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Eine so bedrängte Zeit hat es in seiner Kriegerlaufbahn noch nicht gegeben. Und hier ist es wieder vorzugsweise lehrreich, des Kdnigs Briefe und Gedichte, in denen sich seine jedesmalige Gemüthsstimmung so rein abspiegelt, mit den äußern Begebenheiten zusammen zu halten, namentlich sein schönstes Gedicht, die, den 23. Sept. in Erfurt an Marquis d'Argens geschriebene Epistel: „Ami, le sort en est jetté'), ein wahres Meisterwerk der Poesie; und die herrliche Epistel an Voltaire vom 9. Oktober 2), als Antwort

sollten, Dieselben sich auf die lehte in Magdeburg werfen können. Ich denke und hoffe, und werden Ew. L. mit darauf treiben, daß alle menschmögliche Anstalten gemachet und vorgekehret werden, daß es alsdann darin an Magazinen und Lebensmitteln nicht fehlen möge.“ (Wagners) Denkwürdigkeiten für die Kriegeskunst. Heft 4. S. 114. Den Tag darauf an Denselben: „Dans notre situation il faut se persuader, mon cher, qu'un de nous en vaut quatre autres"; a. a. D. S. 116.

1) Oeuvres posth. T. 7. p. 175-184.

2) Friedrich den 9. Okt. 1757 an Voltaire 1):

,, Je suis homme, il suffit, et né pour la souffrance:

"" Aux rigueurs du destin j'oppose ma constance.

Mais avec ses sentimens, je suis bien loin de condamner Cathon et Othon. Le dernier n'a eu de beau moment en sa vie que celui de sa mort.

,,Croyez, que si j'étais Voltaire,
Particulier aujourd'hui ;

Me contentant du Necessaire,

Je verrois envoler la fortune legere,

Et m'en moquerais comme lui

Je connois l'ennui des Grandeurs,

Le Fardeau des devoirs, le Jargon des Flatteurs,

Et tout l'amas de petitesses,

Et leurs genres et leurs especes,

Dont il faut s'occuper dans le sein des Honneurs.

Je meprise la vaine gloire,

Quoique Poete et Souverain;

Quand du ciseau fatal retranchant mon destin,

Atropos m'aura plongé dans la nuit noire,

Qu'importe l'honneur incertain,

De vivre après ma mort au Temple de Memoire ?

1) Oeuvres complètes de Mr. de Voltaire. Ed. de Basles 1792.

49

T. 76. p.

- 55; Baseler Ausgabe der Oeuvres posthumes T. 2. p. 257; Commentaire historique p. 76; Hinterlassene Werke, deutsche übersez. von 1789. Theil 9. S. 169; Supplément aux Oeuvres posth. T. 2.

auf die Gründe desselben, nicht freiwillig zu enden:,,Croyez, que si j'étais Voltaire.",,Ja, glaubt mir, wenn ich Voltaire wåre," welche mit den merkwürdigen Zeilen schließt:

"Ich aber vom Orkan bedroht,

Musss, troß dem nahenden Verderben,
Als König denken, leben, sterben."

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Denselben Gedanken spricht der hohe Dichter auch nach der Schlacht von Kolin in der Elegie an sein Vaterland aus: „O Du, mein theures Volk, dem jeder meiner Wünsche lebt; o Du, das zu beglücken mir die Pflicht gebeut! Ich sehe von Gefahren Dich umringt; Dein thrånenwerthes Los durchdringt mich tief; Dein Schicksal beugt mich nieder. Wie gern verzåß' ich meines Ranges Glanz: doch, Dir zu helfen, fließe jeder Tropfen, der meiner Adern Bau durchrinnt. Ja, Dir gehört dies Blut und mein gerührtes Herz bringt freudig seine Tage zum Opfer meinem Vaterlande dar" 1).

Und diese hehre Gesinnung im Unglücke eben ist es, die den

Un instant de bonheur vaut mille ans dans l'histoire:

Nos instans sont ils donc si beaux?

Le doux plaisir, et la mollesse,

La vive et naïve allegresse,

Ont toûjours fuï des Grands la Pompe et les Faisceaux.

Nés pour la Liberté, leur troupe enchanteresse

Prefere l'aimable paresse

Aux austeres devoirs, Guides de nos Travaux.
Ainsi la fortune volage

N'a jamais causé mes ennuis :
Ou qu'elle m'agace ou m'outrage,
J'en dormirai toutes les Nuits,
En lui refusant mon Hommage.
Mais nôtre Etat nous fait la Loi,

Il nous oblige, il nous engage,
A mesurer nôtre courage
Sur ce qu'exige nôtre emploi.
Voltaire dans son Hermitage
Dans un pays, dont l'heritage
Est son antique bonne foi,

Peut s'adonner en paix à la vertu du Sage,

Dont Platon nous marqua la Loix;
Pour moi, menacé du Naufrage,
Je dois, en affrontant l'orage,
Penser, vivre et mourir en Roi.

1) Oeuvres posthumes T. 7. p. 162.

Stat rettete, so nahe oft sein Untergang schien. Auch jetzt siegt des Königs feste Zuversicht auf Muth und Einsicht. Selbst die schlauen Künste der Schmeichelei werden nicht verachtet. Er kennt den Herzog von Richelieu nach seiner politischen Ansicht, er weiß, daß er, wie der berühmte Kardinal seines Namens, ein eifriger Feind des Hauses Österreich und ein Bewunderer des Philosophen von Sans Souci ist'); er schreibt ihm einnehmende Worte, besingt ihn in einer Epistel und nennt ihn den Friedensstifter, den Erhalter von Genua, den Sieger von Minorka. Richelieu ging wirklich auf des Königs Friedensantråge vom 7. Sept. ein 2) und fragte bei seinem Hofe darüber an, welchen gleichzeitig die Markgråfinn von Baireuth durch Voltaire und den Kardinal de Tencin, Erzbis schof von Lyon), friedlich zu stimmen suchte. Aber an der

1) Voltaire an Friedrich, den 9. Febr. 1747: „J'ai revu Mr. le Duc de Richelieu, qui est au désespoir de n'avoir pu faire sa cour au Grand-Homme de nos jours. Il ne s'en console point." Lettres inédites de Voltaire. Paris 1802. p. 8; auch in den Lettres inédites de Madame la Marquise Du Chatelet et Supplément à la Correspondance de Voltaire avec le Roi de Prusse. A Paris, chez Lefebvre 1818. p. 101.

2) Friedrichs Brief an Richelieu aus Ritha') vom 7. Sept. und die Antwort darauf findet man in den Mémoires de Richelieu T. 9. p. 175: ,, Richelieu temporisa. Il resta pendant près de deux mois à Halberstadt, attendant, pour ainsi dire, l'arrivée de Frédéric II., communiquant avec lui au moyen d'une machine à chiffres. 1. c. P. 198.

3) Den Brief der Markgråfinn von Baireuth an Voltaire vom 12. Sept. 1757 über Preußen's Unglück und ihr Bemühen, durch den Cardinal de Tencin), der als Statsminister ein großer Gegner des Bündnisses zwischen Frankreich und Österreich gewesen war und damals zurückgezogen in Lyon lebte für den Frieden zu wirken; s. Commentaire historique. A Geneve 1777 p. 72 ff.; Mémoires pour servir à la vie de Mr. de Voltaire. 1784, p. 79.

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1) Auf dem Wege von Dresden nach Naumburg grade zwischen Grimma und Pegau. In den Mémoires de Richelieu T. 9. p. 175 steht unrichtig Rote; auch mu p. 176 Zeile 11 von oben in dem Briefe des Königs an Richelieu statt,, ne devroient pas espérer“ „, ne font pas espérer“ gelesen werden.

2) Madame de Tencin, seine Schwester, war d'Alembert's Mutter, dessen Vater der Provinzialkommissar der Artillerie Destouches ift.

Seine fann man - blinde Rache: um sich fünf Jahre später durch einen nachtheiligen Frieden zu retten. - Friedrich ruht nicht; der Oberst von Balbi geht, als Amtmann verkleidet, in das Lager des Herzogs von Richelieu ab, mit welchem er einige Feldzüge in Flandern gemacht hatte. War auch an Frieden nicht zu denken; so gewann man doch einige Schonung für die Provinzen des Kdnigs') — und Richelieu blieb můßig.

Als Friedrich von Dresden, den 12. Sept., auf Erfurt losging; da zog Soubise sich nach Eisenach zurück 2). Der König ihm nach, erlöst Gotha vom Feinde, lässt Seydliß mit 15 Schwadronen zur Beobachtung zurück, um selbst, Berlin's wegen, der Elbe nåber zu rücken. Seydliß aber nahm zwischen Gotha und Erfurt eine Stellung. Da fällt es dem Prinzen von Hildburghausenein, seine Würde durch eine glänzende Unternehmung zu schmücken; Soubise stimmt ihm bei, die Preußen aus Gotha zu vertreiben. Beide machen sich auf mit den Grenadieren ihrer Armee, mit der österreichischen Reiterei, mit den Panduren unter Loudon und mit allen leichten Truppen der Franzosen: bloß zum schmählichen Vorspiele der Schlacht von Rossbach. Denn Seydlig verscheuchte jene ganze feindliche Schar, 8000 Mann, bloß durch ein geschicktes und wohlerdachtes Mandver, indem er die 15 Estas drons, welche seine ganze Macht waren, in langen Linien zur förme lichen Schlachtordnung aufstellte, die Husaren vorauf, Meinecke Dragoner in zweiter Reihe und eine halbe Meile dahinter, bei einem Defilee die Dragoner von Czettrih. Diese Kriegslist schreckte den Prinzen von Hildburghausen; die dsterreichischen Husaren wanks ten; Seydlig rückt allmålig vor; der Prinz von Darmstadt. raumt mit den Reichstruppen Gotha in aller Eil, und Prinz Sous

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1) Oeuvres posth. T. 3. p. 201 und v. Rehow Charakteristik Theil 1. S. 197, wo auch die 100,000 Thaler erwähnt sind, welche Balbi dem Herzoge zur Erkenntlichkeit überreicht.

2) Den kläglichen Zustand der Reichsvdlker und der Franzosen schildert St. Germain a, a. Q. p. 145 ff.; unter andern auch p. 150: „Si l'on ne s'y prend pas bien, l'on verra éclore une guerre de religion. L'AIlemagne est bien lasse de nous autres; nous la saccageons de notre mieux: cela lui apprendra à faire la guerre. Nous devons bientôt marcher en avant si la peur ne nous arrête.“

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bise stürzt vom Schlosse auf's Pferd, um zu entfliehen; drei Offiziere und 150 Soldaten wurden gefangen '). Diese Überrumpelung von Gotha geschah den 14. September, unbedeutend an sich; aber merkwürdig durch die weise Entschlossenheit des Befehlshabers und durch das erfolgreiche Selbstvertrauen, welches er der Reiterei einflößte. Darum spricht auch der König in seiner Geschichte des siebenjährigen Krieges mit besonderem Wohlgefallen von dieser Begebenheit).

Indeff rückte ein Korps von der großen französischen Armee aus Westphalen durch Hessen auf Langenfalza los; auch kam das Gerücht von einem österreichischen Streifzuge, welcher von der Oberlausit in die Mark losdringe. Der König verließ nun Erfurt, zog sich nach Eckartsberga, ging bei Naumburg über die Saale, passirte die Elbe bei Torgau und ging auf Annaburg, wo er das Schicksal seiner Hauptstadt erfuhr. 4000 Kroaten unter General Andreas Graf Hadik, von dem Armeekorps welches unter dem Generalfeldzeugmeister Marschall von Bieberstein damals in der Oberlausit stand, waren am 16. Oktober 11 Uhr Mittags bis nach Berlin gestreift, hatten 200,000 Thaler Brandschaßung erhoben, aber, des andern Morgens schon vor Tage nach Kottbus sich zurückgezogen 3). Die Besaßung von Berlin betrug nur fünf

1) über Friedrichs Benehmen gegen die französischen Kriegesgefangenen spricht ein Schreiben an den Herzog Ferdinand, Kirschleben den 28. Sept. 1757: Was die gefangenen Franzosen anbetrifft, da ist Meine Intention, daß E. L. die Officiers auf Parole relachiren können, wenn zuförderßt von ihnen eine accurate Liste mit Anführung ihres Vorund Zunamens, Charakters und des Regiments, hei welchem sie dienen, gemacht sein wird. Die Gemeinen aber muss man recht gut halten und cajoliren.“ (Eigenhåndig),,Je ne crois pas que les François feront grand chose." (Wagner) Denkwürdigkeiten. Heft 4. S. 121.

2) Oeuvres posth. T. 3. p. 203-207.

3) Über die Einnahme Berlins von dem dsterr. Gen. Hadik 1757 s. Neuc Berlin. Monatschrift von Biester. August 1803 S. 115–135, ein interessanter Bericht von einem Augenzeugen; s. auch Bießters Berlin. Blåtter 1797. Dez. S. 292 ff., ebenfalls von einem Augenzeugen. Erinnerungen an Wackenroder von Klein. Berlin bei Dicterici 1809. 79 S. 8. Wackenroder war seit 1756, als Assistent seines Oheims

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