Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Der Graf Guibert erzählt (S. 148): der König habe während des Feldzugs 1761 †) Gift bey sich getragen. Er versichert, der Obers

[ocr errors]

+) Es verdient angemerkt zu werden, daß vor diesem Feldzuge, wo die Umstände des Königs so sehr schlecht ftanden, Derselbe (im Febr.1761) anfing: den armen Einwohnern in Berlin bey der damaligen großen Theurung Brod austheilen zu laffen. Damals was ren die Einwohner von Berlin, alles mitgerechnet, kaum 100,000, davon empfingen an 30,000, wor: unter auch sehr viel Soldaten - Weiber und Kinder waren, wöchentlich Brod. Der nachmalige K. Hofstaatssekretär Hr.Stiegel, welcher damals selbst die Austheilung besorgte, hat mir dieß erzählt. Ber; lin ist nicht reich, und wird.es nie werden. Es kom men zwey Ursachen der Armuth des ganz gemeinen Standes zusammen, nämlich daß diese Stadt eine Hauptstadt und zugleich eine Manufakturstadt ist. Wenn es also gleich auf der einen Seite zeigt, wie sehr Berlin im siebenjährigen Kriege mitgenommen war, da schon 1761 beynah der dritte Theil der Einwohner Almosen empfing; so ist es auf der andern Seite einer der ruhmwürdigsten und edelstenzüge des Charakters dieses Helden, der in eben dem Jahre, ws im Felde die Sachen so schlecht standen, (daß man ihn sogar in Verdacht hatte, er wolle sich selbst vergiften) fich der Armen seiner Hauptstadt väterlich erinnerte, und eine so reichliche Austheilung unter fie veranlaß te. Er, dem es dainals selbst so sauer ward, die zu Führung des Krieges nöthige Gelder zusammenzu

fte Quintus Jcllius habe es in handschriftlichen Nachrichten aufgezeichnet, und habe es ihm munds lich verschiedenemal wiederholt.

Ich muß gestehen, daß ich eigentlich nicht ab fehen kann, in welchen handschriftlichen Nachrichten Quintus diese Anekdote könnte aufgezeichnet haben. Einst sprach er mit mir über die Be schaffenheit der eigenen Nachrichten des Königs vom siebenjährigen Kriege, wovon ihm der König einen Theil hatte zu lesen gegeben, und die nun ges druckt werden. Er sagte dabey: Er selbst habe Lust, über denjenigen Theil dieses Krieges, dem er beys gewohnet, etwas aufzusehen, und er habe auch schon an verschiedene Stabsofficiere geschrieben, um sich von ihnen einige Nachrichten zu erbitten. Aber ohngefähr ein Jahr vor seinem Tode sagte er mir, seine Korrespondentén wåren nicht dienst fertig gewesen, um ihm das, was er wollte, mits zutheilen, und er selbst habe nicht Zeit gehabt, daher habe er nichts zu Stande gebracht.

[ocr errors]

Ich habe

bringen! Und welch ein Zeichen seiner weisen Res gierungskunft, daß er ein so ausgefogenes Land in wanzig Jahren wieder in den vorigen Wohlstand brachte!

Habe auch von dessen Frau Wittwe nicht ges hört, daß er etwas von ausgearbeiteten Hands schriften hinterlassen hätte. Indessen kann es seyn, daß dennoch dergleichen vorhanden wären.

Ich bin sehr weit entfernt im geringsten zweifeln zu wollen, daß derOberste Quintus dem Grafen Gui bert die obige Nachricht mündlich gesagt habe. Das Wort dieses edlen Mannes ist Bürge genug dafür. Indessen, die Glaubwürdigkeit der Thatsache selbst wird von sehr vielen Personen sehr bezweifelt. Und, was das sonderbarste ist, mir hat der Oberste Quintus, freylich nicht mehrmals, aber doch Eins mal, ganz positiv gesagt:

,,Es trügen sich viele mit dem Mährchen, der *, König habe während des siebenjährigen Krieges, ,, als die Sachen sehr schlecht gestanden, Gift bey ?> fich getragen; aber er wisse gewiß, es sey nicht ,, andėm." Er seßte noch hinzu: „Es sey nicht „ einmal wahrscheinlich; denn der König, wenn ,, er ja hätte sterben wollen, hätte ja den Tod viel glorreicher unter tausend feindlichen Flinten oder ,,Kanonen Kugeln finden können."

Hier ist also Zeugniß gegen Zeugniß. Der Widerspruch ist freylich sonderbar. Indessen will ich daraus weiter nichts folgern, als daß Quintus

über

über diese Sage zu verschiedenen Zeiten verschie dene Meynung gehegt hat,

In sofern sein Zeugniß in dieser Geschichte ets was gelten kann, so würde es freylich sehr darauf ankommen, ob er das, was er mit dem Hrn. Grafen Guibert sprach, eher oder später gesagt habe, als was er mir sagte. Denn wahrscheinlich wird seine leste Meynung wohl. die geprüftefte gewesen seyn. Ich gestehe, daß ich mich nicht genau erinnern kann, zu welcher Zeit er mir dieß erzählte, ungeachtet ich damals dieses Gespräch mir gleich aufzeichnete, So viel ich mich erinnere, war es während seines Winteraufenthalts in Berlin, gegen das Ende 1773, oder im Anfange 1774; und der Graf Guibert war, wie ich ́meyne, im Jahr 1772 in Potsdam,

Indeß, wenn auch bey näherer Untersuchung diese Thatsache sollte wahr befunden werden, wel ches ich bis jest kaum glaube, so muß ich doch ges stehen, daß ich von dem moralischen Werthe ders selben eine ganz andere Meynung hege als der Here Graf. Er sagt: "Man würde es ungern sehen,

[ocr errors]

wenn diese Anekdote nicht wahr seyn sollte. Es ,, liegt so etwas edles und rührendes in dem Ans »„blick eines großen Mannes, den Widerwärtigkeis ,, ten niederdrücken, und der, bey dem Gefühle,

[ocr errors]

,, daß sein Genie nicht länger gegen das Schicksal ,, kämpfen könne, fich im Stillen noch eine Zuflucht,, in seinem legten Unglücke, und einen Weg offen ,,hålt, um aus dem Leben zu scheiden." Mir

رو

scheint, man Edune, (im Falle anders die Geschichte wahr seyn sollte,) den König höchstens entschuldjgen, wenn er etwa auf den Fall gedacht hätte, er könnte blessirt und gefangen werden, und allenfalls befürchtet hätte, er möchte alsdann so schwach werden, Bedingungen einzugehen, welche dem Staate nachtheilig werden könnten, daß er in sols chem Falle lieber den Tod habe vorziehen wollen. In jedem andern Falle scheint es mir, wenn er gar keine Hofnung mehr gehabt hätte; würde er ins Gefecht gegangen seyn, um zu siegen, oder zu ster ben. Dieß wäre Seiner würdiger gewesen, und fiehet auch, meiner Meynung nach, Seiner Dens kungsart ähnlicher.

II.

Ich will noch an einem Beyspiele zeigen, wie es oft mit der historischen Wahrheit beschaffen feyn mag, und wie wenig Wahrheit zuweilen Nachrichten enthalten, die allgemein für glaub würdig gehalten werden. Die Erzählung, daß der König während eines Feldzugs Gift bey sich

ges

« ZurückWeiter »