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die vereinzelte Ankunft der Pilger wieder Muth, und brachte ihn sogar auf den Gedanken, sie für die Interessen seines Reiches zu benußen. Er erklärte ihnen, daß Kleinaften und Syrien Provinzen des römischen Kaiserthumes, und nur im Augenblicke von der türkischen Heeresmacht überschwemmt seien; er erwarte also, daß nach deren Vertreibung die Pilger ihn als legitimen Landesherrn anerkennen und für ihre dortigen Eroberungen ihm den Lehnseid leisten würden; auf diese Bedingung sei er dann bereit, sie mit Lebensmitteln und Truppenhülfe zu unterstüßen. Graf Hugo, der zuerst eintraf, machte keine Schwierigkeit; Herzog Gottfried aber sagte, sein einziger Lehnsherr sei Jesus Christus, und nur diesem denke er fortan zu dienen; darauf wurde er aber von den Truppen des Kaisers so ernstlich angegriffen und geschlagen, daß er zur Rettung seines Heeres den Eid leistete. Der zumeist Gefürchtete, Boemund, fügte sich auf der Stelle: er hatte gesehen, daß die Mehrzahl der Pilger keine Lust zu einem Kampfe bei Constantinopel hatte, der sie längere Zeit von dem heiligen Grabe entfernt hielte, und war seinerseits entschlossen, einmal in Asien nicht nach dem Eide sondern nach den Umständen zu verfahren. Sein Beispiel entschied die Uebrigen, bis auf den zähen und heißblutigen Raimund von Toulouse, welcher lieber sterben als einen anderen Oberherrn neben Christus anerkennen wollte. Er kam darüber in bitteren, bleibenden Groll gegen Boemund, und bei dieser Wahrnehmung beeilte sich der Kaiser, der trop des Eides dem listigen Normannen entfernt nicht traute, die Freundschaft des Grafen festzuhalten, ihm den Schwur zu erlassen, und ihn durch Geschenke und Ehrenbezeigungen aller Art fest an sich zu ketten. Einen seiner ersten Palastbeamten, Latifios, gab er darauf dem Kreuzheere als seinen Vertreter in den zu befreienden Landen mit.

Endlich, nachdem viele Monate über diese Verhandlungen hingegangen, kam das Heer auf den langersehnten asiatischen

Boden, und der Kampf gegen die Feinde Christi begann zunächst mit einem Angriffe auf das Emirat von Nicäa. Es war das Glück der Pilger, daß damals die Macht des Seldschukenreichs in hohem Grade zerrüttet und zersplittert war. Um den Thron des Sultanates haderten mehrere Prätendenten; die Emire oder Statthalter der Provinzen machten sich selbstständig und befehdeten sich unter einander; von der unterwor fenen christlichen Bevölkerung erhoben sich mehrere armenische Fürsten im Laurus, am Euphrat und in Mesopotamien, und von Süden her unternahm so eben der Chalif von Aegypten einen allgemeinen Krieg gegen die Seldschuken und drang über die Landenge von Suez gegen Palästina vor. So fanden die Kreuzfahrer sich den Weg auf das Breiteste geöffnet. Als sie Asien betraten, kämpfte der Emir von Nicäa gegen den Fürsten von Melitene, der Emir von Aleppo gegen seine Nachbarn von Damascus und Emessa, die Emire von Sebaste und Mosul gegen die armenischen Häuptlinge: in diesem allseitigen Gezänke war Gesammtgefühl und Glaubenseifer bei den Türken vollständig verstummt. Mit Ungeduld erwarteten dagegen die Armenier die Ankunft des Kreuzheeres; vorausgeschickte fränkische Ritter wurden von ihnen mit lebhaftem Eifer empfangen, und sogar der Chalif von Aegypten, obgleich selbst nach der Einnahme Jerusalems trachtend, nahm eine Botschaft der Pilger auf, die ihm ein Bündniß gegen den gemeinsamen Feind, die Seldschuken, anbieten sollte. Ein solcher Bund, mit einem Muhamedaner gegen den anderen, wäre zu Hause ein Jahr früher den Pilgern als ein Gräuel erschienen; die Wirklichkeit der Dinge hatte auf der Stelle ihren praktischen Einfluß auf die stürmischen Gemüther.

Nicäa, von den übrigen Emiren im Stiche gelassen, erlag dem Anfalle des Kreuzheeres, Juli 1097: Der Marsch der Sieger ging dann unter vielfachen Strapazen quer durch Kleinasien hindurch. Sie hatten damals den Grafen Stephan von

Blois mit der Leitung der Operationen, oder, wenn man lieber will, mit dem Vorsiz im großen Kriegsrathe beauftragt, und dieser wählte, am Taurus angelangt, die Straße im Norden des Gebirges bis an den Euphrat, um dann erst nach bedeutendem Umwege den Taurus zu überschreiten und in Syrien einzudringen. Der Zweck dieser Bewegung war wohl die möglichst umfassende Unterstüßung der Armenier. Eine Menge kleiner Garnisonen wurde in den Bergschlössern der Gegend zurückgelaffen, Cilicien durch einen gesonderten Heertheil unter Boemund's abenteuerdurstigem Vetter Tancred, und dem Grafen Balduin, dem Bruder Gottfried's, zu den Waffen gerufen, und gleich nachher Balduin mit einer neuen Absendung über den Euphrat nach Mesopotamien vorgeschoben, wo er die Armenier mit solcher Kraft und Klugheit zu behandeln wußte, daß er in ihrer Hauptstadt Edessa nach wenigen Monaten als Landesherr ausgerufen wurde. Das große Heer zog unterdessen den Orontes abwärts gegen die wichtigste und festeste Stadt aller syrischen Lande, gegen Antiochien, wo eine jahreslange Reihe von Kämpfen, Triumphen und Leiden aller Art es erwartete.

Es herrschte dort ein greiser Emir, Namens Bagi Sijan, ein Verwandter des sultanischen Geschlechtes, der sich von je her durch rauhe Lüchtigkeit und Lapferkeit ausgezeichnet hatte und auch jezt zum Wiederstand bis auf den lezten Athemzug entschlossen war. Die Christen ergossen sich zunächst über die fruchtbare und reiche Landschaft; mehr als hundert ihrer Ritter nisteten sich in den Castellen und Schlössern der Umgegend ein, unbekümmert um den Gang der Belagerung oder die Verpflegung des Heeres. Die großen Fürsten lagen einstweilen vor einzelnen Thoren der Stadt, außer Stande, die Zugänge derselben zu sperren oder gar einen Versuch der Zerstörung gegen die gewaltigen hochgethürmten Mauern zu machen. Bagi Sijan's Reiter durchstreiften dann in rastlosen Ausfällen

die Gegend, rieben zerstreute christliche Schaaren auf, schnitten dem großen feindlichen Lager die Zufuhr ab. Tag auf Lag verging, der Winter brach mit endlosen Regengüssen herein, Entbehrung, Hunger und Krankheit begannen die christlichen Massen in erschreckender Weise zu lichten. Von 300,000 Kämpfern war nur die Hälfte noch bei der Fahne; die Pferde büßte man in der unwirthlichen Jahreszeit bis auf wenige Hundert ein, der Oberbefehlshaber, Stephan von Blois, .wurde krank, und ließ sich aus dem Lager hinweg in die nahe Seestadt Alerandrette bringen. Indeß die Uebrigen hielten aus. Allmälig errichtete man kleine Verschanzungen und Castelle vor den Thoren, sperrte die Brücke, auf der die Türken bisher den Fluß zu passiren pflegten, und schlug mehrere Entsazversuche der benachbarten Emire nachdrücklich zurück. Im Frühling besserte sich Alles. Die Seuchen ließen nach, viele Versprengte stellten sich wieder ein, eine genuesische Flotte brachte reiche Zufuhr und Herrschaft über das Mittelmeer. Dagegen machte sich ein innerer Zwist bemerkbar. Boemund hatte sein Auge auf die bedeutende Stadt geworfen, trieb deshalb vor Allem den Griechen Latikios durch Verheßungen und Drohungen aus dem Lager hinweg, und trat darauf mit dem Antrage hervor, die Fürsten sollten ihm den erblichen Besit Antiochiens verheißen, dann wolle er es ihnen überliefern. Für diese Zuver sicht hatte er sehr bestimmten Grund. Wohl gab es unter den Pilgern grimmere Recken, als den Fürsten von Larent; es galt Graf Robert von Flandern für die beste Lanze im Heer, und fein Schwert wurde mehr gefürchtet als das des Herzogs Gottfried, dessen wuchtiger Arm noch bei einem der leßten Gefechte einen gepanzerten Türken mit einem Hiebe zerspaltet hatte, so daß Kopf und Brust zur Erde stürzten, und die untere Hälfte von dem Roffe allein in die Stadt zurück getragen wurde. Dennoch aber hielten damals die Türken unbedingt den Fürsten Boemund für das Haupt des Heeres, für die

Seele aller Beschlüsse, und an ihn wandte sich demnach ein antiochischer Großer, Firuz az Zerrad, aus persönlichem Hasse gegen Bagi Sijan, mit dem Erbieten sich taufen zu lassen und ihm die Stadt zu verrathen. Als Boemund dem Kriegsrathe diese Mittheilung machte, zauderten die übrigen Fürsten eine Weile, Graf Raimund von Toulouse aber, in bohrender Eifersucht gegen den gewandteren Genossen, legte entschiedenen Protest ein, im Sinne des Eides, durch den man die Ansprüche des Kaisers Alerius anerkannt habe, und hierauf erklärten auch die Anderen Boemund's Begehren für unzulässig. Dieser zuckte die Achseln, zog sich von der Berennung der Stadt zurück, worauf dann im christlichen Lager sehr bald eine allgemeine Schlaffheit sichtbar wurde, und wartete der Zeiten. Bald kamen bedrohliche Nachrichten aus Osten. Der Sultan, seines Nebenbuhlers Herr geworden, hatte dem Emir Kerbuga von Mosul Befehl gegeben, die Kraft des Reiches zu versammeln und das freche Gezücht der Ungläubigen von dem Erdboden zu vertilgen. Es sammelte sich dort eine Masse von mehr als einer halben Million Köpfen, welche glücklicher Weise mehrere Wochen in nuglosen Kämpfen gegen Balduin vor Edessa vergen

Endlich aber sah ihr Führer doch ein, wo die Entscheidung zu suchen war, und wälzte seine gewaltigen Heersäulen gegen Antiochien heran. Da wurde die Spannung im christlichen Lager groß, denn das Aergste war vorauszusehen, wenn man zwischen der uneroberten Stadt und dem übermächtigen Entsasheere eingeklemmt wurde. Die Fürsten traten Boemund an, dieser aber blieb gelassen und ruhig auf seinem ersten Worte; bereits hatten Kerbuga's leichte Reiter die äußersten Posten der fränkischen Stellung erreicht, die Gefahr war auf dem leßten Punkte, da wich endlich auch Raimund von seinem Widerspruch, und die Stadt wurde Boemund zugesagt. In der Nacht erstieg hierauf dieser mit 60 Rittern einen von Firuz bewachten Thurm der Stadtmauer; durch das nächste von ihm

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