Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Accusativ gebraucht ist, kann schwerlich als ein Uebelstand erscheinen: Verstand es sich doch von selbst, dass kein anderer als Catull es war, dem die Hilfe des Freundes, von der hier die Rede ist, zu Theil geworden war. Aber grosse Schwierigkeit bieten für denjenigen, der das handschriftliche Manlius für carm. 68 beibehalten will, die Verse 50 und 150:

und

in deserto ali (alii, aliis) nomine opus faciat

pro multis aliis redditur officiis.

Aber hat denn auch in Wirklichkeit an Stelle des aliis v. 150 in den älteren Handschriften ein Eigenname gestanden? Nothwendig ist dies nicht, da im vorausgehenden Verse durch das dort stehende tibi die Beziehung auf Catulls Freund hinlänglich ausgesprochen ist, und wenn dort ein nomen proprium gestanden hat, ist es dann wohl um so gar vieles misslicher, hier ein (durch die handschriftliche Tradition des Verses immerhin noch gerechtfertigtes) Manli als ein Alli hineinzuemendiren?

Doch was fangen wir mit v. 50 an? Hier muss das corrumpirte Wort, welches zwischen deserto und nomine stand, nothwendig ein den Freund bezeichnender Genitiv gewesen sein. Aus dem überlieferten alii, aliis lässt sich ein Alli, aber kein Manli herstellen, wenn man nicht mit Muret zugleich umstellen will; deserto in Manli nomine, und das letztere mag ich wenigstens nicht wagen. Bedenken wir aber wohl, dass, wenn wir hier mit Scaliger Alli schreiben, dass dann der für v. 66 handschriftlich ganz sicher überlieferte Name Manlius getilgt werden muss, sei es nun, dass man ihn in Manius oder in Allius verändert. Kann nicht zwischen den Worten deserto und nomine auch nicht irgend eine andere Bezeichnung seines Namens, als sein nomen gentilicium gestanden haben, nicht etwa das praenomen des Freundes? Nennt doch auch Catull in carm. 10 seinen Freund Cinna mit dem praenomen Gaius. Und würde nicht gerade an unserer Stelle die Setzung des individualisirenden praenomens viel passender sein, als des allgemeinen Gentilnamens? Denn alle Ahnenbilder, die dort am Atrium hängen, führen ein gemeinsames nomen gentilicium sagen wir: den Namen Manlius. Derjenige Manlius aber, dessen Name, wie Catull sagt, vor Vergessenheit geschützt werden soll, ist ein bestimmter

unter diesen Manliern, und da ziemt es sich das praenomen desselben zu setzen.

Viel näher als die Emendation von ali oder alii zu Alli würde es liegen, wenn wir mit Herstellung eines praenomens schreiben wollten:

in deserto Auli nomine opus faciat.

Dass das praenomen Aulus in der Familie der Manlier häufig genug vorkam, ist bekannt. Auch aus Catulls Zeit kennen wir einen Aulus Manlius Torquatus. Wir haben schon oben von ihm gesprochen und müssen die Frage offen lassen: Ist jener Aulus Manlius Torquatus, jener bekannte Freund Cicero's, bereits so vorgerückten Alters, dass er durchaus nicht derjenige sein kann, welchem Catull das carm. 68" geschrieben hat? Muss dies nothwendig der jüngere Lucius Manlius Torquatus gewesen sein? Oder führt nicht jene handschriftliche Leseart ali oder alii nothwendig auf das praenomen Auli? und ist nicht hiermit gerade durch die handschriftliche Ueberlieferung der ältere Aulus Manlius Torquatus als derjenige unter den Manliern bezeichnet, welcher dem Catull das freundliche hospicium gewährt hat?

Drittes Capitel.

Lesbia's Untreue und die Rivalen.

Wir haben, bevor wir Clodia-Lesbia als Catulls Geliebte kennen

lernten, das Verhältniss darlegen müssen, welches damals zwischen ihr und Cicero bestand. Hätte sich dieser nicht gar so sehr vor Terentia gefürchtet, so wäre Clodia, wie wir gesehen, aus der Gattin des Metellus Celer zur Gattin Cicero's geworden. So aber blieb Terentia in ihrem Rechte als Ehefrau und führte ihr Pantoffelregiment mit solcher Strenge, dass Cicero ganz und gar mit Clodia brechen und sich ihr statt eines Verehrers nunmehr als Feind gegenüberstellen musste. Lassen wir ihn zunächst berichten, was er für die nächstfolgenden Jahre in seinen Briefen und Reden Schlechtes von ihr zu sagen weiss, wie sie mit Metellus hadert, mit ihrem Bruder conspirirt, welch arger Verdacht bei dem Tode ihres Gatten auf sie geworfen wird, wie sie dann durch ihres Bruders Bemühungen Gelegenheit findet, an Cicero und seiner Familie für all

die Unbilden, die sie von ihm und Terentia erlitten, Rache zu nehmen, bis dann endlich Cicero in einem öffentlichen Processe als Anwalt eines ihrer verabschiedeten Liebhaber seine ganze Fülle von bitterer Galle gegen die Frau, die er einst zur Gattin machen wollte, ausspeien kann.

In Metellus' Consulatsjahre (60) kommt sein Schwager Clodius von seiner Quästur aus Sicilien zurück. Er hat die Absicht, sich von einem Plebejer adoptiren zu lassen. Cicero tadelt an Metellus, dass er diesen Versuch des Clodius Anfangs zu leicht nimmt, er schreibt am 1. Februar an Atticus 1, 18: Metellus est consul egregius et nos amat, sed imminuit autoritatem suam quod habet dicis causa promulgatum illud de Clodio. Späterhin aber tritt der Consul seinem Schwager mit aller Energie entgegen, ad Attic. 2, 1 (im Juni): Si paulo plus furor Pulcelli progredi posset, valde ego te istinc excitarem. verum praeclare Metellus impedit. Quid? quaeris. Est consul qilónargis et ut semper indicavi, natura bonus. Ille autem non simulat, sed plane tribunus plebis fieri cupit. Das quid quaeris lässt schliessen, dass Cicero voraussetzt, Atticus würde durch diese Nachricht einigermaassen überrascht sein, Metellus muss also bis dahin mit seinem Schwager gut gestanden haben. Jetzt ward es anders. Denn in der That hatte Metellus im Senate erklärt, dass er den Clodius mit eigener Hand tödten wolle. pro Cael. § 60, Dio Cass. 37, 51, harusp. resp. § 45. Clodia aber hält die Partei ihres Bruders und lebt jetzt mit Metellus im ärgsten Zerwürfniss. In demselben Briefe an Atticus vom Juni d. J. schreibt nämlich Cicero: illam odi male consularem, ea est enim seditiosa, ea cum viro bellum gerit, neque solum cum Metello, sed etiam cum Fabio, quod eos in hoc esse moleste fert. Weil er die male consularis hasse, sagt er an derselben Stelle, so habe er sich erlaubt, den Clodius durch ein non consulare dictum zu kränken, den er nicht blos im Senate durch seine niederschmetternden Reden, sondern auch im Privatgespräche, anscheinend ganz harmlos, durch bittere Witze zu treffen wisse. Cum candidatum deduceremus, quaerit ex me, num confuessem Siculis locum gladiatoribus dare. Negavi. At ego, inquit, novus patronus instituam, sed soror, quae tantum habeat, consularis loci, unum mihi solum pedem dat. Noli, inquam, de uno pede sororis queri, licet etiam alterum tollas. Den Vorwurf, den er hiermit dem Clodius in ziemlich verblümter Rede macht, hat er in der späteren Zeit nach der Rückkehr aus dem Exile, in welches ihn Clodius hinausgestossen, öffentlich und allgemein verständlich wiederholt. In der Rede pro Harusp. respons. § 42 erzählt

[ocr errors]

er von ihm: qui post patris mortem primam illam aetatulam suam ad scurrarum locupletium libidines detulit, quorum intemperentia expleta in domesticis est germanitatis stupris volutatus, deinde iam robustus provinciae se ac rei militari dedit atque ibi piratarum perpessus etiam cilicum libidines barbarorumque satiavit. § 59. Quis unquam nepos tam libere cum scortis quam hic cum sororibus volutatus? § 38. Qui uxorem sororemque non discernis. In der Rede pro Sestio § 39 nennt er ihn scurrarum locupletium scortum, sororis adulter. § 16. fraternis flagitiis, sororiis stupris. Wenn kurz vor dieser Rede bei dem Aufruhr, welchen Clodius und seine Schaar gegen den Magistrat am 6. Febr. 56 erregte, versus obscoenissimi in Clodium et Clodiam gerufen wurden, so bezogen sich diese wohl auf diese sororia stupra. Es sind alle drei Schwestern, mit denen Clodius nach einem Briefe an Lentulus vom J. 55 (ad famil. 1, 9) in diesem incestuosen Verhältnisse gelebt hat: furia muliebrium religionum, qui non pluris fecerat bonam deam quam tres sorores, und in der That hat auch M. Lucullus, der sich im Jahre 61 von der jüngsten der drei Schwestern wegen Ehebruchs mit Memmius schied (ad Attic. 1, 12), vor Gericht jenen Incest beschworen, pro Milone § 73. Quem cum sorore germana nefarium stuprum fecisse L. Lucullus iuratus se, quaestionibus habitis, dixit comperisse.*) Wahrscheinlich ist es Cicero selbst, durch den dieser Klatsch von den stupra adulteria des Clodius in Umlauf gekommen ist. Er war sicherlich nicht aus der Luft gegriffen, indess betrifft er die frühere Lebenszeit des Clodius, nicht die Jahre, mit denen wir es hier zu thun haben. Dies beweist nicht nur die Rede pro Caelio, welche die zweite Clodia folgendermaassen apostrophirt: ex hisque tuis sumam aliquem, at potissimum minimum fratrem qui est in isto genere urbanissimus: qui te amat plurimum, qui propter nescio quam timiditatem et nocturnos quosdam inanes metus tecum semper pusio cum maiore sorore cubitavit, sondern auch die erste der oben aus der Rede de harusp. respons. angeführten Stellen, wo die germanitatis stupra ausdrücklich in die prima aetatula des Clodius, ehe er sich nach Asien zu seinen beiden Schwägern, Lucullus und Marcius, begeben hatte, verlegt werden. **) Es war aber Cicero's Manier, dergleichen alte Geschichten,

*) Cf. Plut. Lucull. 34. 38. Cic. 29. Caes. 10.

**) Im Jahre 67: Plut. Lucull. 34, Dio Cass. 35, 14. 17. Harusp. resp. §. 42. Appian. 2, 33. Strabo 14, 684.

[ocr errors]

von denen er früher kein Aufhebens gemacht hatte, späterhin unter die Leute zu bringen, wenn er damit Effect machen konnte. *) Wir dürfen daher nicht erwarten, unter den Liebhabern der Lesbia, die Catull in seinen Gedichten verfolgt, den Publ. Clodius anzutreffen, obgleich man das mehrfach vorausgesetzt hat.

Metellus' und Afranius' Nachfolger im Consulat waren Cäsar und Bibulus, im J. 59. Der Berathung über Cäsars Ackergesetze entzieht sich Cicero durch eine Erholungsreise, er ist unschlüssig, ob er sich zum ager Solonius oder Antius wenden soll (ad Attic. 2, 3); er zieht den letzteren vor, erst am 1. Juni will er in Rom wieder eintreffen. Auch Clodia hat Rom verlassen, sie befindet sich im ager Solonius (ad Attic. 2, 9). Cicero hat ein lebhaftes Interesse für ihre Rückkehr. Denn fern von Rom möchte er über die Absichten des Clodius benachrichtigt werden: es liegt ihm sehr am Herzen, zu erfahren, ob dieser in Wahrheit Volkstribun werden will, denn davon, das weiss er, hängt sein eignes Schicksal ab. Und so bittet er fortwährend seinen Freund Atticus, er möge sich durch Clodia in die Pläne ihres Bruders einweihen lassen. Dabei wird Clodia nie mit ihrem Namen, sondern stets fоonis genannt. Das ist ein Name, dessen sie sich nicht zu schämen brauchte, den nicht ein Feind, sondern die Galanterie der Freunde aufgebracht hatte, die `sie damit als eine zweite Juno bezeichneten. Vgl. Catull 70, 2 u. 72, 2. Cicero mochte sich zusammen mit Atticus diesen Namen in früherer Zeit, als er noch ein Freund der Clodia war, zu eigen gemacht haben; die Erklärung dafür giebt er selber, wenn er in seiner Rede pro Caelio §. 49 von der flagrantia oculorum seiner ehemaligen Freundin und damaligen erbitterten Feindin spricht. Aus jenen Reisebriefen Cicero's erfahren wir indess nur wenig Einzelheiten über Clodia; wir sehen nur, dass sie eine vertraute Parteigenossin ihres Bruders und zugleich Freundin des Atticus ist, der bei seiner Gewandtheit zugleich

*) Als Cicero selber der Frau seines von ihm nach Gallien fortgeschickten Prätors als Anbeter sich nahte und um ihretwillen sich von Terentia zu scheiden gesonnen war, hatte für ihn jener Klatsch aus der Kinderstube, den der ewig spionirende Mann wohl gerade damals durch das Gerede der Sklavinnen erfahren, keine Bedeutung; erst später fand er es für angemessen, auch hier auf das Spioniren das Denunciren folgen zu lassen. Ohne seine weibische Neugier und boshafte Klatschsucht hätte er von jener alten Geschichte, die als sie lange vordem unter Kindern passirte höchstens vor das stille Forum des Hausarztes gehörte, Niemand Notiz genommen.

« ZurückWeiter »