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im deutschen Reiche. Daß man später dem Vogte, der unter Graf Rudolf dem Aeltern 1226 bis 1230 über Schwyz und Uri gesegt wurde, einen falschen Namen beilegte, ist ein Irrthum, der sich in die Zeitbücher des fünfzehnten Jahrhunderts eingeschlichen, die, den Malern gleich, frühere Begebenheiten in das Gewand ihrer Zeit kleideten und nicht anstanden, dem Namen Tell den pleonastischen Namen Wilhelm beizufügen, der sich von der Singweise des alten Tellenliedes „Wilhelm von Nassowe" eingeschlichen haben dürfte.

Wohl weiß ich, daß die Bewohner unserer Alpen mit einer schwer zu besiegenden Hartnäckigkeit an den Einzelnheiten ihrer Ueberlieferungen festhalten; haben ja z. B. die Bewohner des Alpsteins, wie die Walliser sich selbst gegen die Annahme des neuen gregorianischen Kalenders noch gesträubt, als selbst die Reformirten dies Geschenk des Papstes längst zum Geseze erhoben hatten. Es ist aber nun, auch in den Urkantonen unserer Heimath, Sinn für kritische, wahre Geschichte erwacht und keineswegs mehr zu besorgen, daß eine klarere Darstellung der Tellsage nicht Eingang finden dürfte.

Es gibt unter den Geschichtsfreunden der kleinen Kantone Leute, die unsere Tellsage ungern in einer Zeit und Form sich vortragen lassen, welche mit den Lokalitäten und Namen nicht übereinstimmt, die der Fassung der= selben aus ihrer Kinderzeit angehörten.

Namentlich wird man sich wundern, wenn ich das seit Jahrhunderten übliche Küßnach nicht als Sig des Vogtes anerkennen kann. Diese historisch Uebergläubigen nun bitte ich, die drei Abhandlungen Hrn. Prof. Dr. J. E.

Kopp's „über die Tellsage" in des=

sen Geschichtsblät

tern nachzulesen,

oder, wenn ihnen

dies zu lange dauern sollte, in dem nebenan stehenden

Stammbaume der Vögte von Küßnach sich zu überzeugen, daß zu Küßnach am Lucerner See weder 1307 noch auch mehr als hundert Jahre zuvor und mehr als dreißig Jahre danach je ein Geßler Vogt

war.

Wir sehen also diese Vogtei über hundert Jahre lang im erblichen Besige desselben Ritterhauses, bis zum Erlöschen dieses

Ritterhauses selbst,

ohne daß je ein

Rudolf v. K., Ritter, 1257-1261.

Die Stammtafel der Vögte von Küßnach.

Rein aus Urkunden dargestellt.

Ulrich, Ritter von Küßnach. 1234.

(Ob er Stammvater der Folgenden sei, ist nicht erwiesen, doch wahrscheinlich.)

Margret,

vermählt mit N. v. Wessenberg.

Eppo, Vogt zu K., Nitter, 1282-1328.

Gem. Anna von Vilmeringen.

Rudolf v. K. Eppo v. K.

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Hartmann v. K., Ritter, Vogt zu Küßnach, 1328-1344, wird Bürger zu Lucern.

Anna,

verm. m. Joh. v. Ruda.

Margret, 1329,

verm. m. Joh. v. Kienberg, Ritter, gen. Prisour.

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Geßler Vogt zu Küßnach gewesen wäre. Den ältesten Geßler, den ich kenne, nennt das Mortuarium Murense: dominus Rudolfus Gessler als Mönch zu Muri um 1290 bis 1300.

Geseze über das Verhältniß der Sage zur Geschichte mangeln noch in der historischen Kunst.

Nur so weit als die Geschichte die Sage uns erläutern hilft, glaubte ich solche hier verfolgen zu dürfen; das schöne tragische Ende Tell's, welcher bei dem Rettungsversuche eines Kindes aus dem hochgeschwollenen wilden Schächenbache sein Leben eingebüßt haben soll, beleuchtet leider weder Urkunde, noch ein älteres Zeitbuch. Solche Stoffe der Ueberlieferung eignen sich weit besser für den Dichter, wie denn auch der selige Uhland und unser Pater Gall Morel Tell's Tod besungen.

Die Tellsage, oder die unmittelbare Folge der That Tell's greift selbst, wie wir sehen werden, in das große Drama der Reichsgeschichte ein.

Bereits 1829, Seite 327, hat Lüthi im Solothurner Wochenblatte darauf aufmerksam gemacht, daß Peter von Bubenberg, der Schultheiß von Bern, 1235 den ersten März bei König Heinrich zu Speyer gewesen; unserer Ansicht nach dürfte der Freiheitsbrief für Uri 1231, 26. Mai, in direkter Richtung gegen die von Höfler uns mitgetheilte Politik Kaiser Friedrich's II. ertheilt sein.

Doch mehr als Andeutung glaubte ich mir nicht erlauben zu dürfen, da selbst Huillard-Bréholle's Werk bisanhin darüber keine neueren Aufklärungen brachte.

Daß ich hier kein erschöpfendes Stück Darstellung zu geben im Falle bin, muß der geneigte Leser in

Betracht der sehr mangelhaften Geschichtsquellen aus
Tell's wahrer Zeit in unsern Landen zu gut halten *).
Am Willen hätte es nicht gemangelt, denn auch ich
sage:

„Erzählen wird man von dem Schüßen Tell,
So lang die Berge steh'n auf ihrem Grunde.“

Lucern, am Liberatustage 1863.

Der Verfasser.

*) Für gewisse Leute dürften folgende Verse passen:

Der Möve gleich,

Die mit gehob'nen Schwingen

Im Lüftereich

Muß streben, kreisen, ringen;
Mit starkem Schlag'

Einstürzend in des Meeres

Bewegtes Wag,

Sich freut des Wiederkehres:

So fischt man auch

Im düstern Reich der Sage,
Nach altem Brauch,

Nicht ohne Müh' und Plage;

Gelingt ein Fang,

So folgen Neids-Gesellen

Mit heiser'm Sang'

Die Beute wegzuschnellen.

Der Lestris gleich,

Die nie es wagt zu tauchen

In's Wogenreich,

Genossenes muß brauchen;

So kreischt die Schaar,

Sobald ein Fund gehoben,

Doch wer wird gar

Ein leer' Geschrei noch loben!

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Die Tell-Sage

zu

dem Jahre 1230

historisch nach den neuesten Quellen beleuchtet.

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