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im Reiten, und am Tage des Einzugs ritt er wirk fich hinaus. Er hatte dem Könige die Anstalten der Einwohner von Berlin gemeldet; auch, daß er Ihm an der Spiße der Kompanie des Gotts kowski, entgegen kommen, und ihn bewillkommen würde. Der König that alles mögliche, üm den Markis von dieser Expedition abzubringen; aber er ward nur immer eifriger darauf. Endlich schrieb ihm der König einige Zeit vor Seiner Ankunft auss drücklich, er möchte sich keine Mühe machen und follte auch den Einwohnern Berlins bekannt maɛ chen: Sie möchten sich nicht bemühen, denn Er würde Abends ganz spåt kommen, eben um solchem Gepränge auszuweichen, wovon er kein Freund war. Der Markis bemühte sich in seiner Antwort an den König, noch kurz vor dessen Ankunft, Ihn durch viele Gründe zu bewegen, den Einzug anzus nehmen, und den Einwohnern Berlins nicht ihre Freude zu verderben, Mit fester Ueberzeugung, daß der König seinen Gründen folgen würde, ritt er getrost heraus. Der Tag der Ankunft des Kös nigs, der zoste Mårz 1763, war sehr kalt und uns freundlich. Das Getümmel vor dem Frankfurter Thore war unermeßlich. Man hatte den König schon gegen zwey Uhr vermuthet; und da er nicht

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kam, wurde die Erwartung immer mehr gespannt. Gegen 5 Uhr war hin und wieder Mißvergnügen unter den Einholenden deutlich zu merken. Hier und da sammleten sich Leute in kleine Haufen und murmelten allerley. Unter diesem Getümmel stieß ich ohngefähr auf den Markis. Ich würde ihn nicht gekannt haben; denn ich hatte ihn noch nies mals anders als unter zwey Schlafrdcken und zwey Nachtmüßen gesehen, wenn er mich nicht selbst zu sich gerufen hätte. Er machte eine sonders bare Figur in seiner gestickten Uniform und runs den Perücke mit einem Zipfelchen. Die Heftigs keit, mit der er deklamirte, war unbeschreiblich. Das kalte Wetter und das Ausbleiben des Königs hatten ihn in die verdrießlichste Laune geseßt; und dann pflegte er nichts zu schonen. Er schalt auf den König, daß er seinen so wichtigen Gründen nicht habe folgen wollen. Er rief aus, in seiner treuherzigen Lebhaftigkeit: „Ich habs Ihm ja ger "schrieben, daß Er es Seinem Volke schuldig ist,

dessen Liebe anzunehmen! Es ist unverzeihlich, ,,daß Er nicht kommt! Wenn ich Ihn nur erst „sehe, so will ich Ihm recht die Wahrheit sagen !❤ Alles was man that, ihn zu besänftigen, war umsonst. Endlich, nach einer Stunde, da es für Nicolai Anekd. v. K. Fr. II, 18 H.

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ihn wirklich allzukalt ward, bewegten wir ihn, nach der Stadt zu reiten; und noch unterweges schalt er beståndig fort bis aufs Schloß, wo er mit den andern Hofleuten den König erwarten wollte. Der König Lam bekanntlich erst nach 8 Uhr, als es schon dunkel war, an. Er hatte denselben Nachmittag das Schlachtfeld bey Kunersdorf besehen, wodurch wohl eben nicht heitere Ideen in Ihm mochten seyn erweckt worden. Er hatte geglaubt, der Markis würde Seinen Willen bekannt gemacht haben, daß Er nicht eingeholt seyn wollte; und allenfalls glaubte Er, würden die Einholenden sich zerstreuet, und nicht so spåt gewartet haben. Aber Er sah sich von einigen tausend Menschen umringt, so daß sich Sein Wagen kaum bewegen konnte. Die Fackeln, das Geschrey, die Menge kostbar gebundener schlechter Gedichte, die man Ihm überreichen wollte, die Bes forgniß, daß Leute im Getümmel zu Schaden koms men möchten: alles seßte Ihn in üble Laune. Er wich in der Stadt aus so bald er konnte, und fuhr durch einen Umweg aufs Schloß.

Nach einigen Tagen sah ich den Markis. Er erzählte ausführlich, wie alles zwischen dem Könige und ihm ergangen wåre, als er Ihn unter vier Augen gesprochen habe; ́und seşte sehr naiv hinzu :

Ich habe Ihm nichts geschenkt, und habe Ihm ,,deutlich genug gesagt, daß Er mir håtte folgen » sollen. Er wollte Scherz daraus machen; aber ,,da habe ich Ihn tüchtig ausgescholten †) daß Er „seinem Volke die Freude verderbt hat. Nun wurde Er aber ernsthaft. Es ist ein sonderbarer Mann! Wenn Er anfängt Gründe vorzubringen, ,,so muß man Ihm recht geben, man mag wollen » oder nicht. ††)" ~*

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IX.

Der Markis besaß wirklich so viel eigentliche Gelehrsamkeit, als man selten bey einem französi schen homme du monde antrift. In den letzten Jahren seines Aufenthalts in Berlin, wollte er feine Werke heraus geben; und da las er allerley zusammen, besonders blåtterte er auch viel in den · griechischen Kirchenvåtern. Er war gewohnt, mit - dem Könige von allem, was er vornahm, zu plaus dern, und so sprach er auch jeßt sehr viel zum Lobe der Kirchenvåter.

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†) Seine Worte waren: Il voulut plaisanter, mais je l'ai tancé d'importance.

††) C'eft un homme fingulier, quand il fe met à raifonner, il vous force d'être de fon avis,

Der König, der ihn gern anhörte, weil seine Gespräche sehr geschickt waren Ideen zu entwickeln, mochte ihn auch gern necken, weil Ihm die Ausbrüs che seiner provenzalischen Lebhaftigkeit zur Belustis gung dienten. So ward auch der arme Markis mit seinen Kirchenvåtern weidlich aufgezogen, und der König sagte sehr oft: „Kein Wort mehr von Euren Våtern! das find dicke Bücher, die nichts ents ,, halten, Körper ohne Seele!"†) Solche Worte waren immer das Signal, daß der Markis nach seiner Art bdse ward, und vom Lobe der Kirchens våter überströmte.

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Als das neue Schloß bey Sans - Souci fertig war, hatte der König dem Markis darinn eine Woh, nung zurechte machen lassen. Eines Tages sagte Er ihm sehr gnådig: Er wolle ihn und die Mars kise in Ihre neue Wohnung selbst einführen und sich dabey eine Tasse Thee von Ihnen ausbitten. Es geschah; der König war ungemein aufgeräumt. Er führte seine Gäste durch die Zimmer, zeigte Ihnen in jedem die Einrichtungen zu ihrer Bes quemlichkeit, sagte zuleht im Schlafzimmer: Er wolle

†) Ne me parlés pas de vos Péres! Ce font de gros livres qui ne contiennent tien, des corps fans ame!

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