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unterm 27. Juli 1715 aus Rostock nach Schwerin gegen den unter Furcht und Zwang abzuschließenden Vergleich auf Verwilliguug der drei Punkte solennissime protestirt,,, ohne Furcht vor Carcer, Arrest und Wache, wie solches Namen haben mag," und protestirte auch wiederholt später und als 1719 die hannoverischen Executionstruppen mit der kaiserlichen Commission kamen, wurde Alles und Jedes wieder in vorigen Stand gesezt. Der kleene Fürst" von Mecklenburg war aber damals auf der Höhe seines Glücks, er schloß seine Allianz mit dem Groß-Zaar. An demselben Tage ge rade, wo Wismar capitulirte und Deutschland dadurch von der östlichen Seite por dem bewahrt wurde, was Ludwig XIV. ihm an der westlichen Seite angethan hatte, indem er sich ihm in Straßburg auf den Nacken seßte, am 19. April 1716 ward die Heirath Carl Leopold's mit der russischen Prinzessin zu Danzig in höchstem Glanze, den die Gegenwart des starken August's, Königs von Sachsen - Polen erhöhte, gefeiert. Unmittelbar darauf erschienen theils zur See, theils zu Lande aus Polen 50,000 Mann Russen im Land. Sie wurden theils auf den Domainen des Herzogs, theils auf den Gütern des Adels und in der Nähe der adelsfreundlichen Stadt Rostock einquartirt. Diese russischen Soldaten hatten nicht mehr die frühere Mannszucht, leb

langte, kam König Friedrich III. von Dänemark, das zweitemal kam. 1712 der schwedische General Steenbock, der Sieger bei Gadebusch.

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ten sehr frei und verübten die schwersten Bedrückungen an den Landleuten. Im Mai 1716 erschien der Zaar selbst bei seinem neuen Verwandten in Schwerin. Die mecklenburgische Ritterschaft ordnete den Landmarschall von Malzahn zu Grubenhagen und den Rittmeister von Strahlendorff zu Trambs ab, um bei Sr. und Ihro Großzaarischen Majestät, dem Herzog und seiner neuen Gemahlin Glückwunsch abzustatten. Den Zaar trafen sie nicht, er war in Hamburg. Der Herzog empfing fie am 3. Juni. Die Zaarin und die Herzogin waren zwar zugegen, aber der Oberhofmarschall Baron von Eichholz widerrieth die Gratulation:,, weil sir nicht in solchem Aufzuge gekommen, als dem Lustre deZaarin convenable wäre und man eine solenne Deputa= tion erwartet hätte."

Am 12. Juni ward von der russischen Generalität eine große Lieferung zum Magazin in Rostock ausgeschrieben, wozu allein der Adel aufgefordert wurde. Es wurde an Salz 1536 Scheffel und an Zwieback 3,240,000 Stück verlangt. Zu diesen 3,240,000 Stücken Zwieback bedurfte man, 35 Pfund Zwieback aus jedem Scheffel gerechnet, nicht weniger als 946 Last Roggen. Nachdem an dieser ungeheuren Lieferung Tag und Nacht gebacken worden war, erfolgte noch eine starke Grüße Lieferung dazu. Als nun die mecklenburgische Ritterschaft eine Deputation an den Zaaren schickte, den Kammerjunker von Negendant zu Eggersdorf und den Hauptmann von Wangelin zu Dorf Schwerin, um ihm die Noth des Landes vorzustellen, die diese Lieferungen ohne Moderation nicht zu schaffen im Stande sei und als diese Deputation in

tiefster Reverenz S. Großzaarische Majestät in der Antichambre erwartete, trat diese selbst unvermuthet aus ihrem Zimmer. Sie sprach mit dem Vicekanzler Schaferoff. und gab bald diesem bald jenem Bescheid. Wie die Mecklenburger hervortraten, rief der Zaar entrüstet ihnen die Worte entgegen:,, Was wollt Ihr?" und befahl ihnen sofort das Zimmer zu verlassen. Zugleich kündigte der Generaladjutant und Oberkammerherr Jagozinsky den beiden nicht wenig erschreckten mecklenburgischen Adelsherren Arrest an. Vier Mann Soldaten stellten sich vor ihr Quartier auf und am folgenden Tage, 4. Juli 1716, wurden sie unter russischer Escorte nach Rostock gebracht; hier saßen sie über acht Tage, dann kamen sie auf ihre klägliche Vorbitte beim Herzog auf dessen Vorbitte frei.

Am 18. Juni 1716 langte das Gros der russischen Armee unter dem Generalfeldmarschall Scheremeteff aus Polen an, die Russen erschienen im Stargardischen bei Neu- Brandenburg und Woldeck. Sie wurden im Lande einquartirt und die Ritterschaft beschwerte sich nicht wenig über die ungleiche Repartition. Am 3. Juli ka= men achtundvierzig russische Galeeren, welche des Zaaren Leibgarde `und das astrachan'sche Regiment unter General Buturlin aufhatten. Diese lagerten sich, 7000 Mann stark, zu nicht geringem Schrecken der Stadt, vor Rostock in Gezelten. Am 9. Juli forderte Fürst Repnin für dieselben bei 400,000 Pfund Speck, innerhalb vierundzwanzig Stunden zu liefern. So viel Speck war nicht in der ganzen Stadt: die Ritterschaft half aber ihrer guten Freundin aus der Specknoth, die gute Stadt vermied

die angedrohte Execution, innerhalb zwei bis drei Tagen war Alles geliefert; am 14. Juli ruderte der Zaar mit seinen Galeeren hinüber nach Seeland. Es war einem Jeden von Magistrat und Bürgern sein bestimmtes Quantum Spec an die Hausthüre geschrieben worden, der Herzog aber schichte Notare und Einnehmer in der Stadt herum und ließ allen, besonders den Bedürftigen, entbieten: wer sich zum Schweriner Vergleiche accommodire, dessen Spec- Quote wolle er übernehmen.“

Nach des Zaaren Abgang erfolgte nun der Hauptgewaltschritt des Herzogs Carl Leopold: es läßt sich gar nicht zweifeln, daß er von ihm ausging. Ich gebe die Erzählung dieser ungeheuerlichen Procedur des mecklenburgischen Landesvaters wieder mit den Worten des alten ehrlichen Propst David Franc, als gleich= zeitigen Augen- und Ohrenzeugen *).

,,Nachdem der Zaar am 14. Juli abgegangen, so wurden drei Tage nachher, am 17. Juli, da es eben Bettag war, wohl fünfzig Commandos russischer Genadiere zu Pferd, jedes zu zwanzig, dreißig, auch wohl mehr Mann, im Namen des Generals Repnin ausgesandt, auf einmal in ganz Mecklenburg die Landräthe, Landmarschälle, Deputirte zum Engeren Ausschuß und was sonst Männer waren, daran der Ritterschaft gelegen, bei hereinbrechender Nacht in gefängliche Haft zu bringen. Die Ursache sollte sein, weil sie übel von Ihro Czaarischen Maj. gesprochen. Wer aber dieser

*) Altes und neues Mecklenburg 17. 77. Kleine deutsche Höfe. I.

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Männer Vorsichtigkeit kannte, der muthmaßte, daß solches die bösen Rathgeber zu Schwerin angestellet *), um sie alle zusammen zu haben, einzusperren und so lange zu quälen, bis man ihnen die Landesrechte, wie den Rostockern ihre Stadtrechte, abgepreßt und darüber einen er zwungenen Vergleich aufgerichtet. Es wachte aber die göttliche Vorsorge über diese unschuldigen Leute, also daß die wenigsten davon erhascht wurden.

Der älteste Landrath von Lehsten zu Döliz und Boddin, der mit großer Geschicklichkeit das Directorium unter den Landständen führte, ward durch einen Bauer gewarnt, welcher gehört, daß ein Russe auf die Frage: wohin? geantwortet: Nach Dölis, groß Landrath kleen machen. Er entfloh also eiligst nach Demmin. Anstatt des Landraths Ehrenreich von Moltke griffen sie dessen Sohn, den Capitain von Moltke an, worüber der Vater entfam.

Der Rittmeister von Osten zu Carstorff ward bei Zeiten gewarnt; der Landmarschall und Oberst Levin von Hahn zu Remplin, wie auch der Oberst Hahn zu Basedow waren auf den ersten Wink nach Demmin geflüchtet; andere in dieser Gegend eilten nach Tribusees **).

Zu Lütken Walmsstorff suchten sie den Obristlicutenant Joachim von Bassewiß auf, der Hauptmann

*) Die Geheimen Räthe von Petkum, Präsident des Geheimen Raths, sein Factotum Schöpfer und Dr. Schaper, die an des Hofkanzlers von Klein Stelle in den GeHeimen Nath gekommen waren. Klein ging bis 1719, wo die kaiserliche Commission kam, nach Lübeck.

**) Der Paß, der nach Pommern führt.

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