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Auf gleiche Weise litt der Islam auch zu Lande schmählich. Galligins unentschiedene Züge hatten seinen Hof verstimmt; er wurde abgerufen, eben als die Folgen seiner Thaten sichtbar wurden: Marschall Romanzow') erseßte ihn, eroberte durch den Sieg am Pruth, am 18. Jul, die Moldau ganz, durch den Sieg am Kagul über den Großwezir Chalil Pascha, den 1. August die ganze Wallachei, und Graf Panin (des Ministers Bruder) nahm, den 26. September, Bender in Bessarabien ein. Eben so waren die Rüssen unter Oberst v. Drewiß in Polen gegen die Konföderirten glücklich.

Preußen versucht den Hof in Petersburg zum Frieden hinzulenken; Österreich macht neue Rüstungen in Ungarn und Kaiser Joseph empfängt in Mähren des Königs Gegenbesuch. Friedrich traf, den 3. September 1770 Mittags 2 Uhr in Neustadt bei Austerliß ein: in seinem Wagen. saß der Prinz von Preußen ihm gegenüber, im zweiten Wagen Prinz Ferdinand von Preußen, der Erbprinz von Braunschweig und dessen Bruder, im dritten und vierten General v. Lentulus mit den Adjutanten. Zu Anfange der Schönwalder Gaffe, auf dem Plaße, stieg der König aus dem Wagen, um zu Fuße den Kaiser zu begrüßen; der aber nahm ihn aus den Fenstern wahr und eilte ihm mit allen Generalen entgegen. Auf dem Plaße trafen und umarmten die Monarchen sich. Der Kaiser geleitete seinen Gast in dessen Wohnung; nach kurzer Unterredung aber ging die ganze Gesellschaft nach des Kaisers Quartier zur Tafel. Die nächsten beiden Tage war Manövre 2). Als bei

sternation étoit générale, aucune crainte n'étoit mieux fondée; l'ignorance, qui se fait toujours justice quand la terreur a détruit sa présomtion, n'eut rien à objecter à l'ordre du Grand-Seigneur de m'abandonner aveuglément la defense des Dardanelles, et de me soumettre tous les moyens de garantir la Capitale." Mémoires sur les Turcs et les Tartares. Amsterdam 1785. T. 2. p. 245.* 1) Wie einft 1241 Herzog Alexander für seinen Sieg an der Newa über die Schweden Newsky war genannt worden; so nannte die Kaiserinn in diesem Kriege den Marschall Romanzow Sudanowsky für den Donauübergang, Alegis Orlow Tschesmensky, und Dolgoruki Krimsky für die Eroberung der Krim 1771.

2) Die in Wien geprägte Medaille (von Kraft) zeigt auf der Hauptseite des Kaisers Bild mit der Umschrift: Josephus II. Augustus; auf der Kehrseite beide Majestäten zu Pferde mit Gefolge, der in Parade ste

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einer Revüe die kaiserlichen Truppen an den Monarchen vorbeimarshirten, sagte der König zu dem Kaiser: „,, Chacun de Vos soldats a l'air d'un fils de Mars"). Die diplomatischen Geschäfte wurden in Neustadt noch wichtiger, als in Neiße behandelt: diesmal war auch Fürst Kauniß gegenwärtig, welcher die Verbindung Österreichs und Preußens als die einzige Schußwehr wider den ausgetretenen Strom betrachtete, welcher ganz Europa zu überschwemmen drohe“ 2). Friedrich wies, so hoch er auch die Freundschaft des Wiener Hofes zu schäßen hatte, immer doch auf seinen Bund mit Russland hin und erklärte, wie sein Hauptbestreben sei, zu hindern, daß aus dem Türkenkriege nicht ein allgemeiner Brand entstehe, weshalb die beiden Kaiserhöfe näher zu verbinden ihm am Herzen liege. Auch in andern Dingen suchte der König sich entge genkommend zu beweisen. Da traf den nächsten Tag aus Konstanfinopel des Großherrn Antrag an die beiden Höfe von Berlin und Wien ein, die Vermittelung zwischen Ruffland und der Pforte zu übernehmen. Joseph und Fürst Kauniß waren sehr erfreut und dankten dieses Mittleramt dem Könige gern 3). Beide aber einigten sich bald über die Vorschriften, welche sie ihren Gesandten bei der Pforte geben wollten. v. Zegelin und v. Thugut *) verhandelten

henden Armee zureitend. Umschrift: Borussorum Rex Hospes Caesaris. Im Abschnitte: In Castris Moraviae ad Neostadium. MDCCLXX; f. Spies Münzbelustigungen. Thl. 4. S. 347 ff.

1) Spies Münzbeluftigungen. Thl. 4. S. 352. 2) Oeuvres posth. T. 5. p. 47.

3) Oeuvres posth. T. 5. p. 49. 50.

4) Am Tage des Ausmarsches der Truppen aus Konstantinovel, den 27. März 1769, hatte sich der Pöbel so rasend gegen alle dortige Chriften bewiesen, daß auch die Familie des österreichischen Gesandten v. Brognard den Misshandlungen nicht entging. v. Brognard flarb einige Monate nachher an den Folgen des Schrecks und hatte den v. Thugut (welcher 1774 Freiherr wurde) zum Nachfolger. v. Thugut, welchen wir bei dem Teschener Friedensgeschäfte wieder finden werden, hatte ursprünglich Thunicht gut geheißen, welches eine oberösterreichische Verstümmelung des eigentlich welschtyrolischen Namens Lunicotto war; die Kaiserinn Marie Theresie aber nannte ihren Minister v. Thugut. So erzält v. Hammer in den Wiener Jahrbüchern der Literatur. 57. Bd. 1832. S. 151.

jeder für sich mit den Ministern des Sultans, fanden aber die Pforte, bei aller Ohnmacht und Schmach wenig geneigt, die in ihrer Lage unerlafflichen Opfer zu bringen. Vielmehr schlug der Reis Efendi Ismail Raif dem v. Chugut eine nähere Verbindung mit der Pforte gegen Russland vor. „Wenn die Russen, meinte er, aus Polen vertrieben sein würden, so dürfte es allein von der Willkür des kaiserlichen Hofes abhangen, entweder einen König auf den polnischen Thron zu seßen, oder Polen mit der Pforte zu theilen ').

Unterdessen war der Besuch in Neustadt eben so unterhaltend, als diplomatisch wichtig, wovon Prinz Ligne uns in seiner angenehmen Darstellungsweise ein lebendiges Bild gegeben hat 2). ` Beson. dere Auszeichnung widmete der König bei dieser Gelegenheit dem Generalfeldzeugmeister Loudon, nannte ihn auch immer Feldmarschall, was er erst den 27. Februar 1778 wurde 3). Als man sich einst zur Tafel sezte und gefragt wurde, warum Loudon noch nicht da sei, bemerkte Friedrich: ", das ist gegen seine Gewohnheit, sonst war er oft vor mir da;" -,, erlauben Sie, daß er diesen Plaß neben mir habe; ich sehe ihn lieber mir zur Seite, als mir gegenüber *).“ Auch schenkte der König unter andern den Generalen Lach und Loudon, jedem zwei prächtig gesattelte Rosse '). Noch bekamen die deutschen Musen bei dieser Gelegenheit ihren Gruß. Der König hatte nämlich auf der Reise nach Mähren den Grafen v. Hodiß auf Rosswald besucht. Hier lobte der Graf in einem Gespräche über die deutsche schöne Literatur den Postzug o) und sagte dem Könige, daß er den Verfasser dieses Stückes im Neustädter Lager sehen könne. Als darauf v. Ayrenhoff, damals kaiserlicher

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2) Mémoire sur le Roi de Prusse Frédéric le Grand p. Msgr. le P. de L. (le Prince de Ligne). A Berlin 1789.

3) Joh. Pezzl Loudon's Lebensgeschichte. Wien bei Degen 1791. S. 222. 4) Prince de Ligne p. 19.

5) Pezil a. a. D. S. 215; Spies Münzbeluftigungen a. a. D. In der Geschichte des siebenj. Kr. und des baierschen Erbfolgefricges bält der König über Loudon ein strenges Gericht.

6) S. oben Bd. 3. S. 350.

Oberstlieutenant, an der Spiße des Hildburghausischen Regiments vor den Monarchen vorbeidefilirte; so hörte derselbe den Kaiser ziem lich laut zu dem Könige sagen: „dieser ist der Oberstlieutenant v. Ayrenhoff“'). Über Joseph lassen wir Friedrich selber sprechen. „Ich komme so eben, heißt es in dem Briefe an Voltaire vom 16. September 1770, von einer langen Reise zurück. Ich bin in Mähren gewesen, und habe da den Kaiser gesehen, der sich in Bereitschaft seßt, eine große Rolle in Europa zu spielen. Er ist an einem bigotten Hofe geboren und hat den Aberglauben abgeworfen;, ist in Prunk erzogen, und hat einfache Sitten angenommen; wird mit Weihrauch genährt, und ist bescheiden; glüht von Ruhmbegierde, und opfert seinen Ehrgeiz der kindlichen Pflicht auf, die er wirklich äußerst gewissenhaft erfüllt; hat nur Pedanten zu Lehrern gehabt, und doch Geschmack genug, Voltaire's Werke zu lesen und Ihr Berdienst zu schäßen. Er sagte mir einmal beinahe einen ganzen Gesang aus dem Pastor fido und einige Verse aus dem Tasso her" ).

Wie weit in Neustadt die Politik gegangen? ist eine schwere Frage. Oberst Dumouriez, welchen der Herzog von Choiseul im Jahre 1770 als Gesandten bei den Konföderirten nach Polen schickte, sagt zwar in seinem Leben, „er habe aus einem aufgefangenen, an den König von Polen in Chiffern geschriebenen Briefe, welchen Friedrich und Joseph aus Neustadt abgesandt, ersehen, daß Polen getheilt werden solle und dieses sogleich dem Herzoge von Choiseul gemeldet, welcher das jedoch als ein Hirngespinst betrachtet3). Dumouriez sollte sich der Republik Polen nachdrücklich annehmen. Choi. seul wünschte einen allgemeinen Krieg und Gelegenheit, die Eng. länder mit Vortheil anzugreifen; auch wollte er den Polen Hülfs. truppen stellen: denn Ludwig der 15. hatte der Republik feierlichst versprochen, daß er sie in aller Art unversehrt erhalten und aus al

1) Schreiben des v. Ayrenhoff über einige seiner militärischen und literarischen Begebenheiten an Herrn Joseph Baron v. Reher. Wien 1810. 24 Bogen.

2) Oeuvres Complètes de Voltaire. Basle 1792. T. 76. p. 235. 3) La vie du Général Dumouriez. T. 1. p. 223; in der deutschen Überfebung von Dumouries' Leben. Hamburg 1795. Thl. 1. S. 252.

len Kräften unterstüßen werde '). Aber die Gräfinn du Barry pries ihrem Freunde den Frieden als ehrenvoll, nachdem er Waffenruhm genug gewonnen. Choiseul fiel darüber, den 24. Dezember 1770, in Ungnade und der neue Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herzog von Aiguillon, entzog den Polen alle Hoffnung auf Beihülfe 2). Dumouriez aber fuhr fort, als Diplomat und als Militärchef der Republik zu dienèn, welche jedoch, wie er sagt, ihre Maßregeln so schlecht genommen, daß ihre Revoluzion des Zwecks verfehlen musste ").

Friedrich hat sich selbst zum Mittler angeboten; Friede ist sein Ziel und Russen, Türken, Österreicher suchen seine guten Dienste. Als Folge dessen, was in Neustadt vorgegangen, giebt er dem Grafen Solms in Petersburg am 12. September 1770 neue Anweisung: „Je prodans ma lettre à Sa Majesté l'Imperatrice une idée, que je pose crois très conforme à sa gloire, et très convenable pour éviter des longueurs; c'est de faire tout de suite un plan pour la pacifica

1). Flassan Diplomatie française. T. 5. p. 419: Déclaration du Roi Louis XV. remise au Primat de Pologne, Archevêque de Gnesne, Vladislas Lubienski, lequel, par le droit de sa place, avoit en quelque sorte l'interim de la royauté, ou du moins était chef du gouvernement, le 15. Mars 1764.

2) Das Leben des Generals Dumouriez von ihm selbst. Hamburg 1795. Thl. 1. S. 206. 240.-,,La Correspondance de d'Aiguillon avec les principales legations Françoises, relativement à la Pologne, contient en effet à chaque ligne la preuve affligeante de la nullité à laquelle la France se condamnoit." (Ferrand) Histoire des trois demembremens de la Pologne. T. 2. p. 3; Rulhière T. 4. p. 219. 3) Denkwürdigkeiten des Gen. Dumouries. Deutsch von Chriftoph Girtanner. Berlin 1794. Bd. 2. S. 317. (Die Mémoires du Général Dumouriez enthalten seine spåtere Lebensgeschichte und erschienen frůher, als das Leben). Dumouriez kehrte, nachdem er sich den 22. Jul 1771 bei Landskron von Suwarow hatte schlagen lassen, 1772 aus Polen nach Frankreich zurück. An seine Stelle trat Mr. de Bioménil, „qui ranima le courage des confédérés, en débutant par la surprise du chateau de Cracovie, dans lequel ils soutinrent un siège glorieux; mais ayant été obligés d'évacuer cette place, ainsi que la pluspart de celles qu'ils possédaient, la confédération se trouva dissoute, et laissée dès lors à la merci de la Russie et de la Prusse." Flassan Diplomatie Française. T. 6. p. 86.

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