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der die römische Königskrone trug, sein Wams zu flicken nicht verschmähte, so unterließ auch Carl VI. nicht für die kleinsten Angelegenheiten seines Haushalts zu sorgen. Noch vor seinem Tode hatte er genau sei= nen Leichenpomp und seine Todtenmessen bestimmt, für seine Lieblingsthiere und für seinen Hofzwerg gesorgt. Dieser Hofzwerg war der Baron Klein, das soge= nannte „kleine Hansel,“ Carl VI. war der lezte Kaiser, der sich einen Narren in der Schellenkappe hielt. Die Kaiserin Elisabeth hatte ihren Herrn sechs Tage und sechs Nächte nicht verlassen. Seine letzten Stunden widmete Carl seinem Liebling. Dies war sein Schwiegersohn, der stattliche, martialische, pockennar= bige, trog aller Schicksalsschläge immer muntre, aber auch fast immer betrunkene und oft sehr brutale Her= zog Carl. Carl war der Bruder Herzog Franzens von Lothringen und schon in seiner frühesten Jugend eine höchst originelle Personalität. Seine Großmutter, die Herzogin von Orleans, sah ihn 1722, als er zehn Jahre alt war und beschreibt ihn in ihrer drolligen Weise:,,Prinz Carl ist, was J. G. S. unser Herr Vater pflegte zu sagen, ein wunderlicher Heiliger, das Maul geht ihm nicht zu und ist allezeit lustig, raisonnirt immer mit seinen Schwestern und recht possirlich, er ist weder hübsch noch häßlich." Er heirathete 1744 des Kaisers zweite Tochter Maria Anna, die kaum nach Jahresfrist schon starb. Er war Statthalter der Niederlande, Hoch- und Deutschmeister und Generalismus aller kaiserlichen Truppen. Er war es, der in den schlesischen Kriegen und später im fiebenjähriDeftreich. VII,

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gen Kriege die öftreichische Armee commandirte, mit der er lauter Niederlagen, zuleht bei Prag 1757 und bei Leuthen in demselben Jahre erfuhr, worauf die obenerwähnte sprechende Hof- Carricatur kam. Nun ging Carl in seine Statthalterschaft nach Brüssel zurück und starb hier 1781, auch im Tode noch munter, denn er sagte seinen Aerzten den berühmt gewordenen Calembourg: „Allez Messieurs, Charles attend," worunter er die Charlatans verbarg. Zwei ganze Stunden lang sprach Carl VI. noch vor seinem Sterben mit Herzog Carl, seinem Liebling. Seine älteste Toch ter Maria Theresia, die Erbin seiner Staaten, wollte der Kaiser durch den Anblick seines Sterbens nicht erschüttern, sie war eben im fünften Monat mit dem spätern Kaiser Joseph II. in gesegneter Hoffnung, er ließ sich nur im Bette aufheben und sprach nach dem Flügel der Favorite, den Theresia bewohnte, Heil und Segen über sie aus mit lauter Stimme und hochemporgehobenen Händen.

Sein ganzes Leben lang war diese älteste Tochter Maria Theresia der Gegenstand der zärtlichsten Sorgfalt Carl's VI. gewesen.

Das Haus Oestreich hatte 1711-16 wieder, wie schon einmal unter Leopold (1668–78), nur auf Carl's VI. zwei männlichen Augen gestanden. Der Jesuit Pater Tönnemann, der einflußreiche Beichtvater Carl's VI., war vor der Heirath desselben mit Elisabeth von Braunschweig sogleich nach seiner Ankunft am Hofe von Salzdahlen beslissen gewesen,

durch einen mitgebrachten Arzt sich zu überzeugen, daß nicht etwa der Gesundheitszustand der Prinzessin die Besorgnis fünftiger Unfruchtbarkeit begründe der Bericht war zur Zufriedenheit ausgefallen. Dennoch

blieb die The acht Jahre lang ohne Kinder: man ließ die Kaiserin starke Weine und Liqueure trinken, um fie fruchtbar zu machen, sie bekam davon ein hochroth glühendes Gesicht, das sie noch im spätesten Alter hatte. Erft 1716 ward ein Erzherzog Leopold geboren; er starb aber wieder, entweder weil, wie es damals in Wien hieß, die Aja die Amme durch empfindliche Worte öfters zum Zorne gereizt hatte und dadurch die Milch verdorben worden war, oder weil man den Prinzen, nach Lady Montague, unverständigerweise entwöhnte, schon nach einem halben Jahre. Darauf kamen 1717 und 1718 die beiden Prinzessinnen Maria There= sia und Maria Anna zur Welt. Vergebens war seitdem alle Sehnsucht Carl's nach einem anderweiten männlichen Erben. Zwar kam die Kaiserin wieder in gesegnete Umstände und um ihre Phantasie mit Vorstellungen von der Männlichkeit zu erfüllen, mußten sich die besten Maler abmühen, in den Schlafgemächern berselben, in der Burg, in der Favorite, in Larenburg erotische Bilder zu malen, Carl VI. ließ sich sogar, weil in Böhmen die wunderliche Sage ging, nur ein gesalbter und gekrönter König könne männliche Ererzeugen, in Prag salben und krönen, aber das Kind, welches die Kaiserin bei dieser Krönung unter bem Herzen trug, ward dennoch eine Erzherzogin

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über die weibliche Erbfolge, die Erstgeburt, die Einheit und Untheilbarkeit der Monarchie. Nach einer Depesche des Grafen Bodewils an Friedrich den Großen vom 19. August 1747 soll Seilern zu der pragmatischen Sanction die erste Idee gegeben haben.. Nachdem sie zu Stande gebracht worden, bemühte Carl sich, sie von sämmtlichen deutschen und europäischen Potentaten garantiren zu lassen. Hierzu that Bartenstein das Meiste. Carl hielt fich für die pragmatische Sanction an allen Höfen Europas geheime Agenten und Spione hinter seinen Ministern und außer seinen ordentlichen Gesandten, die ihm bedeutende Summen kofteten. In den Unterhandlungen über diese Haussa che opferte Habsburg-Oestreich wiederum und diesmal auf das Empfindlichste des deutschen Reichs Interesse auf. Es überließ nach einem neuen Kriege mit Frankreich, der um die Succession in Polen 1733 entstanden war, in den im Jahre 1735 von Sinzendorf abgeschlossenen Präliminarien des Friedens zu Wien ein Reichsland: das Herzogthum Loth= ringen. *) Nach dem Bestze dieses Lothringen hatte die französische Politik schon seit Richelieu unabläf= sig getrachtet. Der Herzog von Lothringen, Franz Stephan, war der für Maria Theresia auser= sehene Gemahl. Er trat sein Land an Frankreich ab und erhielt dafür das durch das Aussterben der Familie der Medizeer eben erledigte Großherzogthum Lescana in Italien, er heirathete hierauf die Erb

*) Lothringen war das vorlegte Opfer, das lezté war das linke Rheinufer mit Mainz gegen Venedig 1797.

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