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seine Jugend (die vornehmste, und reichste, und durch. Privilegien ausgezeichnete) der neuen Ordnung, dem Kampfe gegen alle Standesunterschiede huldigen; Turgot und Malhesherbes, die Minister der Finanzen und des Königlichen Hauses in Paris, zwei Menschenfreunde, führen die neuen Ideen ') amtlich in den Stat ein,

1) Voltaire, welcher diesen neuen Tag auch noch erlebte, schreibt darůber an Friedrich, den 3. August 1775:,,Nous perdons le goût, mais nous acquérons la pensée; il y a surtout un M. Turgot, qui serait digne de parler avec Votre Majesté. Les prêtres sont au désespoir. Voilà le commencement d'une grande revolution"). In der fortgeseßten Unterhaltung über diesen Gegenstand antwortet der König den 20. April 1776:,,Si notre espèce n'abusait pas de tout généralement, il n'y aurait point de meilleure institution que celle d'une compagnie qui eût droit de faire des représentations aux souverains sur les injustices qu'ils seraient au moment de commettre. Nous voyons en France combien peu cette compagnie (le Parlement de Paris) pense au bien du royaume. M. Turgot a même trouvé dans les papiers de ses prédécesseurs, les sommes qu'il en a coûté à Louis XV. pour corrompre les conseillers de son parlement, afin de leur faire enregistrer sans opposition, je ne sais quels édits ❝ 2). Voltaire an den König den 21. Mai 1776: Nous avions chez les Velches deux Ministres philosophes, les voilà tous deux à la fois exclus du ministère. La raison commence à se faire un parti si nombreux, que ses ennemis se mettent sous les armes; et on sait combien ces armes sont dangereuses" 3). Friedrich an Voltaire, den 18. Jun 1776; „Je me représente Louis 16. comme une jeune brebis entourée de vieux loups: il sera bien heureux s'il leur echappe. Un homme à toute la routine du gouvernement, trouverait de la besogne en France; épié, séduit par des détours fallacieux, on lui ferait faire des faux pas: il est donc tout simple, qu'un jeune monarque sans expérience, se soit laissé en traîner par le torrent des intrigues et des cabales “ 4),

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In diesem Briefwechsel sehen wir, ein halbes Menschenalter vor dem Ausbruche der französischen Revoluzion, auf die der Vernunft widerstrebenden wahren Urheber derselben hinweisen, welchen der Fortschritt verhaft war. So sehr Friedrich diesem huldigte, zeigt er sich doch den äußern Schranken der Monarchie abgeneigt.

1) Oeuvres complètes de Voltaire. A Basle 1792. T. 77. p. 145.

2) Oeuvres posth. T. 9. p. 323.

3) Oeuvres complètes. T. 77. p. 189.

4) Oeuvres posth. T. 9. p. 236.

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im Ja

Prinz Ludwig

angekündigt durch des erstern merkwürdiges Schreiben an seinen König vom 24. August 1774 '); - den 12. März 1776 werden alle Innungen und Zünfte in ganz Frankreich aufgehoben; nuar 1781 erscheint Necker's Compte rendu; von Rohan Bischof von Strasburg wird den 15. August 1785 in der Halsbandgeschichte verhaftet: wie mag Friedrich diese einzelnen Thatsachen angesehen, wie in die Zukunft geschauet haben? Hat er, in dem Gedanken an seine Vollendung auf Erden, wie seinen Einfluss auf die Mitwelt und Nachwelt, so auch den schon wirklichen Beginn einer durchaus neuen Zukunft gewürdiget und erkannt? Großartig vorbereitet ist er auf den Thron gestiegen, als genauer Kenner aller Reiche und der Kräfte ihrer Herrschaft; sollte er nach 46 Jahren minder vollständig über das Woher und Wohin der Menschheit und der einzelnen Staten unterrichtet sein? Schwerlich; aber - in seinem Lande geht er in der al

ten Richtung vorwärts, so lange es für ihn Tag ist.

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Unter großen Schmerzen war der Winter vorübergegangen. Der Geheime-Rath Dr. Selle 2), welchen der König im Januar des Jahres 1785 zum ersten Male mit seinen Gesundheitsumständen bekannt gemacht hatte, gab anhaltend das glaubersche Salz, wo. von bei der Reizbarkeit des Kranken die Dose nicht leicht einen Skrupel übersteigen durfte, wenn es nicht lariren sollte. Der da durch gelösete Schleim sollte alle fünf bis sechs Tage durch etwas Rhabarber ausgeführt werden. Friedrich nahm diesen Rath um so

1) Oeuvres de Turgot. T. 7. p. 7. Zuerst wurden die nach Colberts Systeme angelegten Kornmagazine aufgehoben und der Getraidehandel freigegeben, den 2. Nov. 1774.

2) Friedrichs Leibärzte sind gewesen 1) Prof. Samuel Schaarschmid, der ihn während des 1. schles. Krieges begleitete. 2) Joh. Theodor Eller, welcher den 13. Sept. 1760 in Berlin im 71. J. als Geh. Rath und wirkl, erster Leibmedikus starb. Er war schon von Fr. W. 1. als Leibarzt geschätzt. 3) Christian Andreas Cothenius, geb. 1709 in Anklam, fiarb im Dez. 1788 zu Berlin als Leibarzt und Generalfeldstabsmedikus. 4) Geh.-R. Dr. Muzel, starb 1784 den 12. Dez., erz blindet. Er hatte krankheitshalber schon lange nicht mehr praktizirt. 5) Joh. Karl Wilh. Möhsen, geb. 1722 in Berlin, wo er sich 1742 als Arzt niederließ und 1795 den 22. Sept. starb. 6) Christian Gottlieb Selle, 1748 in Stettin geboren, starb den 9. Nov. 1800.

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williger auf, da er die gute Wirkung dieser Mittel auf ihn aus Erfahrung kannte und wohl einsah, daß der Hauptgrund aller seiner Übel Verschleimung und Schwäche der Eingeweide des Körpers war. Des Hustens wegen und den Auswurf zu befördern, hatte der Hofmedikus Frese den Meerzwiebelsaft erfolgreich angerathen. Mitte Januar wurde ein beständiges Blasenpflaster an der Wade angebracht, welches die Brust freier und den Schlaf ruhiger machte.

Inzwischen hingen die Brustbeschwerden immer zum Theil von der Beschaffenheit des Unterleibes ab. Indigestionen verschlimmerten den Zustand, Abführungen linderten ihn augenscheinlich. Danach richtete Selle sein medizinisches Verfahren ein, bei welchem er sich der einfachsten Mittel bediente, weil der König, wie in keinem Dinge, so auch in Rücksicht auf seinen Körper, sich niemand blindlings überließ, von den vorgeschlagenen Mitteln eine sehr be stimmte Wirkung forderte und sie, wenn sich diese nicht sehr bald zeigte, verwarf.

Als die immer ernsthafteren Brustbeschwerden die Rückkehr eines Stickflusses fürchten ließen; so forderte der König des alten Leib. arztes des Geh.-N. Cothenius Gutachten, ohne dessen Vorschläge zu gebrauchen.

Zu Anfange des Februars nahm die Schwäche zu, der Schlaf war nicht selten betäubend und dem Könige verging bei einer Bewegung von einigen hundert Schritten der Athem. Selle verord nete auch an der andern Wade ein Blasenpflaster und brachte es durch Klystiere aus dem stinkenden Asant ') dahin, daß der Monarch sich wiederum fast diesen ganzen Monat hindurch in sehr leidlicher Lage befand.

Aber bald darauf verschlimmerten sich die Umstände. Man bemerkte des Morgens beim Aufstehen ein heftiges Herzklopfen. Der König musste, aus Mangel des Athems, von seinen Promenaden im Zimmer abbrechen. Eine Bewegung von zwanzig bis dreiBig Schritten verursachte Schwindel und vermehrte die Engbrüstig. keit so, daß er sich immer wieder ausruhen musste; auch der sonst gute, starke, volle und regelmäßige Puls wurde in den Anfällen der Engbrüftigkeit geschwinde, krampfhaft und unordentlich. Der Kranke

1) Assa foetida.

schlief viel, und mehr bei Tage im Stuhl, als Nachts im Bette, obgleich der Schlaf ruhig war und er immer mit guter Besinnung erwachte. Und da, unter den übrigen Umständen, die Anlage zu einem unüberwindlichen Übel in die Augen fiel; so blieb der Kunst nur übrig, auf die möglichste Erhaltung dieses kostbaren Lebens, oder, wie Friedrich selbst es nannte, auf die Verlängerung seiner Krankheit zu sehen, deren Leiden jedoch im Zunehmen blieben und am Ende von Vorzeichen eines Schlagfluffes begleitet waren, als sich den 16. März ein freiwilliger und sehr schmerzhafter, Durchfall einstellte, welcher aber Erleichterung brachte und dem Arzte nicht unwillkommen war; doch störte der Husten nun den größten Theil der Nachtruhe und die zunehmende Schwäche raubte alle Hoffnung, daß ein hülfreicher regelmäßiger Gichtanfall zu Stande kommen dürfte; und da der König nicht liegen konnte, sondern fast immer nach vorwärts gebückt saß, so war die Furcht vor der Brustwassersucht nur zu gegründet. Aber Selle verlor den Muth_vollends, als ein zweites Blasenpflaster am linken Fuß, Ende März nach einigen Tagen so heftige Entzündung nach sich zog, daß man die Heilung nicht genug beschleunigen konnte.

Zu Anfange des Aprils war der trockene Husten so anhaltend, die Brust so voll, der Athem so kurz, daß wiederum ein Stickfluss zu besorgen war. Auch zeigten sich weder die innern Mittel, noch ein Blasenpflaster zwischen den Schultern beruhigend. Die immer zunehmende Schwäche raubte alle Hoffnung zur Besserung; der König selbst aber seßte auf die wohlthätige Veränderung der Jahreszeit und auf den Genuff der erwärmten freien Frühlingsluft sein ganzes Vertrauen, und da der April gleich manchen warmen Tag hatte, so war er ganz erfreut, daß die Natur zu seiner Genesung ihm gleichsam die Hand reiche; er ließ sich bei dem Portale des Schlosses nach Süden zu, auf die sogenannte grüne Treppe, einen Stuhl seßen, auf welchem er sich bisweilen des Nachmittags eine ziemliche Zeitlang an der milden Luft erquickte.

Als nun die gute Witterung beständig zu werden schien, so entschloff er sich, die Stadt zu verlassen und sein geliebtes Landhaus zu beziehen. Das geschah den 17. April. Früh Morgens um sechs Uhr seßte er sich in den Wagen und machte über Kaputh, Ferch, Pezow und Baumgartenbrück, mit Relais', einen Umweg

von einigen Meilen, nach Sans Souci '); und dies rasche Unternehmen schien nicht geschadet zu haben, so sehr die Nachricht davon auch den Leibarzt erschreckte ').

Die landesväterlichen Arbeiten hatten bei diesen schweren Körperqualen unausgesezt den alten Lauf und man staunt mehr und mehr den nie genug Bewunderten an, wenn man die schriftlichen Denkmäler seiner hehren Regententhätigkeit aus dieser Schmerzenszeit betrachtet und den ungeschwächten Geist, die ungeminderte Aufmerksamkeit auf Alles, auch in der prüfungsvollen Grabesnähe, frisch und thätig findet 2). Dabei erfreut er sich der alten Heiterkeit des Gemüths, des geselligen Umgangs mit den treuen Freunden, und des Genusses aus der Wissenschaft; ganz besonders sehen wir ihn, der bald selbst als historische Person in das Reich der Nachwelt groß und herrlich übergehen sollte, an ́den Helden früherer Zeiten sich erbauen und ergößen.

Der letzten Revüe den 17. und 18. Mai konnte der König nicht beiwohnen; aber zur schlesischen machte er sich selbst noch Hoffnung. Verschiedentlich versuchte er auszureiten; dabei aber fühlte er seine ganze Kraftlosigkeit. Doch kam er noch bis zum Neuen - Palais, den im vorigen Jahre neuangelegten Weinberg zu besehen; auch war er einmal dichte am Brandenburger Thore und wollte in die Stadt hineinreiten, um die Parole selbst auszugeben;

1) (Feldprobst Kletschke) Leßte Stunden und Leichenbegångniss Friedrichs des Zweiten Königs von Preußen. Potsdam 1786 bei Horvath, 99 S. 4. mit Kupfern. S.6 (wo aber, wie S. 20, unrichtig der 15. April, ftatt des 17. steht); Selle Krankheitsgeschichte S. 34. 2) Um dem Leser eine nåhe Einsicht in die lehte Thätigkeit des Königs zu gewähren, theilen wir noch unter Beilage 14. alle Kabinetsordres mit, welche die Provinz Westpreußen angehen, vom 1. Januar bis 12. Aug. 1786. Wenn man diese mit dem Anfange des 4. Urkundentheiles vergleicht und dabei erwägt, ein wie kleiner Theil der gesammten Verwaltung des Reichs jene Landschaft war; so bekommt man wohl einen ziemlich deutlichen Begriff davon, daß Friedrich auch in der Nähe des Todes ein ganz Anderer gewesen, als die meisten andern Sterblichen; und dieser Begriff bekommt erst seinen vollen Umfang und Gehalt, wenn man aus der Krankheitsgeschichte von Selle und aus der Schrift von Zimmermann über Fr. d. Gr. die unsäglichen Leidensqualen kennt, welche der Verklärung des großen Monarchen voraufgingen.

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