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Vorwort.

Beim Erscheinen der sechsten und legten Section der deutschen Hofgeschichten, welche die kleinsten Höfe umfassen wird, die souverainen sowohl*) als die mediatisirten**) und dazu noch die eingegangenen geistlichen Höfe, halte ich der Sache wegen für angemessen, noch einmal an das zu erinnern, was gleich beim Erscheinen der ersten Section in der Vorrede zu der preußischen Hofges schichte und dann noch einmal in den zwei Vorreden zu dem ersten und zu dem legten Bande der östreichischen Hofgeschichte herausgehoben wurde: daß an diesem ́ Werke zehn Jahre von 1840-1850 gearbeitet worden, daß es ein Sammelwerk ist und daß es gar nicht für die gelehrte Welt, ursprünglich gar nicht für den Druck bestimmt war es wurde nach meinem Zurücktritt von dem Staats

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*) In den neun Häusern Mecklenburg, Oldenburg, Nassau, Anhalt, Lippe, Waldeck, Schwarzburg, Reuß und Liechtenstein.

**) An der Zahl 55.

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archivarposten in Dresden in der allerbehaglichsten Muse und lediglich zu meinem Vergnügen geschrieben: zu irgend einer Haft und Eile also zur Flüchtigkeit war ich nicht im Mindesten gedrängt, denn ich schrieb weder um zu leben, noch lebte ich, um blos zu schreiben. Wer die höchst curiose Meinung hält, es ließe sich ein Werk, das so viele Thatsachen, Personalien und anderweites concretestes Detail giebt, nur so aus dem Aermel herausschütteln, Band für Band so allmonatlich gebären, wie ein Roman mit dem ist gar nicht zu streiten; es kann den so oberflächlich Meinenden nur einfach entgegengehalten werden, daß sie sich nur einmal an einer ähnlichen historischen Arbeit versuchen mögen: es wird sich ihnen dann schon von selbst zeigen, daß sicherlich wenigstens Zeit dazu ges hört, vielleicht auch etwas Ausdauer und Fleiß. Die Hauptsache aber ist bei einer solchen Arbeit, daß man Glück habe, was so zu verstehn ist, daß ,,da die deutschen Fürsten an ihren Hofhaltungen von Stummen bedient wurden" man an die rechten Quellen immer komme, die wenigstens reden, was bei den Todten sowohl als bei den Lebenden gar selten der Fall ist. Ich will gar nicht läugnen, daß ich in dieser Beziehung ein vorzügliches Glück gehabt habe, und ich bin ganz bereitwillig, dieses Glück weit über mein Verdienst zu sehen und sogar weit über meinen Verstand.

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Was die Behandlung des Stoffes dicser legten Section betrifft, so habe ich zu bemerken, daß

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jezt, mit diesen kleinsten Höfen, eine neue Galerie von Geschichtsbildern anhebt: die bisher dargestell ten größeren Höfe waren, so zu sagen, die eigentlichen Historienbilder, die nun folgenden · kleinen find gleichsam die Holländer. Diese kleinen Höfe find, um ihnen ein erhöhtes intensives Interesse zu verleihen, sie angenehmer und kurzweiliger zu machen, mit holländisch genremäßiger Ausführlichkeit ausgemalt worden. Deshalb wird denn auch gleich der Hof von Mecklenburg, welcher unter diesen kleinen voransteht, allein schon zwei Bände füllen und leicht noch mehr: ich habe ausnahmsweise bei diesen interessanten mecklenburgischen Höfen, um doch einmal zu zeigen, aus wie vielem und mannichfaltigem Material solche Hofgeschichten componirt werden müssen, die Quellen, die ich benugt habe, bis auf die kleinsten Adelsgeschichten herab ausdrücklich citirt. Johannes Müller schrieb im Jahre 1803 gerade dem Jahre, wo die Franzosen die Liste der kleinen deutschen Souverainitäten von fast dreihundert auf einige dreißig herabseßten — an seinen Bruder: „Unsere neuere Geschichte ist so höflich, daß man den Menschen kaum darin findet oder so sansculottisch, daß man der Leidenschaft nicht glauben darf". Von Anfang an ist es mein aus klarer Erkenntniß hervorgegangener Wille gewesen, sine ira et studio zu schreiben und die großen und kleinen Thorheiten im Regimente der Welt mit ges lassenem Humor nur so gleichsam bei der Nase zu nehmen. Die Höflichkeit hat mich auch bei den

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kleinen Fürstlichkeiten nicht verführen können, in ihnen die Menschen zu übersehen. Was die leidenschaftlose Bereitwilligkeit dagegen betrifft, das, was wirklich zu loben ist, zu loben, so kann ich in diefer Beziehung auf den oldenburgischen Hof verweisen, welcher bis auf die neusten Zeiten ein wahrer kleiner deutscher Musterhof war.

Ich enthalte mich aus guten Gründen eine eigentliche Vorrede zu diesen Geschichten der kleinen deutschen Höfe zu schreiben, Höfe, welche ihr Schicksal theils schon erfüllt haben, theils noch erfüllen werden, da fie, wie das Sturmjahr 1848 sehr deutlich gezeigt hat, das odium Germaniae verfolgt und so lange verfolgen wird, als zum Beispiel in dem interessanten Ländchen der „Erbweisheit“, welches am 18. April 1855 das 100 jährige Jubiläum für den Codex derselben gefeiert hat, solche Verhältnissse bestehen, wie mit den adligen und bürgerlichen Nittern, den Niederlassungen und Heirathslicenzen der armen Tagelöhner, den nächtlichen Hofediensten der Dorfmädchen, dem offen betriebenen Schmuggelhandel der großen Branntweinbrenner an der Ostsee, der Belastung Deutschlands mit alljährlich 250,000 Thalern vom Boizenburger Elbzoll zum Vortheil der mecklenburgischen Ritter, einer Criminaljustiz, wie in dem 1854 vorgekommenen Prozesse : Sophie Caroline Marie Düde u.f.w. u. s. w.

Bei dem odium Germaniae gegen die kleinen deutschen Staaten, wo Dinge vorgehen, die in eis nem großen gar nicht geschehen können, muß man

aber die Worte eines neueren vortrefflichen Humoristen sich wohl zu Gemüth führen, die mir wie aus der Seele geschrieben sind:,,Das historische und politische Bewußtsein besteht weniger in der Ausbildung eines specifischen Hafses gegen die Reaction als in der Reinigung und Befestigung seiner selbst. Schon weil alles das, was sich reactionair nennt, jederzeit haßerfüllt, straf- und rachfüchtig ist, so kann es der Fortschritt unmöglich sein, oder er ist keiner. Die Reaction liebt z. B. das Blut, folglich darf es der Fortschritt nicht lieben, wenn er ihm wirklich überlegen sein will. Auch die gerechteste Rache führt den eignen schließlichen Untergang mit sich und die heldenmüthigsten Rächer bringen mit ihrem Siege höchstens eine große Tragödie zu Stande: es handelt sich aber eben in der Geschichte und Politik um das, was die kurzathmigen Helden und Rhetoren nie einsehen: nicht um ein Trauerspiel, sondern um ein gutes Ziel und Ende, wo die geläuterte unbedingte Einsicht Alle versöhnt, um ein großes heiteres Lustspiel, wo Niemand mehr blutet und Niemand weint. Langsam, aber sicher geht die Welt diesem Ziele entgegen". *)

*) Gottfried Keller. Der grüne Heinrich IV. 97 f. Ich empfehle den guten Mecklenburgern aufs Wärmste diesen kurzweiligen Roman, eines der geistreichsten Bücher, das in den letzten Jahren die Presse verlassen hat. Der Vers faffer ist ein Republikaner, aber ein geborner und ein einfacher, ächter, keiner von der Hypercultur unserer durch und durch vereitelten und verfaulten modernen Genialität angesteckter,

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