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Man follie glauben, die bloße Thatsache der Geschichte, di Polen von seiner früheren Größe mit jedem Jahre in größere B deutungslosigkeit versank, hätte zur Umkehr, d. h. von der roht Willkür des Adels zu einer wahrhaft gesetzmäßigen Freisinnigke hinführen müssen. Denn, als der große Schwedenkönig die Krie führung als Kunst betrieb, als die Moskowiter das europäische G wand anthaten, als der große Kurfürst von Brandenburg der Sti ter einer neuen Monarchie wurde: da war es mit der rohen poln schen Heldenkühnheit aus, vor welcher Russland den 8. Septemb 1612 Posharski durch einen Sieg rettete und welche den Mon darauf, nach einem blutigen Gefechte, den Kreml räumte. Die Thatsachen bezeichnen den Wendepunkt in der Geschichte des poln schen Reichs. Was nun folgt, ist eine Kette von nie endenden Ut glücksfällen. Zuerst erscheint Gustav Adolph als siegreicher Erob. rer in Liefland, Kurland, Lithauen und Polnisch-Preußen. Glät zender und über alle Beschreibung erfolgreich ist die berühmte Schlach bei Warschau, den 18. bis 20. Jul 1656, in welcher Friedric Wilhelm und die Schweden, zusammen 16,000 Mann stark, übe 40,000 Polen und Tataren triumphirten. Der Erfolg für Bran denburg war, im Welauer Vertrage vom 19. September 1657, wel cher zu Bydgoszcz oder Bromberg, den 6. November, bestätig wurde, die völlige Oberherrschaft über das Herzogthun Preußen. An Schweden trat Polen im Olivaschen Frieden 1660 Liefland, Esthland und die Insel Ösel; im Frieden zu Mos kau 1686 an Russland die Palatinate Kiew und Smolensk ab Ja, so ohnmächtig fand Karl Gustav von Schweden, wie sein Le bensbeschreiber Pufendorf erzält '), Polen, daß er dem Großen Kurfür ften 1656 den 15. Jun in Marienburg und den 30. Oktober desselbet Jahres zu Labiau eine Theilung desselben vorschlug: Brandenburg sollte Posen, Kalisch, Lençic, Sieradz und den Bezirk Wielun be kommen.

(des Ministers Grafen Ferrand) Histoire des trois Démembremens de la Pologne, pour faire suite à l'histoire de l'anarchie de Pologne, par Rulhière; par l'auteur de l'esprit de l'histoire et de la théorie des Révolutions. A Paris 1820. 3 Voll. 8.

1) S. oben Bd. 1. S. 100.

Noch wäre die ehrenvolleste Rettung möglich gewesen. Es hatten sich in den unglücklichen Kriegen Helden gebildet, denen nichts nöglich gewesen wäre, wenn man aus dem politischen Traume hätte erwachen wollen. Johann Sobieski erlöste Wien, 1683, und dadurch das deutsche Reich vor dem Islam '), welcher von dieser Riederlage seinen Fall berechnet. Der polnische Heldenname ging durch die ganze Welt; dem eigenen Vaterlande brachte er keine Berjüngung. Nach Sobieski's Tode gelangte von den zehn Thronfandidaten, unter welchen sich auch des verstorbenen Königs Sohn Jakob Sobieski und Prinz Franz Ludwig von Conti befanden, der katholisch gewordene Kurfürst Friedrich August von Sachsen, 1697, zur Regirung. Sächsische Truppen im Herzen des Reichs gaben die Entscheidung: Bestechungen, Parteiungen und allerlei andere beschämende Umtriebe waren voraufgegangen. August 2. saß auch nicht ungestört auf dem Throne; Karl 12. verjagte ihn, Peter der Broße sette ihn wieder ein: so weit war es mit Polen gekommen! Überdies hatten Krieg, Hunger, Pest das unglückliche Land verheert; und, um das Übel zu vollenden; so erweckte der schwedische Krieg den Glaubenshafs. Der vornehme Pole ist kein unduld. samer Katholik; ja, es muss eben hier mit ehrenhafter Auszeichnung hervorgehoben werden, daß im Reformazionsjahrhunderte, wo in andern katholischen Ländern die Inquisizion mordete, wo auf Calvin's = Betrieb der spanische Arzt Michael Servede 1553 in Genf verbrannt wurde, in Bern 1566 der Neapolitaner Valentin Gentilis unter dem Henkerbeil fiel, wo Melanchton, Beza und andere Evangelische für die Todesstrafe der Kezer stimmten und überall die Frei heit der spanischen, italiänischen und anderer Freidenker gefährdet war, in Polen allein die Freistätte für Sozinianer und Evangeliche zu finden war '). Ja, der unvergessliche Edelfinn ging so veit, daß man den dissidentischen, d. h. nichtrömischkatholischen

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1) über den Antheil Johann III. Sobieski's Königs von Polen, Johann Georg's III. Kurfürßten von Sachsen, und ihrer Heere an dem Entsaße von Wien im J. 1683. Eine von der fürstlich Jablonowskischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig gekrönte Preisschrift von Georg Wolfgang Karl Lochner. Nürnberg 1831. VI und 110 S. 8. 16 Gr.

4. oben Bd. 1. S. 99.

Adligen, 1573, auf dem Reichstage in Wilna gleiche Rechte m den übrigen Einwohnern gewährte '). Kein Volk in der We konnte sich damals, und lange nachher einer solchen christlichen Hoc herzigkeit rühmen; und darum bemerken wir es schmerzlich, wie de politische Verderben auch das kirchliche hervorrief. Als Karl 12. i Polen gebot und seinen Anhang fand, da gehörten auch Dissidente zu seinen Freunden und man fing an, sie als eine politische Parte was sie niemals waren, zu verfolgen. Eine willkommene Sache fü die Jesuiten, welche den Funken zum Brande schürten. Di Reichstag vom 1. Februar 1717 beraubt sie ihrer Rechte; ihre Ki chen werden zerstört. Schonungslos war 1724 das Blutgericht de Jesuiten in Thorn gegen sie. Der Reichstag von 1733 schließt si von den Reichstagen, von allen Ehrenämtern, von den Starosteie aus. So folgt Unrecht auf Unrecht; raftlose Willkür der Prieste will alle nichtrömischkatholische Christen unterdrücken 3).

August 2. hatte sich unter den neuen Artikeln in den Pacta conventa auch den gefallen lassen, daß der König weder für sich - selbst, noch durch Andere, Güter für sein Haus erwerben könne aber, gegen das Ende seines Lebens hatte er einen Gedanken, welcher, gut ausgeführt, das Reich vielleicht noch gerettet hätte. Friedrich der Große erzält nämlich von ihm in dem Leben seines Vaters:,,Dans le temps que la mort le surprit, il étoit occupé des plus vastes desseins. Il pensoit à rendre la souveraineté héréditaire en Pologne; afin de parvenir à ce but, il avoit

1) Stanislai Lubienjecii Historia Reformationis Polonicae, in qua tum Reformatorum, tum Antitrinitariorum origo et progressus in Polonia et finitimis provinciis narratur. Freistadii (in Belgio foederato)

1685. 8.

2) Unter welchem Drucke der katholische Klerus die Protestanten in Polen hielt, fiche Küsters Bruchstückt seines Kampagnelebens im fiebeni. Kr. 2. Aufl. S. 149. Über die Dissidenten im Allgemeinen vergleiche Jekel Polens Statsveränderung und lehte Verfassung Bd. 2. 6.79 f. Schicksale der Polnischen Dissidenten von ihrem ersten Ursprunge bis auf ichige Zeit. Hamburg 1770. Thoma Altes und Neues von dem Zustande der Evangelisch - lutherischen Kirche in Polen. Neueste Geschichte der Dissidenten in Polen in Walch's Neuester Religionsgeschichte. Thl, 4. S. 1-208 u. Thl. 7. S. 1-160,

imaginé le partage de cette monarchie, comme le moyen par lequel il croyoit appaiser la jalousie des puissances voisines"). Auch waren die Polen durch ihre häufigen Reisen und durch anderweitige Verbindungen mit Frankreich damals so monardisch gesinnt, daß August seinen Orden vom Weißen Adler2) ohne - Widerstreben verleihen konnte. Er starb aber den 1. Februar 1733, ohne seine Entwürfe ins Leben gestellt zu haben. Auch scheint es nicht, als ob er Kraft genug gehabt hätte, um, in Macchiavells Seiste, ein wohlthätiger Despot, die verweste polnische Statsform zu zertrümmern und ein durchaus neues Volksthum hervorzurufen. Sein Tod erneuerte alle Gräuel der Königswahl; Frankreich wollte Stanislaus Lescinski noch einmal erheben; russische Waffen ver. jagten ihn und seßten August 3. von Sachsen ein. Doch behielt 14 der französische Thronbewerber den Königstitel und um ihn an Land und Leuten zu entschädigen, musste das deutsche Reich Lothringen and Bar opfern: nicht die erste Theilung des deutschen Baterlandes zu Frankreich's Gunsten.

Von nun an lässt der Hof von St. Petersburg die polnischen Angelegenheiten von Belang durch seine Gesandten oder durch seine Generale entscheiden. Polens schmachvollen Todesschlummer wäh rend des siebenjährigen Krieges haben wir oben mehrfach berührt');

1) Oeuvres de Fréderic publiées du vivant de l'auteur. T. 1. p. 295.— Nach Flassan Diplomatie française T. 3. p. 320 verhandelte Frankreich durch seinen Gesandten Marquis de Pomponne zu Stockholm im Februar 1666 wegen Truppensendungen ̧ nach Polen: „, pour réduire à leur devoir le Prince Lubomirski et les Confédérés, et empêcher l'Empereur, la Moscovie et l'Electeur de Brandebourg de se partager la Pologne.“ – Auch König Friedrich Wilhelm 1. von PreuBent hatte schon 1725, kurz vor Peters des Großen Tode, in eine Theilung Bolens gewilligt; f. Büsching's Magazin, Thl. 11: Bericht, welcher zu Wien über Catharina 1. abgelegt worden." Selbst die Hobe-Pforte hat einmal, wie wir bald hören werden, eine Theilung Polens vorgeschlagen. Siehe oben S. 6.

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2),,Pro Fide, Rege et Lege", geftiftet den 1. Nov. 1705; erloschen 1795, wieder aufgelebt 1807; König Stanislaus Poniatowski stiftete 1765 den Orden des heiligen Stanislaus.

3) Russische und preußische Truppenforps konnten, im Großen und im Kleinen, das offene und ganz ebene Polen nach allen Seiten hin ohne Scheu und Widerstand durchßtreifen.

es bleibt nur zu bemerken, daß mit den sächsischen Königen zule noch große Üppigkeit und Genufssucht zu den übrigen Gebreche über das Land gekommen. König August brachte gleich bei sein Ankunft in Warschau die Gräfinn von Esterle, seine damali, Hauptgeliebte mit, welcher zu gefallen der polnische Adel sich sel angelegen sein ließ und deren Plaß in des Königs Herzen das tü kische Mädchen Fatime dann einnahm, welche sich damals in Wa schau aufhielt, bald aber von einer der vornehmsten Eingebornen der vermälten Fürstinn von Lubomirska verdrängt wurde 1). Ei so hervorragendes Beispiel blieb nicht' ohne Nachfolge, um so meh da der Pole schon von Natur der Huldigung des schönen Geschled tes sehr zugethan ist. Sinnloser Lurus verderbte die Nazion welche fortan aller Selbstständigkeit entbehrte.

Katharine von Russland nußte ihren Einfluss zuerst in Ku land, wo an Biron's Stelle Karl von Sachsen, Augusts des 3. vo Polen dritter Sohn zum Herzoge erwält und 1759 von Polen b lehnt war. Er musste den kaiserlichen Waffen 1763 weichen, tro der Liebe seines Volkes und seines Vaters. Als dieser dann de 5. Oktober 1763 in Dresden gestorben war, da wünschte sein Soh und Nachfolger in der Kurwürde auch die Stimme für das Wah reich zu erlangen: Österreich und Frankreich unterstüßten ihn Friedrich versagte ihm den 3. November unverholen seine Zustim mung 3). Auch starb Kurfürst Friedrich Christian Leopold scho den 17. Dezember 1763; sein unmündiger Sohn Friedrich Augu aber konnte an eine so schwierige Bewerbung, als die polnisch Krone damals war, nicht denken. Der Prinz Heinrich von Preu ßen, des großen Königs würdiger Bruder und Beistand im sieben jährigen Kriege schien den, von Russland hart bedroheten Sarmate ein schirmender König. Friedrich lehnt auch diesen Wunsch de hülfsbedürftigen Volkes ab ). Er will den schwer geschlossene:

1) La Saxe galante. Nouvelle Edition. A Amsterdam 1763 p. 155. 159. 161.

2) „Le luxe insensé avait perdu cette nation." Rulhière T. 2. p. 363 3) S. oben Bd. 3. S. 554. 184.

4) (Le Comte de la Roche - Aymon) Vie privée, politique et mi litaire du Prince Henri de Prusse, Frère de Frédéric II. A Pari 1809. p. 160, 161.

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