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Dieses medizinische Glaubensbekenntniff, die Mäßigkeit im leßten Verse abgerechnet, ist auch das herrschende und ungeänderte geblieben, d. h. der König hat die ganze Arzneikunde für Quaksalberei gehalten und — dabei immer medizinische Bücher gelesen und guten Rath gegeben. Kam er mit Ärzten zusammen; so legte er ihnen oft sehr verfängliche medizinische Fragen vor. Bei seinen wißigen Einfällen, bei seinem gesunden Blicke und bei seiner Belesenheit, wenn auch nur aus medizinischen Wörterbüchern, mussten selbst sehr gediegene Männer auf ihrer Hut sein. Als gegen Ende des Jahres 1757 der Dr. Tralles in Breslau den Prinzen Ferdinand von Preußen von einem heftigen Entzündungsfieber mit Seitenstechen heilte, besuchte der König den Kranken und sprach mit dem Arzte über das Übel; ja, er prüfte ihn, wie ein Gelehrter vom Fache; war mit den Antworten zufrieden: seßte aber, mit einer moquanten Mine hinzu: „Das wird Er inzwischen nicht läugnen, daß ein jeder Doktor vorher einen Kirchhof füllen muss, ehe er Kranke kuriren kann; sage Er mir doch: war Sein Kirchhof groß und ist Er mit dem Füllen bereits fertig?

T. Mein Kirchhof war sehr klein und ich bin schon lange damit fertig.

D. K. Wie hat Er das angefangen?

T. Ich habe bedacht, daß das Leben das größte Gut ist, was ein Mensch hat, und daß man es nur einmal verliere; wenn es mir also anvertraut war, und ich merkte, daß es verloren werden könnte; so habe ich ältere und erfahrenere Ärzte, als ich war, zu Rathe gezogen: starb der Pazient gleichwohl, só kam er nicht auf meinen Kirchhof.

D. K. Das hat Er klug gemacht; aber, glaube Er nur, wir mögen ein Metier treiben, welches wir wollen, so machen wir im Anfange immer Fehler; aber, das ist ein weiser Mann, der einen Fehler von einer Art nur einmal macht und dabei soviel profitiret, daß er zehn andere vermeidet: mehr kann man nicht verlangen.

T. Ich wäre der unwürdigste Unterthan von Ew. Majestät, wenn mir nicht bekannt wäre, daß Sie in allen Wissenschaften die größten Einsichten besïßen; aber ich erstaune, da ich deutlich erfahre, daß sich Ew. Majestät auch mit der schweren und mühseligen Medizin beschäftigt und dieselbe studirt haben.

D. K. Wundert Er sich darüber? meinet Er nicht, daß ich sehr viel mehr Pazienten gehabt habe, und noch habe, als Er?

T. Wenn Ew. Majestät Ihre kranken und blessirten Soldaten darunter verstehen; so werde ich, sowie viele Ärzte neben mir, in der Anzahl es niemals so weit bringen.“ So währte die Un

terredung fast eine Stunde ').

Auf ähnliche Weise machte der König Theden's Bekanntschaft, welcher den bei Hochkirch schwer verwundeten Generalmajor von der Hagen genannt von Geist in Baußen pflegte. Friedrich besuchte auf seiner Durchreise aus Schlesien den kranken General und ließ Theden in das Zimmer rufen und fragte, ob der General bald völlig geheilt sein werde? Der Arzt antwortete: „er fürchte, daß das Leben des Generals kaum werde können erhalten werden; auf jeden Fall werde die Kur sehr langsam sein." Hierauf entfernte er sich. Der König rief ihn zum zweiten Male und fragte: "Giebt Er auch Nympha?“ 2).

Th. Nein!

K. Warum nicht?

Th. Es hat keine wirkende Kräfte.

K. Er kennt es nicht.

Th. O ja, allein es hat durch das Kochen seine wirksamen flüchtigen Bestandtheile verloren, es ist nichts bessers als Ger stenzucker.

K. Giebt Er Quinquina?

v. Geist. Ja mit der verzweifelten Quinquina schiert er

mich genug.

K. Versteht Er sie auch zu brauchen?

Th. Wenn ich das nicht verstände, so wäre ich nicht werth, Ew. Maj. Regimentsfeldscheer zu sein.

K. Wie giebt Er sie?

Th. Wenn der Körper vorbereitet ist, verschwenderisch *)..

1) S. oben Bd. 3. S. 563. Nr. 2.

2) Syrup von Nymphẳa in Mixturen war damals von de la Metrié empfohlen, der mitunter in Berlin und Potsdam praktizirte.

3) Theden's Jubelfeier und Lebensbeschreibung; herausgegeben vom Geh. Rath und Prof. Mayer. Berlin 1787.

Von dieser Zeit an genoff Theden, den wir auch an Friedrich's Sterbebette wiederfinden werden, die Gnade des Monarchen ununterbrochen und er wurde noch in demselben Jahre dritter, und im März 1786 erster Generalchirurgus 1).

Auch mit dem berühmten hannöverischen Leibarzte Ritter Dr. v. Zimmermann unterhielt sich der König bei dessen ersten Besuche in Potsdam, 1771, fast über alle Krankheiten und über die Heilung derselben 2).

Wie viel oder wie wenig nun auch Friedrich von der Heilkunde gewusst: so viel ist gewiss, daß er, was seinem Körper heilsam war, sehr genau kannte. Schon in jungen Jahren hatte er an den Folgen der vernachlässigten Diät sehr schmerzhaft gelitten; er empfahl andern Leidenden Diät, aber, er selbst huldigte ihr nicht; Gicht und goldene Ader heischten Vorsicht in der Lebensweise; Frost und Nässe waren dem Könige, nach seiner eigenen Aussage, immer höchst empfindlich gewesen; aber, er troßte der Natur bis in das hohe Alter hinein. Zu Anfange des Jahres 1785 war seine Gesundheit sehr wandelbar geworden. Im Frühjahr stellte sich ein leichter Podagraanfall ein. Der Egerbrunnen hatte im Jun die sonstige gute Wirkung nicht. Dennoch machte er die gewöhnlichen Dienstreisen nach Berlin, Magdeburg, Küstrin, Stargard, nach Westpreußen und zuleßt nach Schlesien. In dieser Provinz war er mit dem vorjährigen Manövre nicht zufrieden gewesen. Marquis de Bouillé, welcher zuvor in Kaiser Josephs Lager bei Prag gewesen, sah auch die preußischen Übungen von 1784 in Schlesien und sagt in seinen Memoiren: „Ich will keine Vergleichung zwischen den Heeren dieser Monarchen anstellen; die militärische Disciplin war in beiden so vollkommen, daß ihre Überlegenheit bloß von dem Befehlshaber, der sie anführte, abhangen musste" "). Also, so auf. fallend vernachlässigt mochte die schlesische Armee wohl nicht sein. Aber, der Generalinspektör der gesammten schlesischen Infanterie, der

1) Theden's Jubelfeier u. Lebensbeschreibung; berausgegeben vom Geb. Rath und Prof. Mayer. Berlin 1787.

2) Tissot in dem Leben Zimmermanns. Hannover 1797. S. 206 ff.; Zimmermann's Fragmente Bd. 3. S. 16-18.

3) Mémoires de M. de Bouillé. Paris 1801. T. 1. p. 35.

alte General v. Tauenzien, gefiel dem Könige nicht mehr; doch wollte er ihm den Abschied, ohne eigenes Ansuchen, nicht geben; aber er tadelte die ihm untergebenen Truppen und den 7. September 1784 schrieb er ihm von Potsdam aus: „Mein lieber General v. Tauențien. Schon bei Meiner Anwesenheit in Schlesien erwähnte Ich gegen Euch, und jeßt will Ich es schriftlich wiederho len, daß Meine Armee in Schlesien noch nie so schlecht gewesen ist, als jezt; wenn Ich Schuster und Schneider zu Generalen machte, könnten die Regimenter nicht schlechter sein. Das Thad. densche Regiment gleicht nicht dem unbedeutendsten Landbataillon einer preußischen Armee; Rothkirch und Schwarz taugen auch nicht viel; Zaremba ist in einer solchen Unordnung, daß Ich einen Offizier von Meinem Regimente nach dem diesjährigen Herbstmanövre werde hinschicken, um es wieder in Ordnung zu bringen; von Erlach sind die Bursche durch das Contrebandiren so verwöhnt, daß sie 1 feinen Soldaten ähnlich sehen; Keller gleicht einem Haufen ungezogener Bauern; Hager hat einen elenden Kommandör, und Euer Regiment' ist sehr mittelmäßig; nur mit Graf v. Anhalt, Wendessen - und Markgraf Heinrich kann Ich zufrieden sein. Seht, so sind die Regimenter en detail. Nun will Ich das Manövre beschreiben: · Schwarz machte den unverzeihlichen Fehler bei Neiße, die Anhöhen · auf dem linken Flügel nicht genugsam zu beseßen; wäre es Ernst gewesen, so war die Bataille verloren. Erlach bei Breslau, statt die Armee durch Beseßung der Anhöhe zu decken, marschirte mit seiner Division wie Kraut und Rüben im Defilée, daß, wäre es Ernst gewesen, die feindliche Kavallerie die Infanterie niederhieb und das Treffen verloren ging. Ich bin nicht Willens durch lacheté Meiner Generale Schlachten zu verlieren, weshalb Ich hiermit feftfeße, daß Ihr über ein Jahr, wenn Ich noch lebe, die Armee zwi schen Breslau und Ohlau führet, und vier Tage zuvor, ehe Ich ins Lager komme, mit den unwissenden Generals manoevriret, und ihnen dabei weiset, was ihre Pflicht ist. Das Regiment von Arnim und das Garnisonregiment von Keniß macht den Feind, und wer alsdann seine Schuldigkeit nicht erfüllt, über den lasse Ich Kriegsrecht halten; denn Ich würde es einer jeden Puissance ver denken, dergleichen Leute, welche sich so wenig um ihr Metier be kümmern, im Dienste zu behalten. Erlach fist noch vier Wochen

im Arrest. Auch habt Ihr diese Meine Willensmeinung Eurer ganzen Inspekzion bekannt zu machen" 1).

v. Tauenzień suchte nun seine Entlassung von der Inspekzion nach, welche der König unter die Generale Graf v. Anhalt und v. Gößen theilte '); Regimentschef aber blieb der alte Vertheidiger von Breslau und trat als solcher unter die Aufsicht der jüngeren Vorgeseßten ').

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Man kann sich's denken, in welcher Stimmung Friedrich, den 16. August 1785 nach Schlesien gegangen: körperlich hinfällig und erschüttert, geistig und gemüthlich verstimmt. Aber, wo der Beruf es forderte, da war an keine Schonung für ihn zu denken; er beugte sich unter seine Pflicht. Diese merkwürdige schlesische Mu sterung war diesmal grade außerordentlich glänzend durch die Gegenwart vieler Prinzen und Generale aus Frankreich, England, Deutschland. Die ganze schlesische Armee, 50,651 Mann, war in ein großes Lager bei Groß-Tinz unweit Strehlen zusammen gezogen. Der König griff sich sehr an und hielt den vorleßten Revuetag, den 24. August, in einem kalten und heftigen Regen, sechs Stunden lang, ohne sich seines Pelzes zu bedienen, zu Pferde, alle Ungemächlichkeiten und Ermüdungen aus. Er kleidete sich zwar nach geendigter Revue trocken an, und bewirthete Mittags die anwesenden Fremden: den Herzog von York, den Herzog Konstantin von Sachsen-Weimar, und zwei Männer, welche unlängst in der neuen Welt als Feinde einander gegenüber gestanden: die Generale Lord Cornwallis und den berühmten Marquis de La Fayette; aber die Feuchtigkeit und die Kälte hatten schon so auf ihn gewirkt, daß er des Nachmittags ein ziemlich starkes Fieber bekam. Seine kräftige Natur und sein glückliches Temperament, die oft schon Wunder ge than hatten, verließen den großen Mann auch diesmal nicht. Er zweifelte zwar selbst, daß er dem leßten Manbvre des folgenden Morgens würde beiwohnen können, legte sich indess doch zeitig zu Bette, verfiel in einen festen Schlaf und starken Schweiß, fand sich des Morgens sehr erleichtert, seßte sich zu Pferde und hielt nicht allein die Revue

1) Annalen des Krieges. Berlin 1806. Bd. 3. S. 252.

2) Urkundenbuch Thl. 4. S. 231. Nr. 53.

3) a. a. D. S. 231. Nr. 54.

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