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dessen in Wien die Vollstreckung des Pönal-Mandats vom 9. März aufzuhalten, wurden die in Schwerin und Doberan Gefangenen am 18. Mai sämmtlich nach Rostock zurückgebracht auf schlechten Wagen, von einer Reiter wache umgeben, auf dem Markte abgeseßt, ins Rathhaus gebracht und bewacht. Noch an demselben Tage kamen die fürstlichen Minister, Grund und der Geheime Rath und Oberhofmarschall Baron von Eichholz zu ihnen, um ihnen mit den beweglichsten Vorstellungen den Vergleich ans Herz zu legen. Sie beriefen die Bürgerschaft, am 21. Mai erklärte sie sich dahin, nichts, weder Accise noch Besatzung, noch Jagd abtreten zu wollen. Darauf ward wieder criminaliter fortgefahren. Nun, da Alle in Rostock wieder waren, konnte aber doch der herzogliche Agent in Wien anzeigen: alle gefangene Rostocker seien auf freien Fuß gestellt nnd würden gütliche Tractaten mit ihnen gepflogen. Er that das schon am 13. Mai und wiederholte es am 17. Mai, gegen die Wahrheit.

Jezt kam es zum Aeußersten in Rostock, der Landesvater, der selbst im Orte war, wollte durchaus zum Ziele gelangen.

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Am 3. Juni 1715, Morgens um 3 Uhr, fand fich Director Schöpfer auf dem Rathhause vor der blauen Stube ein, die fürstliche Miliz aber war vor dem Rathhause aufgestellt. Der Director rief nun die arres stirten Hundertmänner einen nach dem andern heraus, da denn der Major Sternberg zu einem jeden Her= ausgerufenen zwei Mann Wache stellte. Die beiden er= sten waren Hans Goltermann und Joachim Kraul, sie wurden mit einem Bündel auf dem Nacken

zum Steinthor hinausgeführt, bis an den Köppelberg wo sonst die Maleficanten enthauptet wurden; dasselbe widerfuhr den andern von den Hundertmännern, deren etwa vierzig noch waren. Sie mußten eine halbe Stunde hier Halt machen. Was ihrer und

Anderer Gedanken dabei gewesen, das kann man sich leicht vorstellen. Ihre Weiber und Kinder trieben ein jämmerliches Geheul, einer nahm von dem andern Abschied auf Nimmerwiedersehen, die ganze Stadt war in Schreden, Jedermann, der es hörte, beklagte die Zeiten, darin er lebte. Etliche unter diesen Hundertmännern wurden krank von ihren Betten geholt und gingen in Pantoffeln mit ihren Bündeln; die Wagen, die die Bürger ihnen nachsandten, weil sie zehn Meilen zu gehen hatten, wur den nicht erlaubt, auch nicht den Kranken. Nur die Bürgermeister und der Syndicus hatten die Gnade, daß sie auf drei fürstlichen Küchenwagen nachgefahren wurden. Ihr Weg ging allerseits nach Schwerin."

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Als sie hier ankamen, wurden sie durch den fürstlichen Garten nach dem Schlosse geführt. Bürgermeister Tielke kam wieder in die Bleikammer, die andern beiden Bürgermeister, der Syndicus und die Rathsherrn, ingleichen Goltermann und Kraul*), die Uebrigen wurden in das Gewächshaus zwischen dem Schlosse und dem Garten eingesperrt. Sie saßen über sieben Wochen bis zum 23. Juli, bis sie mürbe waren.

*) Von diesen beiden Ehrenmännern ward der erstere 1717 Rathsherr, der andere 1724 Rathsherr und 1731 Bürgermeister, er starb 1750.

Ritter- und Landschaft hatte einen sehr wirklamen Mann nach Wien geschickt, der hier ihre Sache, trieb. Dieser wirksame Mann war der Kammerjunker Matthias Hans von Behr, der schon seit dem Jahre 1713 als ritterschaftlicher Deputirter in Wien lebte: er that Alles, um die Rostockische Sache zu betreiben und namentlich die Ausfertigung des Conservatorii zu erwirken *).

*) Es giebt zwei Familien Behr: eine, die den Bären im sprechenden Wappen führt, blüht noch, die andere, mit drei Schwanenhälsen im Schilde, ist erloschen. Die noch blühende Familie gehört namentlich in der Branche, die die Negendank beerbt hat, zu den reichsten Familien in Mecklenburg und Pommern, um Stralsund und Greifswald liegen ihre Hauptgüter, sowie sie auch in Hannover noch blüht, wo sie seit 1471 das Gut Stellichte im Stifte Verden besigt. Ein,,Everardus Bere" erscheint schon in einer Urkunde von 1197 (in den Orig. Guelf. T. II. in praefat. p. 61) im Gefolge des Pfalzgrafen Heinrich, Sohnes Heinrich's des Löwen. In Mecklenburg kommt in dem Vertrag vom Juli 1224 (in den Orig. Guelf. T. IV. in praefat. p. 85), der zwischen den Gesandten des deutschen Reichs und dem von dem Grafen von Schwerin gefangen gehaltenen König Waldemar von Dänemark abgeschlofsen wurde,,,Lupoldus Ursus" als Eidhelfer auf Seiten des Grafen von Schwerin zuerst vor. „Heyne Bere, Knecht“ schloß am 22. Juni 1339 mit den ́ersten Familien des Landes, den Hahnen und den Bülowen, einen Sühnebrief mit der Stadt Stralsund ab (Malzahn'sche Urkunden von Lifth, S. 32.). Im Jahre 1353 erhielt Henning Bere, Burgmann zu Stargard aus der Familie, die die drei Schwanenhälse" im Wappen führte, das Landmarschallamt von Stargard, das später die Hahn führten und noch führen. Um dieselbe Zeit war Bertram. Bere mecklenburgischer Kanz

Unterm 26. Juli erließ das Reichsoberhaupt, der leßte der Habsburger, Carl VI., ein sehr nachdrückliches Handschrei ben an des gewaltthätigen Herzogs von Mecklenburg Liebden,,,um, wie die Worte lauteten, Dieselben von solchem harten und unter der deutschen Freiheit fast nie erhörten Verfahren *) abzumȧhnen und zwar hiermit zum leztenmale, widrigenfalls würden Kaiserl. Maj. gemüßigt sein, die gebetenen Protectoria und Conservatoria nun wirklich ausfertigen zu lassen." Jes dennoch decretirten S. Kaiserl. Maj. annoch unterm 1. August 1715 in dero Geheimen Rath an den Reichshofrath,,bis auf weitern Befehl damit Anstand zu nehmen.“

ler und ein Lippold Bere kommt gleichzeitig wiederholt in den Urkunden neben dem ersten Mann des Landes Star, gard, dem von Kaiser Carl IV. zum Grafen von Fürstenberg erhobenen Otto von Dewiß in den Geschäften vor. Ein Bogislav Behr war 1630 Geheimer Nath Wallenstein's. Matthias Hans Behr hat die Ges schichte Mecklenburgs geschrieben und war ein sehr gelehrs ter Herr, er hatte in Wien den oben genannten ritter- und landschaftlichen Anwalt von Praun, dazu noch einen andern, Joanelli, zur Seite. Außerdem war dieser Behr Katholik und hatte daher einen Fuß auf dem nicht Allen zugänglichen Terrain in Wien. Die Rostock'sche Sache kam dadurch merklich vorwärts, doch gab es noch immer viel Widerstand, Kaiserliche Majestät zum Schwertausziehen zu bringen. Matthias Hans Behr starb in Wien 1729.

*) Kaiserliche Majestät vergaß freilich hierbei die Proceduren ihrer eigenen Vorfahren wider die Protestanten unter der,,deutschen, böhmischen und ungarischen Freiheit."

Während dieses Anstands arrangirte sich Herzog Carl Leopold mit den in Schwerin mürbe Gemachten. Er meinte, wenn nur die zu Schwerin den Vergleich über die drei angenehmen Punkte unterschrieben hätten, würde es sich mit den übrigen Hundertmännern in Rostock schon geben. Am 21. August 1715 ward der ganze Rath in Carossen vom Schlosse aufs Rathhaus in Schwerin kutschiert. Die bisher gefangen gewesenen Hundertmänner folgten in aller Freiheit mit nach. Der Vergleich ward unterschrieben und mit dem Stadtsiegel bekräftigt; von fürstlicher Seite waren zugegen der Geheime Raths-Präsident, Geheime Rath und Reichshofrath von Bettum, der Oberhofmarschall und Geheime Rath Baron von Eichholz und der Hof-Intendant Walter. Darauf wurden die Herren Bürgermeister an die fürstliche Tafel gesezt und die übrigen Raths herrn und Bürger aufs beste be= wirthet.

Der fürstliche Angstmacher erreichte aber dennoch mit diesem erzwungenen Schweriner Vergleiche vom 21. August 1715 sein Ziel so wenig, wie sein Vorfahr Friedrich Wilhelm durch den vom General Geschwind in der Geschwindigkeit abgeschlossenen Schweriner Vergleich mit der Ritter: und Landschaft vom 16. Juli 1701 es erreicht hatte: die Rostoder Bürgerschaft, die nicht eingeschüchtert war, obwohl dazumal zum drittenmal seit dem dreißigjährigen Kriege wieder fremde Truppen, Dänen, in ihren Mauern lagen*), hatte schon

*) Das erstemal 1675, als König Carl X, von Schwe den vom Hause Baiern durch Christine zum Throne ge

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