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Aus der Fülle seines Schaffens ist am 28. Dezember 1904 Otto Intze, Dr. Jug, Geheimer Regierungsrat und Professor an der Technischen Hochschule zu Aachen, uns allen unerwartet dahingeschieden; in ihm verliert die Welt einen ihrer bedeutendsten Ingenieure, dessen Arbeiten und dessen Ruhm weit über die Grenzen seines Landes hinausgingen.

Intze am 17. Mai 1843 geboren war der Sohn eines Arztes in Laage (Mecklenburg-Strelitz). Seine Schulbildung erhielt er auf der Oberrealschule in Güstrow i. M., wo er durch den Direktor Seeger anregenden Unterricht in Mathematik und Naturwissenschaften empfing. Schon früh stellte er sich auf eigene Füße: 17 Jahre alt, nach beendetem Schulbesuch, ging er nach Rußland, wo er 2 Jahre lang in Diensten einer englischen Gesellschaft beim Bau der RigaDüneburger Eisenbahn mit großem Erfolg tätig

war.

Durch ungewöhnlich gute An

Otto Intze +

erbietungen suchte man ihn zu halten; aber vergeblich: er kehrte nach Deutschland zurück, um der praktischen die wissenschaftliche Ausbildung folgen zu lassen.

Von 1862 bis 1866 studierte Intze als Bauingenieur an der Technischen Hochschule (damals Polytechnikum) zu Hannover. Bei der Abschlußprüfung erhielt er die höchste Auszeichnung der Anstalt: eine silberne Denkmünze.

Zunächst

war

er dann als Lehrer an der Baugewerkschule in Holzminden tätig, vorübergehend auch in Stellvertretung des Direktors an der Baugewerkschule in Siegen. Im Frühjahr 1867 trat er in den Dienst der Stadt Hamburg, um Wasser-, Brücken- und Straßenbauten zu entwerfen und zu leiten.

Als dann im Jahre 1870 die Polytechnische Schule, spätere Technische Hochschule, in Aachen errichtet wurde, berief der Leiter dieser Anstalt, v. Kaven, Intzes Lehrer und Freund, ihn im Alter von 27 Jahren zum Lehrer der Baukonstruktionen und des Wasserbaues. Das ist der Ausgangspunkt zu Intzes ruhmvoller Lebensarbeit, die sich hauptsächlich in zwei Richtungen vollzog: als gefeierter Lehrer der Hochschule und als ausübender Ingenieur, und in letzterer Richtung sind es wieder besonders zwei große Gebiete, auf denen er schöpferisch und bahnbrechend gewirkt hat: der Eisenhochbau und der

Wasserbau, vor allem der Bau von Talsperren.

In allen Ländern der Welt stehen als Zeugen seiner Kunst die von Intze in Eisen errichteten eisernen Fabrikbauten, Gas- und Wasserbehälter usw., die ihrer Eigenart wegen seinen Namen tragen und ihrer Zweckmäßigkeit Die zahlreichen in der wegen vorbildlich geworden sind. Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure veröffentlichten

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16

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deutscher Ingenieure.

Arbeiten Intzes (s. u.) lassen sein rastloses Fortschreiten auf diesem Gebiet erkennen. Hierher gehört auch seine Mitarbeit an dem Normalprofilbuch für Walzeisen, das er in Gemeinschaft mit Heinzerling im Auftrage des Vereines deutscher Ingenieure und des Verbandes deutscher Architekton- und Ingenieurvereine 1882 zum erstenmale herausgegeben, und das seitdem 6 Auflagen erlebt hat. Noch wichtiger jedoch wegen ihrer großen volkswirtschaftlichen Bedeutung sind Intzes Arbeiten auf dem Gebiete des Wasserbaues; hier knüpfen sich an seinen Namen Werke und Errungenschaften, die ihm nicht nur unter den Meistern der Ingenieurkunst, sondern auch unter den Wohltätern der Menschheit einen ersten Platz für alle Zeiten sichern. Was Talsperren sind und was Talsperren bedeuten, weiß die Welt sozusagen erst, seit Intze sie baute, zugleich Werke höchster Kunst und reichsten Segens. Unendlich groß waren anfangs die Schwierigkeiten und der engherzige Widerstand, den die Besitzer der Wasserläufe in den Gebirgen mangels geeigneter Gesetze den Bestrebungen Intzes, sie zu gemeinsamen und gemeinnützigen Bauten zu vereinigen, entgegensetzten; aber Intze überwand sie alle und bahnte, nachdem seine ersten Ausführungen gezeigt hatten, was er zu leisten vermochte, mit Hülfe von neuen Gesetzen, die seinem Eifer, seiner Zähigkeit zu verdanken sind, den Weg zu weiteren Unternehmungen. Nicht minder groß waren aber auch die Schwierigkeiten, die dadurch erwuchsen, daß zuverlässige Grundlagen für die Berechnung der Niederschlag- und Abflußmengen fehlten, Grundlagen, die nur durch jahrelange, planmäßig angeordnete und aufs sorgfältigste ausgeführte Beobachtungen erlangt werden konnten. Auch hier ist Intze bahnbrechend vorgegangen, und keine Talsperre entstand unter seiner Leitung, der er nicht diese mühsamen und zeitraubenden Vorarbeiten gewidmet hätte.

So hat denn Intze in noch nicht zwanzig Jahren allein in Rheinland und Westfalen, wo seine Tätigkeit auf diesem Gebiete begann, 16 Talsperren entworfen und gebaut, mit insgesamt 90 Millionen chm Wasserinhalt und einem Kostenaufwand von etwa 25 Mill. M. Die größte unter ihnen ist die Urfttalsperre im Regierungsbezirk Aachen mit 45 Millionen cbm Inhalt. Aber auch in Ostpreußen und Schlesien, in Böhmen und Ungarn, überall, wo wilde Gebirgsbäche verderbenbringend in die Täler niederstürzen, stellte sich Intze die Aufgabe, den ungebändigten Kräften der Natur Fesseln anzulegen und sie dem Menschen dienstbar zu machen.

Inmitten dieser großen Arbeiten, deren Umfang von Jahr zu Jahr in dem Maße wuchs, wie ihre Erfolge bekannt wurden, ist Intze dahingeschieden; seine Jünger müssen vollenden, was der Meister mit weitem Blick auf gesicherten Grundlagen begonnen hat; aber der Ruhm seiner Werke wird mit seinem Namen unvergänglich verknüpft bleiben.

Daß so großen und so verdienstvollen Leistungen auch öffentliche Anerkennung und Auszeichnung von berufenster Stelle nicht fehlten, ist selbstverständlich: Se. Majestät der König von Preußen berief Intze im Jahre 1898 ins Herrenhaus; die Technische Hochschule zu Dresden gab ihm 1902 den Dr.-Ing., und der Verein deutscher Ingenieure verlieh ihm 1895 die Grashof-Denkmünze.

Der Verein deutscher Ingenieure und sein Aachener Bezirksverein, denen Intze seit 1877 angehörte, sind es denn auch, die besonders schweren Verlust durch seinen Tod erlitten haben. Trotz seiner großen Arbeiten, die ihn daheim und auswärts unablässig in Anspruch nahmen, ist Intze stets ibr eifriges, ja opferfreudiges Mitglied gewesen. Der Aachener Bezirksverein verdankt ihm, außer seiner Mitwirkung in technischen Ausschüssen, eine Reihe von Vorträgen, reich an Inhalt und vollendet in der Form, und nicht minder bedeutend sind die Leistungen, deren sich der Gesamtverein zu erfreuen hatte. Es sei hier nur erinnert an seine Vorträge: auf der 22 sten Hauptversammlung in Stuttgart 1881 über die Prüfung theoretischer Untersuchungen über interessante Biegungs- und Spannungserscheinungen in Konstruktionsteilen durch Anwendung optischer Mittel; auf der 23 sten Hauptversammlung in Magdeburg 1882 über die rationelle Ausnutzung der Wasserkräfte Deutschlands; auf der 29 sten Hauptversammlung in Breslau 1888 über Verhütung von Wasserschäden und Ausnutzung von Wasserkräften; auf der 36 sten Hauptversammlung in Aachen 1895 über größere Wasserkraftanlagen in Deutschland, in der Schweiz und in Oesterreich. Die große Zahl wertvoller Beiträge, welche die Vereinszeitschrift ihm zu danken hat, ist am Fuße dieses verzeichnet1).

Das Bild Intzes würde aber seiner feinsten Züge, seines schönsten Reizes entbehren, wollten wir seiner nicht als des Menschen, im Kreise der Seinen und seiner Freunde gedenken; sein warmes Herz, seine vornehme Gesinnung traten nicht zurück gegen seine großen Eigenschaften als Lehrer und Ingenieur, und unerschöpflich war sein Eifer, anderen zu helfen, ihre Wünsche zu erfüllen.

Nun hat sich das Grab über dem siegreichen Helden geschlossen. Uns aber, die wir Zeugen seines Schaffens gewesen sind, soll er, in Zukunft wie bisher, ein leuchtendes Vorbild sein und bleiben.

Der Verein deutscher Ingenieure.

1) Schmiedeiserne und gemauerte Wasserreservoirs; Zeitschr. 1877 S. 413. Zentral-Dampfheizungen; Wochenschr. 1879 S. 377.

Biegungs- und Spannungserscheinungen; Wochenschr. 1881 S. 30.

Walzeisenprofile; Wochenschr. 1879 S. 411.
Ueber Holzzementdächer; Zeitschr. 1881 S. 241.

Ausnutzung der hydraulischen Hültsquellen Deutschlands; Wochenschr. 1881 S. 358.

Die Prüfung theoretischer Untersuchungen über interessante Biegungs- und Spannungserscheinungen in Konstruktionsteilen durch Anwendung Talsperren; Wochenschr. 1882 S. 260. [optischer Mittel; Zeitschr. 1881 S. 585.

Normalprofile für Walzeisen; Wochenschr. 1882 S. 374.

Ausnutzung der Wasserkräfte Deutschlands; Wochenschr. 1882 S. 381.
Anwendung von Stahl statt Schweißeisen; Wochenschr. 1882 S. 446.

Anwendung von Stahl gegenüber Schweißeisen; Wochenschr. 1883 S. 86.
Wasserbehälter und Wasserstandszeiger; Wochenschr. 1883 S. 455.

Ueber das Wasserwerk der Stadt Düren und über neuere Ausbildungen ausgeführter Wassertürme, Oel- und Gasbehälter; Zeitschr. 1886 S. 25. Fabrikbauten und Walzeisenkonstruktionen; Zeitschr. 1888 S. 1.

Talsperren, insbesondre diejenige im Füelbecketale; Zeitschr. 1888 S. 622, 625.

Ueber die bessere Ausnutzung der Gewässer und der Wasserkräfte und über die Mittel zur Verminderung der Wasserschäden; Zeitschr. 1888 Ueber Verhütung von Wasserschäden und Ausnutzung von Wasserkräften; Zeitschr. 1888 S. 1049, 1070.

Der Bruch des Wasserbehälters in Sonzier bei Montreux; Zeitschr. 1889 S. 2.

Wasserläufe im Gebirge; Zeitschr. 1890 S. 287.

Neue größere eiserne Gasbehälter und deren Führung; Zeitschr. 1893 S. 107.

Kanonenwerkstatt Nr. V der Firma Fried. Krupp in Essen; Zeitschr. 1893 S. 1025.

Der Nicaragua Ozean Kanal im Vergleich zum Panama-Kanal; Zeitschr. 1894 S. 1128, 1153, 1188.

Die Erweiterung des Wasserwerkes der Stadt Remscheid; Zeitschr. 1895 S. 639, 665.

Entwurf eines Kraftwerkes bei Heimbach mit Talsperren an der Urft für elektrische Kraftübertragung; Zeitschr. 1898 S. 1221.

[S. 984, 1005.

28. Januar 1905.

Neue allgemeine polizeiliche Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln.

Bericht über den derzeitigen Stand der Angelegenheit,

dem Württembergischen Bezirksverein deutscher Ingenieure erstattet in der Sitzung vom 3. November 1904, mit Ergänzungen.

Von C. Bach.

M. H., Sie erinnern sich, daß uns im vorigen Jahr vom Vorstande des Hauptvereines (mittels Schreibens vom 8. Oktober 1903) der im kgl. preuß. Handelsministerium ausgearbeitete Entwurf zu neuen allgemeinen polizeilichen Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln, welche an die Stelle der Bestimmungen vom 5. August 1890 treten sollen, zur Aeußerung überwiesen worden ist. Ferner waren beigefügt: Entwürfe zu Vorschriften, betreffend die Prüfung von Röhren und von Blechen zum Bau von Dampfkesseln.

Diese Vorlagen sind in einer Kommission, bestehend aus den Mitgliedern: Bantlin, Friedrich, Haupt, Hermanuz, Hoch, Klein, Lechner, Lind, Morgenstern, Nallinger, Wieland, Voith, Schmidlin, Schickhardt und mir, eingehend beraten, und schließlich ist die Aeußerung des Bezirksvereines unterm 9. Januar d. J. an den Vorstand des Hauptvereines abgegeben worden. Nachdem die Bezirksvereine sich geäußert hatten, hat dieser den Zusammentritt einer Versammlung von Sachverständigen aus den verschiedenen Teilen des Reiches am 20. und 21. Januar d. J. in Berlin veranlaßt. Es nahmen 49 Sachverständige an den Beratungen teil. Die Ergebnisse, zu denen die Versammlung gelangte1), deckten sich in der Hauptsache mit der Aeußerung unsers Bezirksvereines. Durch Eingabe vom 6. April d. J. hat der Vorstand dem kgl. preuß. Handelsministerium Kenntnis von den Beschlüssen gegeben "), zu denen die Versammlung von Sachverständigen gelangt war.

Hierauf ist seitens dieser Behörde ein neuer Entwurf ausgearbeitet worden, der nun der Oeffentlichkeit vorliegt, und der voraussichtlich den Beratungen, welche der Reichskanzler (Reichsamt des Innern) in Aussicht genommen hat, zugrunde gelegt werden wird.

In bezug auf diesen neuen Entwurf ist auszusprechen, daß eine Anzahl Vorschläge des Vereines deutscher Ingenicure Verwertung gefunden haben, und zwar hauptsächlich in technischen Einzelheiten und in der Wortfassung; die angeregten Aenderungen allgemeiner und grundsätzlicher Natur hat man dagegen in der Hauptsache unberücksichtigt gelassen 3).

Mit Rücksicht auf die reichhaltige Tagesordnung unsrer heutigen Versammlung habe ich mich gegenüber dem Wunsch, über den neuen Entwurf zu berichten, auf die Hervorhebung dreier Punkte allgemeiner Natur zu beschränken; weiteres Eingehen auf technische Einzelheiten muß unterbleiben.

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habung in den verschiedenen Teilen des Reiches hinsichtlich Einheitlichkeit öfter zu wünschen übrig ließen. Es erscheint zweckmäßig, diesen Umstand von vornherein festzustellen.

Daß der eine oder andre Bundesstaat besondre Bestimmungen erlassen hat, durch welche die Einheitlichkeit und die Freizügigkeit, um derentwillen 1890 die verbündeten Regierungen die Vereinbarung vom 3. Juli 1890 getroffen hatten, beeinträchtigt werden mußten, ist allerdings auch vorgekommen1); es waren aber nur wenige Bundesstaaten, die diesen Weg beschritten.

Dem bezeichneten Uebelstand sucht die Vorlage in der Weise abzuhelfen, daß sie eine Anzahl technischer Einzelheiten aufgenommen hat. Wenn es ausführbar wäre, und wenn es der derzeitige Stand unsrer Erkenntnisse überhaupt zuließe, alle wesentlichen Einzelheiten aufzunehmen, wozu auch gehören würde, daß auf die in Betracht kommenden Konstruktionsmöglichkeiten mindestens in grundsätzlicher Hinsicht erschöpfend eingegangen wird, so könnte man auf diesem Wege wohl zu der ve mißten Einheitlichkeit gelangen, insoweit diese nicht durch die Unvollkommenheit der Menschen, in deren Händen die Ausführung der Vorschriften liegt, überhaupt unmöglich gemacht wird. Zunächst ist aber wie jedem mit der Sache ausreichend Vertrauten klar vor Augen steht diese erschöpfende Feststellung nicht ausführbar, und sodann sind nicht wenige der technischen Einzelheiten infolge des Fortschreitens der Wissenschaft und der Technik fortgesetzten Wandlungen unter

worfen.

Hieraus folgt, daß diese Beschlüsse des Bundesrates sich in der Hauptsache auf allgemeine Bestimmungen beschränken, jedenfalls technische Einzelheiten nur insoweit aufnehmen sollten, als es sich nicht vermeiden läßt. In der Tat hat man sich sowohl im Jahre 1871 bei erstmaliger Aufstellung von »Allgemeinen polizeilichen Bestimmungen über die Anlegung von Dampfkesseln« als auch im Jahre 1890 bei Erlaß der jetzt noch gültigen Bestimmungen auf diesen Standpunkt gestellt und deshalb auch die Vorschriften »Allgemeine polizeiliche Bestimmungen« genannt. Dem Vorstehenden gemäß wären die ins Einzelne gehenden und die voraussichtlich dem Wandel unterworfenen Vorschriften in »Ausführungsbestimmungen« aufzunehmen, die einer öfteren Durchsicht unterzogen werden müßten. Von ähnlichen Erwägungen geleitet, wurde bereits im Jahre 1890 hinsichtlich >>Genehmigung, Prüfung und Revision der Dampfkessel«< die Vereinbarung der verbündeten Regierungen vom 3. Juli 1890 getroffen. Die neuen »Allgemeinen polizeilichen Bestimmungen sollten daher den bisherigen Umfang und Charakter ungefähr beibehalten, also nicht weiter mit Einzelheiten belastet werden, als es bei den bisherigen Bestimmungen schon der Fall gewesen ist und durch die veränderten Verhältnisse geboten erscheint.

Das damals Gesagte wird auch dem neuen Entwurf gegenüber festzuhalten und in Hinsicht auf Einheitlichkeit noch ein Wunsch zu äußern sein.

Für die deutsche Industrie sowie für die mit der Prüfung und Ueberwachung der Dampfkessel betrauten Sachverständigen wäre es von großer Wichtigkeit, wenu im Reich ein Organ geschaffen werden könnte, welches ermöglichte,

1) Z. 1897 S. 926 u. f.; 1899 S. 187 u. f. sowie S. 223 u. f.; 1899 S. 1092 usw.

daß die Vorschriften für Dampfkessel sich den Fortschritten und Bedürfnissen der Wissenschaft und Technik jederzeit rasch anpassen könnten, und dem es überdies obliegen würde, gegebenenfalls auf möglichste Einheitlichkeit, auch in der Auslegung und Handhabung der Vorschriften, unter tunlichster Beachtung der Bedürfnisse der Industrie sowie unter Fernhaltung vermeidbarer Belästigungen derselben hinzuwirken.

Wie ich schon an andrer Stelle ausgeführt habe, sollte sich dieses Ziel auf dem Wege, auf welchem die deutschen Eisenbahnverwaltungen hinsichtlich technischer Vorschriften zu einer befriedigenden Einheitlichkeit gelangt sind, auch auf dem Gebiete des Dampfkesselwesens erreichen lassen, ohne daß die Hoheitsrechte der einzelnen Bundesstaaten eine Beeinträchtigung erfahren.

So lange ein solches Organ nicht besteht, wird seitens der verbündeten Regierungen nach Möglichkeit vermieden werden müssen, Bestimmungen zu treffen, die den Fortschritten der Wissenschaft und Technik in weitgehendem Maße unterworfen sind, und durch deren Bestehen die auf wissenschaftlicher Grundlage arbeitende deutsche Industrie gehemmt wird. Daß der Weg der Vereinbarung der verbündeten Regierungen ein langwieriger ist und deshalb nicht geeignet erscheint, die jeweils rasch herantretenden Bedürfnisse nach Aenderungen in kurzer Zeit zu befriedigen, so wie es das tägliche Leben verlangt, bedarf keiner weiteren Darlegung.

Bis zur Schaffung einer die Einheitlichkeit für das ganze Reich ausreichend sichernden staatlichen Einrichtung könnten die deutschen Ingenieure mittels einer eigenen Einrichtung die vermißte Einheitlichkeit - wenn auch nur in beschränktem Maße durch Ausführung des Vorschlages zu erlangen suchen, den ich am Schlusse der eingangs erwähnten Beratungen am 21. Januar 1904 gemacht habe1):

>> Der Verein deutscher Ingenieure setzt einen Ausschuß von Sachverständigen ein, welcher in Fragen dampftechnischer Natur auf Anruf Gutachten erstattet, die in der Regel in der Vereinszeitschrift zur Veröffentlichung gelangen. Dieser Ausschuß wird namentlich in allen den Fällen um Gutachten angegangen werden, in denen auf dem bezeichneten Gebiet: Dampfkessel, Dampfgefäße, Dampfleitungen usw., erhebliche Schwierigkeiten in den erlassenen Vorschriften selbst bestehen oder in der Auslegung und Handhabung derselben stattfinden. Auf diese Weise wird sich im Laufe der Jahre eine wertvolle und der Oeffentlichkeit zugängliche Sammlung von Gutachten ergeben, in denen eine Menge von streitigen Fällen in sachverständige Beleuchtung gerückt ist. Den überwachenden Beamten wie den Industriellen wird mit ihr gedient sein.<<

Irr

Mehr als zwanzigjährige Beschäftigung mit der hier zur Erörterung stehenden Frage hat mich zu der Ueberzeugung gebracht, daß die Einheitlichkeit durch Zusammenstellung von Erfahrungen und durch sachverständige Darlegungen in ganz erheblichem Maße gefördert werden würde. tümer bei der Erlassung, Auslegung und Handhabung von Vorschriften haben zum großen Teil ihren Grund in Mängeln nach den bezeichneten Richtungen hin, insbesondre in dem Mangel ausreichender eigener Erfahrungen und in nicht richtiger Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse.

Ich erinnere daran, daß gerade auf dem Gebiete des Dampfkesselwesens die Initiative der Industrie durch Schaffung der Dampfkessel-Ueberwachungsvereine einen außerordentlich großen Anteil an der Erhöhung der Betriebsicherheit hat. Der bezeichnete Ausschuß könnte sofort ins Leben treten und in bezug auf Einheitlichkeit der Vorschriften sowie hinsichtlich ihrer Auslegung und Handhabung in ähnlicher Weise Gutes wirken wie die Ueberwachungsvereine in andrer Richtung.

2) Trennung der allgemeinen polizeilichen Bestimmungen für Schiffskessel von denjenigen für Landkessel.

Der Verein deutscher Schiffswerften und der Verein deutscher Ingenieure haben sich je einstimmig für diese Trennung ausgesprochen.

1) Z. 1904 S. 792.

deutscher Ingenieure.

Der Grund hierfür liegt in erster Linie darin, daß für Schiffskessel, namentlich für diejenigen, welche zur Fahrt auf See dienen, in verschiedener Hinsicht ganz eigenartige Verhältnisse bestehen, die für ihre Anlegung und ihren Betrieb von großer Bedeutung sind. Auch die Rücksicht auf den internationalen Verkehr kommt hier in Betracht; sie nimmt sogar Einfluß auf die Stärken, welche den Wandungen zu geben sind.

Es ist ferner in Hinsicht auf Uebersichtlichkeit und Klarheit der >>Bestimmungen« unzweckmäßig, wenn deren Inhalt vielfach durch den Wortlaut für die Schiffskessel durchsetzt ist, der eine Abweichung oder eine Ausnahme für diese gegenüber den Landkesseln anzugeben hat. Es hat keinen Zweck, die vielen Tausende, die nur mit Landkesseln zu tun haben, und für welche die Vorschriften der Schiffs-Dampfkessel durchaus belanglos sind, zu nötigen, immer auch die Ausnahmen für Schiffskessel zu lesen, und ebenso zwecklos erscheint es, diejenigen, welche nur für Schiffskessel Interesse haben, zu zwingen, sich ihre Sondervorschriften aus der Vermischung mit den Bestimmungen für Landkessel herauszusuchen. Die vergleichsweise geringe Zahl derjenigen, welche mit beiden. Kesselarten zu tun haben, kann sehr wohl mit getrennten Ausgaben der Vorschriften beider Kesselarten auskommen.

Das Bestreben der Vorlage, Land- und Schiffsdampfkessel unter einen Hut zu bringen, hat mehrfach dazu geführt, Vorschriften, die für Schiffskessel ganz am Platze sind, auch für Landkessel aufzustellen und dadurch in bezug auf diese unnötige und zu Mehrkosten führende Forderungen zu erheben. Hierzu gehört z. B. das Verlangen, betreffend den Ausflußquerschnitt der Sicherheitsventile in § 8 Ziff. 2. Hiernach muß der Querschnitt des Sicherheitsventiles imstande sein: » den Beharrungszustand, bei dem so viel Dampf abgeführt wird, als der Kessel zu erzeugen vermag, bei einer die festgesetzte Dampfspannung höchstens um ein Zehntel ihres Betrages übersteigenden Spannung herbeizuführen«. Daß diese Bestimmung, für Landkessel in Kraft gesetzt, sehr fördernd auf die Erzeugung der Hochhub-Sicherheitsventile einwirken würde, wäre allerdings richtig. Der Entwurf führt in seiner Begründung an, daß in Bayern und Hamburg diese Vorschrift bestehe. Für Hamburg kommt in Betracht, daß es sich dort zum allergrößten Teil nur um Schiffskessel handelt, und für Bayern ist festzustellen, daß daselbst die Staatsbehörde in der Instruktion für die zur Prüfung von Dampfkesseln angestellten Beamten noch bestimmt hat: Die Weite eines Sicherheitsventiles ist als genügend anzusehen, wenn sie nach der Formel F- 15 bemessen ist1). Demgemäß wird in Bayern seitens der Beamten lediglich nachgesehen, ob das Ventil den durch diese Formel vorgeschriebenen Mindestquerschnitt besitzt; eine Prüfung nach der Richtung hin, ob es imstande ist, allen erzeugten Dampf entweichen zu lassen, ohne daß die Dampfspannung um mehr als ein Zehntel des festgesetzten Genehmigungsdruckes überschritten wird, findet nicht statt.

=

Tatsächliche Vorkommnisse (Unfälle, Explosionen) an Landkesseln, durch welche die Notwendigkeit der neuen Bestimmung für diese nachgewiesen würde, enthält die Begründung nicht. Soweit meine Kenntnis und diejenige der von mir befragten Sachverständigen reicht, sind dahingehende Erfahrungen auch nicht gemacht worden.

3) Prüfung des Baustoffes sowie der Ausführung der Dampfkessel usw.

Der neue Entwurf verlangt in § 1, Ziff. 4:

>> Der Baustoff und die Ausführung der Dampfkessel müssen durch amtlich anerkannte Sachverständige nach amtlich anerkannten Regeln der Technik geprüft werden.<

1) In dieser Formel bedeutet

F den Ventilquerschnitt in Quadratmillimeter für jedes Quadratmeter Heizfläche,

p die festgesetzte Dampfspannung in Atm. -Ueberdruck,

v das spezifische Volumen des Dampfes in Liter.

28. Januar 1905.

Zur Begründung wird gesagt: »Der Grundsatz, dem Kesselerbauer die freie Wahl der Wandstärken unter seiner Verantwortung zu überlassen, ist mit dem Recht und der Pflicht der Behörden, bei der Genehmigung des Kessels zu prüfen, ob die Blechstärken ausreichend bemessen seien, nicht vereinbar usw.

Diesem Satze gegenüber, dem man das Zeugnis eines gewissen Stolzes nicht wird versagen dürfen, ist zunächst festzustellen, daß die Behörden nach dem heutigen Stande der Wissenschaft und Technik gar nicht in der Lage sind, z. B. in einem ebenen oder gewölbten Kesselboden mit Krempung die an den verschiedenen Stellen des Bodens tatsächlich auftretenden Spannungen auch nur mit Annäherung zu berechnen, oder zu ermitteln, welche Beanspruchung am Umfang eines Mannloches im Blech des Kessels auftritt usw. Die Unmöglichkeit, alle Materialstärken zu berechnen, besteht schon bei bekannten Kesselkonstruktionen häufiger, als ge

technische Einzelheiten geben, welche von der in stetigem Fortschreiten begriffenen Wissenschaft und Technik abhängen. Welche Tatsachen liegen nun vor, die fordern, daß solche Vorschriften im Deutschen Reiche wieder eingeführt werden sollen?

Greifen wir zunächst die amtliche Statistik der Dampfkesselexplosionen im Deutschen Reich, die seit 1877 geführt wird und die bis einschließlich 1903 reicht, heraus, so gelangen wir zur graphischen Darstellung Fig. 1. Das Jahr 1877 zeigt 20 Explosionen und 58 dabei verunglückte Personen (21 Tote, 14 schwer Verwundete und 23 leicht Verwundete), 1878 18 Explosionen und 32 verunglückte Personen (10 Tote, 5 schwer und 17 leicht Verwundete). Diese Zahlen steigen bis 35 Explosionen im Jahre 1894 und fallen bis 9 im Jahre 1903, bezw. bis 83 Verunglückte (1887) und bis 11 Verunglückte (1888, 1903), 10 Verunglückte (1891).

M. H., gestatten Sie mir, zunächst zu der vergleichsweise hohen Zahl von 35 Explosionen im Jahre 1894 einige Zwi

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Den Behörden wird hier eine Aufgabe gestellt, die sie gar nicht erfüllen können, aber auch nicht zu erfüllen brauchen, wie das Folgende erkennen läßt.

Mit dem Erlaß der ersten allgemeinen polizeilichen Bestimmungen im Jahre 1871 durch den Bundesrat wurden alle damals in den einzelnen Bundesstaaten des Reiches über die Wandstärke von Dampfkesseln usw. bestehenden Vorschriften, an die sich die Aelteren unter uns noch recht gut erinnern werden, aufgehoben. Man hatte eben erkannt, daß es weder im Interesse der Allgemeinheit noch in demjenigen der Industrie liege, daß die Behörden Vorschriften über solche

Zahl der Dampfkessel: 139278

als

schenbemerkungen einzuschalten, die für unsre deutschen Verhältnisse recht lehrreich sind. Ein Teil von Ihnen wird sich erinnern, daß ich in der Sitzung des Bezirksvereines vom 5. April 1894 zu berichten hatte, daß auf Antrag des kaiserlichen Statistischen Amtes durch Erlaß des Reichskanzlers vom 24. Februar 1894 angeordnet worden war, »Dampfkesselexplosion« solle in Zukunft angesehen werden: »jede durch den Dampfdruck herbeigeführte Trennung der Wände des Dampfkessels, durch die eine Unterbrechung des Dampfkesselbetriebes für längere oder für kürzere Zeit unerläßlich wird«. Ich habe Ihnen damals das Verfehlte in dieser neuen Begriffsbestimmung dargelegt1), und Sie beschlossen,

1) Z. 1894 S. 909. Daselbst ist bemerkt:

»Diese Definition steht nicht bloß im Widerspruch mit dem, was man bisher unter Dampfkesselexplosion verstanden hat, und was vom wissenschaftlichen wie praktischen Standpunkte aus darunter verstan. den werden muß, sondern erweist sich auch sonst als außerordentlich bedenklich.

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