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Alle Eingaben wurden denselben Tag beantwortet. Nur Todesurtheile, an die der König ungern ging, verschob er zu volls ziehen und that dies nie vor dem zweiten Tage. Auf deutsche Eingaben wurde deutsch, auf französische französisch geantwortet. Die deutsche Sprache war die Dienstsprache'); bloß die auswärtigen Angelegenheiten befahl Friedrich, den 21. Jun 1740, mit Auss nahme der Reichssachen, in französischer Sprache zu verhandeln.

Baron Diebitsch 2), welcher seit 1765 als Adjutant und Quar tiermeisterlieutenant in des Königs Gefolge lebte, und 1792 als Oberstlieutenant in russische Dienste ging, hat, auf Kaiser Pauls Befehl eine „Spezielle Zeit- und Geschäftseintheilung König Fries drichs 2." drucken lassen, welche unverkennbar das Gepräge des treuen, wohlunterrichteten Berichterstatters an sich trågt und Seite 27 eine Stelle hat, deren wir eben an diesem Orte gedenken müssen, damit man uns nicht der wissentlichen übergehung von Tadelnswerthem zeihe; obgleich wir auch wiederum gestehen, daß wir die folgenden Worte eben so ungern mit Büsching's, Formen's, Zims mermann's und Voltaire's åhnlichen Außerungen in Verbindung bringen, als wir den Verfasser derselben eines Irrthums zeihen, der da sagt:,,Wenn Sr. Maj. nach der Mittagstafel die Kabinetsschreiben unterschrieben hatten, so tranken Sie Ihren Kaffee, und dabei sollen des Nachmittags sowohl, als des Morgens, vers schiedene Ihrer Lieblinge mit Theil zu nehmen die Ehre genossen haben, und besonders ein ehemaliger Page, von Sydow), der

1) Die deutschen Dienstbefehle und die französischen Freundschaftsbriefe an dieselben Personen, z. B. an den General von Fouqué, machen in ihrer himmelweiten Verschiedenheit einen überraschenden Eindruck. 2) Hans Friedrich v. D., geb. 1738 zu Wittenberg in Sachsen, starb den 1. Jun 1822 zu Pargola bei Petersburg. Er war 1756 in preuß. Kriegesdienste getreten. Voffische Zeitung 1822. S. 111. Seine Schrift wurde 1800 bloß für den Kaifer gedruckt; erschien aber 1802 in der Schnoorschen Buchdruckerei aufs Neue, 180 S. 8. und ist vielfach bei dem zunächst Folgenden von uns benukt worden.

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3) Nähere Nachrichten von diesem Manne geben,,Kosmann's und Heinsius' Denkwürdigkeiten und Tagesgeschichte der M. Br. Mårz 1796, S. 262. über v. Sydow sehe man auch Blick auf Gesinnung und Streben" S. 31, 57.

dann Offizier in der Garde und zu verschiedenen wichtigen Geschaften gebraucht, zuleßt aber aus Ungnaden Oberst eines Garnisonregiments wurde und dann seinen Abschied nahm. Fast durchgehends wurde die Gnade Sr. Maj., die Sie ausgezeichnet, verschiedenen solchen Männern aus allerlei Stånden erwiesen, mit Undankbarkeit belohnt. Sr. M. sollen hierüber oft geklagt haben." — Es scheint, als deute der Verfasser hier, freilich nicht unter eigener Verantwortlichkeit, sondern nur auf Hörensagen an, was weniger zarte Schriftsteller unverholener berührt haben. Den Ritter Zim mermann wollen wir ganz bei Seite liegen lassen; denn was der von des Königs Verstümmelung sagt, ist, wie wir unten sehen werden, höchst unverschämt erdichtet; und was er dessen ungeachtet von desselben Mannes griechischer Liebe beibringt, ist nur dem frane zösischen Philosophen nachgesprochen 1). In der (vollståndigen) Vie privée du Roi de Prusse 2) heißt es nämlich: „Wenn Sr. Maj. gekleidet und gestiefelt waren; so wurden, statt der stoischen Strenge, einige Augenblicke der epikureischen Sckte gewidmet.“ Diese Worte aber sind ungemein verblümt gegen den Ausfall, welcher sich in einigen Ausgaben der Pucelle d'Orléans 3), gegen Ende des 13. Gefanges findet, wo der Beichtvater König Karls 7. von Frankreich ein prophetisches Gesicht erzält; unter Andern, in wie sonderbaren Stellungen und Lagen er die Könige der Zukunft gesehen; damit kommt er denn mit folgenden Worten auf Friedrich von Preußen:

,, Mais quand, au bout de l'auguste enfilage,

Il apperçut entre Iris et son page

1) In der Unterredung" folgt Zimmermann der Vie privée; in den Fragmenten Bd. 1. S. 100 hålt er es für entschieden, daß Friedrich jene lasterhafte Beschuldigung gern gesehen, in der Hoffnung; er werde dadurch eine ganz kleine Verstümmelung verbergen. 2) 1784. p. 37.

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3) Die erste Ausgabe: La Pucelle d'Orléans. " Poeme divisé en quinze livres. Par Mr. de V***. Louvain, 1755. 161 S. kl. 8. hat den Ausfall auf den König nicht; sondern erst die folgende, im Nov. 1756 zu Paris erschienene.

Cet auteur Roi, si dur et si bizarre,
Que dans le Nord on admire, on compare
A Salomon, ainsi que les Germains

Leur Empereur au César des Romains. "

Auch damit war der Verläumder nicht zufrieden; sondern er nennt den König, eben erst seit dieser Ausgabe seines pasquillantischen Gedichtes in unzåligen Briefen an allerlei Leute, auf eine höchst frevelhafte Weise immer nur Luc, um durch Buchstabenverseßung die Låsterung anzudeuten, welche er in der Vie privée und in der Pucelle ausgesprochen. Aber', Voltaire war in einer gereizten Stellung gegen den König: darum ist jenes Tadelwort mehr als verdächtig und vor dem Richterstuhle der Geschichte ohne Geltung. Ungern dagegen nennen wir in diesem Zusammenhange zwei andere Månner. Formen druckt sich wenigstens sehr råthsel. haft aus, wenn er sagt,,Duhan habe alle mögliche Nachgiebigkeit gegen des Königs anständige Neigungen gezeigt und daß der lettere damals keine andere hatte; die Szene ånderte sich erst nach Herrn Duhan's Code (,, Il est remarquable qu'il a eu toute la complaisance possible pour ses gouts honnêtes, et qu'alors le Monarque n'en avoit point d'autres“ 1)). Nicht so leise tritt Büsching auf2). Er spricht mit der zuversichtlichsten Bestimmtheit. In Unwillen kann er eigentlich nicht gegen Fries drich schreiben; denn der König ist ihm, wie dem Prediger Fors mey, stets besonders gnådig begegnet. Aber, wer schwere Beschuldigungen so unverholen aussaget, wie Büsching in der Charakteris stik unter der Aufschrift „Vergnügungen"; der sollte nicht ohne die strengsten Beweise seine Stimme laut werden lassen. Man liest daselbst ) aber bloß,,,dadurch, daß der König den Umgang mit Frauenzimmern mied, verlor er viel sinnliches Vergnügen. Er verschaffte sich's aber durch den Umgang mit Mannspersonen wies der und hatte aus der Geschichte der Philosophie wohl behalten, daß man dem Sokrates nachgesagt, er habe den Umgang mit dem

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1) Correspondance de Fr. II. avec M. Duhan. Berlin 1791. p. 93. 2) Obgleich er S. 29 seines Buchs sagt, daß Schamhaftigkeit in Ansehung seines Körpers eine entschiedene Tugend des Königs gewesen. 3) S. 22.

Alzibiades geliebt." "Nun hat Friedrich Jakobs gezeigt1), daß, mit einzelnen Ausnahmen, die Männerliebe der Griechen nichts wes niger als unrein gewesen; ja, Johann Matthias Gesner hat in feinem Socrates sanctus paederasta3) fögar dargethan, daß die Worte, welche dem griechischen Weisen in der Regel zum Vorwurfe gereichten, nichts Anderes als etwas Ehrbares und Heiliges ans gezeigt. Der große König hat einen so gelehrten Vertheidiger noch nicht gefunden. Indess finden sich anreine Leidenschaften in Seelen gewiff nicht, welche der Begeisterung für das Gute, der Erforschung des Wahren sich geweiht haben; und auf welche Seite der Ritterlichgesinnte sich neigte, der den großmüthigen, keuschen, menschenfreundlichen Bayard zu seinem Schutzheiligen sich erkoren, darf nicht weitläuftig erst nachgewiesen werden.

Friedrich kannte genau Alles, was Voltaire schrieb; ihm wers den also die schmutzigen Anschuldigungen nicht entgangen sein. Er spielt in der Ode auf die Calomnie darauf an, wie auch Pring Eugen der griechischen Liebe beschuldigt worden; selbst in der Histoire de mon temps ) heißt es:,,Eugène demanda une Compagnie de dragons; il ne l'obtint pas; parceque Louis XIV. méconnoissait son génie et que les jeunes seigneurs de la cour lui avoient donné le sobriquet de Dame Claude;" und im vierten Gesange des Palladions sagt der Dichter:

,, Ce Jules-César, que des langues obscènes
Disaient mari de toutes les Romaines,

Quand il était la femme des maris" 4).

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Sollte Friedrich so etwas geschrieben haben, wenn er selbst zur Gesellschaft gehört håtte? Er wusste wohl, daß grade den

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1) S. den 3. Theil seiner Vermischten Schriften oder Leben und Kunst der Alten 2. Theil (auch unter dem Titel Akademische Reden und Abhandlungen. 1. Abth.) Lpz. 1829. S. 212–254.

2) Commentarii Societatis regiae scientiarum Gottingensis Tomus II. Ad annum 1752, Gottingae 1753. p. 1–31 findet sich Gesneri Socrates sanctus paederasta.

3) 1. Kap.

4). Sueton im Leben Caesar's C. 2. u. C. 49; u. Catulls 29. Gedicht, in welchem Caesar,, Cinaede Romule 66 angeredet wird.

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größesten Charakteren ') sehr leicht etwas Falsches angeschwärzt wird; weil die schwache Menge auch bei der offenbarsten Verlåumdung immer doch sagen wird: Etwas mag wohl daran sein!” Darum sollten eben die Geistlichen recht eifrig gegen dieses Laster predigen. Wir aber, die wir wohl wissen, wie berühmte Männer, auf Eginhard's durchaus unverfängliche Worte gestüßt, gradezu has ben drucken lassen, daß Karl der Große die Frauenliebe bis zur Unzucht mit seinen eigenen Töchtern getrieben; wir wollen Friedrichs Knabenliebe wenigstens unentschieden laffen, wie Aurelius Victor 2), nachdem ́er die Gründe dafür und dagegen, ob Hadrian den Antinous geliebt, auseinandergeseßt, zum Schlüsse sagt: „Nos rem in medio relinquemus."

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Verlassen wir diesen wenig erbaulichen Gegenstand; so haben wir noch eine Nachricht zu berühren, die freilich, sobald sie nur genannt ist, auch ihr Gericht empfangen hat. Retif de la Bretonne erzålt in seinem Philosophischen System der gesammten Physik oder die Philosophie des Herrn Nikolas. Aus dem Frans zösischen übersetzt. Glogau 1802. Theil 1. S. 179,“ daß Friedrich 2. König von Preußen über die Begattung des Menschen mit allerlei Thieren Versuche angestellet; jedoch habe er in seinen leßten Tagen die Resultate derselben vernichten lassen. Die Versuche mit dem Schwein und besonders mit der Sau seien am besten geluns gen u. s. w. Das Original dieses sauberen Machwerks ist 1796 zu Paris erschienen 3) - und wird seine Gläubigen gefunden has ben wie Voltaire und Büsching; denn ganz aus der Luft wird doch die,, Philosophie de Monsieur Nicolas; par l'auteur du Coeur humain dévoilé" ihre Erzälung von dem Könige als experimentirendem Naturforscher nicht gegriffen haben!

Nach dem Kaffee sprach der König Künstler, welche etwa mit ihren Arbeiten bestellt waren; oder die Offiziere vom Quartiermeis

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1) Friedrich an Voltaire den 22. Februar 1743: Ne me faites point injustice sur mon caractère; d'ailleurs il vous est permis de badiner sur mon sujet comme il vous plaira."

2) C. 14.

3) U. d. T. Philosophie de Mr. Nicolas. Par l'auteur du coeur humain dévoilé. 3 Voll.

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