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wåren, sie darzuthun, weil dieser Philosoph seine ganze Beweiss führung auf die Einfachheit der Seele gebaut und doch nicht ge= nügend erwiesen habe, daß die Seele ein einfaches Wesen sei. Auch die übrigen Freunde des Kronprinzen waren betrübt, und man meinte, wenn Friedrich auf dem Wege fortschreite, so habe der König nicht unrecht zu sagen:,, que l'athéisme sera placé un jour sur le throne." Indess verlor Manteuffel') den Muth nicht; er trug dem Probste Reinbeck auf, welcher eben an seinen Philosophischen Gedanken über die vernünftige Seele und deren Unsterblichkeit 2)" arbeitete, besonders auf mathematischem Wege die Einfachheit der Seele darzuthun. Wir begegnen hier den Freunden in theilnehmender und achtungswerther, aber ganz unbes gründeter Besorgniss. Der Grund ihrer Furcht war Schwäche. Sie glaubten sich geborgen unter der Leitung fremder überzeu gungen und erschraken, als sie den Kronprinzen auf dem Wege nach Selbstständigkeit im Kampfe um die freie Wahrheit erblickten; ihre sørgende Liebe hålt ihn an seiner Seele für gefährdet keiner ist zufriedener, klarer, einiger mit sich als der redliche Forscher. In Heinrich de Catt's Nachlasse findet sich eine ,,Correspondance de Frédéric avec Mr. Achard sur l'immortalité de l'ame" — und während er mit dem christlichen Geistlichen gemeinschaftlich untersucht forscht er auch in den Schrif ten des deutschen Metaphysikers. „Wenn die Philosophie meine Seele erleuchtet, schreibt er den 1. Januar 1737 an Suhm, so verdanke ich das Ihnen. Sie haben mir den Weg zur Wahrheit eröffnet und sind das Sprachrohr desselben gewesen;

In eine dunkle Nacht gehüllet war mein Geißt,
Als das glänzende Licht, das jekt mir leuchtet,
Angezündet von Deinen Hånden meine Seele erhellte.
Ich ehrte diese himmlische Flamme

Und die Tochter des Himmels, die hohe Wahrheit
Ergoff in mein Herz ihre Kraft und ihre Klarheit.“

und

1) Recueil de cinq Sermons p. Mr. Reinbeck, traduits de l'Allemand (p. M. le Comte de Manteuffel) Berlin, 1739.

2) Diese Schrift erschien 1740 in Berlin, mit einer Vorrede, welche man fälschlich Friedrich (dem II.) zugeschrieben.

Bei dem Allen verfehlte Suhm seinen Zweck, als er dem Kronprinzen, der reicheren, kräftigeren deutschen Sprache wegen, empfahl, Wolff in der Urschrift zu lesen. Friedrich wusste unter schmeichelhaften Höflichkeiten die Zumuthung abzulehnen. Er scheint, fchon damals des Französischen mächtiger gewesen zu sein, als der Muttersprache. Also musste Suhm die ganze Methaphysik übersetzen; Wolffs Logik studirte Friedrich nach dem Französischen des Deschamps, die Moral ließ er sich auch übertragen: und, als Friedrichs Lieblingsaffe Mimi, im Januar 1737, die französische Übersetzung der Methaphysik verbrannt, welche Chazot für ihn nach Suhm's Urschrift ins Reine gebracht; so musste der Freund die Mühe noch einmal übernehmen ').

Bei so eifrigem Umgange mit der deutschen Philosophie genoff Friedrich auch die Freude, daß Wolff vom Kardinal Fleury einen äußerst schmeichelhaften Brief,` von dem Bischofe von Bamberg die Ehre eines Besuches und eine kostbare goldene Medaille bekam. Ja, den 14. Oktober 1739 kann er dem geliebten Suhm berichten, daß der König den Philosophen: unter sehr ehrenvollen Anerbietungen in seine Staten zurückzuziehen wünsche; „Les nouvelles du jour, heißt es in diesem Briefe, sont, que le Roi lit pendant trois heures du jour la philosophie de Wolff, dont Dieu soit loué! Ainsi nous voilà arrivés au triomphe de la raison; et j'espère que les bigots avec leur obscure cabale ne pourront plus opprimer le bon sens et la raison;" das geht besonders auf den afterpietistischen Theologen Lange in Halle, welchen Friedrich an der königlichen Tafel von der lieblofesten Seite hatte kennen lernen 2).

Aber, wie in allen Gebieten, so sehen wir den Kronprinzen auch hier wieder seine freie überzeugung bilden und aussprechen. Ohne den Segen seiner philosophischen Übungen zu verkennen, blieb er sich doch stets bewusst, daß die kostbarste Zierde der menschlichen Vernunft darin bestehe, ohne alle Autorität zu den ken. Darum versucht er schon nach achtmonatlichem Studium der Metaphysik ein Urtheil: Wolff, schreibt er an Suhm, sagt, ohne

1) Corresp. familiere p. 196.
2) Büsching's Karakter. S. 51.

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Widerrede, schöne und gute Sachen; aber, man kann ihn doch bekämpfen und wenn wir auf die ersten Gründe zurückgehen; so bleibt uns nichts übrig, als unsere Unwissenheit zu gestehen.

Wie Wolffs Schule auf ihn gewirkt, giebt Friedrich in einem Briefe an Suhm, den 13. April 1740, zu erkennen, d. h. als seine Thronbesteigung nahe war: Sie können leicht urtheilen, sagt er, daß ich in der dermaligen Lage meine volle Arbeit habe. Man lässt mir wenig Ruhe; desto ruhiger ist mein Inneres, und ich kann Sie versichern, daß ich nie mehr Philosoph gewesen bin, als gegenwärtig. Mit gleichgiltigem Blicke betrachte ich Alles, was mich erwartet, ohne das Glück weder zu wünschen, noch zu fürchten, voll Mitgefühl gegen Leidende, voll von Achtung gegen voll Zärtlichkeit gegen meine Freunde. Sie, den ich unter die Zahl dieser letteren rechne, suchen Sie sich immer mehr zu überzeugen, daß Sie in mir das finden werden, was Orest je in dem Pylades gefunden hat, und daß niemand mehr Achtung und Freundschaft für Sie hegen kann, als Ihr treuer Friedrich."

Rechtschaffene und

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Der jüngste von Münchow, eben der, welcher als Kind den Kronprinzen zu Küstrin im Gefängnisse besucht, war mit 16 Jahren zur Universitåt gegangen, als Friedrich ihn sich von dem Prås fidenten seinem Vater zur weiteren Bildung erbat. Der alte von Münchow zauderte; da schrieb der dankbare Königssohn: „Wenn was aus Ihrem Sohne werden soll, so schicken Sie mir ihn bald.“ Der Kronprinz las nun seinem Schüler, 1739, ein Collegium über die Metaphysik; Jordan unterrichtete ihn in der Logik; der alte Hofprediger Sack übernahm das Jus naturae und die Religion; Prediger Ancillon die Geschichte: so bis zur Thronbes steigung, wo diese wissenschaftliche Beschäftigung zurücktrat; aber, nach dem Berliner Frieden über Locke fortgesetzt wurde ').

Die metaphysische Zeit findet sich also auch noch in Friedrichs ersten Regierungsjahren wieder. Aber, in noch reiferem Alter befriedigte ihn die Wolffsche Schulweise nicht mehr. Voltaire's, und wohl noch mehr Bayle's Schriften führten ihn zum

1) Schreiben des Obersten von Münchów an Nicolai. S. 518.

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Skeptizismus hin, womit wir ihn, früh schon, die aus Lucrez ') geschöpften Ansichten des Epikur, sowie die aus Cicero entlehnten Lehren der Stoa verbinden sehen. Überhaupt scheint er um diese Zeit auch schon in den Alten meisterlich belesen gewesen zu sein; denn er schreibt, unter Andern, den 23. Oktober 1736 an Suhm: „Das Einzige, was ich Ihnen empfehlen zu müssen glaube, ist, sich in Geduld zu fassen und das Kapitel aus Seneca über die Verachtung der Reichthümer zu lesen.“ Doch wird unten Gelegenheit genug sein, von diesem inneren Leben des Königs Genaueres beizubringen. Bis in die ersten Jahre nach der Throns besteigung galt Wolff über Alles: „Jedes vernünftige, wahrheitss liebende Wesen, schreibt der Kronprinz ihm selbst, Ruppin, den 23. Mai 1740, zum Danke für den ersten Theil des Jus naturae, muss an dem Werke Theil nehmen, daß Sie vor Kurzem herausgegeben haben; aber jeder edle Mann, jeder wahre Bürger des Stats muss es als einen Schat betrachten, den Ihre Freigebigkeit der Welt schenkt, und den Ihr Scharffinn entdeckt hat; auf mich hat es um so größeren Eindruck gemacht, da Sie es mir zugeeignet haben. Die Philosophen müffen die Vorgeseßten der Könige sein; mithin ist ihre Pflicht zu denken: die unfrige aber, ihren Vorschriften gemäß zu handeln; sie müssen die Welt durch Raisonnements unterrichten, wir aber durch unser Beispiel; fie müssen erfinden, wir ausüben. Schon långst lese und studire ich Ihre Schriften, und bin überzeugt, daß, wer sie gelesen hat, deren Verfasser nothwendig hochschäßen muss; niemand wird Ihnen diese Gesinnungen verweigern können; ich bitte daher zu glauben, daß ich mit aller Achtung, die Ihre Verdienste von mir heischen, bin 2c." Mit sorglicher Eile wurde der von Friedrich Wilhelm verjagte Philosoph, gleich nach der Regierungsveränderung, ehrenvoll nach Halle zurückgerufen. Aber in den hinterlassenen Werken spricht der König sehr wegwerfend von Wolff; im ers sten Kapitel der Histoire de mon temps), wo von Leibniß und Thomasius die Rede ist, welche durch ihr Genie der deutschen

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1) über Lucrez fspricht Friedrich mit großer Wärme in dem Briefe an Duhan vom 12. Mai 1738.

2) Vom Jahr 1743.

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Nazion zur Ehre gereichen," heißt es,, Wolff erwähne ich nicht, welcher Leibnit' System wiederkåuete und weitschweifig herleierte, was jener mit Feuer geschrieben;" in dem Aufssaße über die Erziehung vom Jahre 1770 nennt er die Lehre von den Monaden und von der vorherbestimmten Harmonie ungereimt und unverstånds lich; und in der Abhandlung über die Sitten und Gewohnheiten ergeht über den Halleschen Professor" ein noch weit herabwürs digenderes Gericht. Ich liebe die schönen Wissenschaften bis zur Thorheit, sagt Friedrich in einem Briefe an Voltaire vom 25. November 1769; sie allein machen unsre Muße reizend und geben uns wahres Vergnügen. Die Philosophie würde ich völlig eben so lieben, wenn unsre schwache Vernunft in ihr die Wahrheiten entdecken könnte, die vor unsern Augen verborgen sind, und die unsre eitle Neugierde doch so begierig ́ sucht; aber, sobald man Kenntnisse bekommt, lernt man auch zweifeln. Ich verlasse also dieses Meer, das so sehr von Klippen der Ungereimtheiten wimmelt, und bin überzeugt: da alle die abstrakten Gegenstände der Spekulazion außer unserm Fassungskreise liegen, so würde uns die Bekanntschaft mit ihnen ganz unnüß sein, wenn wir auch bis zu ihnen hindringen könnten.“

Ganz indess konnte der erhabene Wahrheitsforscher von der Schule nie fich lossagen; denn, als er die Beschäftigungen mit der eigentlichen Philosophie aufgab, und an ihrer Stelle die Poesie mit leidenschaftlicher Vorliebe umfasste; so war es doch immer vorzugsweise das lehrende Gedicht, auf dessen Gebiete wir ihm begeistert begegnen 1).

1) Auch in folgenden zwei Äußerungen spricht der König sich gegen d'Argens über seine Studien aus: im März 1760 (82. Brief)

" Mit Ehrfurcht hab' ich Mnemosynens Töchter

Geliebt; Kalliope nahm hold mich auf;

Auch Klio'n durft' ich nah'n; gefühllos nicht
Für Ruhm, war ich incognito Poet."

An denselben, Peterswalde, den 22. Oktober 1762:

„In meines Lebens Blütezeit gab mir
Ovid Beschäftigung; ich folgte wohl
Rinald'en in Armiden's Palaft auch.
Als dann mein Kinn zuerst bejchattet ward,

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