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Prater und ertheilte dem Oberjägermeister Grafen Franz Christoph Khevenhüller, dem Sohne des Gesandten in Madrid und Autors der Annalen, dem spätern ersten Tabacksmonopolpächter, Befehl, Niemand außer Cavaliere in den Schirm zu lassen. Einer der Bedienten des spanischen Botschafters Don Balthasar de la Queva, Ulrici, ward dem= gemäß von ihm zurückgewiesen. Er widerseßte fich mit Schimpfreden in spanischer Sprache, in der Meinung, der Graf werde diese nicht verstehen. Kheven= hüller verstand sie aber nur zu wohl und trieb den Mann mit Stockschlägen zurück. Die andern Bedienten der spanischen Botschaft beschlossen darauf, Rache an dem Grafen zu nehmen. Als er zwei Tage darauf ven Hofe fuhr, überfielen sie, in die zwanzig Mann stark, zu Pferde und zu Fuß, seinen Wagen mit Schüssen und Säbelhieben und würden ihn massacrirt haben, wenn ihn nicht die Geistesgegenwart seines Kutschers gerettet hätte. Dieser fuhr in Carriere aus der Kärthnerstraße bis auf den Graben in die Breunerstraße, alles, was ihm im Wege war, auch einen mit ein paar Ochsen bespannten Wagen, zu Boden rennend. Die Spanier sehten unter Schimpfen und Geschrei mit gezückten Degen und gespannten Pistolen nach; in der Breunerstraße fuhr der Kutscher endlich quer über die Gaffe und der Graf rettete sich in das Haus seiner Mutter. Nachdem die Spanier dem Kutscher einige Stiche versezt hatten und ein Laquah in den Fuß ge= schossen worden war, flohen sie und zertheilten sich in verschiedne Straßen; neun aber ertappte die kaiserliche

Garde auf dem Landhause, und als sie sich zur Wehr sezen wollten, wurde scharf auf ste gefeuert; fte wurden darauf mit den Musquetenkolben so zerschlagen, daß einer noch an demselben Tage starb, die übrigen behielt man auf dem Landhause im Arrest. Hierauf legte sich der spanische Ambassadeur selbst ins Mittel, ergriff mit seinen übrigen Bedienten die Waffen und wollte das Landhaus stürmen. Man sette ihm aber ernsthaften Widerstand entgegen und nöthigte ihn. zum Abzug. Er begab sich nun an den Hof, aber die Audienz ward ihm zweimal abgeschlagen und ein Courier nach Madrid abgefertigt. Der päpstliche Nuntius und der Fürst Lobkowiz vermittelten endlich die Sache: der Gesandte mußte beim Kaiser Abbitte thun, der Graf Khevenhüller aber auf Eid und Gewissen versichern, daß er den geschlagenen Diener nicht gekannt habe. Darauf erschien der Botschafter wieder bei Hofe, seine Bedienten wurden am 27. December frei gelassen, Graf Khevenhüller gab dem Gesandten die Visite und erhielt von ihm die Gegenvifite.

Drastischer noch war der zweite Vorfall, der sich mit dem portugiesischen Gesandten ereignete, dreißig Jahre später, 1696. Es war die Ermordung des Grafen Hallweil durch den Brinzen von Ligne, Marquis Arronches, der oben erzählt worden ist.

Gerade so wie sich der portugiesische und spanische Gesandte Gewaltthätigkeiten in Wien erlaubten, erlaubten sich aber auch wieder Deftreicher Gewaltthätigkeiten an fremden Gesandten. Ein öftreichischer General hielt auf offner Straße den Wagen eines fremden Gesandten

gewaltsam an, um den Minister zu nöthigen, auszu= steigen und ihm auf der Stelle Satisfaction zu geben. Nur die ungemeine Klugheit und Festigkeit des zufällig in der Nähe befindlichen und sogleich herbeiellenden Hauptmanns der Rumorwache hinderte diese offne Verlegung des Völkerrechts auf offner Straße.

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Um alle Gelegenheiten zur Versuchung abzuschneiden, galt noch unter Carl VI. als Gesez, daß bei den großen Maifahrten des Adels im Prater alle und jede zu Pferde erscheinenden Cavaliers an den am Eingang stehenden Jäger die Pistolen aus den Halftern abliefern mußten.

Nicht blos mit dem Festhalten des mittelalterlichen Fauftrechts suchte die Bevölkerung von Wien ihren Unabhängigkeits- und Freiheitssinn zu bethätigen, fie that es auch mir geistigen Mitteln, mit Pamphleten und Carricaturen. Burleske, theils treffende, kelfe, theils fade Wigworte und Spottbilder waren ganz an der Tagesordnung. Schon Lobkowi z hatte unter Kaiser Leopold diesen Ton angegeben, indem er die Leufeleien der Jesuiten durch Spottschriftchen und Carricaturen zur allgemeinen Kenntniß kommen ließ. Noch zu den Zeiten des siebenjährigen Kriegs gab es zuweilen auch in dieser Beziehung sehr starke Excesse in Wien. Als der Generalissimus und Schlachtenverlierer Herzog Carl von Lothringen, Schwayer Maria Theresia's, bei Leuthen aufs Haupt geslagen worden war, 1757, fand sich an allen Straßenecken, an allen Thoren, am Stephansdom, an der Burg eine Carricatur angeklebt, die des Prinzen Defreich. VII.

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ftete Trunkenheit und sonstige Brutalität gerade in den wichtigsten Momenten recht grobsinnlich zur Anschauung brachte. Daun, Nadasdy und der Prinz waren im Kriegsrath abgebildet. Daun sprach:,,Mit Ver stand und Muth" - Nadasdy: Mit Schwert und Blut" der Prinz, auf eine Weinflasche zeigend: Der Wein ist gut". Die ganze Polizei war au den Beinen, man rief in den Straßen einen Breie von 500 Ducaten für den Angeber aus. Am andern Morgen las man genau an allen Stellen, wo die abgeriffenen Carricatur - Anschläge gestanden hatten: ,,Wir sind Unser Vier:

Ich, Tinte, Feder und Papier;

Keines aus uns wird das andre verrathen.
Ich

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- auf Deine 500 Ducaten.“

Auch gegen Daun, der zwar Schlachten gewinnen, aber sie nicht zu nuzen verstand, fielen, wie Hormayr sagt, die Wiener Wize wie Hornissen her. Man insultirte seine Gemahlin, wenn sie zu Hofe fuhr, mit einem Schneegestöber von Schlafmügen.

Seit den Kriegen mit Frankreich, seit dem Nimweger Frieden, 1679, fing auch Oestreich bei drohendem Bruche an, eine stehende Armee zu halten. Aber noch bis zu den schlesischen Kriegen pflegte man nach beendigten Feldzügen der Ersparung halber einen großen Theil dieser Armee wieder aufzulösen, und erst wenn ein neuer Nothfall eintrat, wieder frische Mannschaften zu werben. Die Folge dieses Mangels an einer bereiten bewaffneten Macht war das Bestehen von Räuberbanden an mehreren Punkten der Monarchie.

Wie Bären und Wölfe in harten Wintern sich an die Wälle der Städte wagten und hart an denselben be= waffnete Männer mit sammt ihren Gewändern und Stiefeln aufzehrten, ja Cavallerieordonnanzen tro verzweifelten Widerstands, Mann und Roß zerrissen →→→ so vermaß sich der Straßenraub eines Gleichen. An vielen Stellen mußte der Wald neben der Heerstraße gelichtet, die verdächtigen Wirthshäuser gesäubert und mit verläßlichen Leuten besezt werden; auf den Höhen baute man weit ausschauende Wachthäuser, Patrouillen zogen alle Stunden der Nacht vor ihnen auf und ab. Der Landprofoß hielt monatliche Streifereien, legte stärkere Hut auf die Pässe an den Grenzen, unterhielt regelmäßige, wohlbezahlte Kundschafter, die jedoch wenig halen, wenn es nicht gelang, einen Verräther unter der Bande zu kaufen, oder einen falschen Bruder einzuschmuggeln. Nach den ungarischen Wirren, in den mit dem spanischen Erbfolgekriege gleichzeitigen Ra= goczy'schen Unruhen, gingen viele edle Flüchtlinge und versuchte Krieger unter die Zigeuner (1417 waren diese zuerst in Ungarn erschienen) und setzten den kleinen Krieg als Raub fort. In Sagen und Liedern leben noch die Thaten der Bandenführer der Zigeuner, wie namentlich jenes furchtbaren Rajnoha, der die ganze Rette der weißen Berge unsicher machte. Noch bis in ie ersten Jahre Maria Theresia's hinein erhielt sich in seit den Streifereien der schwedischen Parteigänger von Dümüz her in den letzten Tagen des dreißigjähTigen Kriegs eingeniftetes, weit und breit berüchtigtes Räubernest ohnfern von Wien, zwischen dem ominösen

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