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Jsrael; in der römischen Kirche gelobt man den Schußheiligen nicht bloß die Erstlinge, nicht bloß die jüngern Söhne, sondern ganze Königreiche, wie das der heilige Ludwig beweist, der dem feinigen, zum Besten der Jungfrau Maria entsagte. Ich für mein Theil habe keine Erstlinge der Ernte, keine Kinder und kein Königreich zu geloben; aber ich weihe Ihnen die Erstlinge meiner Dichtkunst aus dem Jahre 1739. Wäre ich ein Heide, so riefe ich Sie unter dem Namen Apollo an; wäre ich ein Jude, so håtte ich Sie vielleicht mit dem königlichen Propheten und seinem Sohne verwechselt; und wäre ich ein Papist, so hätte ich Sie zu meinem Schußheiligen und zu meinem Beichtvater gemacht: Aber, da ich nichts von dem Allen bin; so begnüge ich mich damit, daß ich Sie philosophisch hochschäße, Sie als einen Philosophen bewundere, als einen Dichter liebe und als einen Freund verehre."— Zart gewålte Geschenke wurden an Voltaire und an dessen Freun dinn abgesandt: Ungarwein und Bernsteinsachen, ein goldener Stockknopf in Gestalt eines Sokrateskopfes und ein zierliches Schreibzeug. Dem großen Dichter zu gefallen schrieb Friedrich auch an die Marquise du Châtelet, nannte sie die göttliche Emilie,“ die Newton Venus" und stellte sie, die in ihren Institutions. physiques das Leibnißische System vorgetragen, mit Des Cartes, Leibnitz und Newton in Eine Reihe: Schmeicheleien, die nicht vom Herzen kamen, da er sie an andern Stellen feiner Schriften verachtet. Aber, die Marquise war Voltaire's Geliebte, für den seine Schwärmerei keine Grånzen kannte. Endlich fasste er, 1739, den Gedanken, die ganze Henriade bei demselben Londoner Künsts ler, John Pine, in Kupfer stechen zu lassen, der schon den Horaz so schön verherrlicht hatte und eben noch am Virgil arbeitete. Der Engländer forderte sieben Jahre Zeit zu dem Werke; aber, seine Saumseligkeit brachte den Kronprinzen um die Freude, welcher zu der beabsichtigten Prachtausgabe bereits eine lobpreisende Vorerins nerung geschrieben:,,Les difficultés, liest man bald zu Anfange dieses Avant - Propos sur la Henriade, que ce Prince de la poesie française eut à surmonter, lorsqu'il composa ce poëme épique, sont inombrables;" - und gegen das Ende: ,,Le désir que j'ai eu toute ma vie de rendre hommage à la vérité, m'ont déterminé à procurer cette édition au public;

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je l'ai rendu aussi digne, qu'il m'a été possible, de Mr. de Voltaire et de ses lecteurs." Auch heißt es unter Andern: „Ein Gedanke der Henriade wiegt die ganze Iliade auf!"

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den Verfasser schrieb der königliche Bewunderer, den 26. Jun 1739: Ich habe noch keine Antwort aus England; aber Sie können sich darauf verlassen, daß die Henriade in Kupfer gestochen wird. Noch vor dem 15. August hoffe ich Ihnen von diesem Werke und von meiner Vorrede dazu Nachricht geben zu können. Ein müßiger Pring, důnkt mich, ist ein Geschdpf, das der Welt sehr wenig nüßt. Ich will meinem Jahrhunderte wenigstens `soviel dienen, als ich kann; etwas zur Unsterblichkeit eines Werkes beis tragen, das der ganzen Erde Nußen schafft und ein Gedicht vers vielfältigen, worin der Verfasser die Pflichten der Großen und des Volkes lehrt, desgleichen eine Regierungsart, von der die Fürsten wenig wiffen, und Gesinnungen, wodurch Homers Götter veredelt werden würden, da sie jeht durch ihre Grausamkeit und durch ihren Eigensinn verächtlich sind." In mehreren anderen Briefen an Voltaire ist von diesem großen Vorhaben des Kupferstiches der Henriade die Rede, und noch im Mai des folgenden Jahres stand Friedrich darüber in Briefwechsel mit Algarotti, der damals in London war und die Besorgung des kostbaren Kunstwerkes, welches dann doch liegen blieb, auf sich genommen hatte.

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Derselben Begeisterung voll blieb Friedrich sein ganzes Leben hindurch für den französischen Dichterhelden, und, nachdem in spås teren Jahren so Manches den persönlichen Umgang mit Voltaire verleidet; des Königs Bewunderung für seine Geisteswerke mindert sich nie. Noch 1777 gelobt er dem Verfasser, dieselben eben so herrlich zu bewahren, wie Alexander den Homer bewahret; und in der Lobrede auf den verstorbenen Dichter, vom Jahre 1778, heißt es:,,Seiner Henriade muss man den Rang vor Virgils Åneis geben; der Gott der Musen hat ihm seinen Plaß zwischen dem Homer und dem Virgil angewiesen." - Mochte unter diesem Allen, was der Thronerbe dem Dichter spendete, viel Weihrauch aus Schmeichelei fließen: der Grund ist Wahrheit; und eben so erwidert der dankbare Ruhmgekrönte, den 26. August 1736: „Man wallfahrtet nach Rom, um Kirchen, Gemälde, Trümmer und Bildsäulen zu sehen: ein Prinz wie Sie, verdient

weit eher eine Wallfahrt; er ist eine noch größere Seltenheit."

In diesen schönen Jahren unterhielt Friedrich sich auch gern, namentlich mit den beiden französischen Predigern Isaac de Beausobre und Achard in Berlin, über Glaubenslehren: am liebsten schriftlich 1); aber keinesweges mehr in dem Tone der Zerknirschung und gänzlicher Glaubenshingebung, die uns von Küstrin her bekannt sind. Er war mit der Bibel sehr vertraut und mochte gern über Religion und Christenthum frei seine Gedanken austauschen, zumal mit gediegenen Månnern, deren Sachkenntniss und deren. Sittlichkeit gleich schätzbar waren.

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Dem Prediger Achard schickte er, auf dessen Bitten, in dent Briefe, Rheinsberg den 8. Jun 1736, zwei Terte zu Predigten, von denen er sich Erbauung versprady:,, Ces paroles nous ont été données de Dieu," und „, La Croix de Christ est un horreur chez les Juifs et ridicule aux payens.)." Dabei die Worte: „J'avoue, Mr., que j'attends une grande édification des peines que Vous Vous donnerez, car j'ai le malheur d'avoir la foi très foible, et il me la faut étayer souvent par de bonnes raisons et des argumens solides;" womit die Worte aus dem 31. Briefe an Camas vom Jahre 1739 übereinstimmen:,,La foi vivifiante n'est point mon mérite éminent, mais la morale chretienne n'en est pas moins la règle de ma vie. <c

Wie gern der Kronprinz des hochbetagten Predigers Beausobre3) Predigten hörte, ersieht man aus seinem Briefe an Graf Manteuffel, Berlin den 11. März 1736, in welchem er über eine an demselben Tage (am Sonntage Laetare) gehörte Predigt*)

1) Zwei Briefe an Achard vom Jahre 1736 und einen an Beausobre vom Jahre 1737 findet man in Formey's Souvenirs d'un Citoyen T. 1. p. 3. 8. 12.

2) Formey's Souvenirs d'un Citoyen. Berlin 1789. T. 1. p.11. 3) Geboren zu Niort, März 1659, gestorben zu Berlin im Jun 1738. 4) Leider ist diese Predigt nicht gedruckt worden. B. pflegte nur nach einer Disposizion zu predigen und höchst selten seine Kanzelvorträge ausführlich auszuarbeiten; auch sind überhaupt nur zwei Samm

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berichtet und dann so fortfährt:: „, Après tout, c'est le plus grand homme qu'il y ait dans le pays, et qui mérite certainement qu'on l'entende et qu'on l'admire. Quelle finesse de pensées! quels tours arrondis! et le tout amené et conduit avec toute l'adresse du monde à ses fins." ,,Comme Vous le connoissez particulièrement, Vous me ferez un grand plaisir de lui dire, que je me range du côté de ses admirateurs, et que, son discours non seulement a frappé mon esprit, mais que mes oreilles ont eu leur part à ce plaisir, ayant été flattées d'une manière bien agréable par les traits achevés d'éloquence, dont tout ce sermon étoit parsemé !). Auch suchte der Kronpring Beausobre's persönliche Bekanntschaft unmittelbar nach jener Predigt 2).

Außer Beausobre hat Friedrich nur noch einen einzigen Prediger, Quandt in Königsberg, einen Deutschen, 1739, kens nen lernen3), mit welchem er vollkommen zufrieden gewesen. Aber er hatte Bourdaloue, Massillon, Flechier und den Protestanten Saurin sehr viel gelesen. Von dem zuleßt genannten las er auch alle Sonntage in seiner Garnison zu Ruppin eine Predigt*), wäh

lungen seiner Predigten erschienen: die erste in 2 Theilen über das 12. Kapitel des Briefes an die Römer, 1743 von dem Sohne des Verftorbenen B. (Charles Louis de B.) herausgegeben; die andere, auch. zwei Bånde, über das 11. Kapitel des Ev. Joh. (1751) auf Kosten der Ecole de Charité in Berlin gedruckt.

1) Formey's Souvenirs. T. 1. p. 15.

2) a. a. D. p. 34. Beausobre's Leben findet man in Formey's Bibliothèque Germanique. Année 1738. T. 43. p. 68.

3) Siche Friedrich's im November 1780, gedruckte Schrift:,,De la littérature Allemande; " und Friedrichs Brief an Jordan, Königsberg, den 3. August 1739, in den Oeuvres posthumes. T. 8. Quandt war von 1721-1755 Oberhofprediger in Königsberg. Er selbst hat keine Predigten drucken lassen; aber das „Preußische Archiv," herausg. von der Königl. Deutschen Gesellschaft in Königsberg, Jahrgang 1794 und die Preuß. Provinzialblätter" 7. Bd. 1. Heft. Kdnigsberg 1832 enthalten Proben Quandtischer Bercdtsamkeit. 4) Gehört mag Friedrich als König wenig mehr als folgende Predigten haben 1) den 5. Jun 1740 Vormittags im Dom zu Berlin 2) an demselben Tage Nachmittags in der lutherischen Petrikirche zu Berlin, wo

rend in Rheinsberg der Kapellan Jean Deschamps vor der Kron, prinzess1) und dem Hofe predigte 2). Zum heiligen Abendmale berief der König seinen Sohn bisweilen, z. B. im August 1737 und im Januar 1738, nach Potsdam 3).

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Das Verlangen nach Aufschluss über Gegenstände, denen Friedrich sehnsüchtig nachjagte, führte ihn dann immer tiefer in das Gebiet der Forschung, welcher nahrungsreichen Stoff zu geben, Suhm für ihn die Wolffsche Metaphysik ins Französische überseßte, die nun sein täglicher Lieblingsgenuff war. Ich gehe mors gen nach Preußen ab, schreibt er den 3. Jul 1736 an Suhm; die Reise wird 4 Wochen währen, in welchen unser berühmter Lehrer Wolff meine Gesellschaft sein wird.“ – Hier scheint eine neue Zeit der Zweifel in Friedrichs Seele angebrochen zu sein. Graf Manteuffel bemerkte nämlich) in den ersten Tagen des August zu seinem großen Kummer aus des Kronprinzen Gespräs chen, daß auf der Reise nach Preußen Voltaire's Schriften und des französischen Gesandten Marquis de la Chétardie ") Umgang die Wahrheit von der Unsterblichkeit der Seele wieder wankend gemacht, und daß Wolffs sämmtliche Beweise nicht vermögend

Probst Reinbeck predigte; 3) den 17. Jul 1740 Quandts Huldigungspredigt in Königsberg; 4) den 31. Jul 1740 Jablonski's Huldigungspredigt in Berlin; 5) den 5. Nov. 1741 des Inspektors Burg in Breslau Predigt; 6) den 8. Jul 1742 des Bischofs v. Sinzendorf in Breslau Predigt; 7) den 26. Dezember 1745 die Friedenspredigt in der Kreuzkirche zu Dresden; 8) den 21. Nov. 1756 des Superint. Am Ende in Dresden Predigt; 9) den 22. Dej. 1757 des Inspektors Burg Predigt.

1) Ihre Beich tvåter wählte die Kronprinzess sich aus den angesehenften Geistlichen in Berlin z. B. 1739 den Probst Reinbeck; nach dessen Tode 1741 den Konsistorialrath Roloff.

2) Formey's Souvenirs. T. 1. p. 37.

3) Lettres inédites p. 30. 34.

4) Siche Journal secret p. 152.

5) Der M. de la Chétardie ging Ende des Jahres 1739 nach Petersburg als franz. Gesandter ab. Siehe Corresp. familière, lettre xc; an seine Stelle kam M. de Valori nach Berlin, über welchen Friedr. den 4. Dez. 1739 an Voltaire schreibt.

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