Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

getragen hatte, betrift einen Vorfall, der seiner Mas tur nach ganz geheim war, und wo also die Nachs richten um so viel eher verschieden seyn konnten. Hier aber ist eine Begebenheit, die vor den Augen einer. ganzen Stadt sich sollte zugetragen haben, die in dfs fentlichen gedruckten Nachrichten erzählt und seit mehr als zwanzig Jahren bis jetzt nie widerspros chen ward.

Im Februar 1767 fragte der König einst bey seiner Tafel, wie er zuweilen zu thun pflegte: Was sagt man Neues in Berlin? Es fiel jemand ein zu antworten: Die Leute sagen, es würde nächstens wieder Krieg entstehen, Der König, der vielleicht seine Ursachen haben mochte, fuhr darüber auf, und sagte: „Was das für dummes ,, Geschwät ist! Die Leute reden nur immer vom ,,Kriege, weil sie nichts anders zu reden haben. Man muß ihnen Gelegenheit geben, von etwas ,, anderm zu sprechen." Er schickte darauf an einen vertrauten Mann folgenden Aufsaß, mit dem Befehle, ihn in beide Berlinsche Zeitungen einrücken zu lassen:

"

[ocr errors]

Aus Potsdam wird folgendes gemeldet: Am 27fien ,, Febr. des Abends wurde der Himmel ganz dunkel; „finftere durch ein Gewitter zusammen gezogene Wol„ken, wovon man wenig Exempel hat, bedeckten den

gans

ganzen Horizont. Es donnerte bey starken Bligen, und bey den verdoppelten Schlägen fiel ein Hagel, deffen man sich bey Menschengedenken nicht zu erin „nern gewußt. Von zwey Ochsen, die ein Bauer an ,, einem Wagen gespannt, um nach der Stadt zu fah ,,ren, wurde einer auf der Stelle erschlagen; viele ges

99

meine Leute wurden in den Straßen verwundet, und ,, ein Brauer zerbrach dadurch den Arm. Die Dächer

[ocr errors]

wurden durch die Schwere des Hagels zerschmettert; ,, alle Fenster in den Häusern, die gegen den Wind las j, gen, der dieses Ungewitter fort trieb, wurden einges „, schlagen. Man hat in den Straßen große Klumpen , von Hagel wie Kürbisse angetroffen, die nicht eher ,, als 2 Stunden nachdem das Ungewitter aufgehöret, , geschmolzen sind. Dieses besondere Phänomenon hat . einen sehr großen Eindruck gemacht. Die Naturfors ,,scher behaupten, daß die Luft nicht Gewalt genug habe, diese fefte und zusammen gefrorne Klumpen zit ,, tragen, und daß die kleinen Hagelkörner in den durch ,, die Heftigkeit des Windes zerrissenen Wolken sich

wegen ihrer Menge im Herunterfallen vereinigt, und ,, nicht eher diese außerordentliche Gestalt bekommen ',, haben, als da sie nicht weit mehr vom Erdboden gès ,, wesen. Es miag nun dieses zugegangen seyn, wie es ,, will, so ist es doch gewiß, daß dergleichen Vorfall sehr », felten, und beynahe ohne Exempel ist.“

Dieser Aufsaß ward auch wirklich in beide' Berlinsche Zeitungen vom 5. März 1767 Nr. 28 eingerückt. Der König erhielt seinen Zweck, daß von dieser Begebenheit in ganz Berlin geredet ward. In Potsdam hingegen war man åuss serst verwundert, weil man daselbst von einem solchen Gewitter gar nichts gehöret hatte. Es kamen viel Briefe aus Potsdam, besonders an die Verleger der Zeitungen, worinn man diesen berichtete, daß sie sich mit einer falschen Nachricht hätten hintergehen lassen, die sie widerrufen müßten. Diese, welche das Geheimniß wußten, und es nicht verrathen durften, beantworteten dergleichen Briefe nicht. An einen aber, der den Widerruf durch aus verlangte, ward geschrieben: Man wisse gea wiß, diese Begebenheit sey wirklich gesches, hen. Dieser Brief ward in Potsdam zur Ber: wunderung vieler Leute vergezeigt. Einige finger. nun dort selbst an, es für möglich zu halten, daß etwa noch am spåten Abende ein Gewitter gewes sen wäre, das sie nicht gehört hätten. Man rebeté von dieser Begebenheit, untersuchte sie nicht weiter, und vergaß sie endlich. Sehr wenige wußten die rechte Veranlassung:

Aus

Aus den Berlinschen Zeitungen kam diese Bes schichte fast in alle Zeitungen von Europa; und niemand sagte ein Wort von der Unwahrheit oder Unwahrscheinlichkeit der Begebenheit. Das lustigs he war, daß ein sonst sehr gelehrter und verdienter Mann, Herr Professor Titius in Wittenberg, in einem Buche das im folgenden Jahre heraus kam †), über diesen Vorfall ganz ernsthaft ein physikalifches Bedenken gab. Er fand alles ganz natur lich, und sagt ausdrücklich: „Es könne die Sache ,,gar wohl dem gewaltsamen Sturme beygemessen

[ocr errors]

werden, womit die Hagelsteine aus einer großen „Höhe der Wolken hernieder stürzten." Nur die Klumpen Hagel, so groß wie Kürbisse, schienen ihm etwas zu unverdaulich; und er fand dabey zu erinnern:,, diese Klumpen wie Kürbisse ,, müßten schwerlich von einzelnen Hagelsteinen vers ,,standen werden, sondern man müßte die zusam ,,men gesammleten Haufen der Hagelkörner dafür ,, annehmen." Endlich seht er noch hinzu:,,Möge ,,lich ist die Größe wohl, aber weil weder das ,, Gewicht angegeben, noch bewiesen ist, daß der Ochse

"

J. D. Titius gemeinnüßige Abhandlungen zu Ber förderung der Erkenntniß und des Gebrauchs na türlicher Dinge. Erster Theil. Leipzig 1768. gr. 8.

Ochse eben von dem Hagel erschlagen sey, u. s. f. "so bleibt die Sache noch bedenklich !“

Wer hätte denn nun diese Erzählung nicht für völlig verificirt halten sollen! Håtte etwa jemand nach funfzig Jahren an der Begebenheit zweifeln wollen, so würde man diesem gewiß antworten: ,, Wie wäre es möglich, eine solche Begebenheit, „die doch in Potsdam von der ganzen Stadt hat ,, bemerkt werden können, zu erdichten? Wozu „håtte man so etwas erdichten sollen? Es hat »in Berlin kein Mensch öffentlich widersprochen, ,, so wenig wie in Potsdam, das so nahe an Berlin liegt. Ein gelehrter Professor, der acht Meis ,,len von Potsdam wohnte, der sich sehr wohl das » selbst hat erkundigen können, der ein ganzes Jahr „Zeit hatte, sich zu erkundigen, hat an der Wahrs » heit dieser Begebenheit so wenig gezweifelt, daß er bloß wegen eines Nebenumftandes eine kleine physikalische Bedenklichkeit zeigte!"

Und bey allen dem, war doch diese ganze Sache eine bloße Erdichtung. Ich gestehe, ich lächelte damals schon über die Eraßhaftigkeit, mit welcher Herr Prof. Titius diese Begebenheit behandelte. Ich nahm mir vor, bey der Recension seines Buchs, in der allgemeineu deutschen Bibliothek, Nicolai Anekd. v. K. Fr. II, 16 H.

ger

« ZurückWeiter »