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in der Häufung von Beiwörtern (z. B. V. 134, 931, 1105), von Hauptwörtern (z. B. V. 739 ff., 1055), von Zeitwörtern (z. B. V. 106), von Metaphern, Vergleichen, Beispielen (z. B. V. 163 ff., 331 ff., 1147 ff.) kundgiebt (ähnlich aber auch schon bei Sidney und Lyly); ferner die Vorliebe für rhetorische Fragen und Ausrufe, überhaupt die leidenschaftliche, erregte Darstellung, die realistische, mitunter etwas zu breite Ausmalung der Situationen, eine germanisch-schwerfällige Gründlichkeit und Derbheit in der Behandlung des Stoffes, endlich, besonders anziehend, die Jagd-, Tier-, und anderen Naturbilder.

Der Graf Southampton, dem Shakespeare dieses Erstlingswerk erzählender Dichtung widmete, scheint selbst ein eifriger Nimrod, zugleich, als bildschöner Jüngling, manchen Liebesabenteuern ausgesetzt gewesen zu sein. Das Thema passte also sehr gut, wenn es auch vom sittlich-pädagogischen Standpunkt aus nicht sehr geeignet erscheint. Aber auch Alphonse Daudet hat 'Sapho' seinen Söhnen gewidmet, "quand ils auront vingt ans".

Hat der Dichter zugleich etwa an seine eigenen Jagdund Liebesabenteuer vom Jahre 1582 gedacht? Ich glaube eher, dass spätere, mit eleganteren und verführerischeren Damen gemachte Erfahrungen zu Grunde liegen. Unverkennbar aber scheint mir, besonders in den letzten Strophen, welche die ganz unmotivierte Verwünschung der Liebe enthalten, eine misogyne, der Liebe abholde, reuevolle Stimmung des Dichters sich auszusprechen, ganz im Einklang mit den wohl um dieselbe Zeit gedichteten letzten Sonetten an die 'schwarze Frau'.

VII. Die Jugend-Sonette.

Die gründlichsten neueren Untersuchungen über Shakespeares Sonette sind, neben Dowdens schöner Ausgabe, unstreitig noch immer trotz Thomas Tyler die von Hermann Isaac (Shakespeare-Jahrbuch Bd. XIX). Thomas Tyler hat die Forschung nur auf einen Irrweg verlockt, von dem sie erst neuerdings sich wieder abwendet. H. Isaac hat zwar auch nicht immer annehmbare Ergebnisse geliefert, aber doch zuerst durch eine sorgfältige Stiluntersuchung und Vergleichung das nahezu vollständige Material für die Beurteilung und Datierung der Sonette beigebracht. Leider hat sich dieser Forscher durch vorgefasste Meinungen zu sehr leiten lassen und ist dadurch m. E. zu einer irrigen Chronologie und damit auch zu einer sehr zweifelhaften Auslegung der in den Sonetten angedeuteten persönlichen Beziehungen gekommen.

An der Echtheit der im Jahre 1609 von Thomas Thorpe als 'Shakespeare's Sonnets' veröffentlichten Gedichte zweifelt abgesehen von den Baconianern - niemand. H. Isaac besonders hat gezeigt, dass die Sonette in Gedanken und im Ausdruck sich so häufig und so auffallend mit den epischen Gedichten und den Dramen Shakespeares berühren, dass daraus allein schon die Identität des Verfassers gefolgert werden könnte, wenn sie nicht auch gut beglaubigt wäre.

Zweifelhaft und streitig ist dagegen noch immer die Abfassungszeit. Doch soviel dürfte jetzt feststehen und allgemein angenommen sein, dass die Sonettperiode Shakespeares über mehrere Jahre sich erstreckt hat. Nicht viel Widerspruch wird jetzt auch die Ansicht finden, dass schon Anfang der 90er Jahre Shakespeare begonnen hat Sonette zu dichten; im Sommer 1598 waren nach dem Zeugnis von Francis Meres schon weiteren Kreisen von Freunden Shakespeare'sche Sonette handschriftlich bekannt.

Aus stilistischen Gründen geht, wie H. Isaac gezeigt hat, hervor, dass wenigstens ein grosser Teil der Sonette in die erste Hälfte der 90er Jahre fallen muss.

Aber H. Isaac ist offenbar zu weit gegangen, wenn er seiner Essex-Theorie zu Liebe den Anfang der Sonettperiode bis ins Jahr 1588 zurück verlegte. Gerade mit den ersten Dramen haben auch die frühesten Sonette nur sehr geringe Berührungen. Auch ist es von vornherein unwahrscheinlich, dass der gewiss vielbeschäftigte Schauspieler und Schauspieldichter damals schon Musse und Stimmung zur Abfassung von Sonetten gefunden; diese wurde erst durch die Theaterferien der Jahre 1592/93 geboten.

Wie H. Isaac selbst nachgewiesen hat, erinnern manche Sonette Shakespeares, insbesondere solche, die dem Stil nach zu den frühesten gehören müssen, so auffallend an Sidneys Sonettensammlung Astrophel and Stella (1591 veröffentlicht), an Daniels Delia (1592-93 erschienen) und Constables Diana (1592), dass die Folgerung eines litterarischen Zusammenhangs nicht abzuweisen ist. Da nun aber Sidneys Sonette jedenfalls zu einer Zeit verfasst sind, als Shakespeare an Dichterruhm noch nicht dachte, da ferner von den gelehrten und älteren Dichtern Daniel und Constable gewiss nicht vorausgesetzt werden kann, dass sie den Spuren des jüngeren, damals noch wenig bekannten, ungelehrten Dichters folgten, so geht schon aus diesem Abhängigkeitsverhältnis Shakespeares, welches notwendig anzunehmen ist, hervor, dass erst ums Jahr 1592 die Sonettperiode des

grossen Dramatikers begonnen hat. Dazu stimmt nun genau, dass die frühesten Sonette sich mit Venus und Adonis, mit Richard III., Lucretia, Verlorener Liebesmühe, so auffallend und häufig berühren (vgl. Shakespeare-Jahrb. XIX, 185, XXXI, 224). Aber auch aus Gründen der Stilentwicklung wird man gerade auf diese Zeit geführt (vgl. Shakespeare-Jahrbuch XXXII, 152). Die Anwendung von Antithesen (z. B. CXXVII, CXXIX, CXLII), die Spielereien mit wiederholten Worten (z. B. CXXXV, CXXVI), die Vorliebe für parallelgebaute Sätze, die Concetti verraten eine schon erworbene Stilübung, die den frühesten Dramen noch fehlt, aber im dritten Teil von Heinrich VI. und noch mehr in Richard III. und den folgenden Dramen hervortritt. Die jugendliche Sonettperiode werden wir daher durch die Jahre 1592-94 begrenzen dürfen: sie umfasst zunächst die an die 'schwarze Frau' gerichteten Lieder, welche wohl die frühesten sind (No. 127 bis 154 [152?]), sodann die ersten der Freundessonette.

Das Liebesverhältnis Shakespeares zu der 'schwarzen Frau', welches sich auch in Ven. und Adonis, in der Verlorenen Liebesmüh (1593), in den Beiden Veronesern (1592 -94) und in Romeo und Julia (1593-94) widerspiegelt, wird danach in oder um das Jahr 1592 zu setzen sein.

Th. Tylers Hypothese, welcher die Hofdame Mary Fytton in dieser 'Dark Lady' zu erkennen glaubte, wird jetzt wohl (ausser von Georg Brandes) ziemlich allgemein als unhaltbar aufgegeben sein. Mary Fytton (24. Juni 1578 geboren) war um 1592 noch ein Kind von etwa 14 Jahren; sie war auch nicht brünett, sondern höchstens dunkelblond, wie aus Porträts noch zu ersehen ist. Ausserdem ist nicht das Geringste über irgendwelche Beziehungen Shakespeares zu der Hofdame bekannt, und solche Beziehungen sind von vornherein höchst unwahrscheinlich.

Alle Bemühungen, das Original der Rosalinde, die 'Dark Lady', aufzufinden, sind vergeblich gewesen und werden wahrscheinlich immer vergeblich bleiben.

Darum ist aber das ganze Verhältnis nicht etwa als eine Fiktion aufzufassen, oder allegorisch zu deuten. 1)

Die Schilderung des Äusseren der Geliebten, die Darstellung des Verhältnisses ist so sinnlich und naturwahr. die Leidenschaft und der Kampf mit der Leidenschaft, die Reue des Dichters ist so echt, ungeschminkt und tiefgefühlt dargestellt, dass ein wirkliches, und zwar ein tieferschütterndes Liebesverhältnis angenommen werden muss.

Selbst der zum Teil recht gekünstelte Stil, die phrasenhafte Rhetorik, das Witz-Haschen mancher Sonette darf keinen Zweifel an der Realität des zu Grunde liegenden Verhältnisses erwecken. Auch auf diese Herzensergüsse lassen sich die Worte John of Gaunt's in Richard II. anwenden: 'Misery makes sport to mock itself'. Die Sonette Sidney's und Spenser's sind oft noch gekünstelter und rhetorisch überschwänglicher, und doch wird niemand an der Echtheit der zu Grunde liegenden Gefühle zweifeln.

Die frühesten Sonette Shakespeare's zeigen, wie die seiner Zeitgenossen, noch den Einfluss des italienischen Modestils. Ob Shakespeare Petrarca's und Tasso's Sonette gekannt hat, ist mindestens sehr zweifelhaft. Die allerdings bemerkenswerten Übereinstimmungen werden wohl durchweg durch Vermittelung von Sidney und Constable, die Petrarca nachahmten, und durch Daniel, der ein Schüler Tasso's war, zu erklären sein. 2)

Da die Abfassungszeit der Sonette Shakespeares nicht genau zu ermitteln ist, lassen sich Nachahmungen und Entlehnungen aus anderen Sonettencyclen nicht durchaus sicher nachweisen, um so weniger als alle englischen Sonettendichter direkt oder indirekt den Spuren italienischer Sonettisten, insbesondere Petrarca's, folgten.

1) Man kann die Fiktionstheorie nicht besser widerlegen, als es H. Isaac im Archiv f. n. Spr. Bd. 61 S. 400 getan hat.

2) H. Isaac nimmt allerdings Bekanntschaft mit Tasso's Sonetten und direkte Nachahmung an (Sh.-Jahrbuch XVII, 184, 185, 191).

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