derselben im Verhältniss zum Gewichte und zur beabsichtigten Fahrgeschwindigkeit steht, so ist zunächst nicht ausser Acht zu lassen, dass mit dem Gewichte und der mehrfachen Kuppelung sämmtliche Reibungswiderstände, sowol der rollenden als der Zapfenreibung, nicht im einfachen Verhältnisse, sondern erheblich rascher steigen. Die auf der französischen Ostbahn angestellten Versuche haben für eine vierfach gekuppelte Lastzugmaschine einen Widerstand von etwa 48 Pfd. pro 2000 Pfd. Maschinengewicht ergeben, wonach der Widerstandscoefficient für so schwere Maschinen auf zu setzen wäre, während derselbe für drei

fach gekuppelte Maschinen nicht viel mehr als die Hälfte betrug.

Andererseits müssen wir, wenn wir die Zugkraft der Maschine für einen beladenen Zug berechnen, berücksichtigen, dass der Widerstandscoefficient sich hierfür bedeutend verkleinert, und werden wir hierfür annehmen können. Wir haben dann als Effect der in Rede stehenden Locomotiven: 1) Auf horizontaler Strecke, wenn wir den Adhäsionscoefficienten zu annehmen, ein Zuggewicht von 36000 Ctr. oder 120 beladene Güterwagen à 300 Ctr.

2) Sehen wir nun ferner, welchen Effect eine solche Maschine auf einer Steigung, wie sie bis jetzt für gewöhnliche Locomotiven allerdings noch nicht in Aussicht genommen worden ist, hervorzubringen vermöchte, beispielsweise auf einer Steigung von 1: 20, so erhalten wir 1238 Ctr. oder vier beladene Güterwagen à 300 Ctr. Bruttogewicht.

Wir sehen in diesem Falle nahezu das Doppelte des Netto - Lastgewichtes als Adhäsionsgewicht der. Locomotiven erforderlich.

Ohne die Sache weiter auszuführen, leuchtet ein, dass wir hier jenseits der Grenze des Locomotivbetriebes angelangt sind, soweit derselbe auf Adhäsion der Räder an den Schienen gegründet ist.

Dieser Erkenntniss verdanken die Eisenbahnsysteme für starke Steigungen ihr Dasein, und wenn auch dieselben gegenwärtig noch nicht die wünschenswerthe Ausbildung erreicht haben, so ist doch kaum daran zu zweifeln, dass in naher Zukunft sich irgend ein solches System entschiedener Bahn brechen und viele durch bisher ungünstige Terrainverhältnisse vom Strome des Weltverkehres abgeschnittene Quellen der Industrie in denselben aufnehmen wird.

Unter den Eisenbahnsystemen, welche keine Locomotive zur Fortbewegung benutzen, sind die ältesten die Seilebenen. Dieselben sind sogar älter als die Locomotiven, da auf den ersten englischen Kohlenbahnen bereits die Einrichtung getroffen war, dass die beladen abwärts gehenden Wagen die leeren mittelst eines um eine Rolle geführten Seiles heraufzogen. Eine im Princip ähnliche Einrichtung findet sich noch auf der Düsseldorf- Elberfelder Bahn bei Erkrath, wo sich zwei entgegenkommende Züge balanciren.

Nach Ausbildung der Dampfmaschine führte man zum Betriebe der Seilebenen die stationäre Dampfmaschine (Maus'sches System) ein, welche auf dem Gipfel der geneigten Ebene oder auch in der Mitte derselben aufgestellt, den Zug mittelst eines endlosen Seiles heraufzog, wie früher auf der Strecke Aachen - Herbesthal und gegenwärtig noch auf einem Theile der schiefen Ebene bei Lüttich.

Eine wesentliche Verbesserung erfuhr das Seilbahnsystem durch Agudio, welcher auf der Linie Turin - Genua bei Dusino eine Versuchsstrecke einrichtete, die den gehegten Erwartungen in vollem Masse entsprach. (Vergl. Bd. XIII, S. 470 und 531.) Das Princip derselben ist in der Hauptsache Folgendes. Wie bei der Maus'schen Seilebene setzt eine stationäre Dampfmaschine, welche auf der Versuchsstrecke durch zwei stehende Locomotiven, eine am oberen und eine am unteren Ende der schiefen Ebene ersetzt ist, ein in sich selbst zurückkehrendes Drahtseil in Bewegung. Dieses Seil dient aber nicht wie bei den früheren Seilebenen unmittelbar zur Bewegung des Zuges, sondern wirkt durch Reibung auf Umdrehung von Rollen, welche an einem Wagen, dem sogenannten Locomoteur, angebracht sind; diese Rollen sitzen mit den Laufrädern des Locomoteurs an einer Achse und setzen letztere mit verminderter Geschwindigkeit in Bewegung. XIX.

Das Seil, welches die Räder in Bewegung setzt und passend Treibseil genannt wird, wirkt auf Umdrehung des Rades; es fehlt aber noch die Adhäsion desselben auf der Schiene, welche bei den Locomotiven durch das Gewicht derselben hervorgebracht wird. Dieses Adhäsionsgewicht ist nun in sinnreicher Weise dadurch ersetzt, dass in der Mitte des Locomoteurs hintereinander zwei weitere Rollen angebracht sind, über welche ein Seil, das Schleppseil, gelagert ist, welches am oberen Ende der schiefen Ebene unwandelbar befestigt und am unteren Ende durch einen Spannwagen fest angezogen wird, wie auch die Anspannung des Treibseiles durch Spannwagen bewirkt wird. Das Schleppseil wirkt in derselben Weise, wie bei der neuen Seilschifffahrt das versenkte Kabel, es giebt nämlich den Angriffspunkt für die Zugkraft. Was im Uebrigen die Einrichtung der Agudio'schen Seilebene betrifft, so schiebt der Locomoteur die Wagen vor sich her. Das Abwärtsgehen eines Zuges wird wie das Aufwärtsgehen durch die Taue geleitet, nur dass hier statt Rollen Zahnräder in Thätigkeit treten. Vergleicht man den Nutzeffect der drei verschiedenen Seilebenen miteinander auf Grund der angestellten Versuche, so ergiebt sich, dass die selbstthätige Seilebene mit Locomotivbetrieb (geneigte Ebene bei Erkrath), wo solche anwendbar, entschieden die höchste Leistung aufweist, wie dies übrigens auch gleich in die Augen fällt. Das Maus'sche System mit endlosem Seil und die Agudio 'sche Seilebene stehen in Bezug auf Sicherheit des Betriebes und namentlich hinsichtlich des Fahrens in Curven, besonders das Agudio 'sche System, den anderen Seilebenen ausserordentlich vor, nur hat letzteres den Nachtheil der übrigen in verstärktem Masse, durch Schneemassen, Eis und sonstige Hindernisse leicht eine Betriebsstörung zu erleiden, wo für den Locomotivbetrieb noch kein Hinderniss erwächst. Ueberhaupt ist der Locomotivbetrieb auch bei stärkeren Steigungen, wenn nur geringe Zuggeschwindigkeit verlangt wird, immer noch vortheilhafter als der Seilbetrieb, und kann letzterer nur da in Betracht gezogen werden, wo die Bahnen so steil gelegt werden müssen, dass das Gewicht der Locomotive nicht mehr im angemessenen Verhältnisse zum Gewicht des Zuges steht. In diesem Falle ist auch die grössere Geschwindigkeit, welche auf Seilebenen dem Zuge ertheilt werden kann, mit in Rechnung zu ziehen.

Die Unregelmässigkeit und Unsicherheit des Betriebes sowie der grosse Kostenaufwand, den die Seilebenen bedingen, sind nicht geeignet, denselben eine Zukunft zu versprechen, wie dieselben denn grösstentheils nach und nach dort, wo sie angelegt waren, wieder beseitigt und durch gewöhnlichen Locomotivbetrieb ersetzt worden sind. Was die Betriebskosten anbetrifft, so verminderten sich auf der französischen Bahn von Andrezieur nach Roanne, auf welcher anfangs Seilbetrieb für eine im Verhältnisse von 1: 35 geneigte Ebene eingerichtet war, beim Ersatze derselben durch Locomotivbetrieb die Betriebskosten um fast die Hälfte.

Bei den Seilebenen mögen die damit in einiger Verwandtschaft stehenden Drahtseilbahnen Erwähnung finden, welche zwar nur auf kleinere Transporte berechnet, doch interessante Ergebnisse geliefert haben. Die Einrichtung besteht darin, dass ein Seil ohne Ende von einer stationären Maschine in Bewegung gesetzt wird, und an dieses Seil kleine Transportwagen oder Kübel angehängt werden, welche sich dann natürlich mit der Schnelligkeit des Seiles fortbewegen. Diese Drahtseilbahnen sind an manchen Stellen in Betrieb, u. A. eine auf den Mannsfeld-Bergwerken in der Nähe von Eisleben, um vielfach coupirtes Terrain oder eine Wasserscheide auf

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