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mehr, bei dem eben deshalb sinkenden Vertrauen jenes Prinzipalmi. nisters, wirksamere Mittel suchte, und in der That, da Potemkin den englischen Guineen huldigte, von der Kaiserinn selbst in geheimer Unterredung die willkommenste Zusage empfing '), und auf die Vollmacht seiner Regirung, das griechische Projekt zu fördern, dem Ziele näher ging, wobei Panin denn doch nicht unbetheiligt bleiben konnte, der, eben weil die Angelegenheit hinter seinem Rücken war betrieben worden, sein Amt dazu benußte, sich in demselben, durch den Bund mit Preußen, zu behaupten. Die Gelegenheit war ihm, wie dem Berliner Hofe günstig und er fasste sie rasch und gewandt. Spanische Kaper brachten im November 1779 zwei russische, nach dem Mittelmeer bestimmte Getraideschiffe, die Konkordia und den Sankt-Nikolaus auf, weil die Ladung den Engländern in Gibraltar zugedacht gewesen; und veranlassten die Kaiserinn zu zwei Noten an den spanischen Chargé d'Affaires de Normandès an ihrem Hofe, welche als die ersten Urkunden in Bezug auf die bewaffnete Neutralität betrachtet werden können und welche für die beiden Schiffe Genugthuung begehrten. Harris trieb den Fürsten Potemkin rasch weiter, zu Rüstung einer Flotte von 15 Linienschiffen und 6 Fregatten im Hafen von Kronstadt, um die etwa abgelehnte Genug. thuung alsbald zu rächen. Graf Panin, ohne dessen Wissen wieder diese Eskadre gerüstet wurde, ging zwar auf die Rache gegen Spanien ein; aber er that mehr und lenkte durch einen wichtigen und einflussreichen diplomatischen Streich, die Anschläge des englischen Gesandten und Potemkins auf meisterhafte Weise ab, indem er der Monarchinn Streben auf andre Bahnen lenkte durch ein System, welches, auf das Völkerrecht gebaut, das Interesse aller Nazionen umfassen, und diese selber an Russland knüpfen sollte, woraus für Katharinens Reich ein großes politisches Gewicht, bedeutende Handelsvortheile und die glänzendste Genugthuung an den Spaniern folgen müssten. Der Kaiserinn ungemessener Ehrgeiz fand den Plan genehm, wel. cher geheim gehalten werden sollte. Doch sandte Graf Panin alsbald den Höfen von London, von Versailles und von Madrid die Erklärung zu, welche auch den Höfen von Stockholm und Kopenhagen zugefertigt wurde.

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1) Flassan Diplomatie fr. T. 6. p. 253.

Diese Erklärung vom 28. Februar 1780 warf die ganze englische Politik des Ritters Harris um, indem sie als unabänderlich begehrte: 1) die neutralen Schiffe fahren frei von Hafen zu Hafen, 1 und an den Küsten der kriegführenden Mächte; 2) feindliches Eigenthum ist frei in neutralen Schiffen, mit Ausnahme der Kontrebande, die auf Waffen und eigentliche Kriegesbedürfnisse beschränkt bleibt; 3) die Kaiserinn hält sich, in Bezug auf Das, was eigentlich Kriegesbedürfnisse seien, an das, was Artikel 10. und 11. ihres zwanzigjährigen Handelsvertrages mit Großbritannien vom 21. Jun 1766 ausgesprochen worden, indem sie diese Verbindlichkeit auf alle Kriegführende ausdehnt; 4) ein blockirter Hafen ist nur der, in welchen der angreifende Theil augenscheinlich einzudringen fähig ist; 5) diese Bestimmungen sollen bei der Rechtmäßigkeit der Prisen als Regeln dienen.

In London war der russische Gesandte Simolin Augenzeuge von dem widrigsten Eindrucke, welchen diese bewaffnete Neutralität machte, die so täuschend an die Stelle des erwarteten, dem Abschluss nahen Bundes trat; Frankreich dagegen fand sie so erfreulich, daß es dieselbe schon den 25. April anerkannte '). Spanien befriedigte die Kaiserinn vollkommen und trat bei; so die übrigen europäischen Mächte fast alle und Graf Panin trug auch, bloß für sich, dem Könige von Preußen den Beitritt an, um seinen Hof mit dem Berliner enger wieder zu verbinden, und der von ihm geschaffenen Seeneutralität durch Friedrich's großes Ansehen neuen Werth zu geben. Der aber fand Bedenken, lästige Bedingungen über sich zu nehmen, ohne durch eine Flotte wirksam sein zu können. Darum lehnte er Anfangs freundschaftlich die Ehre des Beitritts ab. Und das war der Kaiserinn von Russland selbst nicht unwillkommen, da sie, der wesentlicheren (griechischen) Politik wegen, jede neue Annäherung an Preußen, wie die Verlängerung des alten Bundes scheute und gern mied. Als indessen Dänemark bemerklich machte: wie Preußen, und auch Österreich, selbst ohne Flotten, der nordischen Seeverbindung heilsam wären; so ließ der russische Hof den Berliner förmlich dazu einladen: und, da man für den, dem preußischen

1) Flassan Dipl. fr. T. 6. p. 259.

Handel zugesicherten Schuß keine bestimmte Erwiederung begehrte; so schloss sich Friedrich gern durch einen besonderen Vertrag mit Russland an, welcher in St. Petersburg, den 8. Mai 1781 verhandelt und in des Königs Namen vom Grafen Görß, russischer Seits von Panin, Johann Grafen Ostermann, Alexander v. Besborodke und Peter Bacounin unterzeichnet wurde ').

Wie diese Seeneutralität entstanden war gegen Englands Streben nach der Herrschaft auf dem Meere, als es eben in die Kriegeszufuhr nach Amerika auf neutralen Schiffen Eingriffe that; so löfte sie sich wieder ohne sonderlichen Erfolg auf, als Nordamerika und Großbritannien Frieden geschlossen hatten: aber, die Idee vom Rechte der neutralen Flagge war doch auf Immer und für ganz Europa ins Leben getreten 2).

V. Russland lehnt die Erneuerung des Bündnisses mit Preußen ab.

Schon Marie Theresie hatte kurz vor ihrem Ende sich der russi

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1) v. Dohm Denkwürdigkeiten. Bd. 2. S. 142 ff.; - de Hertzberg Recueil T. 1. 2.édit. p. 464.

2) Mémoire ou Précis historique sur la neutralité armée et son origine; suivi des pièces justificatives; p. Mr. le Comte de Goertz. A Basle 1801. gr. 8. (Diese wichtige Schrift war schon 1797 zu London in englischer Übersehung erschienen und der ungenannte Verf. war bloß als „a german noble Man" bezeichnet worden). · Nouveau Mémoire ou Précis historique sur l'association des puissances neutres, connue sous le nom de la neutralité armée, avec des pièces justificatives; p. le Baron d'Abedy hl, lors des negociations pour cette convention Secrétaire de la Mission Suédoise en Russie. Stockholm 1798. S.; v. Eggers Denkwürdigkeiten des Dänischen Statsministers Grafen v. Bernstorff. Kopenhagen 1800. Die Statsschriften über die bewaffnete Neutralität findet man vollständig beisammen in v. Hennings Sammlung von Statsschriften während des Seekrieges von 1776 bis 1783. Altona 1784. 2 Bde.

ungeachtet, die verbindlichsten Huldigungen dargebracht: näher aber rückten sich die beiden Kaiferhöfe, als die edle Frau gestorben war und der rasch in der Politik, wie in der Landesverwaltung strebende Sohn ihr Nachfolger geworden war.

Friedrich hatte das längst geahnet und darum doppelt herzlich sich bei dem Tode der Kaiserinn - Königinn ') geäußert: „Ich bedaure, schreibt er an d'Alembert, den Tod der Kaiserinn-Königinn ; sie hat dem Throne und ihrem Geschlechte Ehre gemacht. Ich habe Krieg mit ihr geführt, bin aber nie ihr Feind gewesen“ 3). An sein Kabinetsministerium schreibt der König:,,Marie Therèse n'est plus, voilà un nouvel ordre de choses qui commence" 3). Pour l'Empereur, fils de cette grande femme, je l'ai vu et il m'a paru trop éclairé pour se précipiter dans ses demarches'; je l'estime et ne le crains pas“).

Fürchtete nun Friedrich auch wohl nicht den Kaiser Joseph; so verlor er ihn doch nie aus den Augen und sah sich vor. Er hatte seit dem September 1779 einen bewährten Diplomaten, den Grafen Görß in Petersburg. Durch den wollte er, doch vorläu fig nur und ganz von weitem anhören lassen, ob an ein Bündniff zwischen Russland, Preußen und der Pforte zur Vertheidigung und Bürgschaft des gegenwärtigen Besitzstandes wohl zu denken sei? Der preußische Minister aber eröffnete dem Könige, wie eine solche Vereinigung rein unmöglich sein werde, da die Kaiserinn den Frieden mit den Türken nur zu neuer Rüstung nuße, um ihre großen Entwürfe endiich durchzuführen '). Wirklich zeigte sich auch selbst Graf Panin bei der leisesten Äußerung des Grafen Görß durchaus verwundert ®); und obgleich Friedrich seinen vermittelnden Gedanken fallen ließ; so hatte Katharine Preußens wahre Politik, die Türken zu erhalten, nur allzu hell erkannt. Auch wirkte Potemkin dem Berliner Hofe entgegen. Dieser unbändige Mann vergaß nicht

1) Sie starb den 29. Nov. 1780.

2) Oeuvres posth. T. 11. p. 292; T. 15. p. 168.
3) v. Dohm Denkwürdigkeiten. Bd. 1. S. 389.
4) Oeuvres posth. T. 11. p. 292.

5) v. Dobm Denkwürdigkeiten. Bd. 1. S. 400 ff.
6) a. a. D. S. 402.

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bloß die seiner Kaiserinn schuldigen Rücksichten; auch gegen die fremden Mächte äußerte er sich nicht selten wegwerfend. Über den Schwarzen Adlerorden, den er nicht zeitig genug bekommen, sprach er ungebührlich und lehnte eben so die preußische Verwendung für ihn wegen Kurland ab. Der Wiener Hof kam ihm gleich 1776 mit der Reichsfürstenwürde entgegen und hatte die Idee, in solcher Zuvorkommenheit gegen den russischen Hof noch weiter vorzugehen.

Gegen das preußische und französische Interesse nun und für sich selbst zu wirken, trug Kaiser Joseph, mit Genehmigung seiner Mutter der russischen Gebieterinn im Frühjahr 1780 einen Besuch in ihren Landen an. Mohilew am Dnepr wurde, während sie ihre neuen polnischen Erwerbungen bereiste, zur Zusammenkunft bestimmt. Der deutsche Kaiser traf hier schon den 23. Mai ein, um den 25. die große Katharine zu empfangen, bei welcher er sich durch seinen Gesandten am russischen Hofe, den Grafen Cobenzl unter dem Namen eines Grafen Falkenstein') vorstellen ließ. Er wusste sich durch die einnehmendste Schmeichelei beliebt zu machen und sah die dringende und herzliche Einladung, nach St. Petersburg mit zu kommen, wo auch schon Gustav der Dritte von Schweden vom 7. Jun bis 29. Jul 1777 gastlich verweilet, gern. Die jüngste Haupt. stadt von Europa schien damals die bedeutendste zu sein. Joseph folgte seiner Freundinn über Moskau dahin nach und blieb bis Ende Jul daselbst, durch die reichsten Feste verherrlicht, und verherrlichend.

Graf Panin war, sammt der ganzen preußischen Partei, wozu der Großfürst Paul sich auch bekannte, sehr betroffen.

Wir verweilen hier einen Augenblick, um uns zu erinnern, wie wir im Verlaufe unsers Werkes Russland zuerst im polnischen Erfolgekriege haben den deutschen Boden betreten, dann im siebenjährigen Kriege als europäische Macht sich militärisch bilden sehen; wie dann die polnisch-türkischen Händel Anlass geworden, den Hof von Petersburg zu einem so entscheidenden in der westlichen Welt

4) Die Reichs-Grafschaft Falkenstein, im ehemaligen Oberrheinischen Kreise gelegen, wurde 1731 vom Reichshofrath dem Herzoge Franz Stephan von Lothringen, Joseph's Vater, zuerkannt, der sie auch be hielt, als er 1735 sein Herzogthum Lothringen an-Frankreich abtrat.

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