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omnia quae ingratae perierunt credita menti.

Quare iam te cur amplius excrucies?

quin tu animo affirmas teque istinc usque reducis, et deis invitis desinis esse miser? difficile est longum subito deponere amorem,

difficile est, verum hoc qua lubet efficias: una salus haec est, hoc est tibi pervincendum,

hoc facias, sive id non pote sive pote.

O dii, si vestrum est misereri, aut si quibus unquam extremam iam ipsa morte tulistis opem,

me miserum aspicite (et, si vitam puriter egi,

eripite hanc pestem perniciemque mihi),

hei mihi surrepens imos ut torpor in artus

expulit ex omni pectore laetitias.

Non iam illud quaero, contra ut me diligat illa, aut, quod non potis est, esse pudica velit: 25 ipse valere opto et tetrum hunc deponere morbum. O dii, reddite mi hoc pro pietate mea.

Kann das Bewusstsein, dass wir edle Thaten
vollbracht, dass schuldlos unser Leben,
kann das Bewusstsein Seligkeit uns geben,
dass wir die heil'ge Treue nie verrathen,
nie die getäuschet, die zum heil'gen Bunde
den Schwur gehört aus unserm Munde,

5 dann warten dein, Catull, noch viele Freuden,
die dir entspriessen aus der Liebe Leiden.
Denn hat man je in Worten und in Thaten
sich treu bewiesen, du bist treu geblieben,
obwohl sie dich voll Schnödigkeit verrathen,
die Undankbare, der du fest vertraut.
10 Darum, Catull, was jammerst du so laut?
Ermanne dich im Geist, hör' auf zu lieben,
und mögen selbst die Götter widerstreben,
o höre auf in dieser Qual zu leben!

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Schwer ist es, mit der Liebe Macht zu ringen, schwer ist es, dennoch musst du es vollbringen; 15 das ist das einz'ge Ziel, kämpf' diesen Kampf zu Ende, sei's möglich oder nicht, du musst's erzwingen.

Ihr Götter voller Milde, zu euch wende

ich mich in meiner Noth, ihr habt Erbarmen,

ihr bringt dem Kranken Rettung noch im Sterben:

o schaut herab in Gnade auf mich Armen,

20 und war ich treu, entreisst mich dem Verderben.
Ha, wie ich schon die Todeskühle

durch meine Adern rinnen fühle!
Der Brust entflohen alle Lebenstriebe.

O nein, ich will nicht ihre Liebe,

will nicht, sie werde treu erfunden,

25 will nicht Unmögliches. Ich selber möcht' gesunden von diesen grimmen Qualen o ihr Götter,

ich hielt die Treue, werdet meine Retter.

Wir haben keine äusseren Thatsachen, wonach wir die Abfassungszeit dieser vier Gedichte bestimmen können, aber dass ihre historische Aufeinanderfolge die von uns angegebene ist, ergiebt sich aus dem in ihnen sich zeigenden psychologischen Fortschritte in der durch Gegensätze hervorgerufenen Bewegung des Gemüthes. Es sind die Gegensätze einer wahren sittlichen auf Achtung und Verehrung gegründeten Liebe und einer blos leidenschaftlichen Liebe, der die sittliche Basis fehlt und die auch da noch möglich ist, wo man nicht mehr achten kann. In der gesammten antiken Welt ist Catull das erste Beispiel, dass das Bewusstsein eines solchen Gegensatzes auftritt, und wir bemerken bald, dass es ihm noch schwer wird, für diese Empfindungen in seiner Sprache einen Ausdruck zu finden. Die wahre sittliche Liebe, die er früher für Lesbia fühlte, vergleicht er als Römer mit dem Gefühle des Vaters für seine Kinder und Schwiegerkinder, in der That dem Hauptrepräsentanten des sittlichen Elements im alten Römerthume. Er bezeichnet dies durch den Ausdruck bene velle, und wir sehen deutlich den Fortgang in der Scala der Stimmungen, wenn Catull im zweiten jener Gedichte sagt: iniuria talis cogit bene velle minus, wenn er im dritten ausspricht, dass bene velle aufgehört habe: ut nec bene velle queat tibi

und wenn er im vierten statt dessen geradezu den Ausdruck odi gebraucht. Die andere Art von Liebe bezeichnet Catull durch amare (im zweiten: cogit amare magis, im dritten: ut nec desistere amare queat, im vierten: amo); sonst hat Catull dies Wort für Liebe überhaupt gebraucht, hier beschränkt er es auf das blos leidenschaftliche Gefühl: amare magis ist ihm nach 71, 5. 8 mit impensius uror identisch. Das amare besteht fort, obgleich Lesbia vilior et levior ist (72, 6), wird auch dann nicht aufhören, meint Catull, wenn sich Lesbia Alles erlaubt (omnia si facias 87, 8); die geistige Liebe aber, das bene velle, ist schon carm. 72 sehr zurückgetreten, c. 78 ist sie gänzlich verschwunden und wird auch dann selbst nicht zurückkehren, sagt Catull, „,si optima fias“; in carm. 85 endlich ist geradezu der Hass an ihre Stelle getreten. Die Berechtigung, das Wort amare in einem engern Sinne anzuwenden, gab dem Catull bereits der gewöhnliche Sprachgebrauch, wonach es eine grössere Leidenschaft des Gefühls als diligere ausdrückt; aber die von Catull unterschiedenen Arten der Liebe sind immerhin andere als die, welche Cicero durch dieselben Ausdrücke unterscheidet: das eine ist die geistige, das andere die der sittlichen Basis entbehrende Liebe.

Wir haben noch nicht von dem ersten Gedichte gesprochen, welches an dasselbe Factum wie das zweite anknüpft, nämlich an die Versicherung, die Lesbia dem Catull oft gegeben (dicebas), dass sie ihn sogar dem Jupiter vorziehen wolle. Dass Catull in dem einen Gedichte dicit, im andern dicebas sagt, weist wohl schwerlich auf einen Zeitunterschied in der Abfassung hin. Es ist ein Versprechen aus der Zeit der ersten glücklichen Liebe (quondam), woran Catull erinnert. Sollte auch diese Aeusserung der Lesbia, die wie wir aus dicebat sehen, von ihr öfters wiederholt worden ist, dem Catull allerdings die Versicherung ihrer fortwährenden Liebe geben, so war es doch zugleich ein Scherz, und die Veranlassung zu diesem Scherze lässt sich aus Cicero's Briefen an Atticus erkennen. Sie wird dort wiederholt Вownis genannt, womit sie als zweite Juno hingestellt wird, und zwar wird dieser Name von Cicero geradezu als ihr Eigenname gebraucht, ohne irgend eine Hinzufügung des wahren Namens, so dass es für uns unmöglich sein würde zu wissen, wer damit gemeint sei, wenn dies nicht anderweitig aus dem Zusammenhange hervorginge (ad Attic. 2, 9. 11. 15. 22. 23). Es ist, wie oben gesagt, ein Name, den die Galanterie der Freunde für die flagrantia oculorum der Lesbia erfunden hatte, und

wenn sie Catull in schönen Stunden mit diesem Namen nannte, so lag der zweiten Juno jener Scherz mit Jupiter nahe genug.

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Dürfen wir den Ausdruck: nubere malle quam mihi, non si se Jupiter ipse petat wörtlich von einer Heirath verstehn? Ich sollte denken ja; wissen wir doch, dass sie auch einst bereit war, sich von ihrem Manne scheiden zu lassen, um Cicero zu heirathen. Bei welcher Gelegenheit konnte aber Catull mit solcher Erbitterung an jenen Ausspruch zurückdenken, dass er in die Worte ausbricht: mulier cupido quod dicit amanti, in vento et rapida scribere oportet aqua? Das war die Zeit, wo ihr Mann gestorben, wo sie frei war, aber nun weit entfernt den Catull zu heirathen im Hause ihres Bruders Clodius, als „vidua libere, proterva petulanter, libidinosa meretricis more“ zu leben begann (pro Cael. § 38). Darauf weist auch der in dem zweiten Gedichte bei „,nec prae me velle tenere Jovem" gebrauchte Ausdruck: ,,dilexi tum te non tantum ut vulgus amicam" hin, den er im Gegensatz zu der Treue und Hoheit seiner Liebe zu Lesbia gewählt hat, und der völlig zu Cicero's Worten passt: „meretricis more", und „si qua nupta non mulier sese in meretricia vita collocaverit".

Wider die Rivalen.

Während wir nur fünf Gedichte haben, in welchen Catull über die Treulosigkeit der Lesbia jammert (davon sind streng genommen nur zwei oder drei an Lesbia selber gerichtet), beläuft sich die Zahl der Spottgedichte wider die begünstigten Rivalen auf siebzehn. Daraus müssen wir die Folgerung ziehen, dass Catull den persönlichen Verkehr mit ihr bald abgebrochen, nachdem er erkannt, dass sie einem Andern ihre volle Gunst zu Theil werden liess. Aber die Gedanken an sie vermochte er nicht aufzugeben: ein jeder neue Verehrer verursachte ihm furchtbare Qualen, die er nur durch zornige Schmähverse auf ihn lindern konnte. Einige davon, wie Gellius und Rufus, sind seine alten Bekannten und Freunde, von denen er eine solche Perfidie nimmermehr erwartet hätte sie werden am meisten angegriffen. Fast alle aber sind sittenlose, lasterhafte Menschen: der Conflict zwischen dem schönen Bilde der Geliebten, wie es aus früheren besseren Tagen sich in ihm erhalten hat, und dem Schmutze ihrer jetzigen Umgebung ist so gewaltig, dass er seine Augen hiervon nicht abzuwenden vermag, und so ist es denn hauptsächlich die Gemeinheit der begünstigten Lieb

haber, bei welcher diese Gedichte verweilen. Dazu kommt das Gefühl der eifersüchtigen Rache: es gewährt ihm nämlich andererseits eine gewisse Befriedigung, dass, nachdem Lesbia sich von ihm ab- und Andern zugewandt hat, diese Anderen so tief unter ihm stehen. Wo Catull nicht im Stande ist, ihnen Laster vorzuwerfen, da kränkt er sie durch Verspottung ihrer körperlichen Gebrechen oder er triumphirt, dass auch sie von Lesbia verabschiedet sind: gerade hier mag wohl Catull die Farben etwas zu stark aufgetragen haben.

Diese Gattung der skoptischen Poesie ist nicht neu. Würden wir von den Gedichten des Archilochus, Anakreon und Hipponax nicht blos so unbedeutende Fragmente besitzen, so würden wir ohne Zweifel eine hinreichende Zahl griechischer Analoga zu Catulls Rivalenliedern haben: jetzt ist das Bruchstück aus dem ziemlich anständig gehaltenen Gedichte Anakreons auf Artemon fast das Einzige, was uns davon übrig ist (Bergk, fr. 21). Am meisten erinnert die in jeder Beziehung rücksichtslose und oft wahrhaft furchtbare Bitterkeit Catulls an Archilochus, an den sich sogar einmal ein ganz directer unverkennbarer Anklang in dem Anfange eines dieser Gedichte nachweisen lässt. Wie Archilochus bedient sich auch Catull seiner Verse als einer tödtlich verletzenden Waffe, durch die er sich in vollem Maasse rächen zu können glaubt (58, 8. 9; 50; 116, 8; 37, 8). Sein Grimm ist am stärksten im Anfange; er mildert sich in gleichem Verhältnisse mit der zunehmenden Sittenlosigkeit Lesbia's und seiner Verachtung gegen sie, und zuletzt kann Catull von seinen Nebenbuhlern sogar Bilder einer ganz heiteren Komik entwerfen. Wir denken dabei hauptsächlich an die Gedichte auf Egnatius und an Cato, welche entschieden die spätesten sind. Mit diesem verschiedenen Tone der Gedichte steht die Wahl des Metrums in Zusammenhang. Am meisten waltet das Distichon-Maass vor; in ihm sind die grimmigsten Lieder verfasst. Hatte es vielleicht auch Archilochus in dieser Weise gebraucht? Wo Catulls Gemüth von bittrem Zorne gegen die Rivalen freier geworden, verspottet er sie in Choliamben (Egnatius und seine Genossen), wo er völlig verächtlich gegen sie thut, da ergeht er sich in leichten Phaläceen (50. 56. 59).

Gegen vier unter ihnen sind die heftigsten und meisten Angriffe gerichtet: Gallus, der früheste dieser Rivalen, Gellius Poplicola, Sextus Clodius und Caelius Rufus, die letzten drei sämmtlich aus der Gesellschaft des Demagogen Clodius oder wenigstens durch ihn mit der Schwester bekannt. Die chronologische Folge, in welcher dieselben in

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