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dieser Zeit disponirt die Frau nach Belieben über das Vermögen des armen Liebhabers zu nicht geringem Schaden seiner Familie. Diese Verbindungen werden wie die andern selten aus Liebe eingegangen, es find nur Verbindungen aus Convenienz. Aber ein Mann ohne eine solche Verbindung würde eine traurige Figur spielen, und eine Frau denkt, sobald sie sich verheira= thet, daran, sich einen Liebhaber zu verschaffen, als an ein wesentliches Stück ihrer Ausstattung. Der erste Artikel in den Contracten mit diesen Galants, die man abschließt, ist immer die Pension, die der Frau bleibt, im Falle der Liebhaber unbeständig ist. Es foramt dieser Fall selten vor und die Clausel mag nicht wenig dazu beitragen. Ich kenne mehrere Damen aus der ersten Gesellschaft, deren Penston man so genau fennt, wie ihre Renten." Lady Montague sest hinzu, um zu beweisen, wie feststehend die Sitte des Cicisbeats in Wien gewesen sei, daß man sie für einfältig gehalten habe, als sie nach Verlauf von vierzehn Tagen nochkein Liebesabentheuer eingeleitet hatte. Sie erzählt sogar, daß ein junger Graf ihr in einer Gesellschaft ge= radezu den Rath gegeben habe, sich zu verlieben, und als fie ausweichend geantwortet, habe derselbe unter Versicherung seines Bedauerns, daß er nicht das Glück habe ihr zu gefallen, ihr seine guten Dienste bei demjenigen angeboten, der ihr am besten gefalle. Lady ging mit ihrem zum Gesandten an der Pforte: ernannten Gemahle nach Constantinopel, wo ihr be=" kanntlich der Sultan so gut gefiel, daß Lord Mon=tague fich von ihr trennte.

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Nächst der Sitte des Cicisbeats, welche die Lady in Wien merkwürdig fand, fand sie auch die allgemein verbreitete Vorliebe für die Alchemie, die herrschend war, merkwürdig. Hier giebt es, berichtet ste, eine ungeheure Anzahl von Alchemisten. Der Stein der Weisen ist der große Gegenstand des Eifers und der Wissenschaft. Diese pestilentialische Passton hat schon mehrere große Herren ruinirt. Es giebt kaum einen Mann, der reich ist und ein Haus macht in Wien, welcher nicht einen Alchemisten in seinen Diensten sich hielte, selbst der Kaiser läßt sich darauf ein, obgleich er öffentlich sich dagegen erklärt hat."

Wie die Alchemie war die Magie damals in Wien im Schwange: es gab Sauberer nnd Teufelsbe= schwörer. Duclos in seinen Memoiren berichtet ein merkwürdiges Abentheuer, das dem damals dreißigjäh= rigen bekannten galanten Herzog von Richelieu, dem berühmten Freund und Bewunderer Voltaire's, dessen schon oben bei den Andachten am Kaiserhofe Erwähnung geschah, nach einer starken Orgie in Un= garwein in Wien 1727 begegnete, wo er seit 1725 ale Ambassadeur eingetroffen war ,,ein Abentheuer, sagt Duclos, das nicht werth sein würde in der Ge= schichte aufgeführt zu werden, wenn es nicht dazu bei= trüge, die Personen kennen zu lernen, die in den Ge= schäften eine Rolle spielten.",,Der Abbé von Sinzendorf, ein Sohn des obersten Hofkanzlers (geb. 1699, 1726 bereits damals Bischof von Raab, 1727 Cardinal und 1732 Bischof von Breslau, derselbe, der noch in Schleften war, als Friedrich der Große das

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Land wegnahm), der Graf von Westerlo (Johann Philipp Eugen, Reichsgraf von Merode), Capitain der Hellebardierer des Kaisers und der französische Gesandte Herzog von Richelieu waren Vergnügungscameraden in Wien. Einer jener Betrüger, die von den Leichtgläubigkeiten gewisser starker Geister leben, welche weniger selten, als man denkt, sind und die an die Magie und andere Absurditäten glauben, wußte unsre drei Herren zu überreden, daß er mit Hülfe des Teufels ihnen zum Besize der Sachen, die sie sich am meisten wünschten, verhelfen wolle. Man sagt, daß der Wunsch des Herzogs der gewesen sei, den Schlüssel zum Herzen der Fürsten zu erhalten: des Schlüssels zum Herzen der Damen hielt er sich für gewiß. Das Rendezvous zu der Teufelsbeschwörung war ein Steinbruch in der Nähe von Wien. Die Herren begaben fich zur Nachtzeit dahin. Es war Sommer und die Beschwörungen dauerten so lange, daß der Tag zu dämmern begann, als die Tagelöhner, die zu ihrer Arbeit gingen, ein so durchdringendes Geschrei vernahmen, daß sie auf den Ort, wo es herkam, hinliefen und hier die Gesellschaft trafen mit einem als Arme= nier gekleideten Manne, der in seinem Blute schwamm und eben seinen lezten Seufzer aushauchte."

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Es war offenbar der vorgebliche Magus, den die Herren grausam gemordet hatten, um ihre Nache zu tühlen, weil sie sich schämten, geprellt worden zu sein. Die Arbeiter, die sich fürchteten, als Mitschuldige aufgegriffen zu werden, liefen fort und machten Anzeige von dem, was sie gesehen hatten. Die Gerichtsbeams

die die Namen der Schuldigen und namentlich den des Abbé Sinzendorf erfuhren, machten bem Kanzler, seinem Vater, ihre Meldung und dieser unterließ nichts, um die Sache zu unterdrücken. Go gravirlich fie für alle drei Herren war, so brachte sie doch am Meisten den Abbé Sinzendorf ins Gedränge, der eben zum Cardinal ernannt worden war und die Promotion empfangen sollte."

Mit diesem mittelalterlich - abergläubischen alchemistischen und Teufelsbeschwörungs- Treiben und mit jenem gravitätisch-leichtsinnigen und frivolen Phäaken-. Leben ging nun die alterthümliche, Frömmigkeit, ja Bigotterie, Hand in Hand, sie vertrug sich ganz gut mit ihr. Der burleske und gröblich burleske Ton ward so allgemein in Wien, daß Straniz ki, der unvergleichliche Erfinder des Wiener Hanswursts, das Volk in diesem Tone eben so zum ewigen Gelächter dahin riß, wie der Augustiner-Pater Abraham a Sancta Clara von der Kanzel in der Stephanskirche herab in ihm predigte.

Die doch gar nicht schwierige Lady Montague bemerkt, daß sie in Wien Stücke habe aufführen sehen, in denen Ausdrücke vorgekommen seien, an denen selbst der rohe Londoner Pöbel Anstoß genommen haben würde. Sie sah unter andern eine Comödie,,Amphitryon" aufführen, in welcher ihr auffiel, daß zwei Schauspieler ohne Weiteres ihre Unterkleider fallen ließen im Angesicht der mit Leuten aus der ersten Gesellschaft gefüαten Logen, die aber mit dem Schauspiel sehr zufrieden waren und der Lady versicherten, Amphitryon sei eine

der schönsten Comödien. Director der deutschen Comödien beim Kärnthnerthortheater war damals der Hoft mustfus Boro sin i.

Joseph Anton Stranişki war der Mann, der Wien entzückte. Er war um 1680 zu Schweidnig in Schlesien geboren und studirte auf einem protestan= sischen Gynnastum in Breslau. Die Jesuiten, die einen anschläglichen Kopf in ihm bemerkten, steckten ihm Einlaßbillette zu ihren Schauspielen zu und seßten ihm zu, sich zu convertiren. Sein Schulrector brachte ihn auf die Universität Leipzig. Hier traf Stranişki die Veltheim'sche Gesellschaft und trat zu ihr. Seine Verwandten kamen darüber in Alarm und er ging nun mit einem schlesischen Grafen auf Reisen nach Italien. Hier besuchte er das Theater, so oft er konnte und machte die wahren Studien zu seiner späteren Laufbahn. Zurückgekehrt nach Deutschland trat er wieder unter eine Schauspielertruppe zu Salzburg und kant mit ihr nach Wien. Hier schwang er sich seit 1706 in einem hölzernen Theater auf dem Neuen Markte durch ertemporirte Burlesken, in denen er mit unübers trefflicher Laune den Hanswurst spielte, zum Liebling des Volks empor, übernahm 1712 das vier Jahre vorher vom Stadtrath erbaute Theater am Kärnthner Thore und starb schon 1727 zu Wien. 1722 gab er das luftige Buch, olla Potrida des durchtriebenen Fuchs mundi" heraus, aus dem man sich einigermaßen von der genialen Art seiner Darstellungen einen Begriff machen kann.

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Abraham a S. Clara, ein geborner Schwabe,

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