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Um unsern Kronprinzen in seinem Streben nach Bildung und geistigem Genusse nåher zu betrachten; so heben wir noch zwei Stellen aus Briefen an Algarotti aus. Den 4. Dezember 1739 schreibt er ihm: Wenn Sie in London irgend ein Werk finden, welches der Aufmerksamkeit eines Fremden würdig ist; so bitte ich, lassen Sie es mich wissen. Ich habe ein Buch von Mylord Chesterfield, welches voll von Geist, von gutem Scherz und von Annehmlichkeiten ist; es betrifft den Anzug der Damen. Vergessen Sie wenigstens nicht die seltsamen Erzeugnisse des Doctor Swift. Seine neuen, gewagten und bisweilen ausschweifenden Ideen unterhalten mich. Ich liebe diesen englischen Rabelais sehr, zumal, wenn er von der Satire begeistert ist und sich seiner Einbildung überlåsst; - den 29. Oktober 1739 an denselben: Ich betrachte die Männer von Geist wie Seraphim, im Vergleiche mit der gemeinen und verächtlichen Menge, welche nicht denkt. Ich liebe es, einen Briefwechsel zu unterhalten mit diesen erhabeneren Weisen, mit diesen Wesen, welche ganz geistig sein würden, wenn sie keine Körper håtten: das ist die Blüte der Menschheit.“

Um mit der neuen französischen Literatur immer in der genauesten Vertrautheit zn bleiben, so nahm Friedrich 1736 Voltaire's Freund Thiriot in Paris zum wissenschaftlichen Geschäftstråger („Agent et Correspondant littéraire“) für ein kleis nes Gehalt an1).

Noch ist von des Kronprinzen Kapelle zu sprechen, in der sich nur Deutsche2) fanden, vor Allen die beiden Graun, die beiden

Hatt' ich Geschmack an Sophokles, Horaz
und Cicero. Noch reifer, forscht' ich nach

In Caesar's Heldenpfad, in Leibnitz und
Gassendi, doch zumal in Epikur.“

Briefwechsel zwischen Fr: II. und M. d'Argens. Königsberg 1798.

1) Briefwechsel mit Rollin p. 19.

2) Die beiden Graun; - Franz und Georg Benda, Schart, Blume, Grunke spielten die Violine; hock das Violoncell; Janisch das Lautenviolon; Petrini die Harfe; Baroni die Theorbe; Reich die Bratsche; Schaffrath den Flügel; zwei Waldhornisten, worunter Horgißky. Siehe Hennerts Beschreibung von Rheinsberg S. 21.

Benda, Bach. Ja, Friedrich hörte fast nur Musiken von Quanz, Graun und Hasse, und alle seine Kapellmeister: Graun, Agricola, Fasch, welcher die Oper von 1774 an dirigirte, bis Reichardt 1776 aus Königsberg ankam, sind Deutsche gewesen, so daß man ihn auch einer großen Einseitigkeit des Geschmackes in der Tonkunst hat beschuldigen wollen '): eben so mit Unrecht, wie man etwa seine Vorliebe für die französischen Redekünste anrügig gemacht hat, oder seinen italianischen Sinn für die Malerei håtte tadeln können. Was ihm gemäß war und seine Bedürfnisse befriedigte, entschied. In Dresden, wo er Quanz kennen lernte, sah er 1728 auch die erste Oper, Cleofide, von Hasse 2); dann bei seiner Vermålung in Salzdahlum Timareta von Graun). Das machte für sein ganzes Leben Epoche. Quang war ein großer, starker, ernsthafter und rauher Mann. Er unterrichtete seinen hohen. Schüler streng 'und ließ ihm keinen Fehler durch; ja, er fuhr selbst den König noch an, der immer willig war zu thun, was der Meister hieß. Aber, Quanz war der vollkommenste Flötenblåser seiner Zeit und dabei ein fruchtreicher und trefflicher Komponist. Friedrich wålte also schon in seiner Jugend ́den besten Meister, und ehrte ihn hoch, und behielt ihn bis an seinen Tod: noch mehr, er übertraf ihn auch in der Kunst). Bei dem Kapellmeister Graun, welchen ihm der Herzog von Braunschweig 1735 überließ, hat Friedrich, wie er dem Kammermusikus Fasch selbst erzålt3), wirk

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1) Karl Friedrich Christian Fasch von Zelter, Berlin bei Unger, 1801.

4. S. 49.

2) Siehe Briefe zur Erinnerung an merkwürdige Zeiten und rühmliche Personen aus dem wichtigen Zeitlaufe von 1740 bis 1778. Berlin bei Spener, 1778. S. 333 und S. 345.

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3) ́a. a. D. S. 333.

4) Aus einer handschriftlichen Rede, welche der Prof. Zelter den 17. August 1809 zu Königsberg im Palast Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen gesprochen.

5) Siche Fasch Leben von Zelter S. 48. Ich habe nur wissen wollen, sagte der König dabei zu Fasch, wie es gemacht wird. Viele Musikanten wissen nichts davon und die es recht verstehen, thun so gelehrt damit, als wenn unser Einem das überhohe Dinge wåren.“ — Ni› colai's Anekdoten Heft 3. S. 252.

lich musikalische Schularbeiten gemacht. Philipp Emanuel Bach, der vollkommenste Virtuose auf dem Klaviere, wie Franz Benda 'auf der Violine und Friedrich auf der Fldte es war, wurde dem Kronprinzen 1738 bekannt, trat aber erst zwei Jahre später in seine Dienste. Hasse konnte zwar nie für Preußen gewonnen wers den; aber seine Opern wurden, seit Friedrichs Thronbesteigung, in Berlin mit den Graunschen abwechselnd gegeben, ja der König sette fie über die Graunschen.

Man sieht, wie in Rheinsberg jeder Augenblick dem Schdnen, der Weisheit, der Freundschaft geweiht gewesen. Aber noch immer genügte die große und edle Seele sich nicht; auch der Schlaf follte überwunden werden, damit das Leben ganz Leben und höherer Genuss sei.,,Da ich mich nicht ganz wohl befinde, schreibt Fries drich an Suhm den 22. Mårz 1736, so hat mir der Arzt gera, then, mir mehr Bewegung zu machen. Das nöthigt mich, alle Morgen zu reiten. Aber, um deshalb meine gewöhnliche Lebensweise nicht zu ändern, breche ich dem Schlafe ab, um auf der einen Seite wieder zu gewinnen, was ich auf der andern verliere." Einen noch gewaltigeren Angriff auf den Schlaf hatte der Krons prinz schon früher gemacht. Denn da er in seinen jüngeren Jah, ren, bei seiner körperlichen Schwächlichkeit, glaubte, er werde, nicht alt werden; so wollte er durch abgekürzten Schlaf sich den wah, ren Lebensgenuff verlångern. Oft erzålte er, nach Schönings Bes richtigungen zu Büsching's Karakteristik: „Als ich mit der Armee am Rhein stand, nahm ich mir mit einigen jungen Leuten vor, beständig zu wachen und dadurch in acht Tagen so viel zu leben, als ein Anderer, der des Abends zu Bette geht, in vierzehn Tagen. Vier Tage hielt ich dieses durch Genuss von starkem Kaffee aus; aber die Natur verlangte ihre Rechte; ich schlief sogar bei Tische ein: das Blut hatte sich durch den Gebrauch des Kaffees und durch die Enthaltung des Schlafes so sehr erhigt, daß ich von meinem Vorhaben abstehen musste."

Einen neuen Schwung gab den Rheinsberger Freunden das Band eines Ritter oder wahren Menschenordens, der den berühms ten Bayard zum Schußherrn nahm. Friedrich, seine Brüder Wilhelm und Heinrich, Herzog Ferdinand von Braunschweig, Herzog Wilhelm von Braunschweig-Bevern und einige junge Offiziere bils

deten den Verein, als dessen Großmeister Fouqué, den wir schon oben mit Achtung begrüßt haben, Alle, auch den Stifter durch Rits terschlag weihete: zunächst für das Gelübde jeder edlen That; dann insbesondere zur Vervollkommnung der Kriegesgeschichte und Heeress führung. Sinnbild war ein auf einem Lorbeerkranze liegender Des gen mit der Umschrift,,Sans peur et sans reproche;" die zwölf Ritter, nach der Zahl der Tafelrunde, führten besondere Bundesnamen: der Kronpring hieß le Constant; Fouqué le Chaste; Eis ner hieß le Sobre; ein Andrer le Gaillard (der Freudenreiche). Waren die Ritter von einander entfernt; so schrieben sie sich Briefe in altfranzösischem Ritterstil') und trugen als Ordenszeichen einen in Schwertesgestalt zusammengebogenen Ring mit der Inschrift: ,,Vivent les sans quartier!" (Es lebe, wer sich nie ergiebt!). Als Bayardritter theilte Friedrich dem General v. Fouqué, 1758, seine,,Bemerkungen über einige Veränderungen in der Art, die Desterreicher zu bekriegen,“ auch, 1760, die „Betrachtungen über den kriegerischen Karakter Karls des 12.“ mit, und der Ritter vom goldenen Köcher (Herzog Wilhelm von Braunschweig-Bevern) sandte dem Großmeister, 1762, als derselbe in österreichischer Ges fangenschaft lebte, einen Trostbrief, ganz nach Ordensbrauch; ja, noch in einem Briefe vom 22. Dez. 1768 nennt Friedrich den als ten Foqqué „preux Chevalier sans peur et sans reproche3)."

Andere aufbewahrte Ordenszeichen lassen vermuthen, Friedrich habe noch sonst åhnliche Verbindungen mit seinen Freunden z. B. dem Lieutenant von Katte gestiftet; doch ist darüber nichts weiter bekannt. Nach dem siebenjährigen Kriege wird uns ein geheimer Bund unter dem Namen „der Vaterlandsfreunde" begegnen,

1) Einen solchen Brief im Ordenston von dem Chevalier le Gaillard an den Großmeister, vom 3. Dez. 1745 findet man in Fouqué's Leben von seinem Enkel S. 48. Hauptmann v. Fouqué erhielt 1738 den erbetenen Abschied als Major, trat 1739 als Oberßilieutenant in dänische Dienste, welche er den 23. Jun 1740 wieder verließ, um als Oberst in Friedrichs Armee zurückzukehren; siche Fouqué's Leben S. 51. 507. 55.

2) Siche Mémoires du Baron de la Motte Fouqué T. 1. p.6; p. T. 2. p. 227; p. 259-270.

Friedr. d. Gr. I.

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den der König zu politisch - merkantilischen Zwecken gestiftet und von welchem er selbst Meister vom Stuhl gewesen sein soll ').

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War nun auch das Leben in Rheinsberg der Kunst, der Wissenschaft, der Freude geweiht; so erschien doch das kronprinzliche Regiment bei den jährlichen Heerschauen und Musterungen als eines der schönsten und geübtesten. In Seckendorfs Journal secret heißt es beim 4. Jun 1735,,Grande revue de dix regimens. Le roi embrasse le prince royal devant la ligne." Diese Zufriedenheit wuchs mit jedem Jahre, weil Friedrich immer größeren Eifer und wie wir gleich hören werden auch größere Geldsummen auf sein Regiment wandte. Ueberdies lieferten die Holländerei, Garten und Speisekammer aus des Kronprinzen Landsiße öfters, was Friedrich Wilhelm) gar gern sahe, kleine Geschenke in die königliche Küche: Kibißeier, Pasteten, fette Kålber, Truthäne und Tauben, frische Austern, frühen Spargel und Blumenkohl, Weintrauben und Melonen, selbst Lieblingsweine; auch Soldaten von seltener Größe und Schönheit ließ Friedrich für seines Vaters Regiment in der ganzen Welt aufsuchen und erntete får feine kindlichen Lies beserweisungen und für seinen Diensteifer im Waffenhandwerke, des Königs Huld und Gnade. Er wurde zu den jährlichen Revůen in die Provinzen mitgenommen und sahe sein eigenes Regiment ges rühmt und ausgezeichnet. Aber, das genügte dem hochstrebenden Gemüthe nicht. Woher hat mein Regiment Jhre Neugier erres gen können? schreibt er, den 7. April 1737 an Voltaire;,,ich wünschte, es wäre durch seine Tapferkeit bekannt und nicht durch feine Schönheit. Ein Regiment muss sich nicht durch eitlen Aufs zug, Pug und äußern Flitter auszeichnen. Ganz andere Krieger führte Alexander, da er Griechenland unterwarf und Asien eroberte. Ihr Schmuck war das Schwert, lange Gewohnheit hatte sie zu

1) Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlechte von Schöning. Berlin 1830. S. 76.

2) Der König machte den Seinigen in der Regel nur zu Weihnachten Geschenke; die Kinder bekamen in den jüngeren Jahren bar Geld; späterhin Wirthschaftsgeräth. Zu Weihnachten 1735 . B. bekam der Kronprinz sechs Stück ausgeschnittene filberne Schüsseln, 400 Thaler an Werth, die Kronprinzess einen filbernen Feuerschirm für 400 Thlr. Siche Königs Historische Schilderung. 4. Thl. 2. Bd. S. 69.

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