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lichen oder Markgråflichen Familien zu thun sich unterstehen möchte, derselbe, mit der Karre, und nach Befinden auch an Leib' und Lében bestrafet werden solle ')."

So gedeihet in des Kronprinzen Seele der Entschluff, der våterlichen Zucht sich zu entziehen, zu immer vollerer Reife. Ritter Hotham hatte versichert: er würde am englischen Hofe mit offenen Armen empfangen werden.

Friedrich stand in seinem 19. Lebensjahre; er maß 5 Fuß 2 Zoll 3 Linien, sein Wuchs war schlank, seine Brust wohl gewölbt; der Bau des Körpers mehr schwächlich als stark; die Ge= sichtsbildung aber verband auf eine seltene Weise Hoheit und Anmuth und das durchdringende blaue Auge zog bei aller Schärfe freundlich an.

Im Mai 1730 wurden die sämmtlichen sächsischen Truppen, gegen 20,000 Mann zu Fuß und 10,000 Reiter bei Mühlberg in ein großès, auch von Dichtern besungenes Luftlager zusammengezogen. Der König von Preußen war dazu eingeladen und er erschien, begleitet von den Prinzen seines Hauses, von Fürst Leopold und von mehr als 200 der angesehensten Offiziere seines Heeres. Friedrich spricht in dem Leben seines Vaters von diesem Feste, nënnt es aber mehr ein Theaterschauspiel, als ein wahres Bild des Krieges und fügt dann hinzu: Während dieser anscheinenden Freundschaftsbeweise suchten August's Rånke an allen europäischen Höfen Friedrich Wilhelm um die bergische Nachfolge zu bringen und dieselbe an Sachsen zu ziehen. Dieses Lager, diese Pracht, diese falschen Beweise von Hochachtung waren Kunstgriffe, durch welche der König von Polen den König von Preußen einzuschlåfern glaubte; dieser aber durchschauete die Beweggründe und verabs scheuete die Falschheit nur noch mehr." Weiter sagt der gekrönte Schriftsteller von dieser såchsischen Besuchsreise nichts; aus Scheu, die verdrüßlichen Vorfälle zwischen ihm und seinem Vater zu bes rühren: sonst håtte er hier seines ersten Versuches zu entkommen,

1). Dieses Edikt wurde erneuert den 7. Oktober 1749 und, besonders eingeschärft in dem Erneuerten Edikt wider das Leihen und Borgen an Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses vom 15. Jul 1769. f. Mylius C. C. Bd. 4. Nr. 49. pag. 5595–96.

gedenken müssen. Er ließ nämlich den Kabinetsminister des Kdnigs von Polen, Grafen von Hoym1), durch den Lieutenant von Katte um Påsse und um Pferde bitten; August aber drang ihm das Versprechen ab, feinen Vater wenigstens während des Aufenthaltes in Sachsen nicht zu verlassen. So wurde das Vorhas ben, über Straßburg und Paris nach London zu gehen, auf eine gelegnere Zeit verschoben, welche indess Friedrich Wilhelms Reise in das südliche Deutschland sehr bald darbot. Der König erhob sich nämlich am 15. Jul in Gesellschaft seines ältesten Sohnes, nebst verschiedenen Generalen, über Leipzig und Meuselwitz, einen Landfit des Grafen Seckendorf, welcher hier der Reisegesellschaft sich anschloss, nach Altenburg und Anspach; von da nach Augsburg, Mannheim, Darmstadt, Frankfurt. Schon ehe man diese Stadt erreichte, in einem Dorfe 2), wo das ganze Reisegefolge in Scheunen übernachtete (der Kronprinz, Oberst von Rochow und Gummersbach in Einer beisammen), da wollte Friedrich in rothem Rocke und im Mantel nach französischem Schnitte entfliehen; der jüngere von Keith, Leibpage des Königs, führte um Mitternacht Pferde vor; aber die Gefährten hinderten es: doch hinterbrachte es Oberst von Derschau dem Könige, der sich indess nichts merken ließ, da die Beweise fehlten. Diese bekam Friedrich Wilhelm den 11. August in Frankfurt durch einen Brief seines Sohnes an von Katte, der in unrechte Hånde gefallen war. Friedrich hatte seinem Freunde aus Anspach geschrieben, daß er nun gewiss in Sinzheim fortgehen wolle, und daß von Katte ihn unter dem Namen Comte d'Alberville im Haag finden werde. Die Obersten von Waldow und von Rochow mussten mit ihrem Kopfe für die Sicherheit des Kronprinzen stehen und ihn gradesweges in die

1) Als im Jahr 1731 der Graf von Hoym, vorzugsweise wegen seines Hinneigens zu Frankreich, — in Ungnade fiel, wurde unter den Ursachen seiner Entlassung, deren Wahrheit er unterm 15. Jun 1731 selbst bescheinigte auch angeführt:

Art. 10. Le discours et la conduite indecente pendant le Séjour du Roi de Prusse tant à Dresde, qu'au camp et ailleurs.

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2) Der Name dieses Dorfes ist auf keine Weise zu ermitteln gewesen.

Jacht führen, welche zur Wasserfahrt nach Wesel bestimmt lag. Hier im Schiffe fasste der König seinen Sohn bei der Brust und stieß ihm mit dem Stockknopfe die Nase blutig. Mit verbissenem Schmerze rief dieser aus: Nie hat ein Brandenburgisches, Ges sicht solche Schmach erlitten." Von Waldow und von Rochow warfen sich zwischen Vater und Sohn und erhielten die Erlaubniss, den Kronprinzen auf einer besondern Jacht nach Wesel zu bringen. Von da an wurde Friedrich als Statsgefangener behandelt; er musste den Degen abgeben und seine Sachen untersuchen lassen. So ging's trübfelig zu der Besuchsreise, die der König den geiste lichen Rheinfürsten zugedacht; nach Mainz; dann nach Bonn, wo nur eine Nacht verweilt wurde. Der Kurfürst und sein Bruder begleiteten die Herrschaften nach Köln. In zwei Tagen war man in Wesel, wo den Verhafteten am 14. eine starke, von dem Oberst lieutenant von Borck befehligte Wache empfing. Am folgenden Tage musste der Festungskommandant Generalmajor von der Mosel den Kronprinzen vor den König führen, der ihn in der Hiße erstechen wollte. Der Kommandant sprang dazwischen und sprach: ,,Sire, durchbohren Sie mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes!" Friedrich wurde von dem von Borckeschen Kommando nach Mittens walde geführt; von Dossow, von Waldow und von Rochow machten die Begleitung. Der König aber traf den 27. Abends in Berlin ein1).

Ehe wir des Kronprinzen Schicksal weiter verfolgen, gedenken wir noch der Freunde. Der jüngere von Keith bedankt sich, Wesel den 1. November 1730, beim Könige schriftlich, daß er ihn „des Arrestes entlassen und als Füselier bei der Leibkoms pagnie Moselschen Regiments gestellt." Sein Bru der, Lieutenant im Infanterieregimente des Obersten Friedrich Wilhelm von Dossow (Nr. 31) in Wesel, wurde von Friedrich gerettet durch einen mit Bleistift geschriebenen Zettel: „Sauvez Vous,

1) Über Friedrichs Flucht siche Nicolai's Anekdoten Heft 3, Heft 5 und Heft 6; auch Nicolai's Anmerkungen über Zimmermann's Fragmente. Thl. 1. Kap. 3; Mémoires de la Margrave de Bareith T. I. 236; Poellnitz Mémoires T. 2. p. 225; Biesters Neue Berlinische Monatschrift. Mai 1803.

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tout est decouvert." Er entkommt glücklich zu Pferde durch das Brünensche Thor, erreicht das eine Stunde entlegene erste Månsterische Dorf Dingden im Galop und langt durch das Oberysselsche geradezu im Haag an. Und doch wäre er auch hier noch verloren gewesen, ohne die rasche Entschlossenheit des englischen Gesandten Lord Chesterfield, der ihn selbst nach Scheveningen brachte, von wo er auf einem Fischerboote nach England ging; denn schon war auch der preußische Oberst, nachherige Generallieutenant du Moulin im Haag eingetroffen, welchem der preuFische Gesandte von Meinertshagen auf alle Art förderlich sein follte, den Flüchtigen zu erhaschen. Oberst von Dossow meldet dem Könige den 17. Mårz 1731 „daß er den gewesenen Lieutenant von Keith in Effigie habe aufhenken lassen.“ So glücklich war der Lieutenant von Katte nicht, welcher von Berlin aus nachkommen sollte. Auch er håtte, mit umsichtigerer Entschlossenheit, sein Leben retten können. Schon lief in der Hauptstadt das Gerücht von den Vorfällen in Wesel herum und der Major von Asseburg, von den Gensd'armes, fragte ihn im Vorbeigehen ganz erschrocken: ,,Sind Sie noch hier? das wundert mich!" „Ich reise diese Nacht," erwiderte von von Katte'). In der Nacht traf - den 20. August mit dem Verhaftsbefehle, folgendes Schreiben an die Oberhofmeisterinn der, Königinn zu Berlin ein: Meine liebe Frau von Kamecke, Frig hat desertiren wollen. Ich habe mich genöthigt gesehen, ihn arretiren zu lassen, ich bitte Sie, auf eine gute Art meine Frau davon zu unterrichten, damit diese Neuigkeit solche nicht erschrecke. übrigens beklagen Sie einen unglücklichen Vater. Friedrich Wilhelm 2)."

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Oberst von Pannewiß verschob den unglücklichen Auftrag bis zum Morgen. Nun war von Katte verloren. Auch er wurde von dem Könige thåtlich mishandelt und vor ein Kriegsgericht gestellt. Das Erkenntniss desselben ist vollständig noch nicht bes kannt geworden; es hatte auf Festungsbau erkannt; Friedrich Wilhelm aber ånderte den Ausspruch aus eigener Machtvollkom

1) Nicolai's Anekdoten Heft 6. S. 174–182.

2) Poellnitz Mémoires T. 2. p. 235.

menheit in folgendes Urtheil1) ab: „Sr. Königliche Majeståt in Preußen, Unser ic. haben das Deroselben eingesandte Kriegesrecht durchlesen, und sind mit demselben in allen Stücken sehr wohl zufries den, indem Sie die über den Lieutenant von Spaen und von Ingers, leben gesprochene Sentenz hiermit allergnädigst confirmiren, dem Lieutenant von Ingersleben aber auch wegen seines bisherigen langen Arrestes pardonniren; wegen des Lieutenant von Keith confir miren Sr. K. M. gleichfalls den Spruch des Kriegesrechts. Was aber den Lieutenant von Katte und dessen Verbrechen, auch die vom Kriegesrecht deshalb gefällte Sentenz anlanget, So sind Sr. K. M. zwar nicht gewohnt, die Kriegesrechte zu schårfen, sondern ́ vielmehr, wo es möglich zu mindern, dieser Katte aber ist nicht nur in meinen Diensten Offizier bei der Armee, sondern auch bei der Garde Gens d'Armes, und da bei der ganzen Armee alle meine Offiziers mir getreu und hold sein müssen, so muss solches um so viel mehr geschehen von den Offiziers von solchen Regimens tern, indem bei solchen ein großer Unterschied ist, denn Sie immediatement Sr. K. M. allerhöchsten Person und Dero Königl. Hause attachirt sein, Schaden und Nachtheil zu verhüten, vermöge eines Eides. Da aber dieser Katte mit der künftigen Sonne tramirt, zur Desertion mit fremden Ministern und Gesandten allemal durch einander gestecket, und er nicht davor gefeßt worden, mit dem Kronprinzen zu complottiren; au contraire es St. K. M. und dem Herrn General Feld-Marschall von Nazmer håtte angeben sollen, so wüssten Sr. K. M. nicht, was vor kahle Raisons das Kriegsrecht genommen, und ihm das Leben nicht abges sprochen håtte. Sr. K. M. werden auf die Art sich auf keinen Offizier, noch Diener, die in Eid und Pflicht seyen, verlassen können. Es würden aber alsdann alle Thåter den Praetext nehmen, wie es Katten wäre ergangen, und weil der so leicht und gut durchgekommen wäre, ihnen dergleichen geschehen müsste. Sr. K. M. sind in Dero Jugend auch durch die Schule gelaufen, und haben das lateinische Sprüchwort gelernet: Fiat Justitia et pereat mundus! Also wollen Sie hiermit von Recht und Rechtswegen, daß

1) Dasselbe ist in von Benckendorf Karakterzügen 10. Sammlung S. 33, auch anderweitig, aber nicht genau abgedruckt.

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