Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

VORWORT.

Vorliegende Ausgabe der Metamorphosen will den Schüler in die Lektüre der römischen Dichter einführen und ihn, entsprechend dem Programme der Bibliotheca Gothana, bei der häuslichen Vorbereitung unterstützen. Dafs eine solche Hilfe gerade bei der Ovidlektüre dringend zu wünschen ist, scheint dem Unterzeichneten zweifellos, denn die Schwierigkeiten, die der Anfänger hier zu überwinden hat, sind sehr grofs; selten hat ein Wort im Texte die Bedeutung, welche der Tertianer kennt, selten die Stelle im Satze, wo er es sucht. Gemeinsames Präparieren des Lehrers mit den Schülern in der Klasse läfst sich ohne grofsen Zeitverlust kaum über die ersten Wochen des Semesters ausdehnen. Und was weiter? Entweder mufs der Schüler sich dann lediglich mit Hilfe des Lexikons zu jeder Lektion auf eine gröfsere Anzahl von Versen präparieren eine Arbeit, die ihm oft Stunden kostet und in der That eine Überbürdung in sich schliefst oder man bemifst die Anforderungen an die häusliche Vorbereitung ganz gering. Aber glaubt man wirklich, dafs ein Schüler, nachdem er in Tertia höchstens 6-700 Ovidverse gelesen hat, in die Sprache und den Versbau der römischen Dichter eingeführt und für die Lektüre des Vergil vorbereitet ist?

Die Anmerkungen sind möglichst knapp und kurz gefafst und suchen alles für den Anfänger ungeeignete zu

vermeiden. Proben angemessener Übersetzung oder Fingerzeige für eine solche durften auf dieser Stufe nicht allzu sparsam geboten werden. Es bleiben daneben noch Schwierigkeiten genug, so dafs dem Schüler die Freude des selbständigen Findens nicht genommen, dem Unterrichte sein Recht gewahrt wird. An Stellen, wo unbekannte Vokabeln sich häufen, ist auch wohl ein einzelnes Wort übersetzt, um zeitraubendes Nachschlagen zu ersparen. Dass ich es bei den grundverschiedenen Anforderungen, die heute an eine erklärende Schulausgabe gestellt werden, nicht allen in dieser Beziehung werde recht gemacht haben, weils ich und sehe den unausbleiblichen Vorwürfen mit Fassung entgegen. Realien wurden von der Erklärung nicht ausgeschlossen, aber auf das zum Verständnisse der Textesworte unbedingt Nötige beschränkt. Erfahrungsmässig lassen Schüler, zumal auf dieser Stufe, längere sachliche Anmerkungen ungelesen. Insbesondere wurde es vermieden da Sachliches zu erklären, wo die Textesworte für sich selbst sprechen und die meisten kommentierten Ausgaben lediglich eine Sammlung von Belegstellen bieten. Da die Lektüre der Metamorphosen in Untertertia wohl sehr selten mit der Weltschöpfung beginnt und regelmässig von Buch zu Buch fortschreitet, so mufste den Anmerkungen der einheitliche Charakter gewahrt bleiben. Einen Kanon für die Schullektüre feststellen und dementsprechend einzelne Stücke des Kommentars für Anfänger, andere für vorgerücktere Obertertianer einrichten hätte eine Bevormundung des Lehrers in sich geschlossen, die ich nimmermehr gutheifsen könnte. Läfst die Durchführung dieses Prinzips vielleicht manche Anmerkungen als entbehrlich für den reiferen Obertertianer erscheinen, so ermöglicht sie anderseits die obligatorische Einführung der Ausgabe vor"sgesetzt sehr wohl während des letzten Semesters in

Obertertia eine kursorische Lektüre, deren Wert nicht gering anzuschlagen ist: wenn man die Sprache der römischen Dichter verstehen lernen will, mufs man eben viel lesen.

Wie die Allgemeinen Bemerkungen im Unterrichte zu verwerten sind, bleibt den Kollegen überlassen. An ein Auswendiglernen derselben hat der Unterzeichnete bei der Ausarbeitung nicht gedacht. Die Beigabe eines mythologisch-geographischen Registers ward notwendig durch die grofse Dürftigkeit und Unvollständigkeit mancher der lexikalischen Hilfsmittel, die sich in den Händen der Schüler befinden.

[ocr errors]

In der Gestaltung des Textes bin ich, soweit es irgend anging, oft nicht ohne Bedenken der Vulgata gefolgt. Als solche bezeichne ich den Text der Ausgaben von Merkel, Riese, Korn und Zingerle. Denn trotz aller Differenzen und Gegensätze im einzelnen basiert derselbe auf übereinstimmender Beurteilung der Tradition. Mehrfach sah ich mich jedoch gezwungen zu den Lesarten der von Nic. Heinsius benutzten Handschriften zurückzukehren, Den Text lediglich im Interesse der Lesbarkeit so frei und willkürlich zu gestalten, wie dies mehrfach in Schulausgaben geschehen ist, konnte ich mich nicht entschliefsen, da ich einen auf zuverlässiger Grundlage ruhenden, auch für den Handgebrauch des Philologen genügenden Text zu bieten wünschte. An einigen Stellen hoffe ich die richtige Lesart entweder durch Konjektur oder aus den Handschriften hergestellt zu haben. Auch für die Erklärung des Gedichtes findet der Fachgenosse vielleicht hin und wieder ein Körnlein Brauchbares. Die Pflicht Rechenschaft über mein Verfahren abzulegen und meine Aufstellungen zu begründen erkenne ich an und werde in Bälde Gelegenheit haben sie zu erfüllen.

Dafs ich durch die Arbeiten meiner Vorgänger, in erster Linie durch die Ausgabe von Haupt-Korn und die Auswahl von Siebelis-Polle, wesentlich gefördert wurde, sei hiermit - so selbstverständlich es ist noch ausdrücklich anerkannt. In den A. B. ist mit gütiger Erlaubnis des Verfassers mehrfach der entsprechende Abschnitt der Vergilausgabe von Prof. O. Brosin benutzt. Die Zeichnung zu VI, 53-58 verdanke ich meinem Freunde Otto Schroeder.*) Ich hoffe, sie soll in Verbindung mit dem Kommentare zur Erklärung der schwierigen Stelle beitragen.

*) Vgl. Archäol. Ztg. 1884, S. 169-180.

Berlin, im März 1885.

Hugo Magnus.

« ZurückWeiter »