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Alle diese sechs Herren stimmten für Fortseßung des alten Bundes mit den Seemächten, den Geldbeschaffern. Und sie unterstüßten ihre Abstimmungen mit starker Lebhaftigkeit aus öffentlichen, hellen und klaren und geheimen, dunkeln und trüben Gründen.

Während sie gestimmt hatten, hatte Kaunis nicht den entferntesten Antheil zu nehmen geschienen. Er hatte sich indeß beschäftigt, Federn zu schneiden, Bleistifte zu spigen, kleine Drangements in seinem Anzuge mit ächt französischer Sorgfalt, sich zierlich bürstend und jedes Stäubchen zart wegblasend, zu verbessern, dazu unter= weilen auch seine Uhr repetiren zu laffen. Die lebhafte Kaiserin, die über die Kaunißische Versteinerung, die er jedesmal bei den Abstimmungen seiner geistlosen Collegen bewies, so manchesmal außer sich gewesen, so manchesmal darüber in mühsam unterdrückten Unwillen gerathen war, ste saß diesmal ganz ruhig. Wenn, sagt Hormayr, der alte Fürst in seinen spätern Tagen sehr redselig geworden, im Kreise sei= ner Vorleser und Geheimschreiber seiner Zunge freien Lauf ließ, so rühmte er es immer, wie die Kaiserin mit seinem Systemwechsel schon lange einverstanden gewesen sei, wie klug und fest sie aber das Geheimniß vor den andern Ministern, selbst vor Bartenstein, threm Liebling, von dem der englische Gesandte Robinson einmal bekannt hatte: ,,he is french mad,' ja selbst vor ihrem Gemahle bewahrt habe. Hatte ste doch die Rolle so gut gespielt, daß ste dem englischen Gesandten mehrmals gute Worte gegeben hatte, er möchte sie doch gegen den rechthaberischen Bartenstein

vertreten, daß die Geschäfte fließender gingen und daß sie unausgesezt in des ganz englisch gesinnten Ministers Bajner in London, Philippiken gegen Frankreich gründlich einzugehen schien."

Als die Collegen mit ihren Votirungen endlich fertig waren, ergriff Kaunih, der bis dahin anscheinend ganz Interesselose, das Wort. Er ergriff es mit einer Bestimmtheit und Sicherheit, wiederholte und widerlegte dabei zugleich auch die Gründe der Collegen aus seinen neuesten Erfahrungen mit einer solchen, wenn schon immer granit- kaltblütigen, doch zugleich schwungvoll stegenden Beredtsamkeit, daß seine Ansicht und sein System auf der Stelle durchdrang. Die Kaiserin erklärte sich jezt laut und öffentlich dafür und allerhuldreichst: sie reichte Kaunis die Hand zum Russe und entließ den verblüfften Conferenzrath. Drei Bochen darauf ward das Ministerium geändert: Uh= lefeld ward Obersthofmeister, Bartenstein ward als Vicekanzler in die böhmisch-östreichische Hofkanzlei verseßt. Kaunig ward als Geheimer Haus-, Hof- und Staatskanzler Premier.

Es zeigte sich später, daß der gescheite Kaunis auch den wichtigen Geldpunkt in der neuen Allianz nicht unberücksichtigt ließ. Die Subsidien, die Frank

zahlte, waren ungeheuer: ste betrugen nach dem in der Revolution 1793 publizirten Livre rouge in wölf Jahren von 1757 bis 1769 nicht weniger 4 62,652,479 Livres.

Wie in den Friedensjahren seit 1748 durch Haugwis die inneren Angelegenheiten Oestreichs centralisirt Deftreich. VII.

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worden waren, so centralisirte nun Kaunik die auswärtigen und stellte auch von dieser Seite die Einheit der Monarchie her, wie sie dort vou jener Seite angebahnt worden war.

Früher waren alle auswärtigen Verhältnisse des Kaiserhofs meistens durch die Reichskanzlei deutscher und lateinischer Expedition und durch) den Reichshofrath besorgt worden. Die adeligen Reichshofräthe waren es, aus denen man gewöhnlich in Deftreich die Gesandten auswählte. Jedes Nebenreich behandelte seine auswärtigen Anliegen in voll= kommener provinzieller Ausschließlichkeit. So tractirte Ungarn seine Geschäfte mit Polen und mit Venedig; Böhmen die seinigen mit Sachsen und der Oberpfalz; Tyrol und Vorderöstreich die ihrigen mit Venedig, den evangelischen Cantonen der Schweiz und mit dem katholischen Graubünden. Die meisten öftreichischen Gesandten, namentlich auch die bei den beiden befreundeten Seemächten England und Holland, waren bis zum Utrechter Frieden nur Ministerresidenten und für einzelne bestimmte Angelegenheiten außerordentlich beglaubigte Botschafter.

So ging im dreißigjährigen Kriege in der Pfälzer Angelegenheit der schon oben bei der projectirten Hanseerneuerung, den ersten Marineplänen Oestreichs, beiläufig genannte Graf Georg Ludwig von Schwarzenberg nach London zu König Jacob I. Stuart, dem Schwiegervater des pfälzischen Böhmenkönigs. Nach der Restauration der Stuart's und seit dem mit Ludwig XIV. 1673 ausgebrochenen ersten Franzosen=

friege, den der Frieden von Nymwegen 1679 been= digte, gingen in drei berühmt gewordenen außerordentlichen Ambassaden 1677, 1694 und 1700 nach England: Graf Carl von Wallenstein, Graf Leopold von Auersperg und Graf Johann Wenzet Bratislaw: durch sie ward die Allianz mit England, die fiebenzig Jahre lang Basis des öftreichischen. politischen Systems ward, eingeleitet und befestigt. Während des spanischen Erbfolgekriegs vertrat in wies derholten außerordentlichen Sendungen Graf Johann Wenzel Gallas, ein Enkel des Generals des dreiBigjährigen Kriegs, sehr kräftig das kaiserliche Interesse in London. Immer aber fungirte neben diesen außerordentlichen Gesandten noch ein Resident, der stehend in London blieb, um immer im Laufenden sich zu er= halten. 1704, als Kaiser Leopold I. damit umging, Lord Marlborough das Reichsfürstenthum Mindelheim zu verleihen, war Resident in London: Philipp Hoffmann. Ihn und Gallas traf noch 1712 Eugen, als er nach dem Sturze Marlborough's ebenfalls in einer außerordentlichen Mission an den englischen Hof ging, die bekanntlich erfolglos war und nicht verhindern konnte, daß England 1713 seinen Separatfrieden mit Frankreich schloß.

Nach der im westphälischen Frieden erfolgten Anerfennung der Republik Holland hielt der Kaiserhof auch öffentlich beglaubigte Residenten im Haag, wie Baron Krampricht, der im Jahre des Abschlusses des wichtigen Haager Concerts 1683 fungirte, welches. die Basis der östreichischen Allianz mit den Seemäch

ten wurde. Nach Abschluß dieses Haager Concerts gingen wiederholt nach dem Haag außerordentliche Gesandte. Dominic Andreas Graf Kaunis, des Staatsanzlers Großvater, schloß 1697 den Frieden von Ryswick, Graf Goes 1701 die Allianz mit den Generalstaaten zum spanischen Erbfolgekriege. Während des spanischen Erbfolgekriegs war lange Zeit der Staatskanzler Graf Philipp Ludwig Sinzendorf außerordeutlicher Gesandter im Haag zu den Friedenstractaten. Auch im Haag aber blieb neben den außerordentlichen, von Zeit zu Zeit wechselnden Gesandten ein stehender Resident, wie in London. Als Resident fungirte während Sinzendorf's Ambassade im Haag: Baron Heems.

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Nach dem Utrechter und Badner Frieden aber ernannte der Kaiser ordentliche stehende Gesandte in London und im Haag, wie in Paris. Graf Conrad Sigismund Anton Starhemberg, der Neffe des Finanzministers und des Feldmarschalls, der Vater des ersten Fürsten Starhemberg der in London geboren ward und nach deffen Tode 1727 Graf Philipp Joseph Kinsky, jüngerer Bruder des französischen Gesandten und ersten Fürsten Kinsky, wurden englische Gesandte, während Graf Leopold Johann Victorin Windischgrät, der Urgroßvater des jezt lebenden Fürsten, und nach ihm Graf Ferdinand Harrach, der Sohn und beziehentlich Enkel der beiden berühmten spanischen Gesandten zu Zeit des Erlöschens des spanischen Hauses Habsburg zu holländischen Gesandten ernannt wurden.

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