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März 1659 von Kaiser Leopold I.

Diese Privilegien waren es, welche sich für eine vernünftige und wohlgeordnete Landesadministration so ungereimt darstellten, daß Kaiser Joseph II. ste mittelst Ablösungen abstellte.

Zu den durch ihre Exclusivität für eine gute Landesverwaltung nachtheilig wirkenden Vorrechten ge= hörte ferner die eigne Vormundschaft, die der Adel über adelige Pupillen und Waisen führte, wo von Seiten der Seitenverwandten begreiflich die ärgften Bedrückungen und Betrügereien, ohne daß irgend Jemand sie erfuhr, vorkommen konnten. Es gehörte dazu ferner das Recht des Abels, in Klagsachen nicht vor ein fremdes Gericht außer Landes vorgefordert zu werden, was fremden Klägern begreiflich ihr Recht wiederholt zn finden unmöglich machte. Ganz besonders aber gehörte zu diesen nachtheiligen Adelsrechten das s. g. Einstandsrecht, das nach dem Privilegium Kaiser Mar' II. von 1572, welches den Adel Destreichs als geschlossenes Corps constituirte, diesem Adel allein und ausschließlich zukommende Recht, Güter im Lande zu erwerben, welches denn Joseph II. auch aufbob.

Die überwiegende Macht des östreichischen Adels lag aber vor allem Anderen in seiner völlig er= ceptionellen, ja man kann sagen völlig privilegirten Stellung in Strafgerechtigkeitsjällen.

Strenge bewies die Regierung in Oestreich gegen den Adel nur in politischen Vergehungen, in HochverDeftreich. VII.

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rathsfällen. In den sämmtlichen kaiserlichen Staaten, nicht blos in Ungarn, sondern auch in Oestreich und Böhmen herrschte sonst bei gewöhnlichen peinlichen Verbrechen, die Individuen des höheren Adels oder der Geistlichkeit sich zu Schulden kommen ließen, eine faft unglaubliche Nachsicht. Sie standen in Capitalfällen nicht unter dem gemeinen Gesez und wurden (außer, wie gesagt, in Hochverrathsfällen) größtentheils sehr gelinde, fast immer heimlich bestraft durch Einsperrung in ewiges leidliches Gefängniß, oft auf ihren eignen Schlössern und sehr oft nur mit Geldbußen. Tortur oder peinliche Frage gegen ein Individuum höheren Adels oder des geistlichen Standes, so wie öffentliche oder verschärfte Hinrichtung war in Oestreich (außer, wie gesagt, in Hochverrathsfällen) fast unerhört. Kam es ja zur Enthauptung, so fand ste in einem schwarzbehangenen Zimmer, die Blutrichter auf rothbehange= nen Sizen im Burgfaal oder im Schloßhofe, jedoch bei verschlossenen Thoren Statt. Die Leichname wurden den Familien zu ehrlichem Begräbnisse zurückgegeben. Das Ausstecken des Kopfes oder der Hand, das auf das Nad Flechten hatte bei den höheren Ständen seit dem großen Prager Bluttage nie mehr Statt. Sorgfältigere Erziehung, reichere Mittel der Bildung, überhaupt günstigere äußere Verhältnisse wurden also nicht als erschwerende, sondern als mildernde Umstände angesehen. Die Pönen mußten dagegen gerade gegen die Nothleider recht unerbittlich executirt werden, damit die Machthaber nicht etwa durch die Desperation dieser Nothleider im Ausgenuß ihres Freudenhimmels

gestört würden: Ordnung und Ruhe mußten im Lande herrschen, dazu waren die Geseze geseßt. Dem Adel gingen seine Rohheiten und Gewaltthätigkeiten immer mit leidlicher Strafe aus. Ein Sigismund von Gussig, Sohn eines kaiserlichen Obristen, der in Croatien stand, hatte sich im Jahre 1652 zu Gräß mit Justina von Sorech verlobt, die Braut sagte ihm aber, wegen ungestümen Wesens auf einer Spazierfahrt außer Gräß, das Verlöbniß ab: er erschoß sie sofort im Grimme. Er floh und das gegen ihn ge= sprochene Urtel war: Verbannung aus den kaiserlichen Erblanden. Betrügereien, die Adelspersonen aus offen= barer Ueppigkeit und Frechheit verübt hatten, wurden nur, um den Schein zu retten, bestraft; sobald es sich machen ließ, kam Gnade: der Hofkammerpräsident Sinzendorf ist hiervon ein insignes Erempel. Selbst recht naturwidrige Verbrechen gingen dem Adel fast ungestraft durch unter Leopold kamen ein Vater- und zwei Brudermörder aus dem Herrenstande Inneröftreichs mit ewigem leidlichen Gefängniß auf ihren eigenen Schlössern durch. Ein Graf Wolkenstein erhielt wegen Incest mit seiner Schwester keine andere Strafe, als daß er die große Mauer des Innsbrucker Thiergartens ausbauen mußte, die die landesfürstliche Kammer aus Mangel an Geldmitteln unvollendet hatte lassen müssen. Selbst jene fürchterliche Ungaradels= dame Elisabeth Nadafty, geborne Bathory, die Nichte des großen Stephan Bathory, welche 3400 bäuerliche und bürgerliche Jungfrauen hatte ader= lafen und unter gräßlichen Martern tödten lassen,

weil sie die grausam verruchte Superstition hegte, BI von gequälten und tödtlich erschreckten Personen fön wenn man sich damit wasche, dazu dienen, die Ha weiß, weich und fein zu erhalten, starb ruhig na dreijähriger Gefangenschaft 1614, zu Tode gefütter auf ihrer Burg Cseitte, während noch dazu ihre g meineren Helfershelfer, die sie zu den Gräueln befehlig hatte, waren hingerichtet und verbrannt worden.

Einmal statuirte Kaiser Carl VI. bei einer schrecklichen Falle wo das Verbrechen an einen Gliede des hohen Adels selbst begangen worden wa

ein Erempel. Ein Graf Thurn, einer edler und reichen, aber nicht schönen Frau vermählt, hatte sich sterblich in ein Fräulein aus dem Hause Stra= foldo verliebt. Sie ward guter Hoffnung. Mutter und Bruder drangen heftig in Thurn, die Ehre ihrer Tochter und Schwester zu retten, sie zu heirathen und Deshalb da es sich nicht anders thun lasse, man katholisch sei und sich nicht könne scheiden lassen die jezige Frau aus dem Wege zu räumen. Mit erHeuchelter Zärtlichkeit luden die Strasoldo's Thurn und seine Gattin zur Feier des Fastnachtsdienstags 1726 und vollführten den Mord auf hinterlistige und grausame Art. Nur wenige Tage blieb er verborgen. Carl rescribirte: obwohl die Inquisiten alt= adeligen Namens und hohen Standes, sei Dennoch in tali casu gravissimo und bei so schreienden Indiciis, auch zum Theile bereits erfolgter Einbekanntniß in alle Wege, wie sonst, mit gütlicher und peinlicher Frage, ganz nach dem allgemei

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nen Geseze zu verfahren." Der junge Stra= soldo wurde enthauptet, seine Mutter aber und der Graf Thurn erlitten noch vorher die auf Meuchelmord und grausamen Mord geseßlich verfügte Verschärfung des Reißens mit glühenden Zangen jedoch unent= weiht vom Anblick niedrig geborner Augen, im Schloßhofe zu Gradiska, dessen Thore gesperrt und gegen den Andrang des erbitterten Volkes durch ein starkes Commando Arkebufirer beschirmt wurden.

Waren die Rechte des neuen hohen Adels Dest= reichs dem Kaiser gegenüber ganz ausbündig, so waren fie es in noch weit stärkerem Maaße ihren Unterthanen gegenüber. In dieser Beziehung gingen die beiden wesentlich aristokratisch-organisirten Staaten Europas, Destreich und England, diametralisch aus einander. Der hohe Adel in Destreich genoß die Gerichtsbarkeit über seine Unterthanen und hierzu gehörte meistens das Blutgericht, die Criminalgerichtsbarkeit. Bei den hohen Lords in England war dieses gothische Verhältniß längst abge= schafft: hier war die richterliche Gewalt von der ge= seggebenden und ausübenden seit der,,glorreichen Revolution" principiell getrennt. Der hohe Adel in Destreich war aber nicht blos Gerichtsherr seiner Unterthanen, er war auch ihr Erecutor, Herr über ihre Beutel und sogar über ihre Leiber: denn er übte das Recht aus, die Landesabgaben einzusammeln und die Rekruten auszuheben. Hierzu kam endlich noch die nicht wenig lastende, ächt mittelalterliche Jagd- und Forstgerechtigkeit mit dem Wildbann, die

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