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Es ist das in der That auch bei geringen Drucken physikalisch denkbar, wenn durch stattfindende Druckdifferenzen größere Massen in Bewegung gesezt werden und nach Beschreibung eines längeren Weges eine große lebendige Kraft erhalten. Ob diese Vorstellungsweise bei den geringen Wegstrecken innerhalb eines Kessels große Effecte zu erklären vermag, scheint zweifelhaft. Andere Vorstellungsweisen wiederum, welche auf den molecularen Vorgang der Dampfbildung zurückführen, lassen vermuthen, daß nach Entlastungen die Stellen der Kesselwandungen, an denen sich Dampfblasen entwickeln, bei diesem Uebergange der Masse zum etwa fiebenzehnhundertfachen Volumen momentan sehr hohen Drucken ausgesezt sind, und sich bei großen Entlastungen gleichzeitig an unendlich vielen Stellen der Wand Dampfblasen bilden und so momentan eine große Fläche hohem Drucke ausgesetzt ist, während solches beim gewöhnlichen Sieden nur an einzelnen kleinen Flächen= theilchen der Fall ist. Es liegt nun die Absicht vor, Untersuchungen über die Folgen der Entlastung in der Weise anzustellen, daß wir die einzelnen bei derselben wirkenden Einflüsse möglichst trennen, durch passende Mittel den Eintritt eines Siedeverzuges, so weit es angeht, ausschließen und so nach Herstellung eines möglichst regulären Nachstedens durch allmäliges Forschreiten in der Größe der Entlastungen ermitteln, wann dieses Nachsieden für die Kesselconstruction zu stürmisch wird. So wollen wir that= sächlich feststellen, wie stark man einen unversehrten Kessel bei möglichst regulärem Nachsieden entlasten kann, ohne Explosionsgefahr herbeizuführen. Eine zweite Versuchsreihe soll sich darauf beziehen, zu ermitteln, worin der wesentlichste Effect der Druckentlastung beruht. Es ist beabsichtigt, zu diesem Zwecke in einen Eisenkessel einen Bleikessel zu sehen, so jedoch, daß zwischen beiden ein Zwischenraum ist. Der Bleikessel communicirt mit dem Eisenkessel durch ein dauernd offenes recht großes Mannloch, welches unter dem Mannloche des Eisenkessels liegt. Das für das Anheizen im Eisenkessel erforderliche Wasser soll vor dem Versuche abgelassen und alsdann allmälig fortschreitend entlastet wer= den. Es entsteht nun die Frage: Wie wird der Bleikessel bei geringen Entlastungen deformirt werden? Die Kayser'sche Auffassung läßt vermuthen, daß der vom Wasser bedeckte Theil der Bleiwandung ausgeweitet oder aufgerissen wird. Gegen den oberen. Theil geschleuderte Wassermassen würden bei dem weichen Material ebenfalls kenntlich werden. Auch würde sich zeigen, falls die Wirkung an einzelnen Stellen, welche Hauptsize der Dampfbildung werden, localisirt würde. Der Verlauf dieser Versuche wird alsdann Anregung zu neuen geben.

Ueber den Siedeverzug, welcher hauptsächlich Gegenstand der bisherigen Arbeiten war, ist es eine unserer Hauptaufgaben, die Bedingungen für den Eintritt desselben so weit beherrschen zu lernen, um ihn zum Zwecke unserer Versuche beliebig in Kesseln herstellen zu können. Siedeverzug kann auf zweifache Weise entstehen, einerseits dadurch, daß man über einer Flüssigkeit, bei welcher Druck und Siedetemperatur in Uebereinstimmung sind, den auf der Flüssigkeit lastenden Druck verringert, ohne daß durch Nachsieden dieser Mangel an Uebereinstimmung zwischen Wasser= temperatur und Druck ausgeglichen wird. Andererseits kann Siedeverzug durch directe Ueberhizung von Wasser über die Siedetemperatur entstehen. Directe Ueberhizung von Wasser kann man am besten erzielen, wenn man, wie Dufour, Wassertröpfchen in einer Delmischung von gleichem specifischem Gewichte erhißt. Kleine Tröpfchen von 1 bis 2 Durchmesser gelangen so häufig auf eine Temperatur von 170 bis 180° C., ohne Dampf zu entwickeln. Größere in dieser Celmischung schwimmende Wasserkugeln erlangen ohne zu sieden etwa die Temperatur von 120° C. Es entstanden nun zunächst Zweifel, ob die Temperatur des Deles, welche man ja allein bei den Versuchen mißt, auch die der Wasserkugeln sei.

Es ist das von Dufour nur für die unter 100° liegende Entfärbungstemperatur der Jodstärke bewiesen. Wohl aber war es denkbar und sogar durch gewisse Erscheinungen nicht unwahrscheinlich, daß sich um diese Wasserkugeln bei Temperaturen, welche über 100 C. liegen, analog wie beim Leiden frost'schen Phänomen ein dünner, die Wärme wenig leitender Dampfmantel bilde und daß die ganz geringen Spuren neu gebildeten Dampfes bei der dauernden Bewegung der Kugel abgeführt werden oder in Action mit der complicirt zusammengesetzten Delmischung treten, und somit die Wasserkugeln gar nicht so hoch überhigt seien, wie es aus Messung der Oeltemperatur geschlossen wird. Es galt also die Temperatur der Wasserkugeln sicher festzustellen. Es gelang ein Thermometer mit sehr kleinem Quecksilbergefäße in diese Wasserkugeln einzuführen und die Temperatur derselben somit direct zu messen. Nach sorgfältiger Reinigung mit Seife gelingt es, dem Quecksilbergefäße seine diametrale Lage in der Wasserkugel zu wahren. Diese Messungen ergaben, daß, wenn auch eine Differenz zwischen Del- und Wassertemperatur stattfindet, dieselbe doch nur wenige Grade beträgt und übrigens, wie sich voraussehen läßt, für jeden Versuch anders ist. Der Umstand jedoch, daß die Einführung des Thermometergefäßes in die Wasserkugeln die Ueberhizung nicht im Geringsten hinderte, lehrte, daß diese großen directen Ueberhigungen nicht an die Bedingung gebunden seien, daß das Wasser nicht mit festen Gefäßwandungen in Berührung sei. So entstand die Anregung, größere in Glasgefäßen befindliche Wassermassen bei atmosphärischem Drucke unter einer be= deckenden Delschicht möglichst direct zu überhigen, alsdann mit einer Luftpumpe den auf der Flüssigkeit lastenden Druck zu vermindern und so durch Combination beider Methoden sehr große Siedeverzüge zu erhalten.

Bei einer der größten dieser so erhaltenen Verzüge war die Wassertemperatur 118° C. und der auf der Flüssigkeit lastende Druck 191 Quecksilberhöhe. Es entspricht das einem Siedeverzuge von 53° C. und einem Druckverzuge von 1208mm Quecksilberhöhe. Es bedeutet dieser lettere Druckverzug eben, daß die bei Aufhebung des Verzuges sich. entwickelnden Dampfblasen mit einer Druckdifferenz von 1208 aus der Flüssigkeit herausgeschleudert werden. Die Effecte dieses enormen Siedeverzuges waren sehr gering und nicht geeignet, die zu dem Versuche verwendete papierdünne Glasretorte nur im Geringsten zu gefährden. Gewisse Betrachtungen, welche sich aus späteren Versuchen ergaben, machten diese geringen Effecte erklärlich. Das Wesen des Siedeverzuges ist verknüpft mit dem molecularen Vorgange der Dampfbildung. Um ein Theilchen Wasser von 100° in Dampf von 100° zu verwandeln, ist eine Wärmemenge erforderlich, welche das Theilchen selbst auf etwa 600° erhigen würde. Dieses Quantum Wärmebewegung wird zur Arbeit gegen die anziehenden Kräfte der Theilchen verbraucht und verschwindet, wenn die sich anziehenden Wassertheilchen zum Dampfzustande auseinander gerissen werden. Bei einer nicht fest bestimmten Wassertemperatur, bei welcher aber jedenfalls die Dampftension den äußeren Druck übersteigen muß, kommen die erwähnten großen Wärmemengen auf eine unbekannte Weise für die Dampfbildung zur Verwendung, und das Wasser beginnt zu steden. Dieser Siedepunkt wie auch die zur Dampfbildung erforderliche innere Arbeit hängen ab von dem auf der Flüssigkeit lastenden Drucke. Nun aber ist der Druck im Innern einer Flüssigkeit durchaus nicht dem auf derselben lastenden in allen Punkten gleich, sondern ebenfalls bedingt durch die in der Flüssigkeit stattfindenden Strömungen. Erzeugen wir über einer Wassermasse einen Druck von 100 Atmosphären, so wird es dennoch bei bestimmten Strömungsverhältnissen Punkte in dieser Flüssigkeit geben, an denen uns ein Manometer so geringe Drucke ergeben würde, wie wir sie nur mittelst einer Luftpumpe.

herstellen können. Hr. Geheimrath Helmholz, welcher Untersuchungen über Wirbelbewegungen in Flüssigkeiten, ebenso über die Druckverhältnisse und das Zerreißen von Flüssigkeiten, welche an scharfen Kanten vorbeiströmen, gemacht hat, wies besonders auf die Betrachtung dieser Verhältnisse hin, und in der That kann es bei der Frage, ob sich in einem bestimmten Punkte der Flüssigkeit eine Dampfblase bilden wird, nicht auf den Druck ankommen, welcher auf der Oberfläche der Flüssigkeit lastet, sondern auf den in diesem Punkte stattfindenden Druck, welcher in Folge von Strömungen sehr wohl der des luftleeren Raumes sein kann. So liefern uns die Elemente der Hydrodynamik den Gesichtspunkt, von dem aus wir das Phänomen des Siedens und auch des Siedeverzuges zu betrachten haben. Die Bildung von Dampfblasen überhaupt wird vielleicht nur ein Verdunsten an den freien Oberflächen sein, welche durch Zerreißen der Flüssigkeit im Innern bei Strömungen entstehen. Demnach werden wir um so größere Siedeverzüge erhalten, jemehr wir den Eintritt geringer Druckwerthe an einzelnen Punkten der Flüssigkeit vermeiden können. Es sind zwei Factoren, von denen der Eintritt geringer Druckwerthe an einzelnen Stellen der Flüssigkeit abhängt die Stärke der Circulation und die Gestalt fester Massen, an denen die circulirenden Flüssigkeiten vorbeifließen. Bei gleicher Circulation werden die eintretenden Druckverminderungen um so größer sein, je schärfere Kanten sich an den festen Körpern, an denen die Flüssigkeit vorbeiströmt, vorfinden. Es brauchen das nicht mit den Augen sichtbare Ecken und Kanten zu sein, und wir können sagen: wenn wir in einem Gefäße Wasser erhigen, daß die eintretende Siedeverspätung alsdann bedingt sein wird durch die Circulation in der Flüssigkeit und die Oberflächenbeschaffenheit der Gefäßwandungen. Die geschmolzene Oberfläche von Glasgefäßen scheint am wenigsten die Ecken und Kanten darzubieten, welche in Folge der Circulation zu localen Druckverminderungen führen. In wie weit die Oberflächenbeschaffenheit der einzelnen Metalle dem Eintritt eines Siedeverzuges mehr oder minder günstig ist, darüber wurden in der Weise Versuche angestellt, daß in Wasser, welches sich in einer Glasretorte befand und in welchem nun durch Erhizen zum Sieden und Luftverdünnung Siedeverzüge hergestellt wurden, verschiedene Metallstücke von verschiedenster Form und Politur hineingelegt wurden. Es sind einige tabellarisch zusammengestellte Resultate solcher Versuche in dem Berichte an= gegeben. Die sehr veränderlichen Resultate dieser übrigens noch nicht abgeschlossenen Versuche nöthigten, vor weiterem Fortschreiten zunächst den zweiten Factor der Erscheinung, die Circulation in der Flüssigkeit besser beherrschen zu lernen, da eben die bei jedem Versuche veränderten Circulationsverhältnisse die Erscheinung unberechenbar machten. Es wurde daher bei Anwendung der constanten Oberflächenbeschaffenheit wohl gereinigter Glaswandungen näher auf die Circulationsverhältnisse eingegangen. Dem Eintritt der Siedeverzüge am schädlichsten scheint die Circulation, welche durch Verdunstung an der Oberfläche hervorgebracht wird. Das durch diese Verdunstung stark abgekühlte und deshalb schwerer gewordene Wasser sinkt herab und verseßt die gesammte Flüssigkeit in Bewegung. Diese Oberflächenverdunstung wird nun durch eine Delschicht vollständig gehindert und demnach wurden jezt Versuche mit einer Delschicht wieder aufgenommen. Die zähe Delschicht an und für sich bedingt keine Verspätung des Siedens, und finden sich ausreichend Punkte, welche zur rechtzeitigen Dampfbildung disponiren, so ändert die Oelschicht den Siedepunkt nicht. Sie wirkt nur durch ihren Einfluß auf die Circulationsverhältnisse in der Flüssigkeit. Es stehen diese Versuche mit einer Oelschicht dem wirklichen Kesselbetriebe nicht ganz so fern, als es auf den ersten Blick scheint. Die Delschicht wirkt der durch Oberflächenverdunstung entstehenden Circulation entgegen. Beim Kesselbetriebe nun sind

es andere Motive, welche einen ähnlichen Einfluß üben.* Man spricht von dem Wasser im Kessel. In gewissen Perioden des Betriebes aber ist nicht Wasser, sondern ein mehr oder minder dicker Schlamm im Kessel. Diese in der Kesselflüssigkeit suspendirten Massen nun hemmen die Geschwindigkeit der von der Oberfläche herabsinkenden Wassertheilchen und vermindern so die Circulation. Es sind für die nächstliegende Zeit Versuche mit solchen mehr oder minder dicken Kesselflüssigkeiten in Aussicht genommen. Ob das häufig ganz auffallende Stoßen, welches man beim Erhizen von Flüssigkeiten, in welchen Niederschläge verbreitet sind, wie man es bei analytischen Arbeiten häufig wahrnimmt, durch Siedeverzug in Folge der mangelhaften Circulation mitbedingt sind, ist eine offene Frage. Es können die molecularen Anziehungen der gewiß häufig viele Quadratmeilen betragenden Oberfläche eines solchen suspendirten Niederschlages vielleicht auch für das Stoßen beim Erhizen schlammiger Flüssigkeiten einen Einfluß auf die Ueberhitung üben. In den hier beschriebenen Versuchen nun wurde die Circulation durch Oberflächenverdunstung durch eine bedeckende Delschicht definitiv ausgeschlossen. Es handelte sich jezt auch um Vermeidung der Circulationen, welche bei der Erhizung selbst, durch Aufsteigen der durch Erwärmung leichter gewordenen Theilchen, verursacht werden. Hierzu ist es erforderlich, die Flüssigkeit nicht vom Boden aus zu erhißen, sondern Sorge zu tragen, daß die oberen Theile der Flüssigkeit etwas wärmer find, als die unteren, und die Temperatur allmälig ansteigt, wenn man vom Gefäßboden aus bis zum Flüssigkeitsniveau emporsteigt. Zu diesem Zwecke wurde die Vorrichtung, welche ich Ihnen hier vorführe, zur Erwärmung der Flüssigkeit construirt. Mittelst der dreifachen Art der Regulirung gelingt es, die Temperaturen innerhalb einer in einem großen Becherglase befindlichen Wassermasse ziemlich vollständig zu beherrschen, und die so angestellten Versuche, welche lehren, wie verschiedene Temperaturen innerhalb einer verhältnißmäßig geringen Wassermasse stattfinden können, selbst wenn ein Theil derselben im Sieden begriffen ist, zeigen deutlich, daß die Messung der Wassertemperatur an einer Stelle im Kessel durch das Scheffler'sche Dampfkesselthermometer für die Beurtheilung eintretender Siedeverzüge keine erhebliche Bedeutung haben kann. Bei solcher Vermeidung stärkerer Circulationen gelingt es, in ge= reinigten Glasgefäßen stets erhebliche Ueberhizungen zu erzielen. Man gelangt bei atmosphärischem Drucke in der Regel bis 115° C., zuweilen auch bis 124° C. Der Umstand, daß die Versuche sich jezt bequem mit größeren Wassermassen anstellen ließen, ließ Erscheinungen beobachten, welche zu ganz anderen Ansichten über den Siedeverzug führten, als man sie aus den von Dufour angestellten Versuchen entnimmt. Man stellt sich nach diesen lezteren den Siedeverzug als einen instabilen Gleichgewichtszustand vor, aus welchem sich bei seiner Aufhebung durch eine Erschütterung momentan durch Entwickelung eines Dampfstoßes Druck und Flüssigkeitstemperatur in Einklang seßen. Auf einer solchen Anschauung müßte auch jeglicher Calcül ruhen, welcher über die mechanischen Effecte des Siedeverzuges a priori etwas aussagen wollte. Die Sache verhält sich jedoch anders. Jede Aufhebung des Verzuges ist eine rein locale, auf die Aufhebungsstelle beschränkte, und der übrige Theil der Flüsftgkeit wird nur in soweit davon betroffen, als es die durch die locale Dampfentwickelung entstehende Circulation bei der stattfindenden Oberflächenbeschaffenheit des Gefäßes bedingt. Bei ganz kleinen Wassermassen nun wird die Aufhebung des Verzuges an einer Stelle in der Regel so heftige Wallungen zur Folge haben, daß sich der Verzug hierdurch in der gesammten Flüssigkeit aufhebt. Erhizen wir nun aber eine größere Wassermenge unter einer Oelschicht auf etwa 110° C. und erregen durch Stoß oder andere Mittel Dampfent= wickelung, so hebt sich, trozdem Dampfblasen durch die gesammte

Flüssigkeit steigen, der Verzug nicht völlig auf, sondern die Tem= peratur sinkt auf 108°, 107° oder 106° C., je nachdem durch den entwickelten Dampf größere oder geringere Circulationen entstanden sind. Werfen wir ebenso ein Stückchen Bergkrystall in die Flüssigkeit, so heben die sich an demselben entwickelnden Dampfblasen auch nur ganz local den Verzug auf. Auch bei scheinbar plöglicher Aufhebung liegt doch eine Reihe successiver Vorgänge vor. In Folge der von einer Stelle ausgehenden Dampfblase werden andere Stellen bis zur Aufhebung des Verzuges erschüttert. Die hier entwickelten Dampfblasen wirken in derselben Weise weiter und so fort. So entsteht bei Aufhebung eines Siedeverzuges zur Ausgleichung zwischen Druck und Flüssigkeitstemperatur kein momentaner Dampfstoß, sondern ein mehr oder minder stürmisches Sieden, welches ganz erhebliche Zeit andauert. In Bezug auf die mechanischen Effecte aber unterscheidet sich diese Auffassung von der einer momentanen Aufhebung des Verzuges, wie etwa ein zerschmetternder Hammerschlag von einer großen Zahl kleinerer Schläge, deren umme dieselbe lebendige Kraft repräsentirt, und es wird wohl verständlich, daß die Effecte bei den angestellten Versuchen nicht so groß waren, als man es nach dem Grade der Ueberhigung vermuthen sollte. Noch eine andere Folgerung aber läßt sich ziehen. Es werden diese mechanischen Effecte nicht allein. von der Größe des Verzuges abhängen, sondern auch von der Zeitdauer, in welcher seine Aufhebung vor sich geht. Diese aber hängt ab von den durch die Aufhebung an einzelnen Punkten hervorgerufenen Circulationen, und bei diesen wiederum kommen die Gestalt des Gefäßes und tausend andere Einflüsse in Betracht. Haben wir daher bei der Aufhebung eines Siedeverzuges nur geringe Effecte erhalten, so werden wir nie behaupten können, daß derselbe Verzug nicht auch bei einer schnelleren Aufhebung größere Effecte liefern kann. Wir werden daher unsere Schlüsse nur aus sehr zahlreichen Versuchen machen können.

Es entstand nun die wichtige Frage: Ift bei der Aufhebung des Siedeverzuges durch den elektrischen Strom diese Aufhebung auch nur eine local auf die Pole beschränkte, oder wird der Siedeverzug auf der gesammten Strombahn aufgehoben? Man stellt sich ja vor, daß bei der Einwirkung des Stromes auf das Wasser die Wasserstoff- und Sauerstoffatome sich reihenweise verschieben, und so könnten wohl auf der ganzen Strombahn moleculare Erschütterungen stattfinden, welche die Ueberhizung aufheben. Es ist dies nicht der Fall. Die Wirkung ist ebenfalls eine locale, auf die Pole beschränkte, an denen sich durch die Wasserzersetzung Gasblasen entwickeln, und es gelingt schon bei den verwendeten. kleinen Wassermassen unter einer Oelschicht, auch bei Anwendung eines elektrischen Stromes Ueberhizungen nach Schluß des Stromes beizubehalten. So wird es sehr unwahrscheinlich, daß zwei in

einen Kessel eingesenkte Pole einer schwachen galvanischen Batterie den Sicdeverzug im Kessel unmöglich machen, und es wird zur Vermeidung des Siedeverzuges nöthig sein, daß von den Theilen einer sehr großen im Kessel befindlichen Fläche die rechtzeitige Bildung der Dampfblasen ausgeht. Viele vergeblichen Versuche sind nun angestellt worden, diese Siedeverzüge in Metallgefäßen herzustellen. In den beiden durch Glasaugen und Glascylinder durchsichtig gemachten Apparaten, welche ich Ihnen hier vorführe, gelang es trop stetiger Wiederholung der Versuche nicht, Siedeverspätungen zu erhalten. Es wurde mit stetiger Wiederholung dieser Versuche sehr viel Zeit verloren, und schon wurde es als nothwendig anerkannt, in Gefäßen mit künstlicher Kesselsteinüberkleidung oder in glafirten Metallgefäßen zu operiren. In legter Zeit jedoch ließ sich auch in cylindrischen Gefäßen von verzinntem Eisenblech Wasser unter einer Oelschicht auf 115 bis 120° C. überhizen. Häufig gelingt dies.r Versuch troß mehrstündigem Auskochen der Gefäße nicht, ohne daß man Gründe dafür anzugeben weiß. Es wirken hier Verhältnisse der Oberflächenbeschaffenheit, welche noch nicht ganz ergründet sind. In der Folge nun werden die Versuche unter Anwendung höherer Drucke angestellt werden, und es ist der Commission ein Vlan für diese Versuche, soweit sich ein solcher vorher aufstellen läßt, eingereicht.

Ich will Sie, m. H., nicht länger mit der Beschreibung der angestellten und in Aussicht genommenen Versuche ermüden und glaube in dem Vorstehenden das Wesentlichste mitgetheilt zu haben."

Im Anschluß an den Vortrag hob Hr. Blaß hervor, daß die vom Vorredner in Angriff genommenen Versuche eine sehr genaue Beobachtung und viele Zeit und Mühe erfordern. Es sei unthunlich, den ferneren Gang der Untersuchungen jezt schon zu präcisiren; er wolle nur im Allgemeinen andeuten, daß seither ausschließlich mit reinem Wasser in reinen Gefäßen experimentirt worden sei und daß es sich nun fernerhin darum handeln. müsse, die Erscheinungen festzustellen, welche sich bei Anwendung von Wasser mit verschiedenen in der Praris vorkommenden Beimischungen und in incrustirten Gefäßen ergeben. Aus den erzielten Resultaten werde sich dann der fernere Verlauf der Untersuchungen naturgemäß von selbst ergeben.

Redner wies noch darauf hin, daß von manchen Verunreinigungen des Wassers schädliche Folgen bereits constatirt seien, wie z. B. fettiges Speisewasser Stöße im Kessel erzeuge u. f. f. und sprach zum Schluß dem Hrn. Dr. Cohn für das interessante Referat den Dank aus, welchem die Versammlung gern zustimmte.

Den Schluß der Sizung bildeten Wahlen und andere innere Vereinsangelegenheiten.

Berichtigung zu Heft 2.

Auf Tafel V ist Fig. 7 dahin abzuändern, daß das dort gezeichnete Joch seine runde Seite nach links unten kehrt, das Drahtseil also von rechts oben kommend, um dasselbe herumgeführt ist. An dem Joch ist mittelst zweier Schienen ein Rundeisen befestigt, welches links unten in dem Querträger verschraubt ist, also in die Richtung des in der Figur fälschlich angegebenen Seiles fällt.

A. W. Schade's Buchdruckerei (L. Schade) in Berlin, Stallschreiberstr. 47.

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Zusammenstellung der Formeln für die technisch wichtigsten chemischen Verbindungen nach der alten und neuen (typischen) Anschauungsweise.

Von Dr. K. List.

Wenn auch in den technischen Zeitschriften aus Rücksicht auf die Mehrzahl der Leser die alte Schreibweise der chemischen. Formeln noch beibehalten wird, so ist doch in den wissenschaftlichen Schriften die neuere Ausdrucksweise so allgemein geworden, daß es denjenigen, welche nicht Gelegenheit hatten, sich die neuere Anschauungsweise anzueignen, schwer werden muß, ihre Sprache zu verstehen. Es dürfte deshalb den Lesern unserer Zeitschrift eine Zusammenstellung der alten (dualistischen) und neueren Formeln willkommen sein, die dazu dienen soll, ihnen das Verständniß der neueren Lehrbücher und wissenschaftlichen Abhandlungen zu erleichtern.

Indem wir einige Säße zur Erklärung der typischen Formeln vorausschicken, welche die Hauptzüge der denselben zu Grunde liegenden Anschauungen enthalten*), hoffen wir um so mehr ihre Ausbreitung in weiteren Kreisen zu fördern.

1. Nach der Eigenthümlichkeit in ihrer Bildung und Zersetzung lassen sich die am genauesten bekannnten chemischen Verbindungen in vier Abtheilungen bringen, indem sie entweder dem Typus der Salzsäure oder des Wassers oder des Ammoniak oder des Sumpfgases entsprechen:

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2. Um 1 Atom Wasserstoff vollständig zu erseßen oder zu binden, ist von einigen Grundstoffen 1 Atom nöthig, diese werden deshalb einwerthige genannt; die übrigen können theils 2, 3 oder 4 Atome Wasserstoff erseßen oder binden (Al und Er wahrscheinlich 6 Atome).

Einwerthig sind: H, Cl, Br, J, F, K, Na, Ag.
Zweiwerthig = O, S, Ba, ¤, Ca, Mg, Zn, Fe, Co, Ni, Mn, Єd,
Pb, Cu.

=

Dreiwerthig N, P, B, As, Sb, Al, €r, Bi, Au. Vierwerthig €, Si, Sn, Pt *). 3. 1 Atom eines einwerthigen Elementes erseßt oder bindet hiernach nur 1 Atom eines anderen einwerthigen Elementes; 1 Atom eines zweiwerthigen 2 Atome eines einwerthigen oder 1 Atom eines zweiwerthigen; 1 Atom eines dreiwerthigen 3 Atome eines einwerthigen, oder 1 Atom eines dreiwerthigen oder auch 1 Atom eines einwerthigen + 1 Atom eines zweiwerthigen. 2 Atome eines dreiwerthigen Elementes können sich mit 3 Atomen eines zweiwerthigen verbinden u. s. w. Ausnahmen hiervon bilden nur einige leicht zerseßbare Verbindungen.

4. Auch die zusammengesezten Radicale haben eine verschiedene Werthigkeit (Valenz). Einwerthig ist NH*; zweiwerthig z. B. SO2 und CO; dreiwertbig PO in der Phosphorsäure.

5. Die Wasserstoffsäuren sind Verbindungen von dem Typus Salzsäure, in denen das Chlor durch ein Nichtmetall oder sauerstofffreies Radical ersegt ist,

Flußsäure HF.
Salzsäure HCI.

Blausäure HCN.

6. Die Sauerstoffsäuren gehören dem Typus Wasser an,

*) Die durchgestrichenen Buchstaben deuten an, daß das Verbindungsgewicht verdoppelt ist; z. B. 0 = 16. Si ist = 28.

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Auf solche Weise erhält man die zweibasischen und dreibasischen Säuren.

7. Salze heißen die Verbindungen, welche entstehen, wenn in einer Säure der Wasserstoff durch ein Metall oder zusammengeseztes elektropositives Radical erset wird; je nachdem dieses in einer Wasserstoffsäure oder Sauerstoffsäure geschieht, entsteht ein Haloïdsalz oder Sauerstofffalz.

Der früher angenommene Unterschied zwischen Sauerstoffsäuren und Wasserstoffsäuren, Sauerstoffsalzen und Haloïdsalzen fällt also weg.

Die Haloïdsalze entsprechen dem Typus Salzsäure, die Sauerstofffalze dem Typus Wasser.

8. Basen entstehen, wenn im Wasser die Hälfte des Wasserstoffes durch ein Metall oder ein zusammengeseztes elektropositives Radical ersetzt wird.

Die von mehrwerthigen Molecülen gebildeten Basen müssen von vereinigten Wassermolecülen abgeleitet werden (vergl. 6). Sie werden mehrsäurige Basen genannt.

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11. Zu den sauren Salzen ist in einer mehrbasischen Säure nicht aller Wasserstoff durch ein Metall erseßt.

12. In den Doppelfalzen ist in einer mehrbasischen Säure der Wasserstoff durch verschiedene Metalle erseßt.

Die zweibasischen Säuren können mithin nur mit einem einwerthigen Metall saure und Doppelsalze bilden, die dreibasischen auch mit zweiwerthigen. Einbasische Säuren können mit einwerthigen Metallen keine saure oder Doppelsalze bilden. 13. In den basischen Salzen ist in einer mehrfäurigen Base der Wasserstoff nicht vollständig durch ein Säureradical erseßt.

Die basischen Salze der mehrbasischen Säuren müssen von einem Wassermolecül abgeleitet werden, welches aus mehreren einfachen Molecülen zusammengefeßt ist. Viele basische Salze entsprechen indessen dieser Auffassung nicht.

14. Die wasserfreien Säuren oder Anhydride erhält man, indem man im Wasser allen Wasserstoff durch ein Säureradical erseßt.

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Arsenige Säure Arsensäurehydrat

dualistisch As 03

molecular As 203

3 HO. As 05

H3As 03

3 H

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*) Der früheren Ansicht, daß jedes Salz durch die Vereinigung einer wasserfreien Säure mit einer wasserfreien Base entstehe, widerspricht die Thatsache, daß die wirklich dargestellten sogenannten wasserfreien Säuren ein geringes Vereinigungsstreben zu wasserfreien Metalloryden (Basen) zeigen.

Bleioryd (Glätte) Bleiorydhydrat

*) Oder wahrscheinlich sech 8 werthig.

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