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und prosodischen Fehlern, zumal in den Eigennamen, ist und durch seltfame Wortbildungen, durch welche besonders trochäische Füße vermieden werden sollen, lächerlich oder widerlich wird. Jedenfalls schöpfte ich daraus die Überzeugung, daß meine Überseßung nicht überflüssig gewor= den sei, versäumte jedoch nicht, was meinen Vorgängern besser gelungen war, zu benußen oder von ihnen aufzunehmen, da ich den Lesern einen schlechten Dienst erwiesen haben würde, wenn ich ihnen, was vor mir Andere schon beffer übersezt gehabt, in minder gelungener Form geboten hätte. Bisweilen hat es aber auch der Zufall gefügt oder die Natur der Sache mit sich gebracht, daß einzelne Säße, selbst Verse wörtlich übereinstimmen. Anfänglich war ich gesonnen, das von Vossen oder Pfigen Aufgenommene durch besondere Schrift auszuzeichnen oder sonst bemerklich zu machen; allein bei genauerer Überlegung fand ich, daß dies ein zusammenhängendes Lesen nur störend unterbrechen könne und selbst zu Mißverständnissen über die Bedeutsamkeit der ausgezeichneten Schrift führen müsse, daß aber auch diejenigen Leser, welche die Sache blos objectiv betrachteten, kein Interesse dafür haben würden, Leser hingegen, die meine Leistungen vom subjectiven Standpunkte aus beurtheilen wollten, ohnehin einer Vergleichung nicht überhoben sein könnten.

Das Ziel, das der Herausgeber bei der Übersehung verfolgte, konnte, wie sich von selbst versteht, kein anderes sein, als den Sinn der Urschrift richtig und deutlich, in leichter, fließender Sprache und dichterischem Ausdrucke, möglichst wortgetreu und in gleichem Versmaße wiederzugeben, so daß in dem Deutschen Leser dieselben Vorstellungen, Gefühle und Gedanken erregt würden, welche der Dichter bei der Abfassung hegte und erregen wollte, und der Römische Leser nach und mit empfand. Wo jedoch diesen Nücksichten allen zugleich zu genügen unmöglich war, glaubte der Überseßer zunächst die Worttreue aufgeben, dann auf minder Wesentliches im Ausdrucke verzichten, endlich von der Strenge des Maßes oder vielmehr von der Beobachtung

gewisser wenn auch wünschenswerther, doch nicht unerläßlicher Regeln im Bau des Verses abgehen zu dürfen, überzeugt, daß der Lefer an einer Veränderung oder Umbildung der Nede und der Saßgefüge, an der Auslassung eines Nebenbegriffes, an einem trochäischen Fuße oder einer Vernachlässigung der gewöhnlichen Cäsur weniger Anstoß nehmen werde, als an undeutlichem, wo nicht gar undeutschem, und unrichtigem oder prosaischem und schleppendem Ausdrucke und prosodischen Härten und Fehlern, dergleichen bei meinen Vorgängern nicht selten sind, wie wir für diejenigen Leser, denen die bezeichneten Überseßungen nicht zur Hand sein sollten, an einigen Beispielen zeigen wollen, die zugleich als Belege für die oben ausgesprochenen Urtheile dienen mögen. Wir schlagen ohne Wahl das zweite Buch auf. Da heißt es V. 195 bei Voß:

Dort auch krümmt 2c.

bei Pfig:

Dort ist der Ort, wo den doppelten Arm der Scorpion

beugend 2c.

wo bei Beiden dort fehlerhaft ist; der Ort soll eben erst bestimmt werden. Daß man außerdem für beide Arme nicht der doppelte Arm sagen, und Scorpion nicht als Daktylus gebrauchèn könne, ist einleuchtend.

V. 275 bei Pfiß: ihr all v or bringendes Antlig. Ähnlich unausmeßlich, drohmuthig .

V. 299 bei Voß: Ins urnächtliche Chaos enttaumeln (!) wir. Werden wir wieder verwirrt in das vorige Chaos.

bei Pfig:

V. 304 bei Voß:

Doch der allmächtige Vater bezeugt die Gewalten des

Himmels

schleunig,

Und der den Wagen verliehn, es zerscheitere, rett' er nicht

Alles 2c.

bei Pfig:

Doch der allmächtige Vater bezeugt, wie den Obern, so

Der den Wagen gegeben 2c.

dem auch,

wo bezeugen von Beiden falsch und unverständlich construirt ist. V. 327 bei Voß:

Phaethon ruhet allhier, der des Vaters Wagen gelenket ;

Zwar nicht ganz ihn behauptend, erlag er doch großem Bestreben. bei Pfig:

Phaëthon liegt allhier, vom Wagen des Vaters ein Fährmann (wenn auch vielleicht Druckfehler für Fuhrmann)

Wenn er auch den nicht hielt, so erlag er doch großem Beginnen. Im leztern Verse hat den fälschlich Ton und ist hielt nicht sinnentsprechend.

Gleich darauf bei Voß:

Jezo barg der Erzeuger in trostlos jammernder Weh

muth

Sein umzogenes Haupt; und wenn wir trauen der Sage,

Ging Ein Tag von der Sonn' un erhellt.

Die Wehmuth jammert nicht trostlos; gehen kann man nicht
sagen für vergehen oder hingehen; das Geschlechtswort vor
Sonne bliebe besser weg, und wie hart ist Sonn', wie noch weit här-
ter oder vielmehr ganz unzulässig unerhellt als Anapäst!
Dieselbe Stelle bei Pfiz:

Aber der Vater verbarg in dumpfhinbrütender Trauer
Sein umhülltes Gesicht, und es ist, wenn wir anders es glauben,
Ohne die Sonn' Ein Tag vorübergeflohn.

V. 364 bei Voß:

Thränen fließen hervor, und es starrt der getröpfelte Bernstein
Gegen die Sonn'am jungen Gebüsch; das empfangene
Kleinod

Sendet der lautere Strom zum Schmuck den latinischen
Töchtern.

bei Pfiz:

Thränen entfließen daraus: an der Sonne verhärtet der
Bernstein,

Welcher dem neuen Gezweig' entträufelt. Der lautere Heer
strom (?)

Nimmt ihn auf und verschickt ihn zur Tracht den Latinischen
Frauen.

V. 435 bei Pfitz (Voß hat die Stelle nicht) :

Sähst du's, Saturnia, doch, du wärest gelinder gewesen. V. 460 bei Pfig: Parrhasis glühet vor Schaam 2c. anstatt die Parrhaserin.

V. 474 bei Voß:

Nicht ungestraft sei solches! Ich nehme dir jene Gestalt ab, Welche dir selber behagt, und, Troßerin! unserem Gatten! bei Pfig:

Straflos bleibest du nicht! Nein, die Schönheit will ich dir

nehmen,

Lästige du! durch die du dir selbst und dèm Gatten behagtest.

B. 494 bei demselben: die Bärin ergraust.

V. 509 f. bei demselben: fuhr hinab zur ergraueten Thetis (für Tethys) ins Weltmeer,

Und zum Oceanus auch.

V. 519 bei Voß:

Und der Beleidigten zittre ( anstatt vor der 2c.).

V. 521 bei Voß:

Menschheit legte sie ab; und Gottheit nahm sie.
bei Pfig: Menschheit nahm ich ihr weg 2c.

V. 533 bei Pfig: Mit nach Argus' Mord so kürzlich bem aleten Pfauen (welch ein prosaisches Gefüge!)

V. 537 bei demselben: daß ganz ungemakelten Tauben er gleich kam. mit straff ăngezogener Sehne.

So auch:

V. 542 ebenfalls bei Pfig: Schöner war keine 2c.

Buch 3, 407 sogar in der ersten Kürze :

Dort war ein lauterer Quell zc.

V. 574 bei demselben :

Da sie entweder noch keusch, zum mindesten noch unbela uscht

wo auch kein oder folgt.

war,

An prosodischen Fehlern in Eigennamen bei Pfig führen wir beispielsweise an:

B. 2, 153 Pyróis für Pýrois. B. 3, 210 Alles Arcáder, für A'rcader. 211 Nebrophonos voll Kraft, für Nebróphonos. 5, 135 Halcyoneus für Halcyoneus. 7, 486. 671 u. 8, 549 Cecroper, noch dazu für Cecropiden. Das Seltsamste diefer Art findet sich B. 12, 262:

O'reos malmt (!) und Broteas er, die zween, [doch] des Oréos
Mutter war Mykale, die 2c.

mit der Bemerkung, der Name schwanke nach Heinsius zwischen Oreos und Orios; als ob damit auch die Quantität schwanke!

Noch einen, beiden Überseßern gemeinschaftlichen grundsäßlichen Sprachfehler, wofür wir es wenigstens halten, müssen wir bemerken, nämlich nach einem einleitenden oder Vordersage den Haupt- oder Nachsaz Spricht er und dergleichen zwischen die directe Rede selbst einzufügen; wie B. 1, V. 544 Voß:

Rette mich, rief ste.

Derselbe B. 3, 200 f.:

Und schauend die Flut des Peneos:

Aber sobald er im Wasser das Antlig gesehn und die Hörner :
Wehe mir, wch! so begann er den Nuf.

Pfig B. 3, 390 f. :

Jener entweicht, und entweichend: Entzeuch die umklammernden

Rufet er.

Hände,

Undeutsch ist auch bei Beiden der Gebrauch des Adjectivs von Eigenuamen des Vaters bei dem Namen der Tochter, wie die Peneïsche Daphne, als ob man deutsch sagen könnte die Baumannsche Laura!

In den angeführten Stellen ergiebt sich zwar größtentheils von

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