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Der Markis konnte immer noch nicht begreifen, daß dieß Gesez ohne allen Unterschied angewendet würde; er fragte endlich:,,Aber unser lieber Mo,,sest) ist doch wohl nicht in dem Fall?“ Raphael antwortete:,, Allerdings! er wird hier bloß gedul ,, det, weil er in Diensten der Wittwe Bernhard ist. Wenn diese ihn heute aus ihrem Dienste ent ,, läßt, und er keinen andern Schußjuden finden „kann, welcher ihn in seinen Dienst nehmen will; ,,so muß er, wenn die Judenåltesten es noch heute ,, der Policey anzeigen, und seine Wegschaffung vers ,,langen, noch heute die Stadt verlassen. Der Mari kis war darüber außer sich. Der edle Mann konnte den Gedanken nicht ertragen: daß ein Philosoph, daß ein so weiser und gelehrter Mann, den jeder Rechtschaffene hochschäßen müßte, täglich in der Gefahr seyn sollte, sich auf so niedrige Art behandelt zu sehen. Er wollte es eher nicht glauben, bis es ihm Moses selbst bekräftigte, welcher in dem ihm eigenen edlen ruhigen Tone hinzu sehte: „, Sos „krates bewies ja seinem Freunde Kriton ††), daß ,,der

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†) Er pflegte Moses Mendelssohn gewöhnlich notre cher Moyfe ju nennen.

tt) S. Platons Phädon, oder auch Moses Phäden

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der Weise schuldig ist, zu sterben, wenn es die Gesetze des Staats fordern. Ich muß also die ,,Gesetze des Staats, worin ich lebe, noch für ,, milde halten, daß sie mich bloß austreiben, im „Fall mich, in Ermangelung eines andern Schußs ,,juden, auch nicht einer von den Trödeljuden in ,,der Reezengasse für seinen Diener erklären will."

Den Markis frappirte diese Lage der Sache aufs äußerste; und er war so sehr davon gerührt, daß er noch während des siebenjährigen Krieges deshalb an den König schreiben wollte. Er ward mit einiger Mühe davon abgehalten, weil man voraus sah, daß dieß nicht die rechte Zeit seyn würde.

Nach wiederhergestelltem Frieden dachte der Markis selbst wieder daran, und verlangte, daß Moses Mendelssohn eine Bittschrift aufsehen möchte, die er selbst übergeben wollte, ob er gleich sonst nie sich damit abgab, Bittschriften zu überges ben. Moses wollte sich erst nicht dazu verstehen. Er sagte: Es thut mir weh, daß ich um das ,,Recht der Existenz erst bitten soll, welches das „Recht eines jeden Menschen ist, der als ein ruhi,,ger Bürger lebt. Wenn aber der Staat übers

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wiegende Ursachen hat, Leute von meiner Nation „nur in gewisser Anzahl zu dulden; welches Vors

,, recht

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Recht kann ich vor meinen übrigen Mitbrüdern ,,haben, eine Ausnahme zu verlangen?" Indess sen stellten Moses Mendelssohns Freunde ihm vor," daß er ein Hausvater sey, und für das Wohl seis ner Familie diesen Schritt thun müsse. Er ließ sich endlich überreden. Ich vermuthe, es werde den Lesern nicht unangenehm seyn, diese Bittschrift wörtlich hier zu lesen :

..Ich habe von meiner Kindheit an beståndig in Ewr. Majestät Staaten gelebt, und wünsche, mich auf im mer in denselben niederlassen zu können. Da ich aber ein Ausländer bin, und das nach dem Reglement er „forderliche Vermögen nicht besize, so erkühne ich mich ,, allerunterthänigst, zu bitten:

,, Ew. Königl. Majestät wollen allergnädigst gerus ,,hen, mir mit meinen Nachkommen Dero allers ,, höchsten Schuß nebst den Freyheiten, die Dero uns. ,, terthanen zu genießen haben, angedeihen zu lassen, „in Betrachtung, daß ich den Abgang an Vermögen, ,, durch meine Bemühungen in den Wissenschaften ers ..sehe, die sich Ew. Maj. Protektion vorzüglicher Weise ,, zu erfreuen haben.'

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Der Markis übergab diese Bittschrift selbst dem Könige im April 1763; aber Moses bekam keine Antwort. Wir waren alle darüber betroffen; und ich gestehe, der sonst so sanfte Moses war hierüber Nikolai Anekd. v. K. Fr. Il. 18 H. E ziems

ziemlich empfindlich, und machte uns, die wir ihn dahin gebracht hatten, wider seinen Willen den Schritt zu thun, gewissermaßen Vorwürfe. Die Sache blieb so einige Monate, weil der Mart, kis voraussette, die Bitte sey gewährt worden, und weil Moses auf keine Weise weiter einen Schritt thun, oder auch nur an den Markis, der. in Potsdam wohnte, etwas darüber wolice gelans. gen lassen. Im Julius 1763 sprach der Markts von ohngefähr mit einem von Moses Freunden, und von dessen erhaltenem Schuhprivilegium. Dies ser sagte mit Achselzucken: der König habe auf die. Bittschrift nicht einmal geantwortet. Der Markis wollte dieß erst gar nicht glauben; da es ihm aber auch von andern bekräftigt ward, so gerieth er in großen Zorn, und rief mit seiner gewöhnlis chen Lebhaftigkeit aus : Nein das ist zu arg! 'Da » erkenne ich Ihn gar nicht! Wenns aber so ist, so soll Er mir es nicht umsonst gethan haben!“

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Als der Markis denselben Abend zum Könige kam, fing er schon beym Eintritt ins Zimmer an zu schelten. Der König, der nicht wußte, was er wollte, bezeugte ihm sein Befremden.,,Ach!" rief der Markis aus, „, Sire, Sie sind doch sonst. „gewohnt Wort zu halten. Sie wissen, daß ich

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"so sehr selten etwas von Ihnen bitte. Nun habe ,,ich einmal etwas von Ihnen gebeten, nicht für ,, mich, sondern für den rechtschaffensten würdigs "sten Mann. Sie versprachen auch, es zu gewäh ,,ren, und hernach thun Sie es doch nicht. Nein! ,, das ist zu arg! darüber muß ich wohl unzufries ,,den seyn."

Der König versicherte, Moses habe das Schuß; privilegium erhalten. Der Markis aber versicherte, Moses habe auf seine Biftschrift keine Antwort bes kommen. Endlich zeigte sich, daß ein bloßes Miß verständniß bey der Sache war. Der König sagte, die Bittschrift müsse durch einen ungewöhnlichen Zufall verloren gegangen seyn†). Moses solle nur noch eine Bittschrift übergeben, sodann wolle er ← 2

das

†) Der König pflegte, wenn er mit jemand von Ger schäften zu sprechen hatte, denselben früh Mor gens oder des Vormittags zu sprechen. Mit denjes nigen Leuten, die er des Abends kommen ließ, unterhielt er sich bloß zu seiner Erholung, und als: dann dachte er nicht an Geschäfte. Da ihm der Markis die Bittschrift des Abends gegeben hat te, so hatte vermuthlich der König des andern Morgens fich nicht mehr daran erinnert, und sie war daher wohl unter andern Papieren verworfen und also ganz vergessen worden.

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