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tet sich verbunden hiermit anzuzeigen, daß er keinen Antheil an den Schriften habe, die seit Kurzem sowohl in der gelehrten Streitig-keit von der mindern Handlung, als über andere Dinge herausgekommen, und die man ihm in einigen Journalen und Zeitungen beimessen wollen. Es ist ihm sehr zuwider, daß man ihn zu des ren Verfasser gemacht hat, und es würde ihm noch mehr sein, von bloß philosophischen und gelehrten Sachen auf eine Art zu schreiben, welche im Geringsten die Sitten, oder die Ehre eines Andern, wer es auch sei, beleidigen könnten. Er nimmt übrigens an dies sen Streitigkeiten gar keinen Antheil und beschäftiget sich mit einer Arbeit ganz anderer Art, die alle seine Zeit erfordert, indem er an nichts weiter denkt, als die Geschichte seines Vaterlandes zu vollenden. Nach dieser Einleitung las man in derselben Zeitung am 30. Januar, als der König von Berlin wieder nach Potsdam ging: „Da Sr. Maj. der König Allergnädigst beliebt haben, dem Herrn von Voltaire den Kammerherrnschlüssel nebst dem Gnadenkreuze wieder zu überschicken, mit dem Befehle, sich mit der königlichen Suite nach Potsdam zu begeben und seine Zimmer auf dem dasis gen Schlosse von Neuem zu beziehen; so ging derselbe gleichfalls dahin ab."

Aber der Stachel blieb zurück. Zudem fühlte Voltaire sich aufs Neue verlegt durch die Lettres au public, welche ihn zu folgender Briefstelle an Madame Denis, den 15. Mårz veranlassten: ,,Voici les deux Lettres au public; le Roi a écrit et imprimé ces brochures; et tout Berlin dit que c'est pour faire voir, qu'il peut très-bien écrire sans mon petit secours. Il le peut, sans doute; il a beaucoup d'esprit. Je l'ai mis en état de se passer de moi, et le Marquis d'Argens lui suffit").

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Voltaire bat um Urlaub, in die Båder von Plombières zu gehen. Auch konnte er auf keine Weise bleiben. Denn der Hans del mit Maupertuis war bei Weitem nicht die ganze Ursache, welche ihm so überaus bittere Kränkung zugezogen. Das fühlte er längst schon und er scheint selbst durch die Markgråfinn von Baireuth auf den König haben wirken zu wollen; denn sie sagt

1) Oeuvres de V. T. 84. p. 85.

ihm in einer Antwort, den 12. Jul 1752,,J'ai écrit au roi ce que Vous me mandez sur son sujet. Il est difficile de leconnoître sans l'aimer, et sans s'attacher à lui... Il est du nombre de ces phénomènes qui ne parroissent tout au plus qu'une fois dans un siècle. Vous connoissez mes sentimens pour ce cher frère, ainsi je tranche court sur ce sujet.

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Vous semblez devenu bien misanthrope. Vous restez à Potsdam, tandis que le roi est à Berlin, et vous vous imaginez qu'un philosophe ne convient point à une nôce." Nun war die Vermålung des Prinzen Heinrich's den 25. Jun; sodaß der König bei der Reihe von Hoffesten auf långere Zeit aus seiner gewohnten Lebensweise scheiden und in Berlin zubringen musste, wo ihm die nåhere Umgebung um so minder sich entziehen durfte. Das erwog Voltaire so wenig, wie seine ganze Lage. Eigentlich war er schon damals für seine Verhältnisse als Friedrichs wissens fchaftlicher Gesellschafter verloren. Sein so ganz unphilosophisches Leben bei Hofe und in Berlin hatte ihm viel von seiner Achtung geraubt, besonders seine unersåttliche Geldsucht, die ihm höchft årgerliche Ahndungen zuzog: einmal nämlich der Prozess mit dem Juden Hirsch 1), der ihn beschuldigte, ihn mit unechten Steinen übervortheilt zu haben; und dann die Klagen, welche von Sachsen her wider ihn einliefen. Der König hatte nämlich im siebenten Artikel des Dresdener Friedens ausgemacht,,,daß allen preußischen Unterthanen, welche in der sächsischen Steuerkasse Gelder hätten oder haben würden, nicht nur die Zinsen davon richtig gezahlt werden, sondern auch die Kapitalien ganz ohne den mindesten Abzug und Verweigerung, und binnen einem billigmåßigen Zeitraume wies der erstattet werden sollten." Der ungebührliche Vortheil, den man hie und da von diesem Artikel zu ziehen suchte, erregte zwischen dem sächsischen und dem berliner Hofe Irrungen, welche aber ein königliches Edikt vom 30. April 1748 beilegte, wodurch den preuFischen Unterthanen verboten wurde, sächsische Steuerscheine auf eine wucherliche Art an sich zu bringen; auch nach dem Edikte vom 13. Nov. 1751 sollte pon den königlichen Vasallen und Une

1) Abgedruckt im 5. Bande von Klein's Annalen der Gefeßgebung. S. 215-276.

terthanen mit den kursächsischen Steuerscheinen „keine Versur oder gewinnsüchtiges Gewerbe" getrieben werden. Dessen ungeachtet ließ Voltaire in Leipzig solche Papiere aufkaufen, um als preußischer Unterthan volle Zahlung dafür zu bekommen. Über Alles dieses spricht der König sich. in dem folgenden Briefe an Voltaire, vom 24. Febr. 1752 aus1): „Ich nahm Sie mit Vergnügen bei mir auf; ich schätzte Ihren Geist, Ihre Talente, Ihre Kenntnisse, und musste glauben, ein Mann von Ihrem Alter sei müde, mit den Schriftstellern Federkriege zu führen und sich dem Ungewitter auszusetzen: er komme also hieher, um, wie in einem fichern Hafen, eine Zuflucht zu suchen. Aber gleich Anfangs verlangten Sie auf eine ziemlich sonderbare Art von mir, ich möchte Fréron) nicht zu meinem literarischen Korrespondenten machen. Ich war so schwach, oder so gefållig, es Ihnen zu bewilligen, ob | es gleich nicht Ihre Sache war, zu bestimmen, wen ich in meine Dienste nehmen sollte."

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d'Arnaud 3) hat Unrecht gegen Sie gehandelt; aber ein edelmüthiger Mann hätte ihm verziehen; nur ein Rachsüchtiger verfolgt den, den er hafft. Kurz, obgleich d'Arnaud mir nichts gethan hat; so ist er doch um Ihretwillen von hier weggegangen."

1) Voltaire an Friedrich d. 30. Januar 1752, wo von Fr. v. Bentink, von des Königs missbrauchten Gedichten u. dergl. die Rede ist:,,Vous savez qu'un mot de Votre bouche est un coup mortel. Tout le monde dit, chez la Reine - Mère, que je suis dans votre disgrâce. Un tel état décourage et flétrit l'ame: et la crainte de déplaire ôte tous les moyens de plaire. Daignez me rassurer contre la défiance de moi-même, et ayez du moins pitié d'un homme, que vous avez promis de rendre heureux." Lettres inédites p. 181. Eben da findet sich auch p. 117 ein Brief v. 1750 an den König, in welchem V. fich selbst anklagt, die Gnade des Monarchen durch eigene Schuld verscherzt zu haben; p. 123 bittet V. im J. 1751 um Urlaub zu einer Reise nach Paris und berührt leise d'Arnaud, die Steuerscheine und Hirsch.

2) Lettres inédites p. 95.

3) V. beschuldigte ihn, ihm durch seinen (Voltaire's) Bedienten ein Manuskript entwandt zu haben. S. Lettres inédites de Voltaire à Fréderic. Paris 1802. p. 112. 115.

,,Sie sind bei dem russischen Gesandten gewesen, um mit ihm über Angelegenheiten zu reden, die Sie gar nichts angehen; und man hat geglaubt, ich hätte es Ihnen aufgetragen. Sie haben sich in die Angelegenheiten der Frau von Bentink') gemischt, ob sie gleich wahrhaftig nicht in Jhr Departement gehörten."

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Sie hatten die hässlichste Sache von der Welt mit dem Juden und erregten in der Stadt ein håssliches Aufsehen 2). Die Geschichte mit den såchsischen Steuerscheinen ist in Sachsen so bes kannt, daß man sich sehr hart bei mir beklagt hat. Ich für mein Theil habe bis zu Ihrer Ankunft in meinem Hause Frieden erhals ten und sage Ihnen, daß Sie, wie Sie Intriguen und Kabalen lieben, sehr an den unrechten Mann gekommen sind. Ich liebe sanfte und friedliche Leute, welche die heftigen Leidenschaften des Trauerspiels aus ihrem Betragen verbannen. Können Sie sich. entschließen, als Philosoph zu leben, so werde ich Sie mit Vers gnügen sehen; überlassen Sie sich aber Ihren ungestümen Leidens schaften, und suchen Sie an Jedermann Håndel, so wird mir Ihr Besuch ganz und gar nicht angenehm sein und Sie können eben so gut in Berlin bleiben." Eben so rührt der König ihm vier Tage spåter, den 28. Febr. das Gewissen über die Flecken seines Karakters. In harten Ausdrücken sprechen auch die Briefe, welche ders selbe um diese Zeit über Voltaire an seine Freunde schrieb, besonders die an Darget vom April 1752 und vom April 1753. Welche Veränderung im Vergleiche mit der Zeit, wo die schmeichelhafte Epistel vom 21. Oktober 17403), in Potsdam zu wohnen, ihn einlud und von welcher er noch spåt dem Herzoge von Richelieu, wenigstens mit einigem Scheine von Wahrheit sagen konnte: „Wenn man wüsste, daß der König von Preußen mir eines Tages die Hand geküsst hat, so mager sie auch war, um mich zu bewegen

1) Lettres inédites p. 126.

2) über den Prozess mit Hirsch schreibt Voltaire 1751 an den König: ,,J'avais mandé à S. A. R. Madame la Marggrave de Bareith que frère Voltaire était en pénitence. Ayez pitié de frère Voltaire. Il n'attend que le moment de s'aller fourrer dans la cellule du Marquisat." Lettres inédites. p. 129.

3) Oeuvres Posth. T. 9. p. 125.

bei ihm zu bleiben“)! - Jeßt durfte er, den 26. März 1753, ohne von Bitten und Einladungen gehindert zu werden 2), mit sehr gesunkenem Rufe von dem Manne scheiden, den er in dem schönen Gedichte,,Enfin voici le jour le plus beau de ma vie", mit welchem er ihn als jungen König begrüßte 3), den Salomo des. Nordens" nannte und den er nun im Unmuthe gern mit Dionys von Syrakus verglich.

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Voltaire ging über Leipzig nach Gotha, wo der Herzog ihn aufnahm; von da nach Frankfurt. Hier erlebte er noch eine Kränkung von Berlin aus. Stadtsoldaten verhafteten ihn, den 1. Jun, auf Gesuch des preußischen Residenten Freytag und nach Befehl des Burgemeisters von Fichard, und hielten ihn eine ziemliche Zeit im Gasthofe zur Rose auf der Zeil gefänglich an*). Man forderte ihm Papiere und die Oeuvres du Philosophe de Sans Souci ab, von denen der König Missbrauch fürchtete; und da die Gedichte mit dem Gepäcke noch in Leipzig waren; so musste der reisende Dichter bis zur Ankunft derselben, den 17. Jun unfreis willig verweilen. Die Unbilden, welche ihn trafen, erfuhr auch Madame Denis, die dem Oheim entgegen gekommen war, um ihn nach Plombières zu begleiten ").

Je größer vorher die gegenseitige Bewunderung gewesen, desto bitterer war nun das gekränkte Gefühl der Täuschung. Friedrich ließ es, bei Voltaire's Schmähgedichten, an derben Ausfällen nicht

1) Voltaire an Richelieu den 10. Oft. 1756. Oeuvres Complètes de V. T. 82. p. 167.

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2) Friedrich schrieb ihm den 16. März 1753: Vous êtes bien le maître de quitter mon service quand Vous voudrez; mais, avant de partir, faites-moi remettre le contract de Votre engagement, la clef, la croix et le volume de Poésies que je Vous ai confié. Mr. de Voltaire peint par lui-même. p. 100.

3) Voltaire's (Original-) Gedicht an Friedrich bei seiner Thronbestei= gung,, Enfin voici le jour le plus beau de ma vie" findet man la Vie de Frederic II. Strasbourg 1787. T. 4. p. 167..

4) Göthe Aus meinem Leben D. u. W. Stuttg. u. T. 1819. 19. Bd. S. 326. 5) Declaration de Mr. de Voltaire detenu en prison à Francfort par. le Roi de Pr.

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