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V.

Ein einziges Beyspiel von den sonderbaren Ausbrüchen der provenzalischen Lebhaftigkeit des Markis, will ich hier zu seiner Charakterisirung erzählen. Der König hatte ihm während des sie: benjährigen Krieges erlaubt, in Sans Souci zu wohnen, und hatte befohlen, alle Zimmer follten für ihn gedsnet seyn, ganz wie in seinem Eigenthume. Eben damals hatte der Herr Geh. Rath Cothenius in der Akademie eine Abhandlung von der Schädlichkeit des kupfernen Küchengeschirr res vorgelesen. Es ist bekannt, daß die Franzosen alles in kupfernen Kasserollen kochen. Der Mars kis; dessen sehr lebhafte Einbildungskraft sehr bald erhigt werden konnte, gerieth in eine solche Angst, vergiftet zu werden, daß er bey Tische beständig davon redete, und seine Gemahlinn so dringend bat, daß er ihr er ihr endlich das Versprechen abdrang, alles kupferne Geschirr in seiner Küche mit eisers nem zu vertauschen,

Man hat bemerken wollen, daß die Frauens zimmer noch bis jeht durch die in der That sehr wichtigen Gründe wieder das kupferne Küchenges rathe, noch nicht gänzlich von der Schädlichkeit desselben überzeugt werden, und nicht eben geneigt

Kind, die Einrichtungen in der Küche nach anderu Ideen als nach den ihrigen machen zu lassen. Ets was ähnliches mußte wohl der Markis von seiner eigenen Küche vermuthen. Denn, ob ihm gleich die Markise gewiß versichert hatte, es sey wirklich alles Kupfer abgeschaft worden; so fuhr er doch fort, immer von dessen Schädlichkeit zu reden.

Die Familie des Markis lebte auf Sans Souci zwar vergnügt, aber sehr einsam. An einem Abende hatte die Markise sich, den jungen Leuten, die ein Theil der Familie waren, und einigen andern Pers sonen ein kleines Vergnügen machen wollen, wels ches in einem Familien - Ball bestand, der in der Wohnung des Königl. Obergårtners (der damals dicht vor Sans Souci jenseit eines kleinen Gras bens wohnte) gegeben werden sollte. Man sagte dieses Vorhaben dem Markis. Er war der gutmüthigste Mann, und gönnte gern andern die Vers gnügungen, die er selbst nicht genießen konnte oder wollte. Er hatte also gar nichts wider dieß Vor: haben. Indessen, um seinetwegen sicher zu seyn, weil er doch gemeiniglich sehr leicht unruhig und ångstlich ward, so bemerkte gegen Abend einer oder der andere: Das Wetter sey kühle, und der Himmel sey bewölkt. Man wüßte schon, daß er

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nach einer solchen Bemerkung, glaubte, sich nicht wohl zu befinden. So brachte man ihn bey Zeiten zu Bette, und verließ sich auf seine wirkliche Ges sundheit, daß er bald einschlafen würde. Er ers wachte aber wieder, weil er immer von Kupfer träumte, und rief seinen alten Bedienten Jean. Er bekam auf dftères Rufen keine Antwort; denn die Domestiken, welche glaubten er schliefe ruhig, und die bey dem dortigen Aufenthalte auch 'eben nicht sonderlich viel Veränderung hatten, was ren herunter gegangen, so gut sie konnten, dem Balle zuzusehen. Er merkte wohl, dieß würde die Urs sache seyn, daß auf sein öfteres Klingeln niemand fam, und war weiter nicht böse darüber. Unglücklicher Weise fiel ihm ein : da jeßt niemand im Hause seyn werde, könne er unvermerkt am sichersten uns tersuchen, ob wirklich alles Rupfer aus der Büche verbannt sey, wie man ihn mehrmals hatte verz sichern wollen. Er stand also auf, so wie er im Bette lag, ohne Beinkleider, warf bloß einen Schlafrock über, zündete an seinem Nachtlichte eine Kerze an und ging nach der Küche. Da fand erwelch ein Schrecken!- nicht allein alles voll von Eupfernen Kasserollen, sondern auch eine, die noch etwas von einem säuerlichen Ragout enthielt, von

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welchem er glaubte Mittags gegeffen zu haben, Darüber gerieth er in den größten Zorn, und um augenblicklich seine Familie zur Rede zu sehen, lief er sogleich, so wie er war, nach dem Orte des Balls. Es ist bekannt, daß man von Sans-Souct herunter sechs Terrassen auf beynahe 150 Stufen herunter steigen muß, daß der Garten noch eine ziemliche Breite hat, bis man an den Graben, und über die kleine Brücke kommt, die man durchs Aufs treten niederlassen muß und welche sich durch ein Gegengewicht selbst wieder aufzieht, von wo man denn weiter zu den Gärtnerwohnungen gehen muß. Diesen weiten Weg machte er im Dunkeln, in der größten Geschwindigkeit. Man stelle sich das alls gemeine Erstaunen vor, als der alte Markis in dem groteskesten Aufzuge ins Zimmer trat. Er war barfuß; denn er hatte unterwegens die Pane toffeln verloren, dagegen hatte er zwey oder drey wollene Mützen auf dem Kopf, der Schlafrock flög zurück, und er stand da im Hemde ohne Beinklets der. In der Hand hielt er das corpus deli&ti, die Kasserolle mit den Ueberbleibseln des Ragouts, und schrie aufs heftigste: Je fais empoisonné!†) Zu

gleich

1) Ich bin vergiftet!

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.gleich schalt er so arg er konnte auf die entschliche Nachlässigkeit: troh aller Beweise gelehrter Leute, noch immer in Kupfer zu kochen, welches ihnen alelen noch den Tod bringen würde. Man suchte ihn Izu besänftigen, aber anfangs ohne allen Erfolg. Da er endlich sich besann, was für einen seltsamen Aufzug er machte, und daß er, der sich so sehr vor kals ter Witterung fürchtete, in der Nacht, ohne einis ge Bedeckung, einen so weiten Weg gelaufen war, fo kam er beynahe außer sich. Man sprach ihn möglichst zufrieden, wickelte ihn in Betten ein, und trug ihn wieder in seine Schlafkammer. Er des. flamirte den folgenden Tag, wie man leicht dess ken kann, aufs heftigste gegen die Schädlichkeit bes kupfernen Küchengeschirres. Er ließ sich feyers lich versprechen, daß es nun völlig abgeschaft were ben sollte; und es ward ihm, wie man ebenfalls (leicht denken kann, bestens versprochen. Aber die Kupfernen Kafferollen blieben wo sie waren, mans hütete ihn nur, daß er nicht wieder in die ›Küche kam. ♣nd m 3) 14

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Es verdient auch eine merkwürdige Geschichte aus der Familie des Markis d'Argens in Frank

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