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Versuch, die allgemeinsten Resultate der mechanischen Wärmetheorie übersichtlich darzustellen.

Von Dr. H. Schröder.

(Vorgetragen in der Versammlung des Mannheimer Bezirksvereines vom 20. Juni 1870.)

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Indem ich es versuche, die allgemeinen Resultate der mechanischen Wärmetheorie in gedrängtester Uebersicht vorzuführen, spreche ich nicht an, dabei etwas Neues zu geben. Tyndall's Vorlesungen über die Wärme, betrachtet als eine Art der Bewegung", ferner Adolf Fiks' Vorträge „die Naturkräfte in ihrer Wechselbeziehung“, und andere populäre Versuche find musterhafte Vorbilder. Gleichwol hoffe ich, daß eine Uebersicht jener allgemeinen Resultate in der Form, wie ich sie hier gebe, nicht nuglos und namentlich für den Ingenieurverein von reichem Interesse sein werde.

1. Mechanische Arbeit und lebendige Kraft wandeln sich in Wärme um:

Obwol die Wahrheit dieses Saßes in Tausenden von Thatsachen sich erkennen läßt, ist man doch erst spät zu dessen Einsicht gekommen. Indem man die kalten Hände fest aneinander reibt, wird die Haut warm; läßt man sich zu rasch an einem Seile herunter, so trägt man Brandblasen davon; die Säge, mit welcher ein Stück Holz durchschnitten wird, erhigt sich; ebenso das Messer, welches man an einem trockenen. Schleifstein schärft; der Radschuh eines Wagens wird so heiß, daß man ihn nicht anfassen kann; die mechanische Arbeit, welche nöthig ist, einen bewegten Eisenbahnzug aufzuhalten, ist, wenn er zum Stillstand gebracht ist, größtentheils in die Wärme verwandelt, welche an den Bremsen, an den Radachsen, an den Radkränzen und Schienen mittelst der Reibung erzeugt wurde. Die lebendige Kraft eines herabfallenden Hammers wird in Wärme verwandelt, ein gehämmertes Stück Metall erhigt sich deshalb; eine Münze wird heiß unter dem. Prägestock. Wir beneßen einen Schleifstein mit Wasser, eine Säge mit Fett, wir schmieren die Achsen unserer Wagen, um zu verhindern, daß die mechanische Arbeit, welche wir leisten wollen, durch den Widerstand der Reibung sich in Wärme umsezt und dadurch verloren geht. Bei dem Feuerschlagen

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wird ein durch den harten scharfen Stein abgehobelter feiner Stahlspan so stark erhißt, daß er erglüht, schmilzt und verbrennt, das ist der Funke beim Feuerschlagen; die Streichhölzer entzünden sich durch Reibung. Kleine Weltkörper, wenn sie in die Atmosphäre mit planetarischer Geschwindigkeit eindringen, verdichten die Luft vor sich her, ihre Bewegung wird durch diesen Widerstand vermindert, ein Theil ihrer lebendigen Kraft wird in Wärme verwandelt, fie erglühen, und erscheinen als Sternschnuppen, Feuerkugeln u. s. w.; find sie groß genug, um dabei nicht ganz in der Atmosphäre zu verbrennen, und ist ihre Bewegung so beschaffen, daß sie sich der Erde hinreichend nähern, so fallen sie als Meteorsteine herunter. In allen diesen Fällen, welche sich leicht noch durch viele andere Beispiele vermehren ließen, wird Wärme erzeugt, so oft mechanische Arbeit oder lebendige Kraft verbraucht wird oder verloren geht.

Diese Thatsachen sind nicht neu, und ich führe abfichtlich nur allbekannte Thatsachen an; aber ihre richtige Auffassung ist erst in neuerer Zeit gelungen. Hat man doch Jahrhunderte lang und noch bis in die neueste Zeit die Wärme als einen Stoff betrachtet, welcher aus den Körpern gleichsam aus- und einfließt, oder sich mit ihnen wie eine Materie verbindet. Hat man sich doch eine Zeit lang vorgestellt, man könne aus einem Körper durch Reibung ohne Ende Wärme hervorlocken. Jezt betrachtet man die Wärme als einen Zustand der Bewegung der kleinsten Theile eines Körpers, und es wird hierdurch begreiflich, daß sich mechanische Arbeit und lebendige Kraft in Wärme umwandeln können.

2. Wärme verwandelt sich in lebendige Kraft und in mechanische Arbeit. Wenn comprimirte Luft sich ausdehnt, überwindet sie den Druck der Atmosphäre, welcher ihr Widerstand leistet; es wird dabei mechanische Arbeit verrichtet, und diese wird lediglich dadurch erzeugt oder ge

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wonnen, daß Wärme verschwindet; denn die Luft, welche sich ausdehnt, fühlt sich dabei ab. Jeder aufsteigende Luftstrom, indem er in Höhen gelangt, in welchen der Druck der Atmosphäre geringer ist, dehnt sich aus und kühlt sich ab, und dies ist, nebenbei gesagt, einer der Gründe, weshalb die Temperatur mit der Höhe über dem Boden durchschnittlich abnimmt.

Indem die Wärme der Feuerung durch die Wand eines Dampfkessels hindurch an das hinreichend erwärmte Wasser übergeht, erhigt sie das Wasser nicht weiter, sondern verschwindet, indem sie das Wasser in Dampf verwandelt; diese Dämpfe schieben mit kräftigem Druck den Kolben des Dampfcylinders vor sich her, dessen Arbeit auf die Arbeitsmaschinen übertragen wird, ein Theil der Verbrennungswärme der Kohlen im Herd wird dabei in mechanische Arbeit umgewandelt. Die Wärme, welche frei wird durch Verbrennung des Pulvers in einem Krupp'schen Geschüßrohr, verwandelt sich zum Theil in die mechanische Arbeit, durch welche die 100 pfünder Kugel in eine solche Geschwindigkeit versezt wird, daß sie mit unwiderstehlicher Gewalt einschlägt, und selbst einen neunzölligen Eisenpanzer durchbohrt.

3. Wir sind schon an dieser Stelle befähigt, uns einen weiteren Hauptbegriff klar zu machen: die Aequivalenz von Wärme und Arbeit. Nicht nur verwandelt sich Wärme in Arbeit, und Arbeit in Wärme, sondern eine bestimmte Wärmemenge verwandelt sich unter allen Umständen in die nämliche Quantität von mechanischer Arbeit oder lebendiger Kraft. Nennt man die Wärmemenge, welche nöthig ist, um ein Kilogramm Waffer um einen Centesimalgrad wärmer zu machen, eine Calorie oder Wärmeeinheit, so hat man sich überzeugt, daß durch jede umgewandelte Wärmeeinheit eine mechanische Arbeit von 424 Meterkilogramm gewonnen wird, und man nennt daher diese Zahl das mechanische Aequivalent der Wärme. Dr. Mayer in Heilbronn hat 1842 zuerst auf diese Aequivalenz aufmerksam gemacht, und sie ist experimentell vorzugsweise zuerst von Joule in Manchester bewiesen worden. Es hat dieser Begriff nicht wenig dazu beigetragen, die mechanische Wärmetheorie zu fördern und unsere Grundanschauung von den Naturfräften und ihrer Verwandlung, ja von dem Bestande der Welt selbst zu berichtigen und aufzuklären. Da wir nach Principien der Mechanik berechnen können, wie viel Meterkilogramm Arbeit erforderlich sind, um einen bewegten Körper von bekannter Masse und gegebener Geschwindigkeit aufzuhalten, so können wir also auch mit Hülfe des mechanischen Wärmeäquivalentes berechnen, wie viel Wärmeeinheiten oder Calorien gewonnen werden, wenn irgend eine Bewegung vernichtet wird. Man hält es für möglich und wahrscheinlich, daß die innere Gluthwärme des Erdballs ihren Ursprung darin genommen hat, daß die Bewegung der zu einem größeren Weltkörper sich zusammenballenden Massen bei ihrem Zusammentreffen vernichtet wurde, und man ist geneigt, die Gluthwärme der Sonne wie der ihr ähnlichen Fixsterne auf die gleiche Quelle zurückzuführen. Man hat berechnet, daß wenn der Erdball, welcher eine Geschwindigkeit von etwa 4 Meilen in der Secunde hat, durch einen Widerstand oder Stoß zur Ruhe gebracht würde, dadurch eine Wärmemenge gewonnen würde ebenso groß, wie durch die Verbrennung von 14 massiven Kohlen

fugeln von der Größe des Erdballs, hinreichend, um alle ihre Elemente in Dampf zu verwandeln. Wenn die zur Ruhe gebrachte Erde in Folge der allgemeinen Anziehung mit beschleunigter Geschwindigkeit in die Sonnenmasse fiele, so würde sie dort eine Wärme erzeugen, wie sie nur durch Verbrennung von 5600 massiven Erdkugeln aus reiner Kohle zu gewinnen wäre.

4. Ich will es nun versuchen klar zu machen, daß sich die innere oder auch chemische Arbeit, in welche sich die Wärme gleichfalls verwandeln kann, auf dieselben Principien zurückführen läßt. Denken wir uns, in unserem Planetensystem würden durch irgend welche Ursachen nicht nur die großen Planeten selbst, sondern auch die unzähligen kleinen meteorischen Massen, welche den Weltraum bevölkern wie die Infusorien das Meereswasser, denken wir uns, alle diese Massen würden in eine größere Geschwindigkeit verseßt, ihre Bewegung oder lebendige Kraft würde vermehrt, so würde dazu eine unermeßliche mechanische Arbeit erfordert, und es müßte, um sie zu gewinnen, ihr Aequivalent an Wärme verschwinden, oder mit anderen Worten verbraucht werden. Denkt man sich nun andererseits, daß die kleinsten Theile jedes Körpers, daß die Molecule der Körper sich in geschmäßigen Bewegungen befinden, so würde, wenn ein Körper so verändert wird, daß die lebendige Kraft seiner Molecüle wächst, bei diesem Vorgange Wärme verschwinden, und wenn der Körper so verändert wird, daß die lebendige Kraft seiner Molecule abnimmt; so müßte dabei Wärme frei werden. Um 1 Kilogrm. Eis von 0° in 1 Kilogrm. Wasser von 0° zu verwandeln, ist soviel Wärme erforderlich, daß damit 79 Kilogramm Wasser um einen Centesimalgrad erwärmt werden können, also 79 Calorien, deren mechanisches Aequivalent 79 × 424 Meterkilogramm ist. Soviel innere Arbeit oder inneres Werk leistet die Wärme, indem sie 1 Kilogrm. Eis in 1 Kilogrm. Wasser verwandelt; um den gleichen Betrag müßte nach der eben entwickelten Vorstellung die lebendige Kraft der Molecüle des Wassers größer sein, als die lebendige Kraft der Molecule des Eises. Ich erwähne dies jedoch nur zur Erläuterung, denn es kommen, wie ich fernerhin zeigen werde, noch andere Wirkungen in Betracht. Ganz analoge Vorstellungen kann man auf alle chemischen Vorgänge übertragen, bei welchen Wärme verbraucht oder frei wird. Indem Kohle mit dem Sauerstoff der Luft zu kohlensaurem Gas verbrennt, wird sehr viel Wärme frei; man kann sich vorstellen, daß ein Theil der den Molecülen des Sauerstoffs inhärenten Bewegung sich bei diesem Verbrennungsproceß in Wärme umgewandelt habe.

Wir haben daher als weiteren Saß den Begriff gewonnen: die Wärme verwandelt sich in inneres Werk und umgekehrt, und es wird bei dieser Verwandlung der physische und chemische Zustand der Stoffe verändert.

Man hat in solcher Weise umgewandelte Wärme, ehe man von der mechanischen Wärmetheorie eine Ahnung hatte, latente oder gebundene Wärme genannt; denn die Wärme, welche verbraucht wird, indem z. B. Eis sich in Wasser umwandelt, wird natürlich in völlig äquivalenter Menge wieder frei, oder wiedererzeugt, wenn die gleiche Menge Wasser wieder in den Zustand des Eises zurückkehrt.

5. Ebenso wie die Wärme kann auch mechanische Arbeit

gleichsam latent oder gebunden werden, d. h. sie kann verbraucht werden, um einen Vorrath von disponibler Arbeit anzusammeln. Wenn 1000 Säcke Korn von je 50 Kilogrm. Gewicht auf einen Speicher von 20" Höhe hinaufgehoben und dort niedergelegt werden, so ist eine mechanische Arbeit von 1000 x 50 x 20 oder von einer Million Meterkilogramm verbraucht worden; diese Arbeit hat sich nicht in Wärme und nicht in irgend eine Art von Bewegung von Massen oder von lebendiger Kraft verwandelt, sondern sie ist gleichsam latent, sie ist ein Vorrath von disponibler Arbeit geworden; denn die gleiche Arbeit von 1 Million Kilogrammmeteru kommt genau wieder zur Wirkung, wenn jene Kornsäcke wieder auf den Boden herabsinken. Ganz die entsprechende Wirkung kommt überall zum Vorschein, wo Centralkräfte, d. h. Anziehungskräfte von Massen wirken, wie die Schwere. Würde ein Theil der festen Erdrinde emporgeboben und auf Säulen unterstüßt, so wäre eine sehr große Arbeit latent geworden und in einen Vorrath von disponibler oder möglicher Arbeit verwandelt; würde jenes Gewölbe plötzlich zusammenstürzen, so würde jene disponible Arbeit während des Sturzes in lebendige Kraft, in Bewegung, und diese wieder bei dem Zusammenstoß mit der Unterlage in die äquivalente Menge von Wärme umgewandelt werden. Man kann hiernach sagen: jede zunehmende Entfernung sich anziehender Massen verbraucht Arbeit, und verwandelt sie in einen Vorrath disponibler Arbeit; jede Näherung derselben erzeugt lebendige Kraft, und macht einen entsprechenden Vorrath disponibler Arbeit verschwinden. Man ist wol berechtigt, den gleichen Begriff auch auf gewisse chemische oder innere Arbeiten der Wärme zu übertragen. Es wird nicht in allen Fällen anzunehmen sein, daß latent gewordene Wärme sich in wirkliche Bewegung oder lebendige Kraft der Molecüle umgesezt hat; ihre Wirkung kann auch in einer bloßen Entfernung sich anziehender Molecule bestehen, und es hat sich dann die Wärme in einen Vorrath von disponibler innerer oder chemis scher Arbeit umgewandelt, welche wieder zum Vorschein kommt, sobald die betreffenden Stoffe in den früheren physikalischen oder chemischen Zustand zurückkehren. Die Erwärmung der Körper ist fast stets von einer Entfernung ihrer Molecüle, von einer Ausdehnung der Körper begleitet.

disponiblen Vorrathes an solchen, oder die Summe der Arbeit und ihres Vorrathes ist im Weltall eine unveränderliche Größe. Man nennt dies Princip wol auch kurz das Princip von der Erhaltung der Kraft.

Man hat den Vorrath an möglicher Arbeit, wie er z. B. - in jedem aufgezogenen Gewichte sich findet, welches durch sein Herabsinken Arbeit leisten oder lebendige Kraft entwickeln kann, oder wie er in einer gespannten Feder sich findet, welche durch ihre Abwindung Arbeit leisten kann, man hat einen solchen Vorrath an möglicher Arbeit, nach dem Vorbild von Rankine auch potentielle Energie genannt, im Gegenfag zur actuellen Energie, d. i. der wirksam gewordenen Arbeitskraft. Helmholz in seiner denkwürdigen Schrift von 1847, die Erhaltung der Kraft", in welcher das eben entwickelte Princip zuerst mit voller Klarheit ausgesprochen ist, bat den Vorrath an möglicher Arbeit die Quantität der Spannkräfte genannt, so daß hiernach das erwähnte Princip auch ausgedrückt werden kann wie folgt:

6. Bemerken wir jezt noch, daß alle die bisher geschilderten Umwandlungen keineswegs immer oder nothwendigerweise direct stattfinden; es gehen solche Umwandlungen vor sich durch die Zwischenstufe aller bekannten Naturfräfte. Wärme kann sich in Licht, Licht in chemische Action umseßen. Mechanische Arbeit kann in Schallschwingung, diese in Wärme verwandelt werden; lebendige Kraft bewegter Massen kann unter entsprechenden Umständen erst in magnetische oder elektrische Kräfte und durch deren Vermittlung in Wärme oder Licht oder chemische Action umgesezt werden, und nicht minder werden solche Umwandlungen vermittelt durch die in den lebendigen Organismen der Pflanzen und Thiere wirksamen Kräfte, worauf ich später näher zurückkommen werde; aber bei all solchen Umwandlungen der Naturkräfte bleibt das Maß ihres mechanischen Aequivalentes unverändert bestehen.

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Dies führt uns zu der großen und merkwürdigen Wahrheit: die Summe der lebendigen Kräfte und des

Bei allen Naturerscheinungen bleibt die Gesammtsumme der Spannkräfte und lebendigen Kräfte constant; oder die Summe der potentiellen und actuellen Energie ist in der Welt unveränderlich.

7. Es reiht sich hier am zweckmäßigsten die Entwicklung eines analogen Princips an. Man hat sich seit Lavoisier, seit Einführung der Wage in die Chemie überzeugt, daß am nämlichen Orte die Gewichte der Körper den Quantitäten der Materie, welche sie enthalten, d. i. ihren Massen proportional sind, und man hat sich ebenso überzeugt, daß bei allen chemischen Processen, bei allen Verbindungen und Scheidungen, die Quantität der Materie, d. i. ihre Masse, unveränderlich) bleibt. Man kann mit Recht sagen, wenn es auch bisher nur selten ausgesprochen worden ist, daß die ganze neuere Chemie auf dem Princip der Erhaltung der Masse aufgebaut ist. Welche Veränderungen auch mit den Körperu vorgehen, es verschwindet keine Materie und es wird keine Materie erschaffen, die Quantität der Stoffe, ihre Masse ist bei allen Veränderungen im Weltall cine constante, unveränderliche Größe. Gleichwie sich nun die Chemie auf dem Princip der Erhaltung der Materie aufgebaut hat, so baut sich in unseren Tagen und durch die noch lebenden Forscher die Physik auf dem Princip der Erhaltung der Kraft auf. Ersteres ist das Kriterium oder der Prüfstein geworden für die Brauchbarkeit jeder chemischen Messung oder Analyse, lezteres ist das Kriterium für die Brauchbarkeit physikalischer Messungen. Beide Principien gehören zu den allgemeinsten und fruchtbarsten Erkenntnissen, zu welchen der Menschengeist bisher gelangt ist.

8. Wir haben uns durch das Bisherige klar gemacht, daß die Materie in der Welt eine unveränderliche Größe ist, oder daß die Masse im Weltall constant ist, und daß alle Naturerscheinungen sich zurückführen lassen auf Veränderungen in den Bewegungszuständen der Massen; die sichtbare Bewegung zusammenhängender Massen kann in die schwingende Bewegung des Schalls, des Lichts und der strahlenden Wärme, oder in die Bewegung, durch welche magnetische und elek trische Kräfte in die Ferne wirken, oder in die Molecularbewegung, wie sie durch sensible und latente Wärme verursacht wird, verwandelt werden; lebendige Kraft kann sich in

Spannkraft oder potentielle Energie umseßen und umgekehrt, aber die Summe dieser Kräfte ist unveränderlich.

Suchen wir uns nun zunächst klar zu machen, daß diese Principien auch ihre volle Gültigkeit behalten, wenn es sich um die Functionen lebender Geschöpfe, des Pflanzen- und Thierorganismus handelt. Der Baum, der im Walde wächst, verbraucht einen Theil der Wärme, welche ihm die Sonne zusendet, und bildet die Fasern seines Holzes, aus den Elementen der Kohlensäure und des Wassers. Es ist ein Theil der Sonnenwärme latent geworden, in einen chemischen Arbeitsvorrath verwandelt. Indem dies Holz im Ofen verbrennt, und indem dabei die Bestandtheile seiner Fasern wieder auf Kohlensäure und Wasser zurückgeführt werden, wird auch genau die Wärmemenge wieder frei, welche der Baum bei Erzeugung dieses Holzes im Sonnenschein verbraucht hat. Das Thier giebt beständig thierische Wärme an seine Umgebung ab, und leistet durch die Anstrengung seiner Muskeln mechanische Arbeit. Sprechen wir von einem bestimmten Thiere, z. B. von einem Pferde. Wenn es arbeiten soll, muß es auch genährt werden. Angenommen, es wird mit Hafer und Heu gefüttert; die Sonnenwärme, welche der Hafer und das Hen verbraucht oder latent gemacht haben, indem sie gewachsen sind, wird genau in gleicher Menge in dem Organismus des Pferdes als thierische Wärme wieder frei, oder wandelt sich in diesem Organismus in ihr äquivalentes Maß mechanischer Arbeit um, und es werden dabei durch den thierischen Lebensproceß, wie durch den Verbrennungsproceß, die Pflanzenstoffe wieder auf die nämlichen Verbindungen, Kohlensäure, Wasser u. f. w. zurückgeführt, aus welchen die Pflanze ihren Organismus im Sonnenlicht aufgebaut hat. Ich kann hier nicht näher eingehen auf das innere Wesen der Functionen der Pflanzen- und Thierorganismen, ich beschränke mich darauf, den Gegensaß zwischen thierischem und Pflanzenleben hervorzuheben, und den großen Kreislauf der Stoffe und Kräfte, welcher dadurch bedingt ist. Die Pflanze erzeugt im Licht aus den Elementen der Kohlensäure, des Wassers u. s. w. ihre zusammengesezten Verbindungen; das Thier genießt diese Verbindungen als Nahrung, und führt sie wieder auf Kohlensäure, Wasser u. s. w. zurück. Die Pflanze giebt freien Sauerstoff an die Atmosphäre ab; das Thier verbraucht freien Sauerstoff im Athmungsproceß. Die Pflanze macht Sonnenlicht und Sonnenwärme latent; das Thier entwickelt thierische Wärme; die Pflanze erzeugt Spannfräfte und bewirkt, daß sich ein Vorrath möglicher Arbeit anhäuft; das Thier seht diese Spannkräfte in lebendige Kräfte und in thierische Arbeit um; die Pflanze wandelt actuelle in potentielle, das Thier wandelt potentielle in actuelle Energie um.

Es bedarf zum Verständniß dieser Dinge, und zwar um so weniger, je weiter man in Erkenntniß fortschreitet, keiner besonderen Lebenskraft. Die allgemeinen Naturfräfte scheinen auch die lebenden Organismen überall da, wo die Bedingungen dazu gegeben sind, und nach Maßgabe dieser Bedingungen, zu gestalten.

9. Wir können uns den Zusammenhang all dieser Dinge noch deutlicher machen, wenn wir uns darüber klar werden, daß auf unserer Erdoberfläche alle mechanische Arbeit, alle lebendige Kraft und Bewegung lediglich durch Umwandlung

von Licht und Strahlwärme der Sonne erzeugt sind. Ich will versuchen, wie ich dies seit einer Reihe von Jahren thue, die Wahrheit dieses Sazes an dem Beispiel der Mühle zu erläutern und zwar an allen Arten von Mühlen, an der Windmühle, der Wassermühle, der Dampfmühle und der Pferdemühle. Die Windmühle: Durch den im Sonnenschein erwärmten Boden werden die unteren Luftschichten erwärmt, es wird Wärme verbraucht und in mechanische Arbeit umgewandelt, indem diese erwärmten Luftschichten sich ausdehnen und den Druck der Atmosphäre überwinden, während sie sich ausdehnen; dabei werden sie leichter als die kältere Luft, sie werden durch die fälteren und schwereren Luftschichten in die Höhe gedrückt, sie steigen auf und fältere Luftschichten fließen unten nach. Indem sich die erwärmten Luftschichten in der Höhe, und während sie in fältere Gegenden abfließen, wieder abkühlen, sinken sie wieder herab. Es entstehen so auf gesetzmäßige Weise alle Winde und alle Bewegungen in der Atmosphäre; es wird dabei ein Theil der Sonnenwärme in mechanische Arbeit und lebendige Kraft verwandelt. Indem der Windmüller die bewegte Luft auf die Flügel seiner Mühle wirken läßt und dadurch die Bewegungsgröße der bewegten Luft vermindert, überträgt er einen Theil der lebendigen Kraft derselben auf diese Flügel und durch diese auf den Mühlstein. Die Wassermühle: Indem die Sonnenstrahlen auf das Meerwasser treffen, verschwindet ein Theil ihrer Wärme und wird latent, indem Wasser in Wasserdämpfe verwandelt wird; diese Wasserdünste werden mit den erwärmten Luftschichten in die Höhe gehoben. Während die verbrauchte Sonnenwärme wieder frei wird, verwandeln sich diese Wasserdünste wieder in Wasser, welches zunächst als feiner Nebel in der Luft schwebt und sich unter gewissen Bedingungen zu Regentropfen sammelt, die zu Bächen und Flüssen zusammenfließen; die mechanische Arbeit, um das Wasser zu heben, ist durch verbrauchte Sonnenwärme geleistet; nachdem sich diese durch Ausstrahlung wieder in das Weltall zerstreut hat, leistet die lebendige Kraft des wieder herabsinkenden Wassers eine mechanische Arbeit, welche der Wassermüller zum Theil auf die Schaufeln seines Rades und durch dieses auf den Mühlstein überträgt. Die Dampfmühle: Indem Holz unter einem Dampfkessel verbrennt, wird die Sonnenwärme wieder frei, welche das Holz beim Wachsen latent gemacht hat; sind es aber Steinkohlen, so wird bei ihrer Verbrennung die Sonnenwärme wieder frei, welche vor wahrscheinlich Millionen von Jahren bei dem Wachsthum der Pflanzen latent wurde, deren Reste die Steinkohlen sind. Diese Wärme wird abermals latent, d. h. in potentielle Energie verwandelt, indem sie aus Wasser Dampf erzeugt; und indem dieser Dampf sich ausdehnt und den Kolben des Dampfcylinders vor sich herschiebt, wird diese potentielle Energie in actuelle oder mechanische Arbeit umgeseßt, welche die Dampfmaschine auf die Arbeitsmaschine, d. i. den Mühlstein überträgt. Die Pferdemühle: Treibt endlich ein lebendiges Geschöpf, ein Pferd, die Mühle, so habe ich ja schon auseinander geseßt, daß die thierische Arbeitskraft, welche es entwickelt, keine andere Quelle hat, als die Sonnenwärme, welche der Hafer und das Heu bei ihrem Wachsthum verbrauchten, und zu Spannkräften oder potentieller Energie aufgespeichert haben. Wir sehen: auf unserer Erde gäbe es keine Bewegung, keine

Thätigkeit, keine Veränderung ohne den Sonnenschein; alles bliebe unbeweglich, unveränderlich und todt.

Es ist wol ersichtlich geworden, daß ich mich überall darauf beschränke, lediglich die allgemeinen Resultate übersichtlich und gemeinfaßlich auszusprechen, zu welchen die Wissenschaft gelangt ist, und daß ich mit keinem Worte bei den Methoden und ihren Schwierigkeiten verweile, durch welche diese Resultate gewonnen und festgestellt wurden. Ich muß mich in dieser Weise beschränken, weil die Zeit ja kaum ausreicht, nur die allgemeinen Resultate in übersichtlichem Zusammenhange darzulegen, aber ich muß doch zugleich bemerken, daß nicht nur die Thätigkeit zahlloser Forscher während vieler Decennien erforderlich war, diese einfachen Geseße, welche der unendlichen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen zu Grunde liegen, nach und nach an's Licht zu bringen, sondern daß auch jedes einzelne Experiment, welches zu ihrer Prüfung angestellt wird, die ganze Summe von Hülfsmitteln der Wissenschaft und der Technik, gleichwie den ganzen Scharfsinn eminenter Männer in Anspruch nimmt.

10. Nachdem nachgewiesen ist, daß alle lebendige Kraft und mechanische Arbeit auf der Oberfläche der Weltkörper unseres Sonnensystems in den von der Sonne ausgesandten Licht und Wärmestrahlen ihre Quelle hat, so legt sich wol zunächst die Frage nahe: woher nehmen denn die Sonne und die ihr ähnlichen zahllosen Fixsterne diese leuchtende Wärme, welche sie beständig ausstrahlen? Die einzige bis jezt aufgestellte Hypothese, welche einigermaßen vor der Kritik stichhaltig erscheint, um diese Frage zu beantworten, ist ebenfalls von Mayer in Heilbronn zuerst ausführlich entwickelt worden, indem er nachweist, daß es genüge anzunehmen, daß beständig eine Summe kleiner meteorischer Massen sich in die Sonne stürze, wobei die lebendige Kraft dieser Meteormassen in Wärme verwandelt wird. Das Volumen der Sonne müßte sich dadurch allmälig vergrößern, aber nach seiner Rechnung würde dadurch in 30,000 Jahren der scheinbare Durchmesser der Sonne noch nicht um eine Bogensecunde zunehmen müssen, und deshalb zunächst für uns unwahrnehmbar bleiben. Da man jedoch keine Ursache begreift, durch welche die so immer mehr sich zusammenballenden Massen auch wieder in den Weltraum zerstreut werden könnten, so stehen wir hier an einer großen Lücke unseres Wissens; denn dieser Meteorsteinhagel müßte doch endlich einmal ein Ende nehmen, und das mit alles Leben, alle Bewegung und alle Arbeit in der Welt. Wir thun daher besser, in dieser Beziehung uns zunächst zu bescheiden und unsere Unwissenheit einzugestehen.

11. Wir haben gesehen, daß bei jeder Annäherung der Massen des Weltraums an ihre Centralförper wegen der allgemeinen Gravitation oder Schwere ein Vorrath von möglicher Arbeit verbraucht, und dafür ein äquivalenter Vorrath von lebendiger Kraft oder von Wärme erzeugt wird; und umgekehrt bei der Zunahme der Entfernung der Massen des Weltraums von ihren Centralkörpern wird Wärme oder lebendige Kraft verbraucht, und dafür ein Vorrath möglicher Arbeit angesammelt. Es läßt sich dies in ganz analoger Weise auch auf den Zusammenhang der chemischen Erscheinungen und der Wärme übertragen. Bei chemischen Verbindungen wird im Allgemeinen Wärme frei, bei chemischen Trennungen oder Dissociationen wird Wärme verbraucht.

Es werden

z. B. 8000 Wärmeeinheiten entwickelt, wenn ein Kilogramm Kohlenstoff mit Sauerstoff zu Kohlensäure verbrennt. Wenn fich die Molecule des Kohlenstoffs und des Sauerstoffs an ziehen, so muß durch ihre Näherung oder Vereinigung Wärme frei werden, durch ihre Trennung muß Wärme verbraucht werden; und es stimmt diese Annahme sonach vollkommen mit den allgemein beobachteten Thatsachen überein; ja durch die Arbeiten von H. St. Claire Deville ist nachgewiesen worden, daß die Wärme bei hinreichend hohen Temperaturen alle Verbindungen zerlegt, und man schreibt daher der Wärme ganz allgemein ein Disgregationsbestreben zu. Die Hypothese, daß die Körper aus kleinsten Theilen oder Molecülen bestehen, welche sich anziehen und in gesezmäßiger Weise umeinander schwingen, rotiren und oscilliren, und daß die Bewegung dieser Molecüle mit zunehmender Wärme fortwährend gesteigert wird, und so weit gesteigert werden kann, daß dadurch die Anziehung der Molecule vernichtet und ihre chemische Verbindung aufgehoben wird, stimmt also ebenfalls mit den allgemeinsten Erfahrungen überein.

12. Clausius, welcher auf mathematischem Wege die mechanische Wärmetheorie in erster Linie gefördert hat, ist es gelungen, über die Art der Bewegungen der Molecüle im gasförmigen Aggregatzustande zu viel bestimmteren Vorstellungen zu gelangen. Er nimmt an, daß die Molecüle eines Gases ganz unabhängig von einander im Raume herumfliegen, und ihre Wege geradlinig fortsegen, bis sie auf ein Hinderniß treffen, von welchem sie dann mit vollkommener Elasticität zurückprallen. Es ist merkwürdig, wie sehr alle wesentlichen und allgemeinen Eigenschaften der Gase mit dieser Hypothese in Einklang stehen. Es folgt daraus, wie es in der That der Fall ist, unmittelbar, daß ein Gas, wenn ihm fein Hinderniß im Wege steht, sich in's Endlose ausdehnen mus; es folgt ebenso, daß ein Gas auf die es einschließenden Wände nach allen Seiten einen Druck ausüben muß, indem beständig eine Unzahl von Molecülen gegen diese Wände anprallt; es ergiebt sich daraus das bekannte Boyle'sche, gewöhnlich Mariotte'sche Gesez genannt, wonach der Druck eines Gases in demselben Verhältniß wächst, in welchem es zusammengepreßt wird, denn die Stöße der Molecule gegen die Wände müssen in eben dem Verhältniß häufiger werden, in welchem der Raum verkleinert wird, in welchem sie eingeschlossen sind. Es ergiebt sich ebenso mit Nothwendigkeit das bekannte Gay-Lussac'sche Gesetz, wonach der Druck eines eingeschlossenen Gases der Temperatur proportional wächst. Die Temperatur ist nämlich das Maß der durchschnittlichen Kraft, mit welcher die Molecule bewegt sind. Indem wir ein Gas erwärmen, vergrößern wir die Bewegung seiner Molecüle. Endlich folgen aus jener Vorstellung auch die Geseze der Diffusion, wonach sich alle Gase, welche miteinander in Berührung treten, gleichförmig mischen u. s. w. Wer sich, ungeachtet dieser merkwürdigen Uebereinstimmung der theoretischen Anschauung und der Erfahrung, welche sich noch viel weiter ausdehnen läßt, als ich hier angeführt habe, dennoch von der Vorstellung dieses ewigen Hagels von Molecülen eines Gases auf alle mit ihm in Berührung tretenden Körper nicht völlig befriedigt findet, mag immerhin geltend machen, daß die wahre innere Natur der Gase wol eine von

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