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war Hofprediger Leopold's I. und der Liebling des ge==: sammten Kaiserhauses, der durch allezeit schlagfertige Laune und unerschöpfliche Mannigfaltigkeit vierzig Jahre lang die Wiener Hoffanzel mit ungeheurem Zulaufe betrat. Zu was für Poffen man die Kanzel damals gebrauchte, kann die Wette beweisen, die dereinst Abraham a Sancta Clara mit einem Grafen Trautmannstorf abschloß, er machte sich anheischig, ihn auf der Kanzel einen Esel zu nennen. Er gewann die Wette, indem er eine Geschichte von einer dummen Gemeinde erzählte, die einen noch dümmeren Schulzen gewählt habe und die er mit den Worten schloß:,,Dem Esel traut man's Dorf." Vom Kaijer erlangte Abraham die Gnaden ebenfalls durch Wize. Als das Kloster Mariabrunn gebaut wurde dasselbe, bis zu welchem ein Jahrhundert später Joseph den Papst nach seinem Besuche in Wien begleitete und welches er ein paar Stunden nach genommenem Abschied aufhob erschien der Pater vor Leopold ganz niedergeschlagen. ,,Was fehlt dir, Abraham?" fragte der Kaiser.,,Viel, sehr viel! antwortete derselbe, ich leide an Sand und Stein" und Leopold wies viel, sehr viel Geld zu Baumaterialien an. Albekannt sind des luftigen Pa= ters:,, Merk's Wien," sein,, Narrennest und Narren= spiegel," sein,,Judas der Erzschelm," sein,, Gemisch gemasch" und viele andere ähnlich betitelte humoristischerbauliche Schriften. Er starb 1709 zu Wien, flebenundsechzig Jahre alt.

Bei allem heidnischen Wohlleben behielt Destreich fort und fort eine vorherrschend christliche, nämlich

christkatholische Richtung und Färbung. Keine Woche verging in Wien, ja es waren nur wenige Tage im Jahre, wo nicht eine oder mehrere Prozessionen aus den zahlreichen Kirchen, Kapellen und Klöstern auszogen, entweder in eine benachbarte Kirche oder in ein nahes Dorf, oder in einen entfernten Wallfahrtsort bis zu funfzehn Meilen weit, wie zu dem wunderthätigen Marienbilde zu Marienzell in der Steiermark, wohin die sämmtlichen Frauen der Monarchie ihre Trauringe hin verehrten, aus Aberglauben, um sie nicht zu verlieren. Die Touristen damaliger Zeit berichten, daß diese große Devotion Wiens eine Folge der großen Angst bei der Türkengefahr von 1683 gewesen sei. Wien allein hatte elf Mönchs- und sieben Nonnenklöfter. Mönchsklöfter gab es 1500, Nonnenklöster 500 in den Erbstaaten. Die zahlreichsten waren die Franziscaner, die Bettelmönche, sie hatten an 300 und die Kapuziner, sie hatten an 200 Klöfter. Die reichften Priester waren die spanischen, die Jesuiten. In welchem Grade fanatisch damals das Volk von Wien gewesen sei, beweist ein Vorfall mit der Gemahlin des preußischen Gesandten Frau von Brand im Jahre 1730. Frau von Brand fuhr mit ihrer Tochter aus und begegnete der Monstranz, die ein Priester zu einem Kranken trug. Sie ließ ihren Wagen an halten. Das Volk, mit dieser Ehrenbezeugung nicht zufrieden, zwang die beiden Damen aus dem Wagen zu steigen und auf der Straße niederzuknieen. In und außerhalb Wien mußte das Jedermann thun nach einem ausdrücklichen Mandat Ferdinand's III. vom Jahre

1652,,bei Leib- und Gut-Strafe." Der Widerstand der Frau von Brand und ihr lautester Zuruf, daß fie die Frau des preußischen Gesandten sei, halfen nichts. Man würde sie noch mehr mißhandelt haben, wenn nicht einige Priester sich ins Mittel gelegt hätten. Der Wiener Hof ließ ein paar Leute ins Gefängniß fehen und der König von Preußen begnügte sich, keine andere Satisfaction zu begehren, als daß fie fußfällig den preußischen Gesandten in seinem Hotel um Verzeihung bitten mußten.

Die größte Pracht ward bei Kirchenfesten entfal= tet. 1729 sprach der Papst den böhmischen Johann Nepomuk heilig. Da strahlte Wien und Prag im allerhöchsten Kirchenglanze. Acht Lage lang dauerten die Festlichkeiten, an denen der Hof und die ganze Bevölkerung Theil nahm. In Wien war das Innere der Stephanskirche über und über mit Purpur beklei= det. Nach Prag aber strömte fast das ganze böhmische Volk, es kamen über 400 Prozessionen aus den verschiedenen Städten des Landes: Bunzlau mit Gra= naten und Rubinen, Prachin mit Perlen und Goldfand, Czaslau mit Silberstufen, Grudim mit Kristal= len, Leitmerig mit Wein, Saaz mit Aehren, Rakonig mit Salz, Königsgräz mit Fasanen, Pilsen mit einem weißen Lamme, Kaurziem mit immergrünen Bäumen. Prag mit seinen hundert Thürmen war prachtvoll beleuchtet.

6. Tagesordnung am Hofe des Kaisers nach Pöllniz. Ladh Montague über den Wiener Hof und das Wiener Leben.

Der Tourist Pöllniz sah den Hof Carl's VI. im Jahre 1719 und beschreibt die Tagesordnung des Kaisers.

,, Sobald er aufgestanden ist, läßt er sich anklei= den. Er liest dann einige Depeschen, giebt einem der Minister Audienz oder wohnt dem Conseil bei. Dann geht er in die Messe, entweder in der Kapelle oder bei Festtagen in einer Kirche. Nach der Messe kehrt er in sein Appartement zurück und hält sich in dem f. g. Retiro bis zum Diner auf. Sobald angerichtet ist, meldet es der Oberkammerherr dem Kaiser, der mit der Kaiserin, die von allen Damen-begleitet ist, sich zur Tafel begiebt. Ein Kammerherr oder der Obersilberkäm= merer präsentirt den kaiserlichen Majestäten das Waschwafer, darauf sehen sie sich in ihre Fauteuils. €8 hat mir geschienen, als wenn der kaiserliche Tisch nicht sehr geschmackvoll servirt sei: die Vaisselle ist alt und alle Schüffeln werden ohne Symmetrie aufgestellt. Jede der Majestäten hatte ihre besonderen Schüsseln, daher werden sehr kleine Schüffeln aufgetragen, ich habe übrigens selbst auf der Tafel nur fünf bis sechs Suppenlöffel gesehen. Sobald der Kaiser sich gesezt hat, bedeckt er sich. Ein Kammerherr präsentirt den Trunk, beide Majestäten trinken gegenseitig auf ihre Gesundheit. Dann nähern sich der Obersthofmeister, der Oberkam= merherr, der Oberststallmeister und der Capitain der Garde, um die Befehle des Kaisers wegen des Nachmittags zu empfangen; dasselbe thun die Ehrendamen

und die Offiziere der Kaiserin. Darauf zieht sich Alles: zurück. Das Mittagsmahl währt selten länger als eine Stunde. Die Majestäten bleiben an der Tafel, bis Alles, selbst das Tischtuch, abgeräumt ist, es wird dann ein anderes aufgelegt, darauf stellt der Oberftl= berkämmerer eine Schüffel und eine Gießkanne von Vermeil zum Waschen. Der Oberkammerherr präsen= tirt dem Kaiser die Serviette, die Ehrendame der Kaiserin. Hierauf ziehen sich die kaiserlichen Majestäten in ihre Retiraden zurück."

,,Des Nachmittags fahren Kaiser und Kaiserin öfters auf die Jagd oder zum Scheibenschießen. So= bald der Kaiser von da zurück ist, giebt er denen Audienz, die durch den Oberkammerherrn darum haben bitten lassen. Diese Audienzen sind ohne Ceremonien, der Kammerherr vom Dienst führt ein. Der Kaiser steht bedeckten Hauptes an einen Tisch gelehnt, über ihm ist ein Baldachin und ein Fauteuil steht ihm zur Seite. Beim Kommen und Gehen werden die üblichen drei Kniebeugungen gemacht. Eben so finden die Audien= zen bei der Kaiserin statt: eine der Ehrendamen wohnt in gehöriger Entfernung, daß sie nicht hören kann, was gesprochen wird, bei und der Oberhofmeister bleibt in der Antichambre an der Thüre."

,,Bei diesen Audienzen hat sich am Wiener Hofe ein auffallender Mißbrauch eingeschlichen. Den Tag darauf finden sich die Bedienten des Oberkammerherrn und Obersthofmeisters ein und verlangen eine Bes lohnung, ja man bestimmt sogar die Höhe dersel= ben. Auch die Trabanten und Schweizer finden sich

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