in folchen Fällen viel zuversichtlicher gefällt werden als ein Geschmacksurtheil. Und so heißen wir denn diese Gedichte als den wahren Spiegel eines deutschen Fürstengemüthes ge= rührt und ehrerbietig willkommen. Ein König hat es schwer, sich der Mitwelt verständlich zu machen. Er kann fast allein durch Handlungen mit ihr verkehren, und diese greifen stets in das Gewirre der verschiedenen sich durchkreuzenden Interessen der Gesellschaft auf eine Weise ein, die ihm auch für das Edelste, was er thut, selten einstimmige Anerkennung erwirbt. Privatpersonen können ihre Thaten durch das zutrauliche Wort erläutern; der Umgang mit ihnen klärt uns über ihre Grundsäge, ihre Absichten auf, und je mehr wir sie reden hören, je milder beurtheilen wir ihr Handeln. Der Fürst spricht nur durch sein Wirken und begleitet dieses höchstens mit dem officiellen Lapidarstyl der Ors donnanzen und Geseze; wenn er weiter geht, so muß er schon auf indirectem Wege sich außern, er muß, sobald er erläutern will, einen fremden Mund entlehnen: aber beide Arten der Mittheilung haben nichts von der Zutraulichkeit der unmittelbaren Herzenssprache an sich, es sind keine Reden von Antlig zu Antlig, die schon dadurch Glauben erwecken, weil man sich gegenseitig dazu anblickt. Muß man sich nun nicht freudig überrascht fühlen, wenn ein König zu einem ebenso unerwarteten als zweckmäßigen Surrogate seine Zuflucht nimmt; wenn er, da es die Etiquette einmal nicht er= lauben kann, frei von der Leber weg mit Einzelnen oder mit Volk und Vaterland zu sprechen, wenn er, mit der Liedergabe von Natur ausgerüstet, zum Saitenspiele greift und wenigstens frei vom Herzen weg singt; wenn er alle seine Gefühle, seine Begeisterung fürs Gute, seine Freude über das Gelingen des Gewollten, feinen Unwillen über das Unedle und Gemeine, feine Liebe wie seine Abneigung, ja, selbst seinen Kampf und seine Reue unbefangen dem Liede anvertraut, und wenn er, im Vertrauen auf die Einheit und Reinheit seines Willens und feiner Gesinnung, es über sich vermag, diese bunten Lieder in die Welt hinauszugeben und von jener Gedanken und Preßfreiheit Gebrauch zu machen, die der Geringste des Volkes hat, und von welcher der Fürst gewöhnlich allein ausgeschlossen bleibt. Aus dieser Fülle von Gefühlen und Gedanken, welche in der Gedicht sammlung des Königs Ludwig von Baiern enthalten sind, müssen billig zuerst diejeni gen hervorgehoben werden, welche dem Sånger seine Geburt und Stellung eingegeben hat. Man ist gewohnt, das Schicksal eines Königs, während man es beneidet, zugleich zu bedauern, und alle deutschen Musensöhne singen aus dem Liederbuche von den Fürsten: Ihr Glück ist nur erträumt!" Uber aus dem Munde eines Königs selbst diese Klagen zu vernehmen, und zwar nicht in allgemeinen Phrasen, sondern auf eine Weise, welche die Spuren persönlicher Erfahrung nicht verleugnet, das ist gewiß ebenso ungewohnt als ergreifend. An alle Herzen sprechen und durch alle Zeiten tönen werden daher die Lieder: Un mich als König“ (II, S. 56);,,Der Könige Loos" (S. 58);,,Königsklage" (S. 61). Im ersten dieser Gedichte, welches am 5. Nov. 1825 geschrieben und das erste Gedicht seit der Thron besteigung des fürstlichen Sängers ist, faßt er seinen Beruf scharf, man möchte fagen, unbarmherzig gegen sich selbst, ins Auge: Vorwärts, vorwärts sollst du schauen, Bist dir selber nun gestorben, Schon durch den im Drucke hier hervorgehobenen Gedanken darf dieses aus tiefem Gefühl entsprungene Lied Anspruch auf Unsterblichkeit machen. Das zweite Lied schildert den König als einen Tod= ten mitten im Leben, der wie ein Götterbild von Stein in den Mauern seines Schlosses thronen, dem Alles abgewogen, abgemessen sein, dem das Herz nie höher schlagen soll, der die Lust heitern Umgangs, die selbst dem Wermsten gewährt ist, entbehren muß. Es schließt: Ach! worauf sein Blick verweilet, Bon Verleumdung wird's ereilet; Sei es noch so gut, so rein, Andres Ansehn es erlanget, und der Himmel selbst empfanget Das dritte Gedicht: „Königsklage", ist schon die Frucht der bittersten Erfahrungen: Düstre Wolken mich umschweben, Was ich suche, muß ich meiden; Ach! es ist noch nicht genug, Durch Verleumdung selbst zu leiden; Stiller werd' ich, immer stiller, Wer empfindet nicht bei diesem Liede die eigenthüm liche Wahrheit der zweiten, den Kummer, der in der ersten und dritten, den Lebensüberdruß, der in der lehtangeführten Strophe ausgesprochen ist, dem Dichter nach? Auch sonst spricht er von,,des Hofes freudenloser Größe“ (II, S. 85), er sagt es nackt heraus, daß ,,das Leben des Königs eine Frohne ist" (II, S. 154); er fühlt sich nur ganz behaglich, wo er von aller Fürstenlast befreit" ist (II, S. 154); er muß der Heimath entfliehen, damit er sich selbst wiederum finde" (II, S. 183). " Daß diese Klagen keine weibischen, zur Thatenlo= figkeit führenden sind, beweist die Regierung des Königs Ludwig, deren Wahlspruch jenes Vorwärts, vorwärts" des ersten Liedes bleibt; aber auch in seis ner Poesie drückt sich nicht blos die Schattenseite des Fürstenberufs ab, auch seine Lichtseite wird uns zuge= kehrt, und im I. 1829, im vierten feiner Regierung, fingt er (11, S. 189): Glücklich! der auf einen Thron berufen, Und der Tod nicht seine Spur verweht. Und nicht glaube man, daß das Unbeschränkte des Königswillens ihn reizt; er fühlt sich glücklich als ver: fassungsmäßiger König: Herrlich! über freies Volk zu walten, Mit der hochherzigen, freiheitliebenden Gesinnung, die aus diesen Zeilen spricht, sind auch diejenigen Gefühle verwandt, die sich über das Volk, das die Vorfehung ihm als Hirten angewiesen hat und dem er feine heißeste Liebe zuwendet, hinaus erstrecken, die Gefühle, mit welchen Er sein deutsches Vaterland und das wiedererwachende Volk der Griechen besingt. Wir haben patriotische und Griechenlieder die Menge, ja, wir sind mit Gedichten dieser Art seit vielen Jahren so bewirthet worden, daß ganz natürlicherweise eine Ueberfättigung eingetreten ist; dennoch muß uns nach dieser Kost aufs Neue gelüsten, wenn sie uns von einem Fürstensohne gereicht wird. Wenn wir bedenken, wie ein solcher gerade Empfindungen der Art, die dem einfachen Bürger so nahe liegen, sich erst erkämpfen und aus den Schanzen des Zwangs und Vorurtheils her auserobern muß, so wird uns Das, was von den Lippen anderer Sånger als etwas ganz Gewohntes uns entgegentönen müßte, aus dem Munde des Königssohnes und Königs zum neuen, füßen Klang, zumal wenn wir bedenken, wie sehr hier die Gesinnung zugleich praktisch wirksam werden kann. Willkommen also, ihr Vaterlandslieder, ihr Trauer " lieder über die Unterdrückung Deutschlands, ihr Sehnsuchtsklänge nach Befreiung, ihr Jubellieder über den Sieg! Das gehaltvollste und rührendste von Gedichten dieser Art ist das während des wiener Congresses ge= dichtete, überschrieben: Das Versagte" (I, S. 213). In demselben trauert der deutsche Fürstensohn, daß er, der das drängend glühende Bestreben in sich fühlte, die deutsche Freiheit mit erkämpfen zu helfen, von der Pflicht zurückgehalten, ruhen mußte und, dem Thron so nahe, auf Herrscherthat verzichten. Er, den Deutschland als Retter betrachtet hätte, steht jest, unbeachtet in der Menge, Undern nach. Wenn ihre Namen die Unsterblichkeit aufbewahrt, ist der seinige bereits verhallt, und doch fühlte auch er die Kraft, Europa zu retten; die drohende Gefahr erhob ihn; für immer hatt' er auf den Thron verzichtet, wenn er das mals auf Augenblicke håtte herrschen dürfen. Und ach! nicht blos Kriegsruhm sollte ihm versagt sein, auch des sanftern Ruhmes zarte Blüten sollten ihm nicht keimen. Warum konnte er nicht Schiller'n nach dem Lande senden, das der Tiber stille Flut bespült, wo Natur und Kunst im Vereine sind? Dort würde er vielleicht noch jest leben, Lieder würden seinen Wohlthater selig lohnen, herrlicher aus Rom erklänge sein Wort!" Ist dies nicht das echte Vaterlandslied, wie es ein Fürst singen foll? Dagegen kann man sagen, daß im,,Nachruf an Theodor Körner" (I, S. 247) der Sánger den Fürsten ausgezogen, um ganz nur als Deutscher zu empfinden; er beneidet den seligen Jüngling, der für Deutschland singen und sterben durfte: Daß ich niemals dich gesehn! - Die Stralen In den ,,Griechenliedern" sieht man ein edles Herz Schritt für Schritt den Kampf eines geliebten Volkes begleiten, man hört seine bangen Schläge bei jedem Entscheidungsmoment, jedem unglücklichen Versuche, die Ketten zu sprengen. Besonders gedankenreich und großgedacht sind folgende Verse des ersten Gries chenliedes (II, S. 4) „Un Hellas, im Frühling des Jahres 1821": Als der Römer bei des Isthmos Spielen Sehr schön beginnt auch das Lied: An Hellas, im Es wälzt sich wieder her der Brand, - Sie werden abermals auf ihnen modern. Nur Gebete vermochte die Seele zum Himmel zu senden, Jest ist die Lyra verstummt, aber das kräftige Wort Daß sich's gestalte zur That, Griechen, zu euerem Heil! Wie das Lied des Dichters durch den König vers wirklicht worden, erzählt uns die Zeitgeschichte. Weitere Proben aus dieser interessanten Liederreihe mitzutheilen, verbietet der Raum d. Blätter. Der Bericht erstatter wendet sich daher zu andern Gefühlen des Sångers, die ebenso laut in seinen Liedern werden als die Empfindungen des Königs, des Deutschen, des Griechenfreundes. (Der Beschluß folgt.) Rügen. Verworfenheit. Wer die partie honteuse des deutschen literarischen Wesens und Treibens kennen lernen will, der lese Müllner's Biographie von Schüß. Es ist schwer zu sagen, wer am meisten Unwillen und Verachtung erregt, der Biograph oder sein Held, sein Freund, wie er ihn nennt. Entweder Alles, was Hr. Schüß erfaßt, verwandelt sich in Koth, oder er faßt Alles an, hängt sich an Alles, was schmuzig, gemein, ver: åchtlich ist; ihm bleibt die Wahl, welches von Beidem am meisten auf ihn paßt, sowie er sich in diesem Buche zeigt. Fern sei es von uns, den Gemeinplag, hinter dem Schlaff: heit oder eigne Schuldbewußtheit sich so gern verstecken: De mortuis nil nisi bene, hier in Anwendung bringen zu wollen. Wie das geehrte, gesegnete Andenken des Edlen auch nach seinem Tode Edles zeugt und nåhrt, so soll auch) die Verachtung, die das Gemeine, Niedrige trifft, nach dem Tode fortleben und aufgefrischt werden, zur Strafe und Warnung des Gleichartigen; und so möchte es denn ein ver dienstliches Werk sein, uns diesen Müllner so zu zeigen, wie er war, in seiner ganzen Niedrigkeit; aber möge sich sein Bio graph nicht tauschen oder nicht suchen, den bessern Theil des Publicums zu täuschen. Er erscheint hier nicht als Richter im Namen des Rechtes, sondern als Angeber und halber Mitschuldiger, im besten Fall als Nachrichter. Hr. Schüt nennt Müllner wiederholt seinen Freund, und soweit solche Menschen die Freundschaft verstehen, mag er es gewesen sein, was aber sollen wir aus einer solchen Freundschaft, auch nur in diesem Sinne, von Hrn. Schüß's eignem moralischen Werth schließen? Was sollen wir daraus schließen, daß er, gerade er sich dazu vordrängt, seinen Freund in seiner gan zen Verworfenheit zu zeigen? Man könnte daraus auf eine ties fere, håmische Absicht, auf den Wunsch, für mancherlei in dieser Freundschaft sehr erklärliche Kränkungen des Interess ses, der Eigenliebe, Rache zu nehmen, schließen; allein, uns ist es wahrscheinlicher, daß ein gänzliches Abstumpfen, eine ekelhafte Misbildung des moralischen Gefühls der Sache zum Grunde liegt. Wirklich berichtet Hr. Schüß nicht nur von Müllner, dessen grisste Lafter er wenigstens als solche rugt, sondern von einer großen Anzahl anderer Menschen, die er zum Theil auch seine Freunde nennt, die verächtlichften Handlungen, Verhältnisse, ohne daß es scheint, als hätte er irgend ein Arges daraus. So z. B., um einen der gelin, desten Fälle anzuführen, sagt er von Hrn. Panse, seinem sehr werthen Freunde, talentvollem, geachtetem Schriftsteller u. f. w., er habe sich als Hauslehrer von Müllner dazu brauchen lassen müssen, anonyme Lob- und Schmähartikel zu schreiben, und das ohne irgend ein Zeichen von einer Ahnung, daß ein Ehrenmann sich zu so etwas nicht braus chen läßt. Ja, von seinen eignen Verhältnissen, z. B. zu seiner Frau, spricht er mit empörender Schamlosigkeit. Auch so möchte es, wenn auch nicht dankenswerth, doch nühlich sein, daß Hr. Schüß sich selbst und seine Freunde auf diese Weise an den wohlverdienten Pranger stellt, wenn zu hoffen wäre, daß diese Darstellung einiges Nachdenken beim Publis cum und besonders bei den Buchhändlern erregen könnte. Wer diese Biographie ließt, wird kaum umhinkönnen, sich zu fragen: Wie ist es möglich, daß ein solcher Mensch wie Müllner, wenn auch nur auf kurze Zeit, eine solche Stellung auf dem deutschen Parnaß einnehmen konnte? Freilich aber zeigt sich gerade bei ihm auch die Nemesis darin, daß seine moralische Gemeinheit endlich alle seine Geistesgaben in den Koth, in die Unbedeutenheit herabzog. Hrn. Schüß aber wird es in Zukunft schwer werden, sich von dieser Gemeins schaft im Urtheil des Publicums loszumachen. Almanach & gelahrtheit. In der Orphea" für 1830 befindet sich eine Erzählung von Blumenhagen:,,Lorber und Myrte“. Daß sie in derselben geschmacklofen, bombastischen Manier mit ebenso wenig Wahrheit irgend einer Art verfertigt ist, wie Alles, was uns von diesem Verf. zu Gesicht gekommen ist, wollen wir hier nicht rügen. Hr. Blumenhagen kann uns zuversichtlich erwidern: Beati possidentes! und gewiß ist es, daß er ein großes Publicum besigt, so gut wie unsere übrigen großen Månner: die Spindler, Tromliß, Clauren u. f. w. pudor! Unsere Absicht ist im Gegentheil, diese Herren auf proh einen sehr lobenswerthen Kunstgriff aufmerksam zu machen, wodurch Hr. Blumenhagen seiner Romantik einen historischen Uns strich und eine historische Grundlage zu geben sucht. Die Ge schichte versezt uns nach Rom, zur Zeit der Kaiserkrônung Barbarossas; die paar historischen Thatsachen stehen in Becker's Weltgeschichte und überall; Hr. Blumenhagen aber citirt unverzagt unter dem Tert unterschiedliche Chroniken und lateinische Quellen. Welchen Respect müssen nicht Laquaien und Kammerjungfern und so manche Herrschaft vor der Gelahrtheit des Hrn. Blumenhagen bekommen? Daß die Poesie des Verfs. der Kunst in seinen Liedern Altäre errichten werde, ließ sich von dem Dichter erwarten, deffen werkthätiges Herrscherwort dersel ben Tempel in seiner Hauptstadt baut. Hierher ge= hören besonders alle die Lieder, die eine Erinnerung an Italien und Rom aussprechen (1, S. 8-43, 301, 302; II, S. 98, 155, 161); fámmtliche Distichen aus Rom (II, S. 193-314), und die brüderlich > zärtlichen Gedichte: An die deutschen Künstler zu Rom" (1, S. 247 u. 351). Die lettere dieser Episteln be= gleitete eine Flasche 1631er Steinwein, welche der Kronprinz seinen Kunstgenossen aus Florenz nach Rom sandte. Das Gedicht ist zu charakteristisch, als daß es nicht ganz mitgetheilt werden sollte: Nehmet freundlich an, was ich euch gebe; So wird euer Ruhm sich fest bewahren, 2. Januar 1830. Südwärts, südwärts geht die Richtung, In dem Norden herrscht das Sorgen, Nicht von selbst will's dort sich heben, Aber wenn sich der Kunstsinn, vereint mit dem dußerlichen Lebenstriebe, bei unserm Dichter nach Sůden wendet, so ist doch sein innerstes Gemüthsleben ganz und gar im Vaterlande zu Haus. Wie schön of= fenbart sich dieses in dem Liede: Auf meine Reisen im Königreiche im Jahr 1829", wo der Monarch beim Anblicke von Rheinbaiern ausruft: " Deutsch, ja deutsch ist von Neuem das fröhlich von Deutschen bewohnte Blühendste Land, entzückt fühlt es mein deutsches Ges müth. Und mit welcher Liebe begrüßt er Nürnberg und Augsburg,,,die ehrwürdigen Städte, wo sich ernst, sowie man sie betritt, Jahrhunderte plöglich in Einen Moment zusammendrången" (II, S. 191 fg.). Diese deutsche Gesinnung offenbart sich in unzähligen Stellen. Auch diejenigen Gedichte, welche Mancher geneigt sein möchte, aus dem Kreise der Poesie in den der Neugierde und Beobachtung zu ziehen, die erotischen verleugnen den Geist der deutschen Liebe nicht, info= fern sie ringend einem idealen Ziele zustreben, und die Aufrichtigkeit, welche dieser Sammlung durchaus eigen ist, verläßt den Dichter auch da nicht, wo die Natur des Gegenstandes am meisten die Ausdeutung aufregen kann. In Verhältnissen aufgewachsen, wo das si libet, licet über allen Pforten, die zum Genusse führen, ans geschrieben steht, wird freilich der Sånger, der alle seine Gemüthszustände ohne Rückhalt schildert, mit seinem Geist und Gewissen mancherlei zu besprechen haben, denn mit diesen spricht er ja eigentlich und nicht mit dem Publicum; jeder redliche lyrische Dichter ist und das vergesse man auch bei diesen Liedern nicht - mit fich allein in seinem Kimmerlein, so lange er dichtet. Daher dürfen uns Stürme nicht befremden, wie der folgende (II, S. 119): O! in dir möcht' ich versinken, Jeht in Dem, was Fluch enthält. Er schaudert zitternd zurück, er weint, wenn sein Streben siegt, Hölle liegt hinter seinem Himmel. Doch endlich wird es wieder klar nach des Sturmes Toben, der Friede kehrt in die ruhige Natur zurück, die Sonne scheint wieder: Wie der Phönix aus den Gluten Dieses Platonische Ringen, bei einer glübenden Natur, ist echt deutsch und zieht sich durch sämmtliche Liebeslieder des Dichters hindurch. Unsere jungen Erotiker, die in ihrer Poesie wenigstens als kleine Tieck'sche Rosa's oder doch William Lovell's sich gebehrben zu müssen glauben und zu versichern scheinen, daß der Humor, den sie mit der Wollust treiben, die einzige Liebesphilosophie und Liebespoesie sei, sind gewiß nicht berechtigt, den ersten Stein gegen diese edlere Gattung von erotischer Poesie aufzuheben. Bei unserm Dichter würzt nicht eine halbe Reue den Genuß, sondern sie fiegt über denselben und stellt sich rein, in echt-fittli cher und religiöser Gestalt dar, und es ist ihm nur dann wohl, wenn sie in voller Kraft eingetreten ist. Dafür zeugt besonders das rührende Lied: Un die rettende Gerettete" (II, S. 82): Glücklich preise ich die Stunde, Da mir's klang aus deinem Munde, " Dieselbe Sehnsucht nach Reinheit athmen manche andere Gedichte, besonders I, S. 167, 200-212; II, S. 88, 137. Seine Geliebte erscheint ihm allenthalben als rettender Schuhengel. Ein anderes Mal reinigt sein Herz die Natur (I, S. 246); eines seiner schönsten Sonette stellt uns den Dichter in schwerer Ver suchung auf die Knie geworfen und betend vor: Da fühlt' ichs vor dem Geist sich plöslich hellen, Durch Gott mein Wesen liebend sich verwandeln. Wenn so sein Inneres befriedet ist, so geht das Gefühl des Sängers ganz in Religion über, wie in den 2 Sonetten (I, S. 288, 289). Lebendiger Glaube, frei von aller blinden Mystik, spricht überhaupt aus vielen Gefangen des königlichen Dichters. So gereinigt von Leidenschaft, spricht er das edle Wort: „Un meine Frau, im Jahr 1828" (II, S. 167), welches schließt: Wird der Wipfel der Eiche vom Wind auch zuweilen be weget, Wurzelt sie dennoch fest, ewig, die Liebe für dich! Durch diese Reihe von Ansichten und Gefühlen, welche den Gedichten des Königs Ludwig von Baiern enthoben sind, und denen noch manche andere hätten beigefügt werden können, ist der hohe ethische Werth jener Sammlung wol zur Genüge dargethan; auf den ästhetischen Werth derselben kann daraus wenigstens so viel geschlossen werden, daß jene Gedichte, als zusams menhängende Kette in ihrer Gesammtheit betrachtet, der schöne, reine Ausdruck eines edeln Königsherzens, daß sie aus einem wirklich poetischen Gemüthe hervor= gegangen, auch im Besondern reich an guten, überra= schenden Gedanken, an dichterischen Bildern, an tiefen und wahren Gefühlen sind. Für die einzelnen Gedichte, isolirt von einander und als Kunstwerke betrachtet, muß freilich ein anderer Maßstab, der reinästhetische, gelten. Hier würde die Kritik, wenn sie einem Privatmanne gegenüberstande, etwa 50 Gedichte der Sammlung, in Beziehung auf künstlerische Durchbildung, reine und glückliche Sprache, und genauere Erfüllung der metris schen und rhythmischen Bedingungen auszeichnen und den unvollendetern Gedichten derselben Sammlung gleichsam als Muster entgegenhalten; um so mehr als gerade jene Gedichte beweisen, daß es, selbst in formeller Hinsicht, dem Sánger keineswegs an dem Vermögen, das Kunstgerechte hervorzubringen, gefehlt hat. Sie würde bitten, da die Sonette (für den Deutschen eine der schwierigsten Kunstformen) großentheils den Foderungen der Poetik so schön Genüge leisten, dasselbe mit den Distichen, deren Inhalt meist so anziehend ist, durch eine Ueberarbeitung zu versuchen; endlich unbedeutende, aber doch störende Redensarten, die durchaus unvertråge lich mit dem poetischen Style sind, zu tilgen. Aber hat die Kritik das Recht, dies einem Könige zuzumuthen, der Anderes zu 'thun hat als Gedichte zu revidiren? Und wenn sie sich auf den unabhängigsten Standpunkt stellt, so wird sie doch gestehen müssen, daß gerade dar |