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gab, und der Geschichte zum Maßstabe für sein eigenes Walten. Denn, wenn Friedrich in dem Versuche über die Regirungsformen und über die Pflichten der Fürsten“ vom Jahre 1777, gedruckt 1781, und in dem Leben feines Großvaters vom Jahre 1748') sich,,le premier serviteur de l'état“ nennt; so erklårt er sich in einem Briefe an de Launay vom 16. März 1766 für den,,Anwald der Armen" (l'avocat du pauvre); und Beides ist er im strengsten Sinne des Wortes bis an die Gruft gewesen, indem er, was auch seine Huldigungsmedaillen aussagen, als Vater des Vaterlandes das Wohl des Volkes für sein höchstes Gesetz betrachtete und aus Liebe, als Familienhaupt, diesem hohen Berufe lebte, ohne an Reichstage zu denken, die eben ihn nur håtten hemmen können.

Während Friedrich seinen Antimacchiavell, unter Voltaire's Augen, in Holland drucken ließ, lag der König schon in Potsdam schwer leidend an der Wassersucht danieder, die feinen christlichen Sinn acht Monate lang eine harte Prüfung bestehen ließ. Jm Sommer 1739 war Friedrich Wilhelm auch noch mit seinen beis den åltesten Söhnen und mit dem Fürsten von Dessau nach Preußen, zur Heerschau nach Wehlau und bei Königsberg gereist, hatte auch Lithauen, dessen zweiter Schöpfer er war, besucht; aber schon frånkelnd kehrte er zurück, nachdem er den Kronprinzen noch durch eine ganz unverhoffte Güte beglückt. Als Friedrich 1726 Anfangs Jun zum ersten Male nach Königsberg kam; so schenkte ihm der dortige Magistrat einen kostbar gestickten Beutel mit 1000 Stück Speziesdukaten; diese letzte preußische Reise vor der`Thronbesteigung überraschte ihn durch ein ähnliches Geschenk. Der Kd nig verehrte ihm nåmlich die Stutereien zu Trakehnen, welche zehnbis zwölftausend Thaler einbrachten 2). Das war für den Sohn

1) v. Haller irrt also, wenn er in f. Restauration der Statswiffenschaft. 2. Aufl. Winterthur 1820. Bd. 1. S. 190 fagt Friedrich dem 2. sei einst in einer seiner Schriften entfallen zu sagen: un prince est le premier serviteur de l'état; " auch wolle man bemerken, daß Friedrich seine Jugendschriften nicht unter dem Einflusse der französischen Publizisten habe abfassen können, da Montesquieu f. Esprit des loix erst 1748, Rousseau f. Contract social 1762 bekannt machte.

2) Siche den Brief an Jordan, Petersdorf, den 23. Jul 1739.

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nach den letzten Stürmen, welche er vom Vater erduldet, ein ganz unerwartetes und um desto erfreulicheres Zeichen der Gnade desselben. " Weder das Publikum, noch ich, noch der König selbst, schreibt Friedrich, auf dem Gestüt in Preußen, den 10. August 1739 an Camas, waren uns derselben vermuthen, und sie machte fich, in Wahrheit, ich weiß selbst nicht wie: aber jedenfalls auf die für mich 'schmeichelhafteste') Weise von der Welt. Ich war bes troffen in dem Augenblicke, als der König zu mir sagte: „Ich schenke dir das Gestüte;" eine gewöhnliche Wirkung der Überras schung: aber ich unterließ nicht, dem Könige nachher Alles das zu erkennen zu geben, was die vollkommenste Dankbarkeit mir eins flößte; mehr entzückt über seine Güte, als über die Herrlichkeit des Geschenkes, und lebhafter gerührt von der Rückkehr seiner våters lichen Zärtlichkeit, als von allen den Gegenständen, welche dem Vortheile und dem Ehrgeize der Menschen schmeicheln.”- Aber, sowenig das Friedrich auch in dem köstlichsten Genusse kindlicher Gefühle alsbald erwågen mochte; jenes Geschenk war für seine Bedürfnisse eine höchst willkommene Beisteuer, da er, bei geringen Einkünften, oft in sehr quålender Geldverlegenheit war. Im Lande wagten, aus Furcht vor dem Könige, nur wenige Leute, wie der Kaufmann Splitgerber, zu leihen; oder die Gläubiger drückten unmenschlich. Also kostete es des Kronprinzen Freunden große Mühe, in der Heimath oder in der Fremde die bendthigten Summen aufzutreiben. In dem Briefwechsel mit Suhm ist, von Seite 219 an, fortwährend die Rede von Friedrichs Geldqual. Vergeblich bemůhete Suhm sich, in Wien einen zuverlässigen Geschäftsmann zu finden. Endlich, als die Verlegenheit aufs Außerste gestiegen war, schaffte er durch Biron, welcher bald darauf Herzog von Kurland wurde und der erklärte Günstling der Kaiserinn Anna war, im Jahre 1737, 10,000 Thaler.,, Quinze jours plus tard, j'étois perdu sagt Friedrich in seiner Danksagung. Daraus kann man sich von seinen Geldverhältnissen einen Begriff bilden. Aber es wurden, mit den wachsenden Bedürfnissen, besonders bei der Kostspieligkeit großer Rekruten, von denen ein zehnzölliger 700 Thaler,

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1) Friedrich an Suhm, Königsberg den 8. Aug. 1739:,, le Roi m'a fait le plus gracieusement du monde présent de son haras Prussien.“

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einer von sechs Fuß 1000 Thaler und so hinauf, kostete'), immer größere Mittel nöthig.,,Je suis court d'argent, schreibt der Krons pring 1738 an Suhm, les recrues renchérissent, et il faut en faire." Also fortwåhrende Unterhandlungen um Geld, die Glåubiger befriedigen zu können. Dabei musste man bei dem Könige sehr auf seiner Hut sein, in Chiffern schreiben, durch Berliner Bans quiers. (Jordan oder Michelet), die Briefe besorgen; das Geld in Stettin durch einen Vertrauten in Empfang nehmen. Den 1. Fes bruar 1739 schreibt Friedrich an Suhm: „Die Nachrichten, welche Sie mir gegeben haben, sind eben so gut als angenehm und koms men mir in meiner jeßigen Lage grade gelegen. Ein Mensch, der in den Hånden der Seeräuber gewesen ist, kann sich in keiner übles ren Lage befinden, als ich. Dies vervielfältigt meine Erkenntlichkeit für die Bemühungen, die Sie sich meinetwegen gegeben haben.“ Der Kriegs und Domånenrath v. Münchow (der nachherige schles sische Minister) unterhandelte bei dem Proconsul Ließmann2) in Ruppin den 8. Jun 1738 ein Anlehen von Tausend Thalern, wovon 472 Thaler schon nach einigen Monaten zurückgezalt wurden; das Übrige gerieth in Vergessenheit und wurde 1782, um auch die Zinsen zu entrichten, mit 1682 Thalern an die Erben abgetragen 3).

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Bei diesen Umstånden musste das Trakehner Gnadengeschenk auch einen sehr wesentlichen Sachwerth haben. Aber, Friedrich håtte so gern mit der vollen Liebe seiner großen Seele den theuren Vas ter umfasst; während der König, bei aller Trefflichkeit seines Hers zens, mehr strengen Gehorsam heischte; weniger den freien Gehorsam der Überzeugung, als den der Unterthänigkeit und Furcht, in wels chem das ganze Volk gebunden lag, sodaß die rechte, freie Liebe und der willige Gehorsam gegen Thron und Vaterland erst durch die Könige seit Friedrich geschaffen ist. Das lastete auf dem Kronprinzen schwer. Die nie ganz erlöschenden Flammen des Ungewitters verlegten den kindlichen Busen tief.,,Mein theurer Camas, schreibt er den 7. Januar 1736, die Schule der Widerwärtigkeit ist eine harte Schule; ich bin darin, so zu sagen, erzogen und ges

1) Friedrich in der Abhandlung Du Militaire,

2) Siche Beilage 5.

3) Siche Büsching's Charakter. S. 277.

boren: das reißt sehr von der Welt los, das lässt uns die Eitelkeit der Dinge, ihre geringe Zuverlässigkeit und den Wechsel eins sehen, welchen die Umwälzungen der Zeit nach sich ziehen. Für eine Person meines Alters find das wenig angenehme Betrachtungen; das Fleisch sträubt sich dagegen." Inniges Entzücken aber

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beglückt ihn, wenn er den königlichen Vater (welchem er, nach eis nem Briefe an d'Argens vom 28. Dkt. 1760 seine,,Jugend ges opfert)," in seiner landesväterlichen Größe bewundern, in seinen milderen Ansichten von den Wissenschaften lieben muss; und, was er selbst darüber empfindet, das eilt er, den bewährten Freun den auszusprechen. Den klassischen Brief an Voltaire, Insterburg, den 27. Jul 1739, welcher König Friedrich Wilhelm den 1. als Wiederhersteller der Provinzen Preußen und Lithauen aus den Verheerungen der Pest schildert, wolle man doch ja zu wahrer Herzstårkung ges nießen 2). An Camas schreibt der Kronprinz, den 21. Dez. 1738: „Ich habe eine merkliche Veränderung in dem Humor des Königs gefunden; er hat von den Wissenschaften, als von etwas Löblichem gesprochen; er ist außerordentlich gnådig geworden; ich bin entzückt und außer mir vor Freude gewesen über das, was ich gesehen und gehört habe. Alles Löbliche, was ich sehe, giebt mir eine innere Freude, die ich kaum verbergen kann. Ich fühle die Gesinnungen der kindlichen Liebe in mir sich verdoppeln, wenn ich so vernünftige, so wahre Ansichten in dem Urheber meiner Tage bemerke."- So an Suhm, den 14. Oft. 1739 Die Neuigkeiten des Tages sind, daß der König drei Stunden täglich Wolffs 3) Philosophie liest.

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1) „Après avoir sacrifié ma jeunesse à mon père, mon âge mûr à ma patrie, je crois avoir acquis le droit de disposer de ma vieillesse." Corresp. avec d'Argens. Königsb. T. 1. p. 218. 2) Er steht in der Baseler Ausgabe der Oeuvres complètes de Mr. de

Voltaire. T. 75, p. 79 und ist daraus in den 2. Band der Suppléments aux Oeuvres Posthumes von den Berliner Herausgebern aufs genommen worden.

3) Wolff, war den 8. Nov. 1723 bel Strafe des Stranges von Halle verjagt worden. 1739 ernannte der König eine Behörde (die Hofprediger Jablonski und Noltenius, den Probft Reinbeck und den Feldprobßt Carstedt) unter des Justizministers von Cocceji Vorsiße, zu untersuchen, ob Wolffs Philosophie wirklich die chriftliche Religion angreife? Auf den sehr günstigen Bericht suchte der König den Philosophen zur Rückehr zu bewegen.

Friedrich Wilhelm hatte sich damals durch Dr. Heinius und Hofrath von Jariges einen kurzen deutschen Auszug aus der Theologia naturalis jenes Philosophen machen lassen. So sehr hatte er auch über diesen Mann seine Ansicht geändert, als dessen Jünger Friedrich Manches hatte leiden müssen. Auf die Weise heiterte sich in dem königlichen Hause gegen das Lebensende des Königs allmålig Alles auf und das Geschenk in Trakehnen sollte völlige Vergessenheit legen zwischen das Sonst und Jeßt.

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Den 3. Febr. 1740 schrieb Leopold Fürst von Anhalt Dessau àn den König voll Freude über gute Nachrichten von dem besseren Befinden desselben und fuhr dann fort'):,,Ew. K. M. werden gnådigst erlauben, daß ich dieses allerunterthänigst beyfüge, da es nunmehro wohl fest ist, daß in Wien resolviret worden, die Kayserliche Regimenter fast auf ein Drittel zu vermindern, wodurch sie sich von Ihrer Schwachheit sehr bloß geben, so sollte unmaaßgeblich davor halten, daß wofern es Em. K. M. Thresor zulaffe, daß Ew. K. M. Dero Armee und Regimenter mit einigen tausend Mann anißo verstärkten, welches gewiß einen excellenten Effect unfehlbar nach Sich ziehen wird, und an ganz Europa zeigen, in was vortrefflichen Disposition Em. K. M. seyn; diese Erinnerung werden Ew. K. M. nicht ungnådig aufnehmen, weil es Deroselben zum Besten bewust ist, mit was Treue Ich E. K. M. diene, und nichts anders wünsche, als daß Sie von Tage zu Tage Ihre Armee formidabler machen, zum Trotz Dero Feinde, der ich mit treuer Beständigkeit und Respect verbleibe

Em. Königl. Majeståt

Leopold Fürst von Anhalt.

Unter diesen Brief hatte der König d. 9. eigenhåndig zur Antwort geschrieben:

,,ich dencke zu sterben und habe an meinem elsten sohn alles gesagt was ich weis.“

Fr. Wilhelm.

1) König's Histor. Schilderung. 4. Thl. 2. Bd. S. 286.

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