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en. Ein Souper von zehn bis zwölf Couverten ward ngerichtet, die Prinzessin präsidirte, alle Etikette war urchaus verbannt. Deffentlich, im Theater und sonst, beobachtete Franz gegen die Kaiserin alle Rücksichten der Chrerbietung und Aufmerksamkeit, aber wenn die Raijerin nicht in der Vorstellung war, begab er sich ederzeit in die Loge der Fürstin. In der Oper stand r gewöhnlich hinter ihr, den Zuschauern verborgen, nd die Loge war verschlossen, damit niemand herein= sume. Aber trok dieser Vorsichtsmaßregeln verrieth ær Husten, dem er unterworfen zu sein pflegte, seine jegenwart und verrieth das Geheimniß der Welt."

Franz hatte, um den Gegenstand seiner Neigung mmer um sich zu haben, der Fürstin ein kleines Landjaus nahe am Palast von Larenburg geschenkt, wo der hof einen ansehnlichen Theil des Sommers zuzubrinjen pflegte. Die Prinzessin hatte eine ansehnliche Geld= sume darauf verwandt, dieses Haus zu verschönern und in bequemen Stand zu sehen. Nach dem Tode des Kaisers veranlaßte Maria Theresia, daß der Fürstin angedeutet werde, fle wünsche das Haus zu kaufen und die Fürstin möge selbst den Preis bestim= men; die Kaiserin wollte allen weiteren Vorwand zu einem Aufenthalt in Larenburg, wenn der Hof sich daselbst aufhielt, ihr damit wegnehmen. Die Fürstin nannte 30,000 Gulden, eine Summe, die weit den wahren Werth des Landhauses überstieg: aber die Kaiserin sandte ste ihr sofort, ohne Abzug oder Zögerung. Selbst bis zu dem lezten Augenblicke beobachtete fle

gegen sie die größte Artigkeit und behandelte fie nie mit Herbigkeit oder Beschimpfung.“

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Die Fürstin überlebte ihren Liebhaber um mehr als zehn Jahre, hatte aber weder vor noch nach sei= nem Tode Kinder. Es scheint ungewiß, was eigentlich die Beschaffenheit der Krankheit war, die für sie tödtlich wurde; sehr verschiedene Gerüchte gehen darüber in Umlauf. Daß sie Gliederlähmung hatte, für welche Einreibungen verordnet worden waren, ist unzweifelhaft, aber ich wage nicht zu behaupten, ob es wahr sei, wie man behauptet, daß die Anwendung dieser Einreibungen ihr Ende beschleunigt habe. Brambilla, der kaiserliche Leibarzt, der zuletzt sie behandelte, sagte mir:,, Als ich die Fürstin besuchte, hatte ste schon eine Lähmung in einem Arm, Hüfte und Bein, für die Einreibungen verordnet wurden. Sie brauchte das Mittel und es schien anzuschlagen, sle befand sich wieder so weit besser, daß sie einigermaßen die Kraft wieder erhielt, ihre Glieder zu bewegen. Wir begannen sanguinische Hoffnungen wegen ihrer Wiederhers stellung zu fassen, als eine heftige Lungenentzündung alle ärztliche Kunst unwirksam und ihrem Leben ein Ende mächte." Was auch die Ursache ihres Todes gewesen sein mag," schließt Wrarall,,,ste starb im October 1775, noch nicht achtunddreißig Jahre alt."

9. Wiener Hof- und Adelszustände unter Maria Theresia.

Es war in den beiden vorleßten Wintern der Regierungszeit Maria Theresia's, wo sich der englische

Tourist William Wrarall am Wiener Hofe be= fand: er giebt von dem damaligen Leben und Sitten ein nicht minder anschauliches Bild, wie seine Vorgängerin Lady Montague es vom Hofe Carl's VI. gegeben hatte.

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Ein Aufenthalt von zwei Wintern in Wien und die persönliche Bekanntschaft mit den bei weitem größten Theil der Leute, die hier die erste Gesellschaft ausmachen, befähigen mich mit einiger Zuverlässigkeit von dem Innern der Hauptstadt, ihren Vergnügungen, Be= schäftigungen und ihren Bewohnern zu sprechen. We nig europäische Hauptstädte bieten einem Fremden mehr Hülfsquellen an, der nicht sein Glück in die Zerstreuung sest. Er wird hier freilich nicht die Kunstschäße und Monumente des Alterthums finden, die er in Florenz sehen und in Rom studiren kann. Auch ist der Kreis von Vergnügungen, die Paris darbietet und die höhere Mischung von theils wissenschaftlicher, theils praktischer, theils Ergöglichkeits-Anregung, wie London sie gewährt, nicht gerade das, was Wien eigenthümlich ist. Aber die öftreichische Hauptstadt befizt alle Mittel, um einen Fremden sowohl nüzlich als angenehm festzuhalten."

„In Wien ist es nicht wie bei uns, wo ein Franjose oder Deutscher, obgleich von guter Herkunft oder Bildung, nicht einen, sondern viele Winter zubringen tam mit vergeblichen Bemühungen fich einen Weg in die große Gesellschaft zu bahnen. Er wird hier nicht, wie in London oder in Paris, in die Theater oder auf bie öffentlichen Vergnügungspläße getrieben, um sich der langen Weile zu entziehen. Der allgemeine Sam

melplag für Vergnügen und Erholung wird hier in den höchsten Zirkeln gefunden, in die man sofort eingeführt wird. Die des Fürsten Kaunis und des Reichsvicekanzler Fürsten Colloredo sind die ersten, in die jeder Fremde von Stand nach seiner Ankunft Einlaß erhält. Ihre Häuser, die gewissermaßen einen Theil des kaiserlichen Palasts bilden, geben, da sie jeden Abend für den Empfang von Gesellschaft geöffnet sind, eine Hauptquelle für die Unterhaltung in Wien. Ich bemerke hierbei, daß es eine Aufmerksamkeit ist, die man von den Personen, welche diesen Ministern vorgestellt sind, erwartet, daß sie sich öfters Abends in ihren Empfangszimmern sehen lassen. Die Gegenwart des Fürsten Kaunis legt nicht den geringsten Grad von Zwang auf; er spielt gewöhnlich in einer Ecke des Salons Billard und jedermann hat vollkommne Freiheit, sich, wie er immer will, zu unterhalten, entweder mit Spiel oder mit Conversation, wie er aufgelegt ist. Fast dieselbe Freiheit herrscht bei dem Fürsten Colloredo, der, umgeben von seiner zahlreichen Familie, Söhnen, Töchtern und deren Kindern oder Anverwandten, die größte Einfachheit in den Manieren mit den vollendetsten Formen eines Hof- unt Edelmannes verbindet. Alles trägt dazu bei, es einem Fremden bequem und gemächlich zu machen und ihr unvermerkt aus der Verlegenheit zu reißen, die natürlic ist, wenn er sich inmitten einer Gesellschaft befindet mit deren Gebräuchen und Sitten er unbekannt ist."

,, Nichtsdestoweniger muß man sagén, daß di Manieren der Destreicher bei erster Bekanntschaf

kalt und zurückhaltend find. Es charakterisirt sie eine gewisse indolente Indifferenz und Ruhe, die eben so weit von unserer englischen Scheu und Schweigsamkeit entfernt ist, als von der französischen Frivolität, Ge= sprachigkeit und Leichtsinn. Zeit und eine ruhige, mehr als conventionelle, geschäftliche Höflichkeit bewirkt allmälig, daß diese Scheidewand fällt."

Den östreichischen Frauen fehlt es keineswegs an äußeren, sowohl geistigen als persönlichen Vorzügen: sie sind im Allgemeinen elegant, anmuthsvoll und angenehm; aber sehr selten bestßen sie einen gebildeten Geist. Die Hauptlektüre der Frauen von Stande ist so beschaffen, daß sie ihren Verstand eher verkehrt und einengt, als ihn entwickelt und erweitert. Heiligenlegenden, Messen und Homilien machen ihren Hauptunterricht aus. Sie wissen wenig von Mad. de Sevigné, noch weniger von Racine, Molière ober Fontenelle. Haben sie die Werke von Cervantes, Crebillon und Lesage gelesen, so ha= ben sie viel gethan. Mit der heiligen Therese und der heiligen Catharina von Siena find sie bekannt."

,,Allgemein ist dieser Mangel an Bildung und nothwendige Folge ihrer eingeengten Erziehung. Junge Ridchen von Stande werden alle in ein Kloster ge= dict, entweder nach Prag oder Presburg oder in Bien. Dort lernen sie Hymnen an die heilige Jungu fingen und ihren Rosenkranz herbeten. Von Ge= dichte, Poefte und schönen Wissenschaften werden ihnen auch nicht die ersten Anfangsgründe beigebracht und

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