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nige weltliche Dinge zu begehren. Ja, es ist diese Forderung an die nächste Umgebung, welche seinem Vergnügen oder seinem unmittelbaren Dienste gewidmet war, was die entschädigende Belohnung betrifft, vielleicht zu weit gegangen: Algarotti z. B. hatte für seinen Besuch beim Könige in Berlin und Schlesien gegen 1700 Dukaten aus eigenen Mitteln verwandt'); und der Kammermusikus Fasch bekam selbst für seine Dienstreise in das Winterquartier nach Leipzig, 1761, keine Entschädigung ?).

Also minderten zwei sehr empfindliche Schattenseiten in Voltaire's Karakter seine Gesellschaft bei dem Könige, der früh auf den Menschen in ihm verzichten lernen musste, während er von dem schönen Geiste ewig entzückt blieb. Man muss darüber seinen Brief an Algarotti vom 12. Sept. 1749 ) lesen, in welchem er fagt: " Voltaire hat einen Streich begangen, welcher unwürdig ist. Er verdiente auf dem Parnasse gebrandmarkt zu werden; es ist recht schade, daß eine so nichtswürdige Seele mit einem so herrlichen Genie verbunden ist. Indess werde ich mir nichts merken lassen; denn ich habe seiner zum Studium der französischen Sprache nöthig: man kann schöne Sachen von einem Bösewichte lernen. Ich will sein Französisch wissen"); was geht mich setne

1) S. Algarotti's Brief an den König vom 24. August 1742. 2) Fasch' Leben von Zelter.

3) Damals verklagte V. schon den M. d'Argens beim Könige. S. Lettres inédites p. 74. Merkwürdig ist sein Brief (a. a. D. p. 45) an den König Paris, den 17. Mårz 1749: „S'il me reste un souffle de Vie, je l'employerai à venir Vous faire ma cour. Je veux voir encore une fois au moins ce grand homme. Je Vous ai aimé trendrement, j'ai été faché contre Vous, je Vous ai pardonné et actuellement je Vous aime à la folie. I'l n'y a jamais eu de corps si faible que le mien, ni d'âme plus sensible. J'ose enfin Vous aimer autant que je Vous admire;" a. a. D. p. 65 bittet V., Lüneville den 31. August 1749, den König um Verdienstorden und Kammerherrn= schlüssel, auch nachher noch wieder, und spielt darauf an, daß Andere, die den König spåter, als er, haben kennen lernen, beide Auszeichnungen schon genießen. Er bekam sie erst den 12. August 1750; s. Oeuvres complètes de Voltaire. T. 83. p. 13.

4) Wie Voltaire des Königs Gedichte rezensïrt, zeigen die Lettres inédites, wo V. p. 41 über die Epître à Darget v. J. 1749; p.47, den 19.

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Moral an?"`- Also hörten die Einladungen nicht auf1). Aber, erst als die Freundinn den 10. September 1749, 44 Jahre alt, im Kindbette zu Luneville gestorben war, ließen Voltaire's übrige Bedenken leicht sich heben. Er hatte bisher, um sich zu entschuldigen, bald den rauhen Himmel, bald die Reisekosten vorgeschüßt; da überschickte Friedrich ihm Melonen aus Potsdam, sammt 2000 Thalern und der große Geist erfreute am 10. Jul 1750 den entzückten König in Sans Souci durch die Ankündigung seiner bleibenden Nåhe, genoss die sorgsamste Aufmerksamkeit, bekam 20,000 Franken Pension und für seine Nichte, Madame Denis, was diese aber nicht annahm, wenn sie dem Oheim folge, die Zusicherung von 4000 Fr. auf Lebenszeit 2); er wohnte im Schlosse, hatte freie Tafel, Dienerschaft, Equipage; dazu die Kammerherrnwürde und den Verdienstorden. Das Alles behagte ihm ausnehmend. „Astolf, heißt es in dem Privatleben) von seinem Empfange in Potss dam, wurde nicht schöner in dem Palaste der Alcina empfangen 1);“

April 1749 über die Epître à M. la Marggrave de Bareith; p. 56 u. 61 über die Verse gegen Bestucheff und die Moskowiter v. 1749 schreibt; der Brief v. 19. April 1749 enthält Voltaire's Vorschläge über des Königs französische Studien.

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1) Den 7. Okt. 1743: Frankreich ist bisicht betrachtet worden als die Zuflucht der unglücklichen Monarchen; ich wünsche, daß meine Hauptstadt der Tempel großer Månner werde. Kommen Sie also, mein_lieber V., und geben Sie jeglichen Befehl, Ihnen den Aufenthalt in demselben angenehm zu machen 2c. Friedrichs 2. Werke. Aus d. Fr. übers. Neue Aufl. Berlin 1789. S. 90. 1750,,Sie sind wie der weiße Elephant, dessentwegen der Schach von Persien und der Großmogul Krieg führen, und dessen Besih, wenn sie glücklich genug gewesen sind, ihn erlangt zu haben, einen von ihren Titeln bildet. Wenn sie hieher. kommen, so sollen Sie an der Spite des meinigen stehen: Friedrich von Gottes Gnaden, K. v. Pr., Kurf. v. Br., Besißer von Voltairec. 2) S. Voltaire's Brief an Madame Denis (veuve d'un Capitaine) in Paris (Charlottenburg) den 14. August 1750. Daß V. idhrlich 5000 Thaler Pension bekam, sagt er selbst in einem Briefe an den König aus d. J. 1752. Lettres inédites. p. 194. Den 8. Mai 1750 bat V. den König (von Paris aus) um Reisegelder, wenigstens um 4000 deutsche Thaler; s. Lettres inédites. p. 99.

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3) Ausg. v. 1784. p. 53, eine klassische Stelle für Voltaire's Leben an Frie

drichs Hofe.

4) Ariost Rafender Roland. 6. Gesang.

Friedr. d. Gr. I.

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und er schildert dann weiter das Anziehende seiner Lage und die herrlichen, wigvollen Tafelfreuden bei Hofe. Auf gleiche Weise spricht Voltaire seine Gefühle, um Friedrich leben zu können, in den Briefen an alle entfernte Bekannte und Freunde aus1); ja, in dem Historischen Kommentare" fagt er gradezu:,,Voltaire's Enthusiasmus für den König von Preußen ging bis zur Leidenschaft; man muss gestehen, daß es nichts Süßeres gab, als dieses Leben und daß nichts der Philosophie und den schönen Künsten mehr Ehre machte “ 2)...

Noch ist d'Arnaud 3) zu merken, der, von Voltaire empfohlen, im April 1750 nach Berlin kam. Der König hatte ihn dringend eingeladen in Epigrammen, seine Länder glücklich zu machen. oder seine Unterthanen wißig („, Venez diviniser nos manans."). Solche Verse wurden bald bekannt und konnten unmöglich die Schelsucht der deutschen Gelehrten zu mindern beitragen *).

So war die Umgebung des Königs verschiedenartig wieder ergånzt, ja vergrößert. Aber nicht Alle blieben längere Zeit; von der Golz, de la Métrie, v. Rothenburg, v. Stille, v. Knobelsdorf und den Statsminister von Borck rief der Tod früh ab; Andere die Neigung. Diese mochten wahr finden, was Friedrich selbst in der Epistel an den Grafen Hodig 1771 treffend sagt: " Es ist schön, sich dem Diadem zu nåhern; aber noch besser ist's, von

1) S. Oeuvres complètes de Voltaire. Basle T. 83, welcher Voltaire's Briefe aus den Jahren 1750 bis August 1752 enthält, auch schon das Herannahen des Unfriedens.

2) Commentaire historique. p. 46.48. Inten Beilage 8 findet man vier Briefe aus d. J. 1750 und 52, in welchen Voltaire seine überschwäng= liche Luft und Wonne in der Nähe des Königs nach Frankreich meldet. Natürlich, da ihm Alles huldigte. Während der Wintermonate, welche er in Berlin zubrachte, machte man ihm, wie einem erklärten Günfilinge, den Hof: Prinzen, Marschälle, Statsminister, Herrn von hohem Range machten ihm die Aufwartung und wurden mit sprödem Hochmuth empfangen. Formey Souvenirs. T. 1. p. 235.

3) d'Arnaud, aus einer vornehmen Familie; seine besten Schriften sind: Epreuves du Sentiment; Delassements de l'homme sensible.

4) S. Sulzer an Bodmer den 12. Mai 1750 in den „Briefen der Schweijer Bodmer, Sulzer, Gesner. Zürich 1804, S. 147.

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sich selbst abzuhangen"). So sehen wir in Jahresfrist Algarotti, Darget, Chazot 2), d'Arnaud von hinnen ziehen; Chevalier de Masson3) fand sich nie in seiner kurzen Rolle zurecht; auch Knobelsdorf hatte des Herren Gunst nicht mit ins Grab genommen. Des Königs Brief an Algarotti vom 10. Sept. 1742 bes weist es, daß der Privatmann sehr schwer neben dem Könige stehet. Der Graf erscheint in feinem ganzen Briefwechsel als ein sehr feiner, redlicher — aber auch nach Unabhängigkeit strebender Mann. Im Dienste des Königs war er gebunden under konnte ohne Urlaub nicht von Potsdam nach Berlin gehen. Eine andere Anstellung, etwa als Gesandter, konnte er nie erlangen. In der Entfers nung war gegenseitige Zärtlichkeit. Sagt Algarotti dem Könige in einem Briefe vom 8. Mai 1754,, Ce qui me doit consoler en toute chose, c'est que je suis attaché non pas à un homme roi, mais à un roi homme; comme a dit M. Chesterfield de V. M.; so schreibt Friedrich an Darget den 29. Jul 1754,,Algarotti a pris la clef des Champs; il s'établit à Venise. Voilà un grand dérangement dans la société, et vous autres me faites faire maison neuve malgré moi" ").

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Andere Genossen des Königs, deren Namen oft ́ wiederkehren werden, vor allen Lord Marishal, d'Argens und Graf Finkenstein leisteten viel und bewährten sich.

Auch fehlten die nicht, welche dem großen Freunde den geistis gen Genuss verkümmerten, der aus ihrer Nähe floss. Am Meisten ragt unter diesen letzteren Voltaire wieder hervor. Wenige Dens ker haben durch ihre Feder so auf die Meinungen ihrer Zeitgenoss fen gewirkt und so nachhaltigen Einfluss auf die Geisterwelt geübt, als jener König unter den französischen Dichtern und Philosophen: aber wenige stimmfähige Männer haben seinem Werthe solche Huls

1) Oeuvres posthumes. T. 7. p. 28.

2) v. Chazot nahm als Oberfilieutenant im September 1752 seinen Abschied.

3) Graf Gotter hatte ihn auf seiner Reise nach Montpellier als franz. Capitaine in Alt-Breisach kennen lernen und 1753 an Voltaire's Stelle dem Könige zum literarischen Gesellschafter empfohlen. S. Formey's Souvenirs. T. 2. p. 50; Nicolai Anekdoten. Heft 6. S. 169. 4) Baseler Ausgabe der Oeuvres posth. T. 3. p. 346.

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digungen geweiht, als eben auch der weiseste unter den Königen. Friedrich hielt ihn nun einmal für den ersten Kenner des Wahren und Schönen, und darum mochte er seines Umganges nicht ents behren. Schade, daß der so gefeierte Gast in ungemessener Selbstliebe unterging. Habsüchtig und schmußig geizig, ja betrügerisch bei selbstständigem Reichthume, håmisch, neidisch und eifersüchtig auf jeden anderen Hofgesellschafter, wie Voltaire war, missbrauchte er bald die königliche Milde, welche, in der Freude über seinen wißigen Umgang, große Nachsicht hatte, bis ein årgerlicher Vorfall alle Bande zerriff. Sein ehemaliger Freund Maupertuis '), deffen gelehrter Ruf auf der bekannten Gradmessung beruhete, wurde die scheinbar nächste Veranlassung zu seinem Falle. Als nåmlich die europäischen Mathematiker schon ein halbes Jahrhundert darüber gestritten, ob die Erde, nach Huyens und Newton, an den Polen abgeplattet, oder, nach Eisenschmid und Jacques Cassini, verlängert sei; da wollte die französische Regirung diese Frage dadurch der Entscheidung nåhern, daß sie 1735 die Grade der Mittagslinie messen ließ; durch de la Condamine in Quito, durch Maupertuis in Torneå. Newton's Meinung bestätigte sich. Die französischen Mathematiker kehrten, 1737, ehrenvoll heim; Condamine brachte der alten Welt die genauere Bekanntschaft der Chis narinde zu; Maupertuis aber wurde von dem Könige für seine Gesellschaft erworben und vielleicht, wie die Franzosen überhaupt, mehr, als Grund war, geschäßt. 1746 nun wurde er Pråsident der Akademie und gerieth fünf Jahre später mit einem Ehrenmitgliede derselben, dem Professor König in Franeker, in einen årger lichen Streit. König, in Bern geboren, war zwei Jahre der Marquise du Châtelet und Voltaire's gelehrter Gesellschafter in Ciren. gewesen, ehe er 1751 nach Berlin kam und mit Maupertuis zerfiel, welcher, ein Jahr zuvor, in seinem Essai de Cosmologie, ein neues Naturgeseh,,Von der kleinsten Kraft in den Wirkungen

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1) V. an Maup. den 22. Mai 1738: Si vos opérations sont d'Archimede, et votre courage de Christophe Colombe, votre description des neiges de Tornea est de Michel-Ange, et celle des especes d'aurores boréales est de l'Albane. V. Mr. de Volt. peint par lui-même. A Lausanne 1769. p. 213.

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