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ehrerbietigen Berneigung von ihnen beurlaubt habe. Dabei, sagt der berühmte Jurist Klein, ein geborner Breslauer, in seis ner Selbstbiographie'), erinnerte ich mich an verschiedene Vers ordnungen, welche die Ortsobrigkeiten für die in ihrem Bezirke ausgeübten Räubereien zur Entschädigung verpflichteten, weil man die Fremden, vermöge eines stillschweigenden Vertrages mit den Räubern, dem Diebsgesindel Preis gab. Wie ganz anders nahm sich dagegen die preußische Rechtspflege und Polizei aus.“

Wie durch die preußische Herrschaft in Schlesien auch die Religionsverfassung des Landes in einen ruhigen, freien und festen Zustand gekommen 2), werden wir unten im Einzelnen nachzuweisen haben.

Auch bei dem Heere wurde vielen Mångeln abgeholfen, welche der König während des Feldzuges bemerkt. Friedrich besorgte Alles selbst. Besonders suchte er seiner Reiterei einen besseren Geist einzuflößen, einer Waffe, welche, unter dem großen Kurfürs sten von Derfflinger, nächst Pappenheim dem tapfersten Reiterführer des Jahrhunderts befehligt, Wunder gethan, durch die staunenswerthe Schlacht bei Fehrbellin Brandenburg's Größe begrün det und auch den Zug långs der Ostseeküste glänzend gemacht; aber, seit sie im spanischen Erbfolgekriege ihre Ehre eingebüßt, fast unbrauchbar geworden war. Denn der alte Dessauer konnte es der verbündeten Reiterei des Grafen von Stirum nicht vergeben, daß sie sich bei Höchstådt, 1704, von der weit stårkeren französischbaierschen unter Marschall Villars und dem Kurfürsten von Bais ern hatte überfallen und schlagen lassen, wodurch er selbst mit sechs preußischen Bataillonen in Gefahr gerathen; eben so hatte Friedrich Wilhelm I. bei Malplaquet die kaiserliche Reiterei vor der französischen dreimal weichen sehen: darum verachtete er, wie Leopold, Alles, was Reiterei hieß 3).

1) S. 36. Diese Selbstbiographie findet sich in den „Bildnissen jeßt lebender Berliner Gelehrten. Berlin 1806; Klein war 1744 geboren.

2) Gesammelte Dokumente und Nachrichten den gegenwärtigen Zustand des Herzogth. Schlesien betreffend. 1741.

3) über den Ruhm der preuß. Reiterei unter dem gr. Kurfürsten und

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Das Fußvolk verdankte dem Fürsten von Dessau sehr viel, ganz Europa staunte es an. In dem ersten schlesischen Kriege feuerten die Preußen, in Folge der ausdauernden Übung und der eisernen Ladestöcke gewaltig mit dem kleinen Gewehr; den Östers reichern waren noch die hölzernen Ladestöcke hinderlich. Aber die Tage von Molwiß und Czaslau hatten auch hier den Gesichtskreis erweitert. Selbst die Infanterie wurde zweckmäßiger unterrichtet. Kunstgerechte Bildung hatte der preußische Offizier im Jahre 1740 noch so wenig, daß ihm selbst die geringste Schulsprache abging. Was z. B. Kolonne sei, kümmerte ihn so wenig, daß, als bes fohlen wurde in Kolonnen zu marschiren, die ehrlichen Helden zusammentraten und sich im Vertrauen fragten: „wat is denn nu Kolunnige?“ dann aber sich damit beruhigten: „eh wat! Ik folge op min Voddermann, wo deh hinmarschirt, ik och 1)."

Alles trieb der König selbst. Den 28. März 1743 traf er in Neiße ein, sahe die schon begonnenen Festungserweiterungen und legte den 30. Mår¡, unter großen Festlichkeiten, den Grundstein zum Fort Preußen. Auch Brieg, Glogau, Cosel und Glah wurs den besser befestigt. Schon den 21. Jul besuchte er Schlesien wieder zur Truppenmusterung und zur Besichtigung des Festungsbaues in Neiße.

Die durchgreifende Erneuerung aller Truppentheile ersieht man am besten aus den neuen Dienstvorschriften. Friedrich I. hatte zwar schon eine unvergleichliche Adlige, Schweizer und Weiße Garde gehabt; das übrige Heer aber war der Willkür der Bes fehlshaber überlassen geblieben. Sein Sohn gestaltete dann das Heer gleichmäßig, las die Kriegsreglements der vornehmsten europåischen Mächte und, da das ausführliche spanische ihm am bes sten gefiel; so verfasste er, mit des alten Dessauers und einiger anderer Generale Hülfe, 1726, ein neues Preußisches Kriegesreglement, in welchem Bewaffnung, Kleidung, Übung der

über ihre spätere Vernachlässigung f. Friedrich's Abhandlung Du Militaire.

1) (v. Berenhorf) Betrachtungen über die Kriegskunst. Leipzig 1798. 2. Abth. S. 30.

Handgriffe und der größere Dienst sammt der Ökonomie' genau beschrieben waren. Im Jahre 1743 nun gab der König der Infanterie, den 1. Jun; den Cavallerie Regimentern den 13. Jul; den Dragonern, den 1. Jul; den Husaren, den 1. Dez. neue Res glements, welche sehr umständlich und gründlich ausgearbeitet was ren; aber, wohl verwahret und an keinen gezeigt wer den sollten ')." Neue Krieges artikel bekam die Armee den 16. Jun 1749 2)."

1740 war von Reinhardt General Feld Kriegeskommissar; Hans Jürgen Detlef von Massow wurde den 4. Mai 1741 zum Generalmajor ernannt und zum Chef der Montirungsangelegenheis ten gemacht mit dem Karakter eines Generalkriegeskommissarius, Der König war mit diesem Manne sehr zufrieden und beförderte ihn 1750 zum Generallieutenant.

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Einen Generalstab hatte Friedrich jetzt noch nicht3); in den Geschäften desselben ging ihm dem Alles allein ordnenden, leis tenden, übersehenden *), — Graf Schmettau zur Hand, den er den 4. Mai 1741 als Obersten und Flügeladjutanten in Dienste nahm und welcher, 1743, zum Generalmajor und 1744 zum Generalquartiermeister ernannt, nun alle, in dieses wichtige Amt einschlagende Arbeiten ausschließlich, trug. Erst im Winter des Jahres 1756 bildete der König, auf Schmettau's wiederholte Vorstellungen, einen kleinen Generalstab, bestehend aus einem Generalquartiermeisterlieutenant, dem Obersten von der Ölsniß, einem sehr hoffnungsvollen Manne, der aber schon den Tag nach der Schlacht von

1) Neue Auflagen dieser Reglements erschienen den 1. Mai 1764. Das Marschreglement und das Ökonomiereglement haben wir leider nicht erlangen können.

2) Mylius. C. Č. Contin. IV. p. 155.

3) General Du Moulin war den 26. Sept. 1729 zum Generalquartiermeister ernannt worden und blieb auch bis an seinen Tod 1756 im Genusse dieses Amtes, obgleich Friedrich allein besorgte, was in den Generalquartiermeißterberuf gehörte (s. Schmettau's Leben S. 282.), bis er den Grafen Schmettau heranzog.

4) Einen Dienstbrief des Königs an Oberst Du Moulin vom 3. Febr. 1741 findet man in „Helden», Stats- und Lebensgeschichte. Theil 1. S. 718.

Prag von den Panduren erschossen wurde, und vier Quartiermeis sterlieutenants; Schmettau blieb Generalquartiermeister ').

Es ist wohl hie und da gesagt worden, daß Friedrich Alles, was nicht zur Linie gehört, nur wenig beachtet habe, und es ist, eben so wahr, daß er die Befehlshaberstellen in der Festungen ges brechlichen Stabsoffizieren aus der Linieninfanterie anvertraute, welche, in der Wissenschaft von Vertheidigung der Plåße ganz unkundig waren, als daß er Ingenieure, Mineure und Artilleristen im Avancement und auch sonst wenig begünstigte und förderte 2); auch legte er in die festen Plåge nur schwache Besatzungen, meis stentheils unsichere Leute; indess wirkte Friedrichs Persönlichkeit überall so beselend, daß auch in den minder beachteten Waffen sehr treffliche Männer das Heer verherrlicht und den Ruhm der ́ Krone Preußen befördert haben. Wie groß der König selbst aber in Belagerung fester Plågé gewesen, und wie ganz Europa auch von seis nen eigenthümlichen Verbesserungen im Geschüßwesen gern gelernt, werden wir unten verschiedentlich zu zeigen Gelegenheit finden.

1) Schmettau's Lebensgeschichte von dessen Sohne. Berlin 1806. S. 344. 1758 wurde Capitaine v. Gaudi, der seit der Schlacht von Rossbach nicht mehr ganz beliebt war, Capitaine des Guides. Den Tag vor der Schlacht von Liegniß vertraute der König dem Lieutenant Heinr. Wilh. Anhalt die Feldplankammer an, der dann rasch befördert, aber, nach mehrjähriger Vakanz, erst den 24. Mai 1765 zum Generalquartiermeißter ernannt wurde.

2) Seydel's Nachrichten von vaterländ. Festungen. Bd. 4. S. 24. — Ein

preuß. Ingenieurkorps giebt es erst seit 1728; vorher nur HandwerFer. 1728 zählte das Ing. - Korps 39 Offiziere und Conductörs (d. h. Seconde - Lieutenants) an deren Spiße Oberßtlieut. v. Wallrave stand. Friedr. II. fügte 1740 den 40. Offizier hinzu; bei seinem Tode zählten die Ingeniors 62 Offiziere. An des G. M. v. Wallrave Stelle trat 1748 G. M. v. Seers; 1757 folgte ihm Oberst v. Balby, nach dessen Abgange das Corps bis 1789 keinen wirklichen Chef gehabt hat.

Der zweite schlesische Krieg.

Marie Theresie hatte seit dem Berliner Frieden alle ihre Kräfte gegen Frankreich und Baiern gerichtet. Belle-Isle und Broglio waren vor Karl von Lothringen im Jun 1742 bis unter die Kanonen von Prag zurückgezogen, wo es ihnen an allen Bedürfnissen fehlte, während sie 70,000 Feinde um sich gelagert sahen. Sie fordern freien Abzug mit allem Kriegsgeråthe; die Königinn von Ungarn aber, von dem englischen Gesandten bestimmt, will unbes dingte Ergebung. Es hatte den 3. Februar dieses Jahres Lord Carteret in London, an Robert Walpole's Stelle, das Ruder der Geschäftsführung bekommen, ein kriegerisch gesinnter Freund des Hauses Österreich, für welches wir seinen Herrn auch gleich in den Waffen sehen werden. Ohne Englands Einfluss håtten Franz Stes phan und Herzog Karl die in Prag eingeschlossenen Franzosen und Baiern abziehen lassen. Die schwer bedrängten vertheidigen sich mit tapferer Einsicht. Maillebois will im Oktober mit 50,000 Mann zu Hülfe kommen; ihm geht Karl von Lothringen entgegen; während Fürst Lobkowiß die Verbündeten mit 10,000 Mann beobs achtet. Broglio stellt sich mit 12,000 Mann bei Teplitz auf; vers gebens. Maillebois soll nichts Gewagtes unternehmen: er zieht nach Baiern zurück; Karl von Lothringen folgt ihm und beide nehmen daselbst Winterlager. Broglio wird Befehlshaber des Mailleboisschen Heeres: Belle-Isle aber bekommt den Befehl, Prag auf jeden Fall zu räumen 1). Ein gefährlicher Auftrag; aber der Feldherr ist einsichtsvoll, das Heer tapfer. Die Franzosen brechen in der Nacht vom 16. Dezember auf mit 11,000 Mann zu Fuß und mit 3000 Reitern, abgehungert und schlecht gekleidet. Alles Kries gesgeråth, auch 30 Geschüße und 6000 Zugpferde werden mitges

1) Der Kardinal Fleury hatte ihm gar geschrieben:,,la paix, Monsieur, à quelque prix que ce soit!" Marie Therefie aber verwarf die zwischen Belle-Isle und ihrem Gen. v. Königseck eröffneten Friedensverhandlungen. S. Mém. de Valori T. 1. p. 169.

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